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'SEIN KAMPF"

 

 

ANTWORT  AN   HITLER

 

VON

 

 

IRENE HARAND

 

 

WIEN 1935

 

 

5. bis 10. Tausend.

 

 

Im Selbstverlag der Verfasserin Irene Harand.

Wien, l., Elisabethstrasse 20

Herausgeberin der 'Gerechtigkeit".

Druck: 'Elbemühl", Wien. IX.

 

 

 

 


INHALTSVERZEICHNIS

 

 

 

Vorwort                                                                                                7

I         Die Lüge, die Hauptwaffe des Hakenkreuzes                      11

II        Der rasende Nationalismus                                                     13

III      Der Rassenwahn                                                                        33

IV      Die 'rassischen" Eigenschaften derJuden                            51

V       Die Lüge vom jüdischen Wucher                                           88

VI      Die Lügen über den Talmud                                                   102

VII     Die Ritualmordlüge                                                                  117

VIII   Jüdischer Idealismus und Opfermut                                       131

IX      Die 'Protokolle der Weisen von Zion"                                  196

X       'Juden sehen Dich an"                                                             216

XI      Die Bilanz des Hakenkreuzes                                                 277

XII     Schlußbetrachtung                                                                    334

 

 

Kapitel  11-12

 

 


{277}

 

11. Kapitel.

 

Die Bilanz des Hakenkreuzes.

 

              Ich habe mich bisher mit der Widerlegung der Lügen gegen die Juden befaßt, um der Menschheit den Spiegel vor ihr Antlitz zu halten. Es ist nicht wahr, daß ich mich als Schutzpatron der Judenheit aufspielen will.

Die Juden haben durch ihre Moral, durch die Ver-mittlung der göttlichen Offenbarungen, durch epoche-machende Erfindungen, Forschungen und Erkenntnisse  der Menschheit außerordentliche Dienste geleistet.

Wenn es trotzdem möglich ist, daß sie noch immer verfolgt, gepeinigt und diskriminiert werden, so werde ich ihnen als einfacher Mensch schwerlich Schutz bieten können.

Wenn ich mich gegen den Antisemitismus wende, so tue ich es, weil ich mich sonst meiner Passivität schämen würde, weil ich von tiefein Mitleid für die Opfer der Verfolgungen ergriffen bin und weil ich überzeugt bin, daß die Menschheit nur dann vorwärtskommen kann, wenn sie die Dinge in der Welt ohne Haß und ohne Affekt sachlich sehen, wagen und beurteilen kann.

 Der Antisemitismus bedeutet einen Angriff auf die Seele der Menschen, der die Entwicklung der Volksgemein-schaft hindert. Diesen Angriff will ich abwehren. Mit all meinen Kräften will ich den Wahnsinn aus den Ge-hirnen meiner Mitmenschen bannen. Ich habe nachge-wiesen, daß die Behauptung des Hakenkreuzes, die Ju-den seien eine minderwertige Rasse, ein glatter Schwin-del ist. Die Juden sind weder körperlich noch seelisch weniger wertvoll als die anderen Völker. Ich habe {278} nachgewiesen, daß die Unterschiede zwischen den Juden und den Deutschen weder in körperlicher noch in seelischer Beziehung irgendwie von Belang sind. Aus der Geschichte der Juden konnte man sehen, daß sie ein tapferes und von einem grenzenlosen Idealismus beseeltes  Volk sind. Die schönsten und erhabensten sittlichen Gebote haben uns die Juden geschenkt. Während des Mit-telalters haben sie der Welt bewiesen, weiche Marter und Folter Menschen aus Idealismus ertragen können. Kaum hatten sie die engen Gassen des Ghettos ver-lassen, und schon zeigten sie, daß sie für die Menschheit segensreich wirken können.

             

***

              Ich habe die Leistungen der Juden auf dem Gebiete der Medizin, der Kunst und der Technik aufgezählt. Ich habe gezeigt, von welchen fürchterlichen Krankheiten die Juden uns befreit haben und daß sie durch die tech-nischen Leistungen, insbesondere durch die Erfindung des Telephons, des Autos und des Radios, das Antlitz der Welt veränderten. Ich habe von Heine und von Ehr-lich erzählt, ich habe eine ganze Reihe von jüdischen Schriftstellern, Künstlern, Medizinern, Erfindern und Forschern genannt, die die besten Zeugen dafür sind, daß die Behauptungen der Antisemiten, die Juden seien 'minderwertig", Lügen und Verleumdungen sind.

Ich habe das Märchen von dem wucherischen und betrüge-rischen Geist, von der Feigheit der Juden zerstört. Ich habe gezeigt, daß die Juden bis zum XII. Jahrhundert überhaupt keine Geldgeschäfte betrieben und daß wir Christen sie später direkt gezwungen haben, Zinsen zu nehmen, damit unsere Machthaber sie ihnen wieder ab-pressen konnten. Ich habe nachgewiesen, daß der Talmud die edelsten Grundsätze proklamiert und lehrt.

Ich habe eine ganze Reihe von Sprüchen aufgezählt, aus denen der sittliche Geist des Judentums hervorgeht, damit meine Leser erkennen, wie sehr sie belogen und betrogen {279} werden, wenn man ihnen einzureden sucht, daß die jü-dische Religion, insbesondere der Talmud, Unsittlich-keiten und Unredlichkeiten vorschreibt. Ich bin über-zeugt, daß meine christlichen Mitmenschen, die meine Arbeit lesen, sich mit Abscheu von den Hetzern abwen-den werden, die sie zu Ungerechtigkeiten und Gewalttaten gegen die Juden verleiten wollen.

             

***

              Wie ich bereits erwähnt habe, handelt es sich hier nicht um den Schutz der Juden, sondern um den Schutz der ganzen Menschheit.

Es ist zweifellos, daß die Men-schen, die nur, weil sie die brutale Macht besitzen, ihre Mitmenschen diffamieren, an dieser Ungerechtigkeit selbst zugrunde gehen werden. Es gibt einen Gott, der kein Unrecht leiden kann.

 Man erinnere sich an den letzten Zaren in Rußland, der es geduldet hat, daß Pogrome gegen seine jüdischen Untertanen veranstaltet, daß unschuldige Menschen, darunter Greise, Frauen und Kinder abgeschlachtet werden, und der jahrzehntelang die Juden ebenso gedemütigt hat, wie es jetzt das Haken-kreuz in Deutschland tut. Man erinnere sich, daß dieser Zar von den Bolschewiken gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern in einem finsteren Keller erbarmungs-los niedergeschossen wurde, und man wird erkennen, daß ruchlose Taten schon auf Erden ihre Sühne finden. Wir leben nicht ewig.

Unser ganzes Leben rollt vor uns in der Sterbestunde ab. Ich kann mir nicht denken, daß jemand mit der notwendigen inneren Zufriedenheit die-ses Leben verlassen könnte, wenn er seinen Mitmenschen bitteres Unrecht bewußt zugefügt hat.

Ich will schon gar nicht von dem Schicksale sprechen, dem nach den Lehren unserer Religion die Menschen unentrinnbar ver-fallen sind, die während ihres irdischen Lebens die wich-tigsten Gebote unseres Glaubens übertreten haben.

Jeder Antisemit ist ein Sünder, denn er muß wissen, daß unser Herrgott nichts mehr verabscheut als die Heuchelei, als {280}  den Haß, als die Erbarmungslosigkeit und als die Anmaßung der Rolle eines Sittenrichters, wenn man selbst  nicht von Schuld frei ist. Wie schwer aber müssen diese Verfehlungen in die Waagschale fallen, wenn wir durch  Jahrhunderte unsere Mitmenschen quälen und martern,  wenn wir sie demütigen und zwingen, ein unnatürliches  Leben zu führen, um ihnen dann die Wunden vorzuhal-ten, die wir ihnen selbst geschlagen haben.

Wer dieses  Buch gelesen hat und noch immer Antisemit ist, der erbringt dadurch den besten Beweis, daß er an keinen Gott glaubt. Ich gehe sogar noch weiter: Ich weiß, daß die  Mehrzahl meiner christlichen Glaubensgenossen den Judenhaß ablehnt. Sie begnügt sich aber mit dieser Ab-lehnung. Das macht sie mitschuldig. Sie ist mitverantwortlich für die vielen Tränen, die unsere jüdischen Mitmenschen vergießen, für die vielen körperlichen und seelischen Schmerzen, die man ihnen nur deshalb zufügt, weil sie Juden sind.

Es genügt nicht, wenn man den Judenhaß ablehnt. Es genügt nicht, wenn man sich an den Orgien des Hakenkreuzes nicht selbst beteiligt, seine Pflicht hat man nur dann getan, wenn man nach Kräften  aktiv eingreift, wenn man überall Aufklärung verbreitet, wenn man kämpft, um die Schande, die das Hakenkreuz für die Menschheit bedeutet, zu beseitigen.

 

Man vergesse  nicht, welches bittere Unrecht der Judenhaß unseren  eigenen Kindern zufügt. In der Schule und im prakti-schen Leben werden auch unsere Kinder geneigt sein, die Juden für alles Böse verantwortlich zu machen, das ihnen zugefügt wird. Der Haß wird sie hindern, die  Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, er wird ihr Urteil trüben. Der Judenhaß als Massenerscheinung stört die ruhige Entwicklung der Völker und hindert sie, so  zu urteilen und zu handeln, wie die objektive Wahrheit, es erfordert.

 

***

              Und nun will ich meinen Lesern zeigen, wie das deutsche Volk unter der Herrschaft des Hakenkreuzes {281} aussieht, welche Verbrechen in den zweieinhalb Jahren der Herrschaft des Nationalsozialismus (1933-1935) begangen wurden und wohin dessen Jünger das deutsche Volk durch die Wahnsinnstaten des Hakenkreuzes gebracht haben.

             

***

              In Deutschland gibt es heute 500.000 Juden. Sie sind schon im Jahre 321 als römische Bürger nach Deutsch-land gekommen. Für Köln, Trier und für andere Orte des Rheinlandes sind für diese Zeit jüdische Siedlungen nachzuweisen. Dasselbe gilt von Augsburg und Regensburg.

Die jüdischen Siedlungen in Deutschland sind in-folge der Stürme der Völkerwanderung zugrunde ge-gangen. Ein neuer Ansatz für Siedlungen begann unter Karl dem Großen. Jedenfalls wohnen die Juden viele Jahrhunderte in Deutschland. Während des Mittelalters und eines Teiles der Neuzeit waren die Juden zumeist im Ghetto abgesondert, sie durften kein ehrsames Gewerbe betreiben, konnten daher ihrem Vaterlande nichts leisten. Seitdem man sie aus dem Ghetto befreite, haben sie ihrem Vaterlande Deutschland während des Friedens und während des Krieges kolossale Dienste geleistet. 12.000 Juden sind im Weltkriege für Deutsch-land gefallen.

Ich bitte meine Leser, sich nochmals die Namen der großen Mediziner, Techniker und Erfinder in Erinnerung zu bringen, die durch ihre genialen Leistun-gen Deutschlands Ruhm in der Welt erhöht haben. Ich verweise nur auf die Nobelpreisträger, die sehr viel zur Steigerung des Ansehens Deutschlands beigetragen ha-ben.

Und diese Menschen hat das Hakenkreuz in der gemeinsten Weise behandelt. Durch ein Gesetz wurden sie als Staatsbürger zweiter Ordnung erklärt und ihre Rasse als eine minderwertige bezeichnet. Die Bösewichte gingen sogar so weit, alle Leute zu diskriminieren, in deren Adern einige Tropfen jüdischen Blutes fließt.

Es wurde der Schwindelbegriff 'Nichtarier" geschaffen, der dem Hakenkreuz die Möglichkeit bot, die Juden und die {282} Menschen, in deren Adern jüdisches Blut fließt, als vogel-frei zu erklären. Denn es ist klar, daß, wenn schon der Ge-setzgeber eine Gruppe von Menschen als minderwertig ansieht, die Nachbarn, Konkurrenten und die sonstigen mit ihnen in Berührung kommenden Leute in dem Ver-kehre mit ihnen sie ebenfalls als minderwertig behandeln werden. In der Tat bedeutet Deutschland für die Juden, die dortgeblieben sind, die Hölle.

              Das Hakenkreuz hat seinen Wählern viele Verspre-chungen gemacht. Es hat keine seiner Versprechen ge-halten. Nur ein Versprechen hielt das Hakenkreuz: das ist das Versprechen, die Juden auszurotten. In der ersten Zeit hat man die Juden gemordet und in den Selbstmord getrieben.

              Der bekannte Dichter Lion Feuchtwanger erzählte an-läßlich seines Empfanges in London, daß er selbst auf diese Weise sechs Freunde verloren hat. Es ist doku-mentarisch nachgewiesen, daß bis Mitte Juni 1933  377 Juden ermordet oder zum Selbstmord getrieben wurden. Nur in einem einzigen Falle wurde der Täter bestraft. Es handelt sich um einen SA-Mann aus Würt-temberg, der vier Tage bekam. Jetzt mordet man nicht mehr die Juden, sagte Lion Feuchtwanger, jetzt erlaubt man ihnen bloß nicht zu leben.

Entschließt sich ein Jude, Deutschland zu verlassen, so wird er ausgeplündert und gezwungen, als Bettler in die Welt zu reisen. Es ist schwer, sich darüber Rechenschaft zu geben, was das bedeutet, als Jude im heutigen Deutschland zu leben, und Feuchtwanger sagt: 'Ich, zum Beispiel, liebe Deutsch-land, ich war in Deutschland glücklich. In Deutschland sah ich das Ideal meiner Arbeit. Jetzt hat man mir in Deutschland mein Haus beschlagnahmt, meine Bücher vernichtet, meine Manuskripte zerrissen, von mir ge-sammeltes wissenschaftliches Material verbrannt, man hat die Arbeit langer Jahre vernichtet. Sogar die Beete meiner Blumen im Garten wurden zertreten. Ich gebe zu: Ich sehne mich nach der Luft Deutschlands, nach der Landschaft, nach dem Volk, nach der Sprache, nach der {283} Ruhe meiner Studien, nach den Büchern meiner Biblio-thek. Und doch könnte ich nach Deutschland nicht zu-rückkehren, auch dann nicht, wenn mir seine heutigen Satrapen die Sicherheit des Lebens, des Vermögens und der Büchersammlung garantieren würden. Denn, wer noch ein fühlendes Herz hat, dem muß es ein Alpdruck sein, in diesem Lande zu leben, das heute zu einer fürch-terlichen Kombination eines Gefängnisses und eines Exerzierplatzes geworden ist. Wenn einem auch körperliche Quälen erspart bleiben, so ist man dennoch täglich und stündlich gezwungen, verschiedene Demütigungen zu ertragen."

(siehe Buch  'Ein Buch nur für meine Freunde', L. F. - gestorben am 21.12.1958 USA,

 ldn-knigi)

             

***

 

Der deutsche Dichter Heinz Liepmann hat ein Buch geschrieben, das er 'Der Tod - made in Germany" nannte. In seinem Vorworte schrieb er: 'Mit meiner Ehre, meiner Existenz und meinem Leben bürge ich, daß alle Ereignisse in diesem Buche auf Tatsachen beruhen ... Ich habe mein Vaterland - für das mein Vater im Jahre 1914 freiwillig kämpfte und für das er im Jahre 1917 infolge eines Bauchschusses starb - Ende Juni ver-lassen ...

Ich kann keine Nacht durchschlafen, wenn ich an die Juden denke ... Allnächtlich höre ich tausend-faches Stöhnen, tausendfaches Schreien. Ich sehe, wie Augen langsam ersterben, ich sehe Hände, die ein bluti-ger Klumpen geworden sind, und Rücken, deren Haut wie ein Ballon sich bläht. Ich sehe blutige Barte und zerschmetterte Beine, Leichen, Leichen! Die Juden waren keine Gegner. Das raubt mir eben den Schlaf. Und man foltert sie und man mordet sie auch jetzt, zur Zeit, da ich diese Worte schreibe. Und die Sonne strahlt und Kinder spielen und Menschen atmen und Blumen wach-sen ...

Ich kenne einen Juden, der aus dem einfachen Grunde in das Konzentrationslager eingeliefert worden ist, da der junge Rechtsanwalt, der in seinem Büro an-gestellt war, seine Kanzlei übernehmen wollte und ihm denunzierte. Heute leitet dieser junge Rechtsanwalt die {284} Kanzlei und ihr rechtmäßiger Besitzer schmachtet im Konzentrationslager. Wenn jemand ihn anspricht, verzerrt er sein Gesicht vor Angst, beugt den Kopf vor und deckt ihn mit Händen zu, um ihn vor Schlägen zu schützen. Und in seinen Augen ist ein irrer Blick. Und deshalb, deshalb, deshalb, weil es solcher hunderte und tausende unschuldig Gefolterter, Vernichteter, in den Irrsinn Getriebener gibt, deshalb widme ich dieses Buch,  den in Deutschland ermordeten Juden."

 

***

              Durch ein Gesetz wurde eine große Anzahl von  Rechtsanwälten, Ärzten und Staatsbeamten, die die arische Großmutter nicht nachweisen konnten, aus ihren  Berufen geschleudert. Aber auch die Juden, die als Front-kämpfer verschont wurden, werden systematisch boy-kottiert. Auch die Arier, die sich mit dem barbarischen Regime des Hakenkreuzes nicht solidarisch erklären und auch jetzt gerne mit den Juden in normalen geschäft-lichen und gesellschaftlichen Beziehungen stehen wür-den, werden von der SA und SS. terrorisiert und ge-zwungen, sich von den Juden ferne zu halten. Die Mehr-zahl der Juden hat kein Geld, um den Zins, die Gas-rechnung und das elektrische Licht zu bezahlen. Sie sind gezwungen, um einen Pappenstiel die Möbel zu ver-kaufen, die jüdischen Kinder können die Schulen nicht besuchen, die jüdische Jugend hat keine Möglichkeit, irgendwo Arbeit zu bekommen. In kleinen Städten und insbesondere Städtchen, wo noch einzelne jüdische Familien verblieben sind, findet ein permanenter Pogrom auf das jüdische Vermögen statt. Viele von ihnen wer-den gezwungen, Selbstmord zu begehen.

 

***

              Der bekannte italienische Politiker Carlo Sforza schreibt in einem Artikel, den er im 'Journal des Na-tions" veröffentlicht hat:

{285}    'Eine meiner Cousinen verbrachte den Sommer auf einem Schloß in Württemberg. Dank ihrem Titel hatte sie die Möglichkeit, Schulen zu besichtigen, für die sie sich interessiert hatte. In einigen Schulen war sie Zeugin folgender Szene: Während einer Pause stellten sich die Schulkinder in einer Polonäse vor der Schulküche an, wo sie ein Glas Milch und ein Stück Brot bekamen. Wenn aber an eine jüdische Schülerin die Reihe kam, rief die Leiterin: 'Marsch! Fort mit dir, Jüdin! Die nächste!'

              Diese Szene wiederholte sich täglich. Und obzwar gar keine Absicht bestand, jüdischen Kindern Milch und Brot zu geben, so waren sie dennoch von der Tortur, in einer Polonäse zu warten, nicht befreit. Sie mußten die Hand ausstrecken - das war ihre Pflicht, aber ein Recht auf die Nahrung hatten sie nicht. Und die christlichen Mädchen mußten täglich dieser Szene beiwohnen, damit sie lernen, wie man ein hungriges jüdisches Kind zu be-handeln hat."

              Das schreibt nicht ein jüdischer 'Greuelpropagandist", das schreibt ein italienischer Staatsmann.

             

***

              Von einem anderen Vorfall berichtet die 'Prager Presse":

              'In einer Schule wird gerade ein Vortrag über die Rassen gehalten.  Die Lehrerin will den Kindern an einem lebenden Beispiel die typischen Merkmale der jü-dischen Rasse demonstrieren. Zu diesem Zwecke ruft sie eine jüdische Schülerin heraus und befiehlt den Kindern, die typischen Merkmale, die sie an ihrer jüdischen Mit-schülerin finden, aufzuzählen. Die Schülerinnen finden:

Hakennase, runder Schädel, schwarze, lockige Haare, dicke Lippen. Sonst fällt niemandem was ein. Die Leh-rerin: 'Das ist alles?' Die Schülerinnen schweigen. Wor-auf die Lehrerin mit erhobener Stimme sagt: ,Und der lügnerische Blick!' Das zitternde jüdische Kind, dem das {286} Blut ins Gesicht gestiegen ist, darf nach dieser Folter endlich zurück auf seinen Platz."

 

***

 

              Eine erschütternde Episode, die beweist, wie furcht-bar die Methoden des Dritten Reiches oft auf den ein-zelnen Menschen wirken, wird aus Franken berichtet.

In Ansbach gibt es noch eine Montessori-Schule, in der unter arischen Schülern sich auch noch einige nicht-arische befinden. Eines Tages, nach Schluß des Unterrichts, verließ die Lehrerin mit einem zehnjährigen jüdischen Mädchen an der Hand das Klassenzimmer, als plötzlich ein SA-Mann in voller Uniform vor ihr auf-tauchte. Er war der Vater einer Schülerin, der sich bei der Lehrerin über sein Kind erkundigen wollte. Als das kleine jüdische Mädchen den SA-Mann sah, begann es am ganzen Leib zu zittern, riß sich von der Hand der Lehrerin und warf sich weinend dem SA-Mann zu Füßen. 'Ich bin eine Jüdin, bitte, tun Sie mir nichts!" rief sie schluchzend und vor Angst bebend. Der SA-Mann blickte wie erstarrt auf das Kind vor sich, wandte sich dann um und weinte! Wortlos ging er weg.

             

 

***

              Im Hause der Frau Anthony de Rothschild in London fand eine Besprechung statt, die der Lage der jüdischen  Kinder in Deutschland gewidmet war. Stephan Zweig hielt eine Ansprache, in der er die Hölle der jüdischen  Kinder im Dritten Reich illustriert. Er führte folgende  Beispiele an:

              Ein junges Mädchen will mit ihren Kolleginnen spielen. Aber die Kinder meiden jetzt das Mädchen und schreien ihr ins Gesicht 'Jüdin'. Das jüdische Kind ver-steht zwar nicht, was das zu bedeuten hat, aber es empfindet doch, daß es ein Paria im Kreise der Kinder ist. 

              Ein Bub sieht seine Mitschüler in kleinen, braunen Uniformen. Er bittet seine Eltern, daß sie ihm auch eine {287} derartige Uniform kaufen. Die verlegenen Eltern ver-suchen dem Kinde zu erklären, daß es ihm, gerade ihm nicht gestattet ist, ein braunes Hemd zu tragen. Das Kind versteht es nicht, fühlt sich beleidigt und ge-demütigt. Diese Demütigung ist eine unvermeidliche Be-gleiterscheinung der Jugend aller jüdischen Kinder im  heutigen Deutschland.

              In den Schulen sind für jüdische Kinder besondere Bänke bestimmt. Jüdische Schüler müssen schweigend und ohne Widerspruch die Beschimpfungen ihrer ari-schen Kollegen über sich ergehen lassen. Heranwachsende Mädchen dürfen nicht zu den Vergnügungsstätten, die Teilnahme an den gemeinsamen Ausflügen ist ihnen verboten, der Strand, die Schwimmhalle sind für sie ge-sperrt. Sie müssen auf Schritt und Tritt es empfinden, daß sie einer Rasse angehören, die die anderen als eine niedrigere bezeichnen.

              Diese Kinder leiden. Sie leiden bei Tag und Nacht, am Werk- und an Festtagen. Aber noch schlimmer als das Leiden ist die Gefahr, daß ihre Seelen vergiftet werden, daß Haßgefühl der erste und wichtigste Komplex ihres Lebens sein werden.

              Das heutige Deutschland ist eine Hölle für jüdische Kinder. Unschuldige, die nichts dafür können, daß sie einer anderen Rasse angehören, leiden. Naziführer streu-ten Haß. Die Saat ist furchtbar, die Saat ist eine Schande für die Menschheit.

              Es ist einmal im Entbindungsheim der Stadt Erfurt vorgekommen, daß man eine Wöchnerin einen halben Tag vor der Entbindung entlassen hat, weil sich her-ausgestellt hat, daß der Vater jüdischer Abstammung war. Die Wöchnerin wurde dann infolge der Aufregun-gen in der Straßenbahn von starken Wehen befallen und gab einem Mädchen das Leben.

{288}

***

              Von der Meisterin im Florettfechten, Helene Mayer aus Offenbach, habe ich bereits an anderer Stelle ge-sprochen. Helene Mayer hat der deutschen Fahne auf der Olympiade in Amsterdam 1928 zum Siege verholfen. Damals hat ihr ganz Deutschland gehuldigt. Das junge blonde Mädchen war bis vor zwei Jahren in ganz Deutschland angebetet, war sie doch mit 17 Jahren Weltmeisterin im Florettfechten und schon mit 15 Jahren Meisterin von Deutschland. Plötzlich, im Jahre 1933, er-fuhr sie, daß sie keine Deutsche ist, daß sie der jüdischen 'Rasse" angehöre, daß sie nie wieder als Vertreterin Deutschlands im Kampf um die Meisterschaft wird auf-treten können. Man hat ihr den Zutritt zu dem Sport-klub erschwert. Sie ging nach Amerika, wo sie unbehin-dert als Meisterin wirkt.

 

              In den neuen Lehrbüchern, die jetzt in den Schulen Deutschlands benützt werden, befindet sich unter an-deren ein Gedicht, das die Überschrift trägt 'Die Loreley". Es heißt dort, daß der Verfasser unbekannt sei.

Heines Lied wird also nach wie vor vom deut-schen Volke gesungen, weil es gut und schön ist, Heine selbst ist und bleibt verfemt, weil er Jude war. Würde er heute leben, so müßte er in einem Konzentrations-lager seine Gedichte schreiben. Da er tot ist, verschweigt man, daß er der Verfasser der 'Loreley" ist.

             

***

              Die  große englische  Tageszeitung 'Manchester Guardian" hat nach dem Dritten Reich einen Sonder-berichterstatter geschickt, der das ganze Land bereist und dann in seinem Blatte seine Eindrücke veröffentlicht hat. In einem kleinen deutschen Städtchen hat der eng-lische Journalist folgendes erlebt: Das Haus eines alten Juden, der seit Jahrzehnten im Stadtchen lebt, wird von {289} einer Horde wütender und schreiender Nationalsozia-listen belagert. Die Frau des Juden liegt im Sterben. Der alte Mann erscheint bei der Türe und richtet an die vertierten Gesellen die Bitte, seine Frau ruhig sterben zu lassen. Die Horde lacht höhnisch auf und ein be-sonders eifriger 'Held" schleudert einen großen Stein gegen den Alten. Blutüberströmt muß dieser in das Haus flüchten. Bald darauf stirbt seine Frau. Und kurz nach ihrem Begräbnis verläßt der alte Jude seine Stadt. Er ist seines Lebens nicht sicher. Er läßt sein ganzes Hab und Gut stehen und ergreift den Bettlerstab. Solcher jüdi-scher Bettler gibt es viele im Dritten Reich.

              Wenn ein Bauer bei den Juden einkauft, kannersicher sein, daß seine Fenster eingeschlagen werden. Das berichtete der englische Journalist.

             

***

Folgenden erschütternden Brief aus München hat mir eine Leserin meines Blattes 'Gerechtigkeit" zur Ver-fügung gestellt. Ich gebe ihn auszugsweise wieder:

              'Meine goldige kleine H...! Endlich bin ich soweit, daß ich Dir einen anständigen Brief schreiben kann. Ich bin in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ver-haftet worden. Sieben Mann haben mich aus dem Bette gezerrt. Ich war bis 3 Uhr in einem Keller und wurde dann in den I. Stock hinaufgeführt. Dort wurden meine Füße mit irgendeinem Gegenstand beschwert und ich von sechs Männern eine volle Viertelstunde mit Gummiknütteln, Peitschen und Leibriemen geschlagen, bis ich bewußtlos war. Als ich zur Besinnung gekommen bin, wurde ich wieder in den Keller hinuntergetrieben. Nach einer weiteren halben Stunde hat man mich wieder zum Verhör gebracht. Da ich nach wie vor keine Aussagen machen wollte, fing die Tortur wieder an, bis ich aber-mals bewußtlos geworden bin. Erst im Keller kam ich wiederzur Besinnung - das Blut ist mir aus dem {290} Mund, aus der Nase und aus den Ohren geflossen. Das Schlimmste war, daß mir auch mein linker Unterarm gebrochen wurde. Trotzdem wurde ich wieder geschlagen, bis ich das Bewußtsein verlor. Dann ließen sie mich vor dem Schreibtisch des Kommissärs liegen. Als ich aufstehen wollte, ging es nicht. So habe ich mindestens 15 Gummiknüttelhiebe auf die rechte Schulter bekommen.

Den Arm kann ich noch heute nicht hochheben. Ich kann mich auch kaum selbst anziehen. Ich wollte aber nicht  aussagen. Man hat mir dann erklärt, wenn ich bis 6 Uhr keine Aussagen mache, werde ich erschossen werden, worauf ich abgeführt wurde. Man hat mir unterwegs  durch das Fenster eine Ecke im Hof gezeigt, wo man mich erschießen wird, wenn ich nicht aussagen werde. Ich blieb aber dabei, daß ich nichts auszusagen habe.  Jetzt bekam ich einige Faustschläge ins Gesicht und auf  der dunklen Kellertreppe einen Fußtritt von hinten. Ich  wurde wieder bewußtlos. Um 8 Uhr wurde ich wieder zum Verhör gebracht. Aber diesmal nicht mehr geschlagen. Ich war ganz fertig, konnte kaum denken. Man hat mich in ein geschlossenes Auto gebracht. Es ging zur Polizei. Ich konnte nicht aussteigen. Da gab mir ein Mann einen Fußtritt, daß ich hinausgeflogen bin. Man führte mich in eine Zelle, vor der Türe brach ich zusammen. Die Gefangenen haben mich hineinge-tragen, mich ausgezogen und mir kalte Umschläge ge-macht. Heute erst hat man mich freigelassen."

 

***

              Die Welt hat viel von den Konzentrationslagern Deutschlands gehört. Die Greuel, die dort verübt wur-den, waren so fürchterlich, daß ich gar nicht glauben wollte, daß Menschen imstande seien, solche Scheußlich-keiten zu begehen. Ich hatte nicht die Absicht, von den Vorgängen in diesen Höllen zu schreiben, aber vor einigen Monaten ist eine Broschüre erschienen, in der der Rabbiner Max Abraham seine eigenen {291} entsetzlichen Erlebnisse schildert, Namen anführt und sich bereit erklärt, die Wahrheit seiner Aussagen zu be-eiden.

Ich erachte es daher als meine Pflicht, einen Auszug aus dieser Broschüre zu veröffentlichen. Im Vorwort schreibt H. I. Reiner:

,,Zu den vielen Büchern über die Konzentrationslager tritt nun ein neues. Es verdient ein außergewöhnliches Interesse. Waren die meisten Enthüllungen über die Konzentrationslager bis-her von politischen Gegnern des Regimes geschrieben, so tritt mit diesem Buche zum erstenmal ein jüdischer Seelsorger vor die Öffentlichkeit. Der verbohrteste Gegner wird es wohl nicht für möglich halten, daß ein jüdischer Seelsorger etwa mit dem Kommunismus sym-pathisiert. Der religiöse Gegensatz allein muß ihn zu einem Gegner der materialistischen Theorien des Kom-munismus machen. Um so schwerer wiegt das Zeugnis, das der jüdische Seelsorger hier von den Martern der Schutzhäftlinge in den Konzentrationslagern ablegt. Es ist eine Anklage von einer erschütternden Eindringlichkeit, die in der ganzen Welt gehört werden sollte.

              Schon der Anlaß, der den Verfasser der Schrift ins Konzentrationslager brachte, ist kennzeichnend. Er, Seel-sorger einer Gemeinde bei Berlin, wird beschuldigt, am 26. Juni 1933, also mitten in der Hochflut der antijüdi-schen Raserei in Deutschland, in der Nacht einen SA-Führer überfallen zu haben.

 

Der Nationalsozialist über-fiel den Seelsorger und wurde von diesem, der bereits den Haustorschlüssel in der Hand hielt, durch eine in-stinktive Abwehrbewegung leicht verletzt.

              Was nun folgt, ist eine vernichtende Anklage gegen das Regime.

              Statt des jungen Rohlings wird der Seelsorger auf die Polizeiwache gebracht. Dort lernt er zum ersten Male die 'neue Rechtspflege" an seinem eigenen Leib kennen. Er wird unbarmherzig von SA- und SS-Leuten zu-sammengeschlagen - die Wachebeamten schauen zu.

              Und dann beginnt sein Leidensweg durch die deut-schen Konzentrationslager.

{292}    Das Grauen beginnt nicht erst im Konzentrationslager, im Polizeigefängnis bereits wird ein jüdischer Mithäftling gezwungen, den Seelsorger mit einem Gummiknüppel zu verprügeln.

              Dieser Akt sadistischer Roheit bildet den richtigen Auftakt zu Oranienburg. Wieviel hat man über dieses Konzentrationslager gelesen, das neben Dachau zu den Schlimmsten in Deutschland gehören soll. Und doch überrascht immer wieder die Furchtbarkeit der Lage der Schutzgefangenen, insbesondere der jüdischen. Der Rabbiner von Rathenow war die bedeutendste Persön-lichkeit im Lager. Man kann sich vorstellen, welches teuflische Vergnügen es den SA-Führern bereitete, gerade diesen jüdischen Seelsorger ihre Macht fühlen zu lassen.

              Die Einzelheiten seiner Behandlung kann man nicht lesen, ohne sich zu fragen, ob man es bei den Lagerkommandanten und ihren Unterführern mit Menschen zu tun hat!...'

              Und so geht es weiter, alle Seiten dieser Schrift hindurch. Schläge, Striemen, Hunger, Schüsse, Dunkelzellen (die berüchtigten 'Bunker"), Morde und Selbstmorde, es ist eine Martyriologie unserer Zeit. 

              'Es ist eine Schande für Europa, daß es zuließ, daß Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern, mitten im Herzen dieses Erdteiles, in der grausamsten Weise  gefoltert und in ihrer Menschenwürde verletzt wurden.  Neben den Grausamkeiten der Konzentrationslager selbst wird einmal diese Gleichgültigkeit gegen das  heutige Europa zeugen."

             

***

              Max Abraham hat noch vor dem Hitler-Umsturz die kommenden Dinge vorausgeahnt. Und er versuchte, dem drohenden Unheil entgegenzuwirken. Er schreibt an einer Stelle seiner Broschüre:

{293}    'In Gemeinschaft mit den Vertretern anderer Kon-fessionen habe ich versucht, der Judenfeindlichkeit einen Damm entgegenzusetzen. So war mir auch ein treuer Bundesgenosse der katholische Pfarrei- des Ortes, der mich in meinem Kampfe lebhaft unterstützte. Wir halten uns zu einer Arbeitsgemeinschaft für konfessionellen Frieden und Eintracht zusammengeschlossen und wie-derholt gemeinschaftliche Vorträge abgehalten. Zuletzt im Dezember 1932 in einer Tannenbergbund-Versammlung in Rathenow, wo wir gemeinsam als Diskussions-redner gegen einen wüsten Beschimpfter der jüdischen und der katholischen Religion auftraten."

              Es nützte nicht. Die 'Revolution" kam und mit ihr Sadismus, Konzentrationslager, Unmenschlichkeit, Recht-losigkeit - all das, was heute ein trauriges, kulturschändliches 'Wahrzeichen" Hitler-Deutschlands ist.

 

***

              Ein Kapitel in der Broschüre Abrahams betitelt sich 'Die hohen Feiertage im Lager". Es lautet:

              'Zu den Latrinenarbeiten, die ich bereits schilderte, wurden die Juden besonders am Sabbath herangezogen ,Heut habt ihr wieder mal Schabbes, ihr Schweinehunde. Wir werden mal sehen, wo euer Gott der Rache ist, wenn wir euch im Schweinestall die Flötentöne beibringen werden.'

              Die hohen jüdischen Feiertage nahten. Wir fragten uns ängstlich, ob den SS-Leuten wohl die Daten diese Feiertage bekannt wären, denn wir fürchteten noch schlimmere Quälereien. Wir verabredeten deshalb, jede Andeutung über die kommenden Feiertage zu vermeiden. Ich hatte ursprünglich die feste Absicht, den Lagerkom-mandanten um Arbeitsbefreiung für die Judenkompanie zu bitten, mußte mich aber von den Kameraden über-zeugen lassen, daß ein solches Gesuch nicht nur vergeb-lich sein würde, sondern bedenkliche Folgen haben könnte.

{294}    Wir hatten nicht mit unseren Angehörigen gerechnet, die uns in ihrer Unkenntnis über die Vorgänge im Lager zum Jahreswechsel gratulierten. Da die Briefe durch die Zensur gingen, wurden der SS. die Daten bekannt und es gab nichts mehr zu verheimlichen. Ich ging nun doch zum Lagerkommandanten, bat um Arbeitsruhe und die Erlaubnis, Gottesdienst abzuhalten. Antwort: ,So was gibt's hier nicht!'

              Der erste Feiertag: Morgens um 6 Uhr wurden wir  neu eingelieferten Juden zu einem Sonderkommando aufgerufen. Im Marschtempo jagte man uns über den Hof. Vor einer Dunggrube wurde Halt geboten. Wir mußten in die Grube hinuntersteigen und dort Aufstellung nehmen. Ich wurde aus der Reihe meiner Kameraden gerissen und in die Mitte der Grube gestellt.  Der SS-Scharführer Everling brüllte mich an: ,So, 'Rabbiner, hier kannst du den Gottesdienst abhalten. Alles sträubte sich dagegen, unseren Glauben so - buchstäblich - in den Schmutz zerren zu lassen. Ich schwieg.

              Everling: ,Du weigerst dich, den Befehl auszuführen?'

              ,Ich halte in einer Dunggrube keinen Gottesdienst ab!'

              Everling holte mich aus der Grube... Gummiknüppel  und Gewehrkolben sausten auf mich nieder. Bewußtlos  wurde ich in meine Koje gebracht. Zwei Stunden lag  ich ohne Besinnung. Am Nachmittag wurden wir in die gleiche Dunggrube gebracht, in der die anderen am Vormittag hatten arbeiten müssen. Nunmehr forderte Everling mich auf, einen Vortrag über das Judentum und die anderen Religionen zu halten. Ich begann:

              ,Die jüdische Religion hat wie andere Religionen zehn Gebote zur Grundlage und den schönen Bibelsatz:

              'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!"'

              Da unterbrach mich Everling. ,Hör auf, du Schwein, wir werden dir beibringen, was man unter Nächsten-liebe verstellt!'

              Nun wurde ich so fürchterlich mißhandelt, daß ich {295} hohes Fieber bekam und in Krämpfe verfiel. Mein Kör-per war wundgeschlagen, ich konnte weder sitzen noch liegen. So verbrachte ich eine schreckliche Nacht voll wirrer und grausamer Fieberphantasien. Am nächsten Morgen wurde ich in bedenklichem Zustande in die Krankenstation gebracht. Hier war ich nur mit nicht-jüdischen Kameraden zusammen, die sich aufopfernd um mich bemühten. Ich werde ihnen ihre kameradschaftliche Hilfe nie vergessen. - Als ich am Versöhnungstage trotz meines schwächlichen Zustandes gefastet hatte, Versahen sie mich am Fastausgang mit Nahrung.

              Zwei Wochen blieb ich in der Krankeilstation. Später erfuhr ich, daß ich einige Tage lang ernstlichin Lebens-gefahr geschwebt hatte..."                         

 

 

***

              Aber nicht nur Juden hatten diese furchtbaren Qualen zu erdulden, sondern auch Katholiken. Ein Kapitel in der aufwühlenden Broschüre Abrahams tragt den Titel: 'Der katholische Minister Hirtsiefer in der Folterkammer".

              Es lautet:                                           

              'An einem Sonntag, Mitte September - ich lag noch immer im Revier - kam ein neuer Schutzhäftling mit Besen und Schrubber in unsere Station, um die Kranken-zimmer zu reinigen. Es war der frühere preußische Wohlfahrtsminister Hirtsiefer, ein bekannter Führer des Zentrums, der am Morgen des gleichen Tages aus einem württembergischen Konzentrationslager nach Papenburg überführt worden war. Hirtsiefer machte den Eindruck eines seelisch verstörten Menschen. Ich hatte Gelegen-heit, ein paar Worte mit ihm zu sprechen und versuchte ihm Mut zu machen.

              Dicht neben unserer Revierstube lag die Kleiderkammer. Gleich nach der Einlieferung wurden alle neuen Häftlinge hierhergebracht, um Lagerkleidung zu emp-fangen. Bei dieser ,Anprobe' mußten sich die Häftlinge bis aufs Hemd entkleiden und wurden fast ausnahmslos schrecklich mißhandelt. Was in Oranienburg Zimmer 16 {296}  gewesen war, das war hier die Kleiderkammer: Eine  Folterstätte voll mittelalterlichen Grauens.

Hirtsiefer wurde in diese Kammer gerufen. Plötzlich hörten wir gellende Schreie.

Da die Kleiderkammer unmittelbar gegenüber der Krankenstube lag, konnten wir durch die Fenster alle Vorgänge beobachten.

              Wir sahen, wie Hirtsiefer sich entkleiden mußte. Er ist ein untersetzter, korpulenter Mann. Mehrere SS-Leute standen um ihn herum. Sie schlugen mit Gummiknüppeln aus Leibeskräften auf ihn ein. Wir hörten, wie Everling brüllte: ,Hast du, Schweinehund, heute schon gebetet? - Warst du schon mal beim Papst? - Hast du schon Rosenkranz geleiert? - Du hast Millionen deutscher Volksgenossen betrogen, dazu hat dich der Papst auf-gefordert. - Zeige mal, du Schwein, wie man Rosen-kranz betet!'

              Als Hirtsiefer sich weigerte, vor dieser rohen Meute zu beten, wurde er unausgesetzt weiter geschlagen.

              Nun kam die 'Anprobe'. Um Hirtsiefer lächerlich zu machen, zog man ihm eine halbe Hose an, einen kurzen Rock, lange Stiefel und beschmierte sein Gesicht mit Stiefelwichse. So wurde er von Station zu Station ge-jagt, um sich den Mithäftlingen vorzustellen'.

              Erst spät abends konnte sich Hirtsiefer in seine Ka-bine begeben. Er war vollkommen erschöpft. Kaum hatte er sich auf die Pritsche gelegt, als mehrere SS-Leute eindrangen. Er wurde von ihnen aufgefordert, die Hand zum Hitler-Gruß zu erheben. Er gehorchte. Die SS-Leute gaben sich den Anschein, als hätten sie die Be-wegung mißverstanden und brüllten: ,Was, du Schwein, du willst SS-Leute schlagen?' Hirtsiefer versuchte sich zu verteidigen - er hätte nur die Hand zum Gruß er-hoben, wie ihm befohlen war. Die SS-Leute: ,Nein, du Schwein, du wolltest uns schlagen.' Nun wurde Hirt-siefer über seine Pritsche geworfen und aufs neue fürch-terlich mißhandelt..."

(Zusätzlich, ldn-knigi:

Hirtsiefer, Heinrich, * 26.4.1876 Essen, Š 15.5.1941 Berlin, Schlosser, Politiker, Opfer des NS-Regimes.
Hirtsiefer kam aus einer Arbeiterfamilie und erlernte das Schlosserhandwerk. Er arbeitete dann bis zum 1.8.1904 als Schlosser bei der Firma Krupp. Er hatte sich frühzeitig den christlichen Gewerkschaften angeschlossen und war 1904 zum Bezirkssekretär gewählt worden. Im Jahre 1920 wurde er zum Verbandsekretär der christlichen Metallarbeiter gewählt und war 1921 zugleich Minister für Volkswohlfahrt. 1924 war Hirtsiefer Mitglied des Rheinischen Provinziallandtags. Er gehörte seit 1919 der Zentrumsfraktion der Preußischen Landesversammlung - ab 1921 des Landtags - an. Ab 1924 war Hirtsiefer Mitglied des Bundesvorstandes des Reichsbanners "Schwarz-Rot-Gold". Von 1906 bis 1924 hatte er ein Mandat als Stadtverordneter in Essen. Bis November 1931 nahm er gemeinsam mit Treviranus das "Osthilfekommissariat" wahr. Er war einer der Mitbegründer der "Berliner Winterhilfe" vom Herbst 1930. Nach dem überraschenden Wahlerfolg der NSDAP vom September 1930 plädierte Hirtsiefer für eine engere Zusammenarbeit zwischen seiner Partei und der SPD. Nach den Wahlen vom Mai 1932 nahm er für den Ministerpräsidenten Otto Braun bis zum 20.7.1932, dem Tag des Staatsstreiches, die Geschäfte in der Preußischen Landesregierung wahr. Am 22.3.1933 legte er gezwungenermaßen die Amtsgeschäfte nieder. Am 11. September desselben Jahres wurde er in Essen in "Schutzhaft" genommen und zuerst in das KZ Kemna bei Wuppertal, dann ins KZ Börgermoor im Emsland gebracht. Er wurde später nach Berlin entlassen, wo er verstarb, ldn-knigi).

Quelle:  http://www.cgb-duisburg.de/ARCHIV/an_ihrer_sprache_sollt_ihr_sie_e.htm

An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen

Am 15. Mai 1941 starb Heinrich Hirtsiefer unter der Aufsicht der GESTAPO in Berlin! Heinrich Hirtsiefer war von Beruf Schlosser, Christlicher Gewerkschafter, Mitglied des Christlichen Metallarbeiter Verbandes (CMV), der Vorläuferorganisation der heutigen CGM und Abgeordneter des Deutschen Reichstages als Mitglied der demokratischen Deutschen Zentrumspartei! Schikaniert von den Nazis, von der SA unter Gejohle mit einem Schild um den Hals durch die Stadt Rüttenscheid (heute Essen) geführt, auf dem stand "Ich bin der Hungerleider Hirtsiefer", starb der ehemalige Reichsminister Hirtsiefer als gebrochener Mann im Jahr 1941!)

 

{297}

***

Dem jüdischen Seelsorger gelang es nach einem Lei-densweg durch viele deutsche Konzentrationslager und nach einem Gerichtsurteil, das ihm trotz seiner voll-kommenen Unschuld wegen 'Überfalles auf einen SS-Mann" eine mehrmonatige Kerkerstrafe auferlegte, ins Ausland zu flüchten. Nun schrieb er seine Broschüre, die ein Dokument des geschändeten Menschentums ist. Diese Broschüre sollte überall von allen gelesen werden, obwohl ihre Lektüre kein Vergnügen ist. Sie sollte hel-fen, Europa wachzurütteln, Europa zum Erwachen zu bringen.

             

***

              Wie man aus der Broschüre Abrahams ersehen kann, werden in Deutschland Greueltaten nicht nur an Ju-den verübt.

Wenn die Bestie im Menschen losgelassen  wird, so will sie ihre Gelüste befriedigen.

Zuerst be-ginnt es bei den Juden, dann gellt es überhaupt gegen alle Mitmenschen los.

Bekanntlich haben sich viele Juden im Laufe der Jahrhunderte getauft. Viele sind aus Über-zeugung und ohne jeden Zwang zum christlichen Glau-ben übergetreten. Viele waren zu schwach, um die Tor-turen und die Demütigungen zu ertragen, die das Be-harren im Glauben der Vater mit sich brachte.

Kein Wunder, daß viele Menschen, die jüdischer Abstammung waren, christliche Frauen heirateten, deren Kinder und Enkel sich vollständig mit der christlichen Bevölkerung assimilierten. So ist es in der ganzen Welt geschehen. Es gibt Christen, in deren Adern jüdisches Blut fließt, ohne daß sie davon auch eine Ahnung haben.

Weil aber das Hakenkreuz eine möglichst große Gruppe quälen, foltern, entrechten, demütigen und aus dem Erwerbs-leben entfernen wollte, um möglichst vielen Strebern Plätze zu verschaffen, so hat es sich nicht damit be-gnügt, gegen die ,,Vollblutjuden" vorzugehen, sondern es hat auch diejenigen Christen für rechtlos erklärt, deren Eltern oder Großeltern jüdischer Abstammung waren.

{298}    Es ist kein Witz, sondern traurige Wirklichkeit, wenn ich feststelle, daß in Deutschland ein Verein existiert, der sich 'Reichsverband deutsch-christlicher Staatsbürger nichtarischer und nicht reinarischer Abstammung" nennt und in dem sich alle die Unglücklichen zusammengeschlossen haben, in deren Adern jüdisches Blut fließt.

 

***

 

              Ein solcher 'Nichtarier" schrieb in einem Briefe an einen Schicksalsgenossen wörtlich: 'Ich weiß nicht, ob es Ihnen so geht wie mir. Aber jeden der tausend mehr oder minder schlechten Witze über die nicht-arische Großmutter empfinde ich als einen Schlag ins Gesicht.

Das mag daran hegen, daß ich meine Großmutter recht wohl gekannt und sehr gerne gehabt habe, sie war in meiner Familie stets das belebende und anregende Ele-ment.

Ich kann mich auch heute nicht dazu verstehen, in dem Schuß Blut, den sie mir brachte, etwas Entehren-des zu sehen und ich kann den Herren, die diese Auf-fassung vertreten, nicht das Recht zugestehen, über den Wert einer solchen Blutmischung zu entscheiden. Schließlich trug meine Großmutter vor ihrer Ehe einen Namen, der, so jüdisch er ist, in der Geschichte der deutschen Kunst hohen Rang einnimmt. Ich glaube gar, daß die beiden uradeligen preußischen Geschlechter, deren Namen und Wappen ich trage und die durch Dutzende von Anekdoten wie kaum irgend andere in der Geschichte unserer Heimat populär sind, nie Anlaß ge-sehen hätten, sich dieser Verbindung zu schämen, wenn sich nicht alle Begriffe von Anstand, Ehre, Zucht und Würde in diesen letzten beiden Jahren in das Gegen-teil verkehrt hätten. Ich habe zwei Jungens, Herr Ka-merad, die sind zehn und zwölf Jahre alt. Ich bin gleich-zeitig froh und betrübt, daß ich sie habe, denn durch diese Jungens ist das Schicksal meiner Frau, die ich sehr liebe und an deren Ahnentafel kein Schnüffler etwas aussetzen kann, mit dem meinen verbunden. Wären nicht {299} die Jungens, ich würde es meiner Frau um ihrer selbst willen nicht zumuten, weiterhin mein Leben zu teilen, das um so schwerer zu tragen ist, als es sich bisher fast ausschließlich unter Standesgenossen abgespielt hat."

              Das ist der Brief eines christlichen Nichtariers. In dem Reichsverband führt jedes einzelne Mitglied seinen 'Pro-zentsatz" ständig im Mund. Und jeder glaubt, etwas Besseres zu sein als der andere, weil er womöglich 21/2 %'arisches Blut" mehr in den Adern hat. Die Zahl der Grüppchen mehrt sich täglich. Es gibt viele 'reinrassige Juden" christlichen Glaubens im Verband, doch schon sie unterscheiden sich scharf danach, ob sie selbst, der Vater oder der Großvater die Taute empfangen haben, ob sie jüdisch aussehen, ob ihr Name jüdisch klingt.

Das andere Extrem sind die Leute, die das Wort 'nicht-reinarisch" erfunden haben. Der erwähnte Briefschreiber erzählt von einem Vetter, der mit Stolz und Resignation, 18¾% jüdischen Blutes 'spazieren führt". Er kommt zu jeder Verbandssitzung ganz offenbar, um sich am An-blick derer zu erholen, die mit einem höheren Prozent-satz noch weiter von der arischen Glückseligkeit ent-fernt sind als er...

              Diese Dinge führe ich nur an, damit meine Leser sehen, zu welchem Wahnsinn die Rassentheorie führt.

 

 

***

 

              Aber nicht nur wegen ihrer Abstammung werden die Menschen in Deutschland verfolgt, sondern auch wegen ihres Glaubens. Nach einer Mitteilung des vatikanischen Organs hat der Papst 300 Mitgliedern deutscher ka-tholischer Jugendvereine erklärt, er teile den Schmerz und die Sorgen sowie die Angst der deutschen Jugend. Täglich erhalte er aus Deutschland neue ungünstige Nachrichten. Die jungen Leute, erklärte er, bekunden einen Mut und einen Glauben, der an die Märtyrer er-innert.

              Das Hakenkreuz will bekanntlich die Leidenschaften {300} der deutschen Massen dadurch aufpeitschen, daß es das Blut zum Götzen erhebt und den deutschen Menschen einredet, daß sie durch ihr edles Blut sich höher dün-ken müssen als die anderen Völker und daß insbesondere eine Vermischung mit dem jüdischen Blut den Unter-gang des deutschen Volkes mit sich bringen müßte.

Nun gibt es in Deutschland mehr als 20 Millionen Katholiken. Nach den Lehren des katholischen Glaubens spielt bei der Bewertung des Menschen das Blut und die Rasse keine Rolle.

Es ist klar, daß durch diese gegensätzlichen Auffassungen ein Krieg zwischen dem Hakenkreuz und der katholischen Kirche entstehen mußte.

Die Haupt-sache hegt darin, daß Hitler seine Macht nur dadurch erringen und befestigen konnte, daß er die jüdische Rasse als minderwertig und abscheulich kennzeichnete, was aber im Widerspruch zu den Thesen der katholischen Kirche steht, die davon ausgeht, daß Jesus Christus, die Apostel und die ersten Christen rassen-reine Juden waren.

Den Hauptschlag gegen die katho-lische Kirche hat daher Alfred Rosenberg, der deutsche Außenpolitiker und Freund Hitlers, geführt, der ein Buch unter dem Titel 'Mythus des 20. Jahrhunderts" veröffentlichte. Wer dieses Schandwerk liest, der erkennt sofort, wie bitter sich die Tatsache rächt, daß man die Veröffentlichung der gemeinsten Lügen und Verleum-dungen gegen die Judenheit duldete.

Ich habe in den vorigen Kapiteln aufgezeigt, durch welche lügenhafte Beschuldigungen man das Volk gegen die Juden aufzu-hetzen versuchte. Ich muß gestehen, daß die Gemein-heiten, die das Buch Rosenbergs enthält, die Lügen, die gegen die Juden im Laufe der Geschichte verbreitet wurden, in den Schatten stellen. Es wäre Pflicht der gesamten gesitteten Menschheit, sich dagegen aufzu-lehnen, daß man die Lüge als Waffe im politischen Kampf verwendet. Solche verwerflichen Mittel werden nicht nur gegen eine bestimmte Menschengruppe ange-wendet. Wenn deren Urheber sehen, daß sie Erfolge hatten, so werden sie immer zu diesem unsauberen {301} Mittel greifen, so oft sie Schwierigkeiten im Kampf zu überwinden haben werden.

Ich werde nun einige der im Buch 'Mythus des 20. Jahrhunderts" gegen die katho-lische Kirche und gegen das Christentum überhaupt veröffentlichten Lügen wiedergeben, wie sie im 'Kirch-lichen Anzeiger der Erzdiözese Köln" (November 1934) aufgezeigt werden. Die Widerlegung Rosenbergs habe ich ebenfalls dieser mutigen Schrift entnommen.

              Rosenberg schreibt:

              'In Kleinasien übten die Römer ein straffes Regiment aus und trieben unerbittlich ihre Steuern ein: in der unterdrückten Bevölkerung entstand folglich die Hoffnung auf einen Sklavenführer und Befreier. Das war die legende von C h r e s t o s. Von Kleinasien gelangte dieser Chrestos-Mythos nach Palästina, wurde lebhaft aufgegriffen, mit dem jüdischen Messias-Gedanken verbunden  und schließlich auf die Persönlichkeit Jesus über-tragen." (Seite 74)

              Das ist natürlich eine ausgesprochene Lüge, weil es in Kleinasien nie eine Chrestos-Legende gegeben hat.

              Über Apostel Paulus sagt Rosenberg folgendes:

              'Da die christliche, die alten Lebensformen aufwühlende Strömung dem Pharisäer Saulus vielversprechend und ausnutzbar erschien, schloß er sich ihr an und predigte die internationale Weltrevolution gegen das römische Kaiserreich. Seine Lehren bilden den jüdisch-geistigen Grundstock, gleichsam die, talmudistisch-orientalische Seite der römischen, aber auch der lutherischen Kirche... Gegen diese gesamte Verbastardierung, Verorientalisierung und Verjudung des Christentums wehrte sich bereits das durchaus noch aristokratischen Geist atmende Johannes-Evangelium." (Seite 74 - 76.)

              Von den sonstigen Lügen Rosenbergs abgesehen, führte wahrlich nicht 'Konjunkturpolitik" Paulus zum Christentum. Ergriff er doch die Partei dessen, der von denen, die ihm nachfolgten, verlangt, daß sie täglich sein Kreuz auf sich nehmen (Luk. 9,23). Mit der Bekehrung beginnt für Paulus denn auch der Kreuzweg. Mordanschlag in Damaskus und nächtliche Flucht (Apg. 9, 23 bis 25), an-fängliches Mißtrauen bei den ehedem von ihm verfolgten {302} Christen in Jerusalem (Apg. 9, 26), erneuter Mord-anschlag gegen ihn in Jerusalem (Apg. 9,30), Verkennung, Kerkerhaft, körperliche Züchtigung, Gefahren durch Volksgenossen, durch Heiden, durch falsche Brüder, mühselige Reisen, Beschwerden aller Art, Nachtwachen, Gefahren durch Räuber, Gefahren zur See, Sorgen um das tägliche Brot, Sorgen um die Gemeinden, Sorgen um die einzelnen Christen, die ihm im Herrn Brüder ge-worden waren (vergl. 2. Kor. 2, 4 bis 10, 11, 23 bis 33 u. a. m.), kennzeichnen diesen Kreuzweg, der im Mär-tyrertod in Rom seine Vollendung findet.

              Um das Christentum herabzuwürdigen, behauptet Rosenberg, daß in Italien ein aus Vorderasien eingewan-dertes Volk der Etrusker lebte, deren Sitten und Ge-bräuche das Christentum übernommen hat. Rosenberg sagt wörtlich:

              'Die Etrusker verweilen mit sadistischer Liebe bei allen Darstellungen der Qual, des Mordes, des Opferns; das Men-schenschlachten selbst war ein besonders beliebter Zauber ... Dieses vorderasiatische Volk hat das römische Blut vergiftet, seine schreckenerregenden Vorstellungen der Höllenqual im Jen-seits auf die Kirchen übertragen, die grauenhaften Tier-Menschen-Dämonen sind bleibende Einwirkungsmittel des Papsttums geworden und beherrschen die durch die römische Kirche ver-giftete Vorstellungswelt unseres Mittelalters, worüber allein schon die Malerei erschreckende Auskunft gibt... Erst wenn man dieses ganze fremde Wesen erkannt hat, sich seiner Ur-sprünge bewußt geworden ist und den Widerstandswillen auf-bringt, sich dieses gesamten, fürchterlichen Spukwesens zu ent-ledigen, dann erst haben wir das Mittelalter überwunden. Da-durch aber auch die römische Kirche, die mit den etruskischen Unterweltsqualen für immer verbunden ist, innerlich gestürzt." (Seite 67-69.)

 

              Die Wissenschaft hat längst nachgewiesen, daß Ro-senberg das Märchen von den verderbten Etruskern und von ihrem Einfluß auf das Christentum von einem gewissen Grünwedel übernommen hat, der im Jahre 1922 ein Buch, 'Tusca", veröffentlichte. Über dieses Buch Grünwedels sagt gleich 1923 der hervorragende {303} Kenner der etruskischen Kultur und Kunst, Gustav Herbig, in den Sitzungsberichten der Münchener Aka-demie der Neuen Wissenschaften wörtlich folgendes:

             

'Ich kann ... mit gutem Gewissen dasselbe sagen, was Grünwedel selbst immer wieder von den durch ihn ent-schleierten, etruskischen Texten sagt:  ,Ein wahnwitziges Produkt..., idiotenhafte Sätze ..., echt etruskische Niederträchtigkeiten ..., unflätige Witze ..., wahnsinnig unübersetzbares Kauderwelsch'."

              Grünwedel, der sich in früheren Arbeiten einen Na-men gemacht hat, scheint in diesem Buch Wahnvorstellungen zum Opfer gefallen zu sein. Grünwedel hat sich sehr viel mit indischen Höhlenmalereien beschäftigt, die ihn auf den Gedanken gebracht haben, in krankhaften sexuellen Perversitäten das Leitmotiv indisch-buddhisti-scher Kunst zu suchen und schließlich auch das Rätsel der etruskischen Sprache, Mythologie und Kunst aus sexueller Perversität heraus zu lösen. Die Kritik hat aus Mitleid mit dem bis dahin geschätzten Verfasser das unglückselige Buch 'Tusca" möglichst totgeschwiegen. Diese schmutzige Quelle hat aber Rosenberg benützt, um gegen die katholische Religion und gegen das Christentum die unflätigsten Lügen und Verleumdungen zu verbreiten.

              Über die Kirche im Mittelalter sagt Rosenberg:

              'Bei ungestörter weiterer Entwicklung würde bei ihnen (bei den Germanen) auch ohne den Eingriff des bewaffneten römisch-syrischen Christentums die Natursymbolik einem neuen, sittlich metaphysischen System, einer neuen Glaubensform gewichen sein, die die Idee der Ehre als Leitmotiv gehabt hätte. Leider drang durch das Christentum ein anderer seelischer Wert ein und be-anspruchte die erste Stelle: Liebe im Sinne von Demut, Barmherzigkeit, Unterwürfigkeit und Askese. Heute ist es jedem auf-richtigen Deutschen klar, daß mit dieser... Liebeslehre ein empfindlicher Schlag gegen die Seele des nordischen Europas geführt worden ist."... 'Der Medizinmann (gemeint ist der Papst) als dämonische Figur kann selbständiges Denken seiner Anhänger ebensowenig brauchen wir ehrbewußtes Handeln. Er muß folgerichtig, um seine Stellung zu sichern, das eine wie das andere {304} mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auszuschalten bemüht sein. Er muß alle allzu menschlichen Ängste und hysterischen Anlagen großzüchten. Er muß Hexenwahn und Dämonenzauber predigen. Er muß mit Index, Feuer und Schwert alles Forschen unterbinden, das zu anderem Ergebnis führen kann oder gar zur Befreiung von dem ganzen, vom Medizinmann gelehrten Welt-bild. Der Medizinmann muß einen Roger Bacon genau so in den Kerker werfen wie einen Galilei. Er muß das Werk des Koper-nikus in Acht und Bann erklären und alle Gedankensysteme zu vernichten trachten, die Ehre, Pflicht und Männertreue - also alle auf hochwertige Persönlichkeit abgestimmten Lehren - als lebengestaltende Mächte behaupten wollen."

 

              Daß es im Mittelalter vereinzelte Päpste gab, die ihr Amt schlecht verwalteten, bestreiten auch die katholi-schen Gelehrten nicht. Aber alle Päpste so anzuklagen, wie es Rosenberg tut, ist eine Niedertracht. Und diese Verdrehungen! Roger Bacon ist nicht in den Kerker ge-worfen worden. Papst Clemens IV. war sein Beschützer und verschaffte ihm die volle Schaffensfreiheit. Papst Nikolaus IV., der ursprünglich den Gelehrten gezwungen hatte, in der Zurückgezogenheit des Klosters zu  leben, gab ihm die Lehrtätigkeit in Oxford zurück, wo Bacon, hochgeehrt, 1294 starb. Kopernikus war der erste, der den Grundsatz verkündete, daß die Erde sich um die Sonne drehe. Papst Paul III. beschützte ihn und nahm die Widmung eines von Kopernikus verfaßten Buches an. Auch Galilei, der die Beweise des Kopernikus erweiterte, fand begeisterte Aufnahme bei Paul V. und bei Urban VIII.

Erst später wurden die Werke des Ko-pernikus und des Galilei verworfen, weil sie sich in  Widerspruch zur Heiligen Schrift setzten. Man muß diese Dinge unter Bedachtnahme auf die damalige Zeit-verfassung beurteilen.

              Daß aber das Christentum uns Deutschen, die Demut, Liebe, Barmherzigkeit brachte, war für unser Volk ein Segen, den wir nie und nimmer gegen den zweifelhaften Ehrbegriff eintauschen würden, wie ihn Rosenberg auf-faßt. Ein wahrer Christ hat eine andere Vorstellung von der Ehre als das Hakenkreuz.

{305}    Über das Alte Testament sagt Rosenberg Seite 603:

              'Abgeschafft werden muß demnach ein für allemal das so-genannte Alte Testament als Religionsbuch. Damit entfällt der mißlungene Versuch der letzten eineinhalb Jahrtausende, uns geistig zu Juden zu machen, ein Versuch, dem wir unter anderem auch unsere heutige materielle Judenherrschaft zu danken haben."

              Seite 614: 'Denn an Stelle der alttestamentlichen Zuhälter- und Viehhändlergeschichten werden die nordischen Sagen und Märchen treten, anfangs schlicht erzählt, später als Symbole ergriffen. Nicht der Traum von Haß und mordendem Bestialismus, sondern der Traum von Ehre und Freiheit ist es, der durch nordische germanische Sagen angefacht werden muß."

              Wer das Alte Testament berührt, verwirft Christus, denn der Heiland weiß sich eng mit dem Alten Testament verbunden. 'Glaubt nicht, ich sei gekommen, Ge-setz und Propheten aufzuheben. Nicht um sie aufzu-heben, bin ich gekommen, sondern um sie zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage Euch, kein Strichlein und kein Häklein wird vom Gesetz vergehen, bis Himmel und Erde vergehen, bis alles in Erfüllung gegangen ist." (Mt. 5, 17 f.). Den reichen Jüngling verweist Jesus auf das Gesetz: 'Haltet die Gebote!" (Mt. 19, 17.)

              Auch die Apostel berufen sich auf das Alte Testament. Ihre Predigt bei den Juden gipfelt immer wieder in dem Nachweis, daß in Christus die Weissagungen der Hei-ligen Schriften in Erfüllung gegangen sind. Die von den Aposteln und Apostelschülern geschriebenen Evangelien und Briefe sind ein einziger Niederschlag dieser mit dem Alten Testament innigst verbundenen urchristlichen Predigt. Und es geht nicht an, einen Gegensatz zwischen dem ,,Pharisäer" Paulus und dem 'Aristokraten" Jo-hannes konstruieren zu wollen, alle Apostel sind in gleicher Weise wie ihr göttlicher Lehrmeister davon durchdrungen, daß in den Schriften des Alten Bundes ihnen 'Heilige Schriften" gegenüberstanden. Nicht we-niger als 270-350 Zitate aus dem Alten Testament finden sich im Neuen Testament.

              Da die Kirche sich aufbaut auf dem Grundstein Jesus {306} Christus, so ist sie wie Christus in ihrer Predigt, in ihrer Frömmigkeit mit dem Alten Testament verbunden. Es ist gar nicht möglich, in wenigen Sätzen aufzuzeich-nen, wie innig stark, lebendig und fruchtbar diese Ver-bindung durch 19 Jahrhunderte hindurch gewesen ist und wie sie bleiben wird bis an das Ende der Zeiten.

In den Gebeten des Alten Testaments beten die Prie-ster täglich die Psalmen, wir alle in der heiligen Messe (Amen, Halleluja, Hosianna), wir alle täglich ('Aller Augen warten auf dich, o Herr!"). Und das ist uns keine 'artfremde" Sprache. In den Symbolen des Alten Testaments erfassen wir das Opfer der heiligen Messe (das Opfer nach der Ordnung des Melchisedech, Chri-stus das wahre Opferlamm, 'Nun Isaak ist geschlach-tet"), in den Worten des Alten Testaments singen wir ('Es ist ein Ros' entsprungen", 'Trauet, Himmel, den Gerechten"), und es sind uns vertraute, uns anheimelnde Gesänge.

An dem Gottvertrauen des Alten Testaments richten auch wir uns auf ('der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gebene-deit"). Zu unserer Ehe spricht die Kirche 'es segne Euch der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs" und in der Liturgie der Kirche erstrahlen in Schönheit das 'Rorate coeli" und die Klagelieder des 'Karfreitags".

              Das Alte Testament setzte sich für die Menschen-würde, für die Ehre und die Freiheit, für die gleiche Wertung der Menschen ohne Rücksicht auf ihre Stel-lung ein. Die Bibel hat auch als erste die moralische Würde der Arbeit anerkannt, soziale Gesetze geschaffen, sie ist als erste gegen die Bereicherung und den Wucher aufgetreten.

              In seinen Adventpredigten sagte der tapfere Kardinal Faulhaber, Seite 75: 'Wer nicht an die Inspiration glaubt und diese Bücher nicht als Gottes Wort und Gottes Offenbarung entgegennimmt, der muß das Volk Israel für das Obervolk der Weltgeschichte halten. Es gibt keine andere Wahl als dieses Entwederoder. Ent-weder glauben wir an die Inspiration der heiligen {307} Bücher oder wir müssen dem jüdischen Volke sagen:

'Du bist die genialste Rasse der Weltgeschichte'."

             

              Auch das Neue Testament, insbesondere die Lehre von der Auferstehung, verspottet Rosenberg in seinem Buch. Er versteigt sich, wie schon einige seiner Vorgänger, zu der Behauptung, daß Jesus Christus kein Jude ge-wesen sei. Daß der Heiland dem Fleische nach Jude war, bezeugt das Neue Testament. 'Israeliten sind sie ..., aus ihnen stammt dem Leibe nach Christus."

 

***

              Sollen wir uns wundern, daß angesichts solcher Leh-ren, die Rosenberg durch sein Buch verbreitet, die 20 Millionen Katholiken in Deutschland gehindert werden, ihren Glauben auszuüben? Das Hakenkreuz be-findet sich in einem ständigen Krieg mit der katholi-schen Kirche. Dabei bestellt ein Vertrag (Konkordat) zwischen Deutschland und dem Papst, der täglich von den Nationalsozialisten verletzt wird.

              Das Hakenkreuz will den ganzen Menschen erfas-sen und hat es speziell auf die Jugend abgesehen Die Jugend muß in seinem Geiste frei von jeder religiösen Bindung erzogen werden. Anderseits nimmt die katho-lische Kirche das Erziehungsrecht für die Jugend für sich selbst in Anspruch. Das ist der Hauptgrund des entfachten Krieges. Die katholischen Jugendverbände werden verfolgt, katholische Geistliche werden grundlos verhaftet oder in die Konzentrationslager gebracht. Die höchsten Würdenträger werden gehindert, ihre Pre-digten zu veröffentlichen. Die Kirchenzeitungen werden verboten. Gegen diese Vergewaltigung eines Teiles der deutschen Nation findet Rosenberg kein Wort des Ta-dels. Dafür aber verleumdet er die katholische Kirche {308} und alles, was uns heilig ist. Aber die Maßnahme kirch-licher Behörden im Mittelalter gegen Ungläubige werden von ihm breitgetreten und entstellt.

             

***

 

              Auch die evangelische Kirche muß in Deutschland schwer kämpfen. Das Hakenkreuz zeigt deutlich, wohin es steuert. Die Nationalsozialisten wollen das Christen-tum beseitigen, ohne Unterschied der Konfessionen. Sie wollen das Heidentum wieder einführen, sie brauchen keinen Gott, der den Mord und den Diebstahl, das falsche Zeugnis und den Ehebruch verbietet und Liebe und Barmherzigkeit fordert. Diese Bindungen, erschwe-ren ihnen die Sicherung ihrer Macht und die Ausrottung der Gegner.

Das Hakenkreuz will aus den Deutschen ein Volk von Heiden machen. Das geht natürlich nicht auf einmal. Darum hat der nationalsozialistische Staat verkündet, daß er den Menschen die volle Glaubens-freiheit läßt. Er hat aber gleichzeitig dafür gesorgt, daß innerhalb der evangelischen Kirche eine Sekte entsteht, die sich 'Deutsche Christen" nennt und die die evan-gelische Kirche zur Dienerin des Staates herabwürdigen will. An der Spitze dieser Sekte steht der Reichsbischof Müller, der die Ideen Hitlers in die Kirche hineintragen und den Gedanken verbreiten will, daß die Religion nur ein Bestandteil der nationalsozialistischen Partei sein dürfe und sich ihr vollständig unterordnen müsse. Be-kanntlich hat Luther bestritten, daß die staatliche Macht unbegrenzt sein dürfe. Solche Einschränkungen duldet Hitler nicht. Das Hakenkreuz will im Gegenteil, daß die Religion die Macht des Staates über alles stelle. Es muß die Gottheit in seinen Dienst stellen.

              Die ehrlichen Gläubigen lehnen sich gegen Müller auf. Die Mehrzahl der Pfarrer und Theologen der evangelischen Kirche führt einen zähen Kampf gegen diese Ver-wässerung der Religion. Sie fordern die Glaubensfreiheit. Insbesondere ist es der Pfarrer Hans Asmussen, der für {309} die Bekenntniskirche mit besonderem Mut kämpft 'Die Kirche", sagt er, 'dürfe nicht an die irdische Macht des Staates verraten werden " Die Folge dieser Kämpfe ist natürlich auch die fortwährende Verhaftung von evan-gelischen Geistlichen und Unterdrückung ihrer Religions-ausübung.

 

(Zusätzlich, ldn-knigi:

Quelle  - http://rskellinghusen.lernnetz.de/projekt1/kirche/deutsche.htm

 

"Deutsche Christen" versus "Bekennende Kirche"

 

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten konnte nicht ohne Einfluß auf die Kirche bleiben. In Punkt 24 des Parteiprogramms der NSDAP hieß es:

"Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat , soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen. Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns und ist überzeugt, daß eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der Grundlage: Gemeinnutz vor Eigennutz."

Pfarrer J. Hossenfelder trat am 26. Mai 1932 mit einem deutsch-christlichen Programm an die Öffentlichkeit.. Dies forderte ganz im Sinne des erwähnten Artikel 24 des Parteiprogramms der NSDAP: "Positives Christentum, Kampf gegen den Marxismus, gegen Juden, Weltbürgertum und Freimaurerei, Reinerhaltung der Rasse und Schutz des Volkes vor Entartung".

Auf ihrer 1. Reichstagung in Berlin am 3. und 4. April 1933 forderten die Deutschen Christen (DC) die Verknüpfung von religiösen und nationalen Vorstellungen: "Gott hat mich als Deutschen geschaffen, Deutschtum ist Geschenk Gottes. Gott will, daß ich für mein Deutschland kämpfe. Kriegsdienst ist in keinem Fall Vergewaltigung des christlichen Gewissens, sondern Gehorsam gegen Gott... Der Staat Adolf Hitlers ruft nach der Kirche, die Kirche hat den Ruf zu hören."

Diese Auffassung gipfelte in der Meinung eines deutsch-christlichen Kirchenrates: "Christus ist zu uns gekommen durch Adolf Hitler!"

Ihren Höhepunkt aber erreichte die Radikalität der " Deutschen Christen " auf deren Großkundgebung in Berlin am 13. November 1933! vor 20 000 Zuhörern äußerte Dr. Reinhold Krause , Gauobmann der "Deutschen Christen von Großberlin " : Voraussetzung für den Bau der deutschen Volkskirche sei die Befreiung von allem Undeutschen im Gottesdienst und im Bekenntnismäßigen, Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lernmoral , von diesen Viehhändler - und Zuhältergeschichten . Mit Recht hat man dieses Buch als eines der fragwürdigsten Bücher der Weltgeschichte bezeichnet...

Es wird aber auch notwendig sein, ... daß alle offenbar entstellten und abergläubischen Berichte des Neuen Testaments entfernt werden und daß ein grundsätzlicher Verzicht auf die ganze Sündenbock - und Minderwertigkeitstheologie des Rabbiners Paulus ausgesprochen wird..."

Am 21. September 1933 rief Pfarrer Martin Niemöller seine Amtsbrüder auf, sich in einem Pfarrernotbund zusammenzuschließen. Aus diesem Pfarrernotbund entwickelte sich die "Bekennende Kirche", die den "Deutschen Christen" immer stärker entgegentrat.            

Der Kampf der "Bekennenden Kirche" um Reinerhaltung von Glaube und Lehre gegen "Deutsche Christen" und nationalistische Diktatur begann. Nach der Kanzel-ankündigung vom 5. März 1935 ,in der die "rassisch-völkische Weltanschauung" scharf abgelehnt wurde, wurden 700 Pfarrer verhaftet. Amtsbehinderungen, Ausreiseverbote, Redeverbote, Verbannungen, Aufenthaltsverbote, Haft, KZ, Kollekteverbot und die Schließung freier Hochschulen kennzeichneten den Kampf der Gestapo gegen die " Bekennende Kirche".

In einer Weihnachtsbetrachtung des Kellinghusener Pastors Hinrichsen zum Heiligabend 1935 ist zu lesen:

"Man spricht von einem germanischen Christus. Den gibt es leider nicht. Es gibt nur den in Bethlehem im jüdischen Land von der Jungfrau Maria geborenen Menschensohn, der zugleich Gottes ewiger Sohn ist... Unsere Vorväter ließen ihr schönes germanisches Brauchtum mit neuem christlichen Inhalt füllen. Es ist ein Unsinn zu behaupten, sie wären dabei nur dem Zwang von Rom gewichen."; ldn-knigi).

 

***

              Sehr begünstigt werden die Heiden. Es gibt sogar mehrere heidnische Bewegungen Es lohnt sich nicht, auf ihre Lehren näher einzugehen. Es gibt reine Heiden, an deren Spitze die Professoren Bergmann, Wirth und Hauer, ferner der Rassenforscher Günther und Graf von Reventlow stehen. Dann gibt es die 'nordische Bewegung" des Dr. Kummer und den 'arischen Glauben" der Gattin des Feldmarschalls Ludendorff.

Bezeichnend für die 'Wahrheitsliebe' der Dr. Mathilde Ludendorff ist ihre Be-hauptung, daß der große Dichter Lessing im Einver-ständnis mit Moses Mendelssohn ermordet wurde: 'Jahwe wird ja wissen", schreibt sie, 'wer Lessing die großen Vorräte Laudanumpulver gegeben hat." Dabei weiß die ganze Welt, daß Lessing und Mendelssohn Freunde waren. Wer Lessings 'Nathan der Weise" kennt, gehört ins Irrenhaus, wenn er solche Lügen verbreitet.

Goethe wird von Frau Mathilde Ludendorff zum Mör-der Schillers gemacht. Sie schreibt: 'Die verherrlichen-den Lügen über Goethe hinderten über ein Jahrhundert lang die heilige Segenswirkung, die aus dem Morde an Schiller dem Volke werden kann. Nämlich die, daß es ihn erfährt, den skrupellosen Rassenhaß des Juden erkennt und sich dann retten läßt."

Rosenberg und Mathilde Ludendorff werden heute in Deutschland gefeiert, zwei Menschen, die die deutsche Nation durch ihre Lügen in den Augen der ganzen Kulturwelt verächtlich und lä-cherlich machen.

 

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              Einen schweren Schlag hat das Hakenkreuz der Ehre des deutschen Volkes durch die Inszenierung des {310} Reichstagsbrandes versetzt. Heute besteht Übereinstimmung in der ganzen Welt darüber, daß das Reichstagsgebäude von Nationalsozialisten angezündet wurde, um einen Vorwand zu finden, ihre politischen Gegner auszurotten. Man kennt sogar die Namen der Brandleger, deren Führer der bekannte Fememörder Oberleutnant Heines war. Am 28. Februar 1933 abend sah man plötzlich den Reichstag lichterloh brennen. Die Regierung beschuldigte sofort die Kommunisten der Brandlegung, obwohl nicht der geringste Beweis für diese Behauptung erbracht werden konnte.

Ein halb erblindeter, eitler und halb dem Irrsinn verfallener Mensch, ein gewisser van der Lubbe, wurde als Werkzeug benützt, um die Komödie durchzu-führen. Die ganze Kulturwelt durchschaute den Schwin-del, den das Hakenkreuz aufführte. Man verhaftete den Vorsitzenden der kommunistischen Fraktion, Torgler, ge-gen den nichts vorlag.

Der Prozeß, der lange nachher stattfand, bewies sonnenklar, daß es sich hier um einen Betrug handelte, der an dem ganzen deutschen Volk be-gangen wurde. Lubbe wurde hingerichtet, Torgler und einige bulgarische Kommunisten, die ebenfalls verhaftet worden waren, mußten freigesprochen werden. Der Gaunerstreich aber ist restlos gelungen.

Vom Tage des Reichstagsbrandes konnte das Hakenkreuz den fürchter-lichsten Terror gegen seine politischen Gegner ausüben. Es verbot noch in der Nacht vom 28. Februar 1933 alle sozialdemokratischen und kommunistischen Zeitungen. Es verhaftete alle kommunistischen Führer und machte es seinen Gegnern unmöglich, für die Wahlen, die anfangs März 1933 stattfanden, zu werben. Kein Wunder, daß die Wahlen dem Hakenkreuz einen Stimmenzuwachs brachten, den es dazu benützte, um alle deutschen Parteien zu vernichten. Die Deutschnationalen, das Zen-trum und die anderen bürgerlichen Parteien mußten daran glauben. Wer es wagte, sich aufzulehnen, wurde eingekerkert oder erschossen.

 

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              Ich will in diesem Buch nicht von allen Mordtaten sprechen, die das Hakenkreuz auf seinein Gewissen hat. Es ist kein Zufall, daß ein großer Teil der Mörder, die unschuldige Menschen in das Jenseits beförderten, schließlich selbst von Mörderhand gefallen ist. Ich er-wähne nur den 30. Juni 1934, an dem Hitler selbst einige hundert Nationalsozialisten ohne Untersuchung und Verhandlung hinrichten ließ. Unter den Opfern be-fanden sich Gregor Strasser, Röhm, Ernst und Heines, die zu dem höchsten Führerstab gehörten. Röhm galt als der beste Freund Hitlers. Heines war der Anführer beim Reichstagsbrand und eine wichtige Stütze des Hakenkreuzes. Heines scheint seinen Tod geahnt zu haben, denn er hinterlegte bei einem Freund einen Brief, in dem er eingestand, auf Befehl Görings gemeinsam mit an-deren nationalsozialistischen Spießgesellen den Brand an dem Reichstagsgebäude gelegt zu haben. Der Freund, war beauftragt, den Brief erst dann der Öffentlichkeit-, zu übergeben, wenn Heines von seinen Parteigenossen ermordet werden sollte. Auf diese Weise fiel in der Öffentlichkeit der letzte Zweifel darüber, daß der Reichs-tagsbrand ein Werk des Hakenkreuzes war.

             

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              Was hat Hitler von seinen Versprechungen gehalten?

Während seines Kampfes um die Macht hat das Haken-kreuz den Arbeitern versprochen, den Sozialismus zu verwirklichen. Hitler lehnte den Marxismus ab, über während der 14 Jahre des Kampfes waren seine wich-tigsten Programmpunkte die Sicherung und der Aufbau der sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse. Er versprach seinen Anhängern höhere Löhne und Einfluß in den Betrieben. Was geschah aber?

Heute hat der Ar-beiter in Deutschland nichts zu reden. Der Herr im Be-trieb ist der Unternehmer. Ich will zu dieser Frage hier nicht Stellung nehmen. Ich will nur zeigen, daß das Hakenkreuz das wichtigste Versprechen nicht gehalten {312} hat. Daß der Streik in Deutschland verboten ist, ist wohl eine Selbstverständlichkeit.

Während die Preise der Le-bensmittel und der wichtigsten Bedarfsgegenstände we-sentlich gestiegen sind, sind die Löhne sehr niedrig. Es gibt Löhne von 8 Mark wöchentlich in Deutschland. Die Arbeiter, die 50 Mark wöchentlich, und die Angestellten, die 150 oder 200 Mark monatlich beziehen, müssen sich Abzüge gefallen lassen bis zu 33 % des Lohnes oder des Gehaltes. Dazu kommt noch, daß die Arbeitnehmer sich sehr oft an freiwilligen Spenden und an Sammlungen beteiligen und Eintrittsgelder bei Kundgebungen be-zahlen müssen, die ihr ohnehin kärgliches Einkommen noch mehr schmälern.

Die Gewerkschaften wurden zer-trümmert. Die Arbeiterschaft Deutschlands hat keine Möglichkeit, Lohnerhöhungen zu erzwingen, ihre Lage ist eine unerträgliche. Arbeitslose werden gezwungen, in den Arbeitsdienst einzutreten oder bei den Bauern um einen Pappenstiel zu arbeiten. Den Arbeitern gegenüber hat das Hakenkreuz sein Versprechen ebensowenig 'ge-halten' wie den Angestellten gegenüber. An den Arbeit-nehmern hat das Hakenkreuz also glatten Verrat geübt. Daran ändern alle salbungsvollen Reden und Zeitungs-artikel von der 'nationalen Erhebung und Erneuerung" nichts.

 

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              Hitler hatte den Handels- und Gewerbetreibenden ver-sprochen, die Warenhäuser abzuschaffen, ebenso die Ein-heitsgeschäfte, die den kleinen Kaufleuten und Gewerbe-treibenden große Konkurrenz machten. Auch dieses Ver-sprechen hat das Hakenkreuz nicht eingelöst. Die Waren-häuser und die Einheitsgeschäfte blühen und gedeihen. Die Regierung hat im Gegenteil dem bekannten Waren-haus Tietz einen Kredit von 14 Millionen Mark ver-schafft.

              'Die Brechung der Zinsknechtschaft" war ein wichtiger Programmpunkt des Nationalsozialismus. Auch auf die-sem Gebiet ist nichts geschehen. Die Parteigenossen, die {313} es wagten, die Führer an dieses Versprechen zu erinnern, wurden erschossen oder in den Kerker geworfen. Gott-fried Feder, der so naiv war, diesen Programmpunkt ernst zu nehmen und als Staatssekretär seine Verwirklichung zu verlangen, wurde kaltgestellt. Dasselbe Schicksal ereilte auch alle anderen alten Kameraden Hitlers, die es gewagt haben, zu verlangen, daß der nationalen die soziale Revolution folge.

 Auch heute werden in Deutschland Wucherzinsen gezahlt. Der Unterschied gegenüber der Vergangenheit ist nur der, daß es heute verhältnismäßig mehr nichtjüdische Wuche-rer gibt. Die Börsenpapiere werden heute nicht mehr von jüdischen Börsenmaklern, sondern von arischen Sensalen verkauft. In der Börse gehen nicht mehr die Juden im Gehrock und Zylinder, sondern arische Agenten herum, die mitunter die braune Uniform und die Binde mit dem Hakenkreuz tragen.

So haben sich die Anhän-ger Hitlers die Blechung der Zinsknechtschaft nicht vorgestellt.                                        

 

***

              Der Nationalsozialismus hat immer versprochen, die Kartelle und die Trusts, ebenso das Bank- und Geld-wesen zum Wohle des Volkes zu verwenden. Wer es heute wagen würde, zu verlangen, daß die großen Be-triebe, die sich zur Sicherung entsprechender Preise in Kartellen oder Trusts zusammengefunden haben, und die Banken in den Besitz des Staates zu überführen, der wäre ein sicherer Todeskandidat.

Die Besitzer der großen Fabriken, insbesondere die mächtigen Betriebsinhaber der Schwerindustrie, sind heute die wirklichen Herren Deutschlands. Sie häufen fabelhafte Reichtümer an, weil sie den Löwenanteil an der Aufrüstung Deutschlands verdienen.

Während das ganze deutsche Volk schwere Not leidet, werden die Industrieherren immer mächtiger und reicher.

 

***

{314}    Was hat Hitler der Landwirtschaft geleistet? Die Groß-grundbesitzer können dem Hakenkreuz für die wieder-holten Geldhilfen, die es ihnen leistete, dankbar sein. Hingegen ist es kein Geheimnis, daß die Bauernschaft mit dem 'Erbhofgesetz" sehr unzufrieden ist. Nur der Erstgeborene kann das Grundstück von seinen Eltern erben. Die anderen Geschwister werden entrechtet und müssen sich damit begnügen, bei den Erbhofbesitzern 'Zuflucht" zu finden.

 

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              Das Hakenkreuz hat praktisch das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit abgeschafft. Es ist heute in Deutsch-land ausgeschlossen, daß eine Gruppe von Staatsbürgern sich zusammenschließt und Versammlungen abhält, sofern die Absicht bestellt, dort die Meinungen frei zu äußern. Daß Arbeiter Versammlungen abhalten können, ist ganz ausgeschlossen, sofern es sich nicht um stramme Anhänger des Hakenkreuzes handelt.

              Dasselbe gilt natürlich von den Angestellten, den Kaufleuten, den Gewerbetreibenden und den Angehörigen freier Berufe. Auch die Gründung anderer als rein wirt-schaftlicher Vereine ist ausgeschlossen, wenn es sich nicht um Gebilde handelt, die gegründet werden, um das Hakenkreuz zu verbreiten und zu verherrlichen.

              Die Zeitungen schauen trostlos in Deutschland aus. Sie dürfen nichts enthalten, das der Regierung nicht genehm wäre. Das 'Berliner Tagblatt", die 'Vossische Zeitung", die früher in der ganzen Welt verbreitet und mit großem Interesse gelesen wurden, befinden sich heute im Besitz der Nationalsozialisten. Sie sind zur Bedeu-tungslosigkeit herabgesunken.

Im Ausland nimmt man diese Blätter nicht mehr ernst. Die 'Frankfurter Zeitung", die in der ganzen Welt Ansehen genoß, ist heute gleich-geschaltet und dient nur dazu, der Regierung Vorschub zu leisten. Nur die Rücksicht auf jüdische Leserkreise bestimmt die Schriftleiter, in der Judenfrage mildere Töne {315} anzuschlagen.

Dafür aber blühen und gedeihen Zeitungen, die für ewige Zeiten Schmach und Schande über das Dritte Reich bringen werden. Im 'Völkischen Beob-achter", der Hitler gehört, können die nationalsozialisti-schen Führer, insbesondere die Herren Ley und Rosenberg, alle ihre Lügen anbringen, die dem Zwecke dienen, die deutschen Massen zu verdummen, zu belügen und zu betrügen. Man muß sich als Deutscher schämen, daß solche Blätter in unserer Muttersprache geschrieben sind.

             

***

              Ich habe in diesem Buch meinen Lesern einige Kost-proben von den Richtungen geboten, die heute in Deutschland auf der Tagesordnung sind. Die Verlogen-heit der deutschen Regierungskreise ist eine hemmungs-lose. Dabei ist der 'Völkische Beobachter" ein reiner Waisenknabe den Zeitungen gegenüber, die offen gegen die Juden und Katholiken hetzen.

Ich erwähne den, 'Stürmer", dessen Herausgeber, Julius Streicher, zur traurigen Berühmtheit in der ganzen Welt wurde. An-ständige Nationalsozialisten weigern sich, dieses Blatt zu lesen, dessen Aufsätze nur einem verbrecherischen oder wahnsinnigen Gehirn entspringen können. Streicher kennt keine Grenzen.

Es gibt keine Gemeinheit und Ver-worfenheit, die in dieser Zeitung keine Aufnahme fände. Und dieser Julius Streicher, der Richter auspeitscht, wenn sie ihm nicht genehme Urteile fallen, ist Oberpräsident von Franken und - wie es allgemein heißt - der zu-künftige Polizeidirektor von Berlin. Dem Herausgeber des 'Stürmer" hat Hitler zum 50. Geburtstag herzlichst gratuliert...

(Zusätzlich, ldn-knigi:

Quelle- 'Harenbergs Personenlexikon, 20 Jahrhundert', 1992

'Streicher, Julius, 12.02.1885-16.10.1946 (hingerichtet, Nürnberg)

Beim kaum einem anderem NS-Politiker zeigte der Antisemitismus so primitive Züge wie bei

J.S. In seiner Wochenschrift 'Der Stürmer' betrieb er eine hemmungslose Judenhetze, die oft geradezu pornografische Züge aufwies. 1935 war er der Hauptinitiator der Nürnberger Rasengesetze. 1928-1940: Gauleiter der NSDAP von Franken)

 

***

              Weder in Versammlungen noch in Zeitungen darf man gegen die Maßnahmen der Regierung Stellung nehmen. Die Zeitungen dürfen nur die Taten der Regierungen billigen und verherrlichen. Mag eine Maßnahme noch so {316} schädlich sein, man darf darüber nicht schreiben, wenn man mit dem Kerker oder mit dem Henker keine Be-kanntschaft machen will.

Alle diese Gesetze und Maß-nahmen werden letzten Endes von Hitler, Göring und Goebbels ersonnen, sofern es sich nicht um Dinge han-delt, die das Interesse des Heeres berühren. Geht es um die Belange der Aufrüstung, dann hat auch die Macht des Hakenkreuzes ihr Ende. Die Reichswehr spielt heute eine entscheidende Rolle in Deutschland. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Hitler die Möglichkeit hätte, etwas zu unternehmen, was gegen die deutschen Generäle wäre. Allerdings denken die nationalsozialistischen Führer nicht daran, etwas gegen das Heer oder das Großkapital zu unternehmen.

Ihre Maßnahmen richten sich nur ge-gen die breiten Schichten des Volkes, gegen die freie Meinungsäußerung der Menschen, gegen die Juden und Katholiken, gegen die Christen überhaupt. An diesen Dingen werden sie weder durch das Heer noch durch das Großkapital gehindert.

Das Hakenkreuz geht gegen das Christentum vor, weil es die Nächstenliebe, Barm-herzigkeit und Gerechtigkeit fordert, während der Na-tionalsozialismus nur Blut und Volk, Ruhm und Macht als Götzen betrachtet.

             

***

              Auch die Wissenschaft wurde in Deutschland gleich-geschaltet. Schon die Volksschule zeigt deutlich die Zei-chen der Zeit. Man unterrichtet Rassenkunde, und der Wehrsport bildet einen wesentlichen Bestandteil des Unterrichtes. Den Lehrern schreibt man vor, daß sie die Ge-schichte so lehren müssen, daß sie nicht vom Mittelmeer aus, sondern vom Norden her gesehen wird. Man soll den Schülern die lügenhafte Vorstellung beibringen, daß das Ursprungsgebiet aller Kulturen der Norden sei. Es sei ein Unsinn, die Geschichte objektiv darzulegen.

              Die Universitäten wurden gesäubert. Hunderte von Professoren, Leuchten der Wissenschaft, die den Ruhm Deutschlands in der Welt begründet hatten, wurden {317} davongejagt.

Professor Hermann Jakobsohn, der von der Universität Marburg entlassen wurde, ließ sich von einem Zug überfahren. Der weltberühmte Physiker Al-bert Einstein, der Begründer der Relativitätstheorie, mußte endgültig von Deutschland Abschied nehmen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden unter dem Jubel der Nationalsozialisten auf einem Scheiterhaufen vor der Berliner Universität verbrannt.

Einstein ist Nobelpreis-träger und der erste deutsche Universitätsprofessor, der nach dem Krieg in Paris Vorlesungen in deutscher Sprache abhielt. Der Nobelpreisträger Franck, ein Ge-lehrter von Weltruf, wurde zum 'freiwilligen" Rücktritt gezwungen. Dasselbe Schicksal ereilte den bekannten Physiker Born. Die berühmten Mathematiker Courant, Bernstein und Emilie Noether mußten gehen.

Die Ber-liner mathematische Fakultät wurde ihrer hervorragend-sten Lehrer beraubt. Unter den Entlassenen der technischen Hochschule in Berlin nenne ich Professor Arthur Korn, einen Physiker, der die ersten praktischen Methoden zur Verwirklichung des Fernsehens angewendet hat. Der Nobelpreisträger Fritz Haber, (im Jahre 1893 konv. zum Protestantismus; verstorben - 1934, ldn-knigi) das Haupt einer großen Schule von Chemikern, hat das erste brauchbare Ver-fahren zur Gewinnung von Stickstoff aus der Luft aus-gearbeitet. Sein Name verkörpert die höchste Entwick-lung der modernen deutschen Chemie. Die 'Times" vom 4. Mai 1933 schrieb anläßlich der Entfernung Habers, daß es eine Ironie der Geschichte sei, wenn die Deutschen den Mann zum Rücktritt zwingen, dem wahrscheinlich mehr als jedem anderen zu verdanken ist, daß Deutsch-land vier Kriegsjahre durchhalten konnte.

              Deutschland hat auch große Ärzte verloren. Ich er-wähne Bernard Zondek, der von dem schwedischen Nobelpreisträger für Medizin von Euler als einzig da-stehende Kapazität bezeichnet wurde. Ihm verdanken wir die Entdeckung einer chemischen Methode, die durch Analyse des Harns die Feststellung der Schwangerschaft in den frühesten Stadien ermöglicht. Der Berliner Tuberkuloseforscher Friedmann, der ein hochwertiges Mittel {318} gegen Tuberkulose erfunden hat, wurde ebenso abge-setzt, wie sein berühmter Kollege Moritz Borchardt.

 

***

              Man begnügte sich aber nicht mit der Entfernung der Professoren, sondern die Studentenschaft hat auch die Werke der gegnerischen Schriftsteller feierlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Es fielen den Flammen zum Opfer die Werke von: Max Brod, Alfred Döblin, Ilja Ehrenburg, Lion Feuchtwanger, Jaroslaw Hasek, Walter Hasenclever, Arthur Holitscher, Heinrich Eduard Jakob, Josef Kalenikow, Gina Kaus, Egon Erwin Kisch, Heinz Liepmann, Heinrich Mann, Klaus Mann, Robert Neu-mann, Ernst Ottwald, Erich Maria Remarque, Ludwig Renn, Alfred Schirockauer, Arthur Schnitzler, Richard Beer Hoffmann, Ernst Toller, Arnold Zweig, Stefan Zweig und Adrienne Thomas.

Staunend fragt man, wer eigentlich noch in Deutschland übriggeblieben ist, wenn man solche berühmte Schriftsteller verfemte. In der Tat sollte vor einiger Zeit der Schillerpreis verteilt werden, allein die Prüfungskommission erklärte, daß derzeit in Deutschland kein einziger Dichter vorhanden wäre, der die Eignung besitze, mit dem Schillerpreis beteilt zu werden. Dafür aber gestattet man den Studenten wieder, sich gegenseitig 'mit der Waffe in der Faust" zu Krüp-peln zu schlagen.

             

***

              Aus der Dichterakademie wurden ausgeschaltet: Al-fred Döblin, Thomas Mann, Jakob Wassermann, Franz Werfel, Renée Schikele, Bruno Frank, Fritz v. Unruh, Georg Kaiser, Ludwig Fulda, Bernard Kellermann, Alfred Mombert und Rudolf Pannwitz. Der berühmte Maler Max Liebermann, der durch mehr als zwölf Jahre Präsi-dent der preußischen Akademie der Künste war, der Begründer der Sezession, ein Künstler von Weltruf, starb gebrochenen Herzens, nachdem ihm die deutsche {319} Regierung einige Monate vorher verboten hatte, zu malen.

              Die Dichter des Hakenkreuzes sind ganz bedeutungs-lose Menschen. Ihr Parademann ist Hanns Johst, der früher für die Revolution schwärmte. Er ist aber auch der einzige nationalsozialistische Schriftsteller, der sich einen gewissen Namen verschafft hat. Alle übrigen sind vollständig bedeutungslos. Als Schriftsteller kommt Hanus Heinz Ewers in Betracht, der die Biographie des national-sozialistischen 'Helden" Horst Wessel geschrieben hat.

              Wie diese Leute sich wandeln, kann man gerade an Ewers erkennen, der im Jahre 1922 ein sehr judenfreundliches Vorwort zu einem Buch von Israel Zangwill, 'Die Stimme von Jerusalem" geschrieben hat.

Jetzt ist Ewers  natürlich Hakenkreuzler. Bezeichnend ist, daß auch die Werke von Ewers 'Alraune" und 'Der Vampyr" vom Hakenkreuz selbst auf die Liste der Schund- und Schmutzliteratur gesetzt wurde.

 

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              Auch die Musik wurde gleichgeschaltet. Otto Klemperer war Leiter der Berliner Staatsoper, ein ausgezeich-neter Dirigent. Er wurde entlassen. Bruno Walter, Diri-gent von Weltruf, den man in Amerika oder England ebenso kennt wie in Deutschland, mußte gehen.

Statt seiner wird irgendein unbekannter Herr Fuhsel diri-gieren. Der Generalmusikdirektor Busch von der Dres-dener Oper wurde während der Aufführung der Oper 'Rigoletto" vom Dirigentenpult mit Brachialgewalt ent-fernt. Der berühmteste deutsche Pianist, Arthur Schnabel, Leiter der Meisterklasse für Klavierspiel an der Berliner Hochschule für Musik, wüde hinausgeworfen. Entfernt wurden: Emil Feuermann, der einzige deutsche Cellist von Rang, Leonid Kreuzer, ein guter Pianist und Lehrer der Meisterschule, der ausgezeichnete Geiger Karl Flesch, die Dirigenten Oskar Fried, Fritz Stiedry, Gustav Brecher, ebenso der deutsche Pianist Bruno Eisner.             

Von den modernen deutschen Komponisten ist kaum einer {320} dem Hakenkreuz geblieben. Gehen mußte Arnold Schön-berg, der auf die Entwicklung der modernen Musik den größten und wichtigsten Einfluß ausgeübt hat, der eine neue, eigene Musiksprache erfunden und als bahnbrechend bezeichnet werden muß. Der bekannte deutsche Komponist der 'Dreigroschenoper", Kurt Weill, mußte Deutschland verlassen, weil er Jude ist. Der Opern-komponist Franz Schrecker wurde wegen seiner nicht einwandfreien Abstammung entlassen. Der Arbeiter-komponist Hanns Eisler mußte flüchten. Auf diese Weise ist die deutsche Musik ihrer besten Kräfte beraubt wor-den. Als der berühmteste Dirigent der Welt, Arturo Toscanini, eingeladen wurde, an den Bayreuther Fest-spielen im Richard-Wagner-Gedenkjahr zu dirigieren, hat er - mit Rücksicht auf das Vorgehen des Hakenkreuzes gegen seine deutsche Kollegen - folgendes Telegramm an Frau Winifred Wagner gerichtet:

                             'Da die mein Gefühl als Künstler und Mensch ver-letzenden Geschehnisse gegen mein Hoffen bis jetzt keine Veränderung erfuhren, betrachte ich es als meine Pflicht, das Schweigen, das ich mir seit zwei Monaten auf-erlegte, heute zu brechen und Ihnen mitzuteilen, daß es für meine, Ihre und aller Ruhe besser ist, an mein Kommen nach Bayreuth nicht mehr zu denken. Mit dem Gefühl unveränderter Freundschaft für das Haus Wagner,

            Arturo Toscanini."

             

              Aus dem deutschen Theater verschwanden viele Dar-steller, die große schauspielerische Leistungen aufzu-weisen hatten. Fritz Kortner, Max. Pallenberg, die Massary und die Bergner, die Regisseure Max Reinhart und Jessner sind davongejagt worden, Lotte Schöne, Frieda Leider, Alexander Kipnis gelten nichts mehr. Ernst Busch mußte flüchten.

              Käthe Kollwitz, die geniale Künstlerin, mußte gehen. Die bekanntesten Filmregisseure Deutschlands wurden gezwungen auszuwandern.

 

{321}

 

***

              Natürlich hat das Hakenkreuz auch den Rundfunk er-obert. Er wurde in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda gestellt. Das gilt auch für die künstlerischen Sendungen. Die armen Rundfunkhörer in Deutschland müssen sich die ewige nationale Blasmusik und die ewigen Brandreden gefallen lassen.

              Eine Dame, an deren Wahrheitsliebe ich nicht zweifle, erzählte mir nach ihrer Rückkehr aus Deutschland, wie es dort in den Kreisen der Intelligenz ausschaut. Oft sagte man ihr: 'Wir haben nur ein Recht mehr, das Recht zu vertrotteln. Wir wissen nicht, was in der Welt vorgeht."

Die Menschen lesen keine Zeitungen mehr, weil sie sich über den Stumpfsinn ärgern, der dort ver-zapft wird. Als Göring heiratete, wurden die Zere-monie der Trauung, die Toiletten der Damen, die Braut-geschenke und das Hochzeitsangebinde in spaltenlangen Artikeln beschrieben. Eine Schriftstellerin erzählte, daß sie selbst gesehen hat, wie einfache Leute diese Zeitun-gen vor Zorn zerrissen.                           

               Die meisten Angehörigen der Intelligenz in Deutsch-land sind Gegner des Hakenkreuzes. Sie fühlen sich aber machtlos. Eine Dame hatte einen siebenjährigen Knaben an Kindesstatt angenommen. Eines Tages kam er aus der Schule und erzählte ihr, welch großer Held Ludendorff war.

Als sie dem Kinde sagte, daß Ludendorff als Heerführer Deutschlands während des Krieges geschlagen wurde und daß er mit dunkler Brille vor den Augen geflohen sei, da starrte sie das Kind un-gläubig an. Mehr konnte sie ihm nicht sagen, denn sie hätte sonst sich und das Kind gefährdet. Den Kindern erzählt man in den Schulen den größten Unsinn und die Eltern können nicht eingreifen. Es bestellt eine fürch-terliche Angst vor Bespitzelung.

Die Leute wollen keine neuen Bekanntschaften machen, und auch vor den Freunden hütet man sich. Es ist so wie zur Zeit des Baues des Turmes zu Babel. Man kann sich nicht mehr miteinander verständigen. Man zieht sich aus dem öffentlichen Leben zurück.

Eine Dame führte {322} die Österreicherin in ein Kino. Zwei Stunden lang sahen sie das 'marschierende" Deutschland. Zwei Stunden lang hörten sie die verzückten Heilrufe im Klangfilm. Man führte ihnen auch die Führer überlebensgroß in Großaufnah-men vor. Der Kopf des Julius Streicher erschien auf der Leinwand. Kahl, häßlich.

Streicher rief: 'Das Wichtig-ste für das Volk ist die Rasse."

Wir konnten ein Auf-lachen kaum unterdrücken, erzählte die Dame. Man könnte nicht wirksamer den Rassenwahn bekämpfen, als wenn man Julius Streicher durch die Kinos der gan-zen Welt führen und ihn diesen Satz jedesmal wieder-holen ließe.

Es wurden auch Hitler und Göring, auch noch andere Größen vorgeführt, aber keiner von ihnen wirkte so lächerlich wie Julius Streicher, der selbst so wenig dem Ideal der körperlichen Schönheit entspricht und trotzdem die Rassentrage in den Vordergrund rückte. Nach der Vorstellung herrschte im Kino Gra-besstille. Weder ein Wort des Beifalls, noch ein Wort der Kritik war zu hören.

             

***

              Überall, wohin unsere Österreicherin kam, konnte sie höchste Unzufriedenheit, ja Verzweiflung wahrnehmen

             

***

              Zu den seelischen Qualen gesellen sich immer mehr und mehr Widrigkeiten, die wir noch aus den Kriegs-zeiten kennen. Die Ausfuhr Deutschlands sinkt von Tag zu Tag. Die Folge ist eine Knappheit von Rohstoffen, insbesondere von Textilwaren.  Im Jahre 1933 hat Deutschland in den ersten zwei Monaten des Jahres Waren um 812 Millionen Mark ausgeführt; im Jahre 1934 waren es nur 693 und im Jahre 1935 nur 600 Mil-lionen Mark. In den ersten zwei Monaten des Jahres 1932 hat die Ausfuhr die Einfuhr um 112 Millionen Mark überstiegen, in den ersten zwei Monaten des Jahres 1934 war die Einfuhr um 57 Millionen Mark und in den ersten zwei Monaten des {323} Jahres 1935 um 162 Millionen Mark größer als die Ausfuhr!

Göbbels hat den Zeitungen verboten, über diesen Rückgang des deut-schen Exportes zu schreiben. Dabei darf man nicht ver-gessen, daß Deutschland enorme Mengen von Waren für die 'Aufrüstung" einführen muß. In dieser Be-ziehung gibt es keine Einschränkungen. Man zwingt eher die Bevölkerung, sich mit Ersatzstoffen zu begnü-gen, als weniger Kanonen oder Giftgase zu erzeugen. Dr. Schacht hat die Bevölkerung schon darauf aufmerksam gemacht, daß sie in Bälde auf so manche Annehm-lichkeiten wird verzichten müssen. Man wird bald zum System der Karten übergehen, wie dies zur Zeit des Krieges war. Nicht einmal die Stoffe für die Fahnen, die seit der Machtergreifung Hitlers eine dringende Not-wendigkeit in Deutschland geworden sind, kann man in ausreichendem Maße aufbringen.

Zur selben Zeit konnte England seine Ausfuhr erhöhen. Das, was die Leute in Deutschland nicht kaufen wollen, bekommen sie in England. Ich muß bemerken, daß der Boykott, der in der ganzen Welt gegen Deutschland durchgeführt wird, keineswegs hauptsächlich von den Juden herrührt.

Ganz große Firmen in den verschiedenen Staaten Europas, ebenso aber auch in Amerika, weigern sich, deutsche Waren zu kaufen, weil sie ein Land nicht un-terstützen wollen, in dem das Hakenkreuz so unmensch-lich wütet. Daß die jüdischen Kaufleute in Amerika, in Rumänien, in Polen, in Litauen, in Holland und in der Tschechoslowakei, die früher aus Deutschland Waren bezogen haben, vom Hakenkreuz nichts mehr kaufen wollen, ist wohl selbstverständlich. Wer kann es diesen Menschen verübeln, daß sie mit einem Lande nichts zu tun haben wollen, das ihre Glaubensgenossen in so niederträchtiger Weise verfolgt?

             

***

 

              So schaut Deutschland im Innern aus. Seine Bezie-hungen zu den Nachbarvölkern sind nicht besser. Das {324} Hakenkreuz vertritt in Übereinstimmung mit Hitlers 'Mein Kampf" die Auffassung, daß nur das Edelrassige das Recht hat zu leben. Nur der Deutsche ist 'edel-rassig".

Zur Verschaffung von 'Lebensraum" für das 'edelrassige" deutsche Volk müssen gewisse Nachbar-völker vernichtet und ausgerottet werden, damit die in hundert Jahren zu erwartende Bevölkerung von 250 Millionen Deutschen den nötigen Boden erhalten könne. Die Folge dieser Ideen war, daß Deutschland heute das am meisten gehaßte und vereinsamte Volk der Welt ist. Frankreich erblickt in Deutschland seinen ärgsten Feind.

Alle Beteuerungen Hitlers und Görings helfen nichts. Frankreich bereitet sich zu einem Abwehrkrieg gegen Deutschland vor. Dem Hakenkreuz ist es zu verdanken, daß die Gegensätze zwischen Frankreich und Rußland, die seit der bolschewistischen Revolution bestanden, be-seitigt wurden. Frankreich hat mit Rußland ein Militär-bündnis geschlossen.

Alle Versuche Deutschlands, Eng-land den Franzosen zu entfremden, sind mißlungen. Es ist zweifellos, daß wir im Falle eines Krieges England an der Seite Frankreichs sehen werden. Vergessen und begraben wurden die Gegensätze zwischen Italien und Frankreich. Zwischen beiden Staaten bestehen herzliche Beziehungen.  Die Tschechoslowakei hat ein Militär-bündnis mit Rußland unterfertigt. Dem Nationalsozialis-mus in Deutschland ist es zuzuschreiben, daß auch der Konflikt zwischen Jugoslawien und Italien bereinigt wurde. Polen hat wohl einen zehnjährigen Freundschaftsvertrag mit Deutschland geschlossen, allein in eingeweihten politischen Kreisen weiß man, daß im Ernstfall Polen nicht mit Deutschland gehen kann.

Es bestehen keine Bindungen für den polnischen Staat, seine Soldaten für das Hakenkreuz auf das Schlachtfeld zu führen. Auch Rumänien und Ungarn, natürlich auch Österreich gehören nicht zu den Staaten, auf deren Hilfe Deutschland im Falle eines Krieges rechnen kann.

 

{325}

***

              Das Vorgehen Hitlers Österreich gegenüber hat die Empörung der ganzen zivilisierten Welt hervorgerufen. Das Hakenkreuz hat es sich in den Kopf gesetzt, Öster-reich an Deutschland anzuschließen. Wie ich bereits ausgeführt habe, hat sich das österreichische Volk nie nach einer Vereinigung mit Deutschland aufrichtig gesehnt. Die Stimme des Volkes sprach sich gegen den Anschluß aus. Nur einige Politiker wollten aus eigensüchtigen Gründen Österreichs Unabhängigkeit opfern. Als die Nationalsozialisten sahen, daß sie Österreich zum frei-willigen Anschluß nicht bestimmen können, versuchten sie, Gewalt anzuwenden. Von einer deutschen Zentrale aus begann man Gewalttaten gegen Österreich zu or-ganisieren.

              Im Jänner 1933 wurde von der Polizei in Wien bei einem nationalsozialistischen Parteigänger ein Sprengstofflager - insgesamt 44 kg Ammonit - aufgedeckt. Von Deutschland aus gab man die Parole aus, die Seeli-sche Aufwühlung so zu steigern, damit Österreich 'nicht zur Ruhe komme". Am 11. Juli 1933 wurden auf den Führer des Tiroler Heimatschutzes, Dr. Steidle, von dem reichsdeutschen Staatsangehörigen Werner v. Alvens-leben aus nächster Nähe einige Schüsse abgegeben. In Wien wurde der Juwelier Futterweit durch die Ex-plosion einer Höllenmaschine getötet. Gegen das Waren-haus 'Hak" in Wien wurde am 31. Juli 1933 ein Sprengstoffanschlag verübt.

Es handelte sich bei diesen Sprengstoffanschlägen um eine sorgfältige, bis in allen Einzel-heiten vorbereitete Aktion des Hakenkreuzes, die fast gleichzeitig im ganzen Bundesgebiet durchgeführt wurde. Überall war Vorsorge getroffen worden, daß die Täter nach Verübung der Tat unverzüglich durch verläßliche Parteigenossen mit Motorfahrzeugen über die deutsche Grenze geschafft werden konnten.

             

Als am 19. Juni 1933 gegen eine von einer Schieß-übung nach Krems zurückmarschierende Abteilung christ-lich-deutscher Turner von zwei Nationalsozialisten ein Handgranatenanschlag verübt wurde, wobei ein Toter {326} und mehrere Verletzte zu beklagen waren, wurde der nationalsozialistischen Partei in Österreich jede Betäti-gung verboten. Die Sturmabteilungen und Schutzstaffeln wurden aufgelöst und das Tragen jedweder Parteiab-zeichen wurde untersagt. Die meisten Führer der österreichischen Hakenkreuzler flüchteten nach München, wel-ches für das nächste Jahr der Ausgangspunkt aller ge-gen Österreich gerichteten Aktionen des Hakenkreuzes wurde.

Nun begann die illegale Tätigkeit der Partei in Österreich. Im August 1933 wurde durch die Polizei eine umfangreiche Nachrichtenzentrale bei dem Zahnarzt Dr. Schneider in Wien aufgedeckt, die mit dem reichs-deutschen Außenamt in Berlin in Verbindung stand. Bald darauf wurde in dem Architektenbüro des In-genieurs Ludwig Stiegler in Wien eine Nachrichten-abteilung ausgehoben, die Meldungen nach München sandte. Ende September wurde ebenfalls eine Nachrichten-abteilung entdeckt.

In den Räumen eines Blindenvereines, dessen Sekretär Reichsdeutscher war, wurde wichtiges Material gefunden, aus dem zu ersehen war, daß das Hakenkreuz über ganz Österreich ein Netz von Nach-richtenstellen gespannt hatte. Aus Ämtern, Betrieben, Banken und freien Berufen wurden Nachrichten jeglicher Art geliefert. Nicht nur Polizei und Wehrmacht, die Or-ganisationen der 'Vaterländischen Front" und der frei-willigen Wehrverbände, sondern auch Betriebe und Un-ternehmungen wurden ausgespäht. Diese Nachrichten wurden zu Berichten zusammengefaßt und nach München geschickt, wo sie in entstellter und verdrehter Form vom Rundfunk an die Öffentlichkeit berichtet wurden.

              Nach den Bombenanschlägen und Terrorakten des Monats Juni 1933 setzte in ganz Österreich eine lebhafte Propagandatätigkeit des Hakenkreuzes ein. Häuser, Straßen, Bäume und Felswände wurden mit Haken-kreuzen bemalt, Flugschriften und gestanzte Hakenkreuze wurden überall ausgestreut. Auf dem Lande wurden auf den Höhen Hakenkreuzfeuer abgebrannt. Anfangs Ok-tober wurden die ersten Tränengasanschläge gegen {327} Kauf- und Kaffeehäuser sowie Kinos verübt. Ende Oktober explodierten die ersten Papierböller, denen immer ge-fährlichere Sprengkörper folgten Diese Papierböller ka-men auf Schleich- und Schmuggelwegen über die deut-sche Grenze nach Österreich.

 Einer der größten dieser Schmuggeltransporte wurde Ende Dezember 1933 an der Grenze angehalten. Außer Hunderttausenden von Flugzetteln, Zeitungen, Bioschüren und verfälschten Auf-rufen der österreichischen Regierung befanden sich in diesen Transporten. Böller in der Form von Stielhand-granaten, ferner Handgranaten, die im letzten Kriegsjahr verwendet wurden. Später verwendete das Hakenkreuz Chloratsprengstoff.

Gegen Ende Jänner 1931 nahm die Anzahl der Böller- und Sprengstoffanschläge tagtäglich zu, um in den ersten Februartagen den Höhepunkt zu erreichen.

 

***

              Da dem Hakenkreuz anscheinend klar geworden war, daß ihm der Weg zur Macht in Österreich versperrt ist, wurden neue Wege gesucht Die Anhänger Hitlers in Österreich proklamierten den Raucher- und Steuerstreik. Schon vorher hatte Hitler verordnet, daß jeder Reichs-deutsche, der seinen Urlaub in Österreich verbringen will, eine Taxe von tausend Mark bezahlen müsse.

Gleich-zeitig wollte das Hakenkreuz den österreichischen Fremdenverkehr durch Terror- und Sprengstoffanschläge un-möglich machen. Die Hakenkreuzler hinterlegten Höllen-maschinen in den Bahnhofsgarderoben. Eine Bombe ex-plodierte im Westbahnhof, eine andere im Aspangbahnhof.

              Knapp vor Pfingsten erfolgten in ganz Österreich zahl-reiche Sprengungen von Bahnanlagen. In der Folgezeit verging kein Tag, an dem nicht Sprengstoffanschläge gegen Bahnanlagen, Elektrizitäts- und Wasserkräfte, Te-lephonkabel, öffentliche Gebäude und Wohnungen er-folgt sind. Daß der Tenor von Deutschland aus {328} organisiert wurde, war klar.     Am 9. Juni 1934 wurden in Ober-österreich 68 Sprengkörper deutscher Herkunft gefunden, die in einem Sack der bayerischen Salzwerke verpackt waren. Am 11. Juni 1934 wurde ein Sprengstofflager in Telfs entdeckt, das ebenfalls deutscher Herkunft war. Ende Mai wurden in Salzburg eine ganze Reihe von Terroraktionen durchgeführt. Vom 10. bis 12 Juni 1934 wurden in ganz Niederösterreich zahllose Telegraphen- und Telephondrähte abgezwickt, Leitungsmaste ge-sprengt und gestört. In derselben Zeit erfolgten gegen die Südbahn in Steiermark zahllose Sprengstoffanschläge. Verbrecherische Anschläge galten Ende Juni den Län-dern Tirol und Vorarlberg. In Tirol fanden Anschläge gegen verschiedene Elektrizitätswerke und Wasserleitun-gen statt. Auch hier konnte festgestellt werden, daß das deutsche Hakenkreuz die Hand im Spiele hatte. Spreng-stoffanschläge gegen Gendarmen, Fahrern und Soldaten erfolgten täglich. Daß diese Terrormethoden des Haken-kreuzes auch nicht vor dem vorbedachten Meuchelmord haltmachten, zeigte die Ermordung des früheren Na-tionalsozialisten Kornelius Zimmer in Wien, der bei den Nationalsozialisten im Verdacht stand, der Polizei Nach-richten übermittelt zu haben.

              Ende Juni begann der Schmuggel von Waffen und Munition über die deutsche Grenze nach Österreich. Man bereitete sich für den großen Putsch vor. Am 22. Juli 1934 explodierten nach einigen Tagen der Ruhe in Klagenfurt vor dem Landesgericht, dem Regierungs-gebäude, dem Polizeikommissariat und dem Pfarrhof Sprengkörper. Es waren die letzten mit Amonal ausge-führten Sprengstoffanschläge vor dem 25. Juli 1934, an welchem Tage das Hakenkreuz die österreichischen Anhänger zum offenen Aufruhr aufrief, als dessen erstes Opfer Bundeskanzler Dr. Dollfuß fiel.

              Die nachfolgende Schilderung wird sonnenklar bewei-sen, daß der Tod des tapferen Kanzlers von der Mord-zentrale in Deutschland beschlossen wurde. Den Mann, der zäh und unverdrossen die Unabhängigkeit und {329} Freiheit Österreichs verteidigte, wollte das Hakenkreuz um jeden Preis aus dem Wege räumen.

***

 

 

              Als das Hakenkreuz sah, daß es durch seine bis-herigen Methoden die österreichische Regierung nicht zermürben kann, entschloß es sich, einen entscheiden-den Schlag zu unternehmen. Den Führern des Haken-kreuzes in Deutschland gelang es, den ehrgeizigen Ge-sandten in Rom und gewesenen Landeshauptmann der Steiermark, Dr. Rintelen, für ihre Ziele zu gewinnen. Auch höhere Beamte der Wiener Polizei versprachen ihre Mitwirkung. Beabsichtigt war, am 21. Juli 1934 den versammelten Ministerrat zu überrümpeln, die Regierungsmitglieder gefangenzunehmen und den inzwischen in Wien eingetroffenen Dr. Rintelen zum Bundeskanzler auszurufen. Die Hakenkreuzler erfuhren jedoch durch einen Spion, daß der Ministerrat verscho-ben wurde und daß er am nächsten Tag, das heißt am

25. Juli, vormittag um 11 Uhr, stattfinden werde. Sie versammelten daher in einer Turnhalle in Wien un-gefähr 150 Leute, die sie als Soldaten des österreichischen Heeres und als Angehörige der Polizei verklei-deten. Diese Truppe wurde auf mehrere Lastautos ver-laden und konnte ungehindert in das Bundeskanzleramt eindringen.

              Schon kurze Zeit vorher hatte die Regierung von dem beabsichtigten Putsch erfahren. Dr. Dollfuß unterbrach den Ministerrat, begab sich aber nicht nach Hause, sondern verblieb im Bundeskanzlergebäude, wo die Be-fehle zur schärfsten Bewachung des Tores erteilt wur-den. Gerade deshalb war es den Putschisten möglich gewesen, den Überfall durchzuführen. Als sie eindran-gen, glaubten die wachthabenden Organe, daß es sich um Polizei und Militär handelt, das zur Verstärkung des Schutzes im Gebäude von den Sicherheitsbehörden entsendet wurde. Diese List des Hakenkreuzes {330} ermöglichte ihm, auch die Militärwache zu entwaffnen und gefangenzunehmen. Die Militärwache wurde eben abge-löst. Der Kommandant der alten und der Kommandant der neuen Wache erledigten eben die Formalitäten der Ablösung. Plötzlich stürmten acht Terroristen mit vorgehaltenen Revolvern in das Wachzimmer. Die beiden Vizeleutnants, die Kommandanten der Militärwache, hatten ihre Pistolen nicht geladen und konnten daher keinen Widerstand leisten. Auch die Gewehre der Wach-mannschaft waren ungeladen. Ehe die Leute einen rich-tigen Überblick über die Situation gewinnen konnten - die Anführer der Rebellen trugen Offiziersuniform - waren sie gefangengenommen. Die Gewehre der Wach-mannschaft waren ungeladen, weil sie nicht als Sicherheits-, sondern als Ehrenwache fungierte. Die Überwäl-tigung der Polizeibeamten und Kriminalbeamten konnte leicht vonstatten gehen, weil sie einzeln auf die labyrinthartigen Gänge des Bundeskanzlergebäudes verteilt waren und jeweils einer bewaffneten, schußbereiten Übermacht gegenüberstanden. Die Aufrührer befanden sich übrigens im Besitze genauer Pläne des Bundes-kanzleramtes, die schon vor mehreren Monaten herge-stellt worden sind.

              Während die eine Gruppe der Aufrührer die Wache überwältigte, stürmte eine andere Gruppe in die Arbeits-räume des Bundeskanzlers. Dr. Dollfuß hatte sich im Augenblicke des Eindringens der Aufrührer in das Haus in seinem Arbeitszimmer befunden. Nun begab er sich mit Minister Fey und Staatssekretär Karwinsky in den Säulensaal, um sich über die Vorgänge Klarheit zu ver-schaffen. Als Minister Fey und noch einige andere Herren den Versuch machten, den Säulensaal abzu-riegeln, stießen sie unmittelbar vor der Türe bereits mit den eindringenden Aufrührern zusammen, die in großer Überzahl waren und schußfertige Pistolen und Kara-biner in den Händen hielten. Die im Säulenzimmer be-findlichen Funktionäre und Angestellten wurden fest-genommen und gezwungen, um einen runden {331} Konferenztisch Platz zu nehmen.

Knapp vor dem Eindrin-gen der Aufrührer in das Säulenzimmer wollte Staats-sekretär Karwinsky Dr. Dollfuß in ein höheres Stock-werk führen, er faßte ihm bei der Hand und war im Be-griffe, ihm zu einer Nebentreppe zu führen, doch der Türhüter Hedvicek, der den Kanzler ins Staatsarchiv und von dort ins Freie bringen wollte, ergriff den Kanzler am Arm, worauf Dr. Dollfuß sich von Kar-winsky losmachte und in der Richtung gegen sein Ar-beitszimmer zurückeilte. In diesem Augenblicke drang aber schon die Gruppe, wie oben erwähnt, in das Säu-lenzimmer ein. Der Türhüter Hedvicek hatte eben die Tür zu einem Saale erreicht, der einen Balkon auf die Straße hatte, als ein Trupp von Aufrührern eindrang.

 

Einer der Aufrührer, der später hingerichtete Otto Planetta trat rasch auf den Bundeskanzler zu und feuerte, ohne ein Wort zu sagen, aus einer Pistole zwei Schüsse gegen ihn ab. Beide Schüsse trafen. Der Kanzler drehte sich ein wenig zur Seite und stürzte rücklings zu Bo-den. Er rief zweimal mit leiser Stimme 'Hilfe", doch kümmerten sich die Aufrührer nicht darum. Der Tür-hüter Hedvicek wurde mit vorgehaltenem Revolver ge-zwungen, die Hände zu erheben und sich mit dem Ge-sicht zur Wand zu stellen. Die tödliche Verwundung des Kanzlers erfolgte wenige Minuten nach 13 Uhr. Bis 13 Uhr 45 lag Dr. Dollfuß bewußtlos, ohne daß sich jemand um ihn kümmerte. Erst in diesem Zeitpunkte übernahmen zwei ebenfalls gefangengenommene Wach-leute die Pflege des Verwundeten, doch es war zu spät. Mehrmals hatte der Kanzler die Bitte ausgesprochen, wenn möglich einen Priester und einen Arzt zu holen oder ihn in ein Spital zu bringen. Diese Bitten blieben unerfüllt.

(ldn-knigi, Planetta, Otto, * 2.8.1899, Š 31.7.1934 Wien, österreichischer Angehöriger der NS-Bewegung. Planetta war eine der führenden Figuren in der österreichischen NS-Szene und Aktivist des mißlungenen NS-Putsches in Österreich am 25.7.1934, der zur dortigen NS-Machtübernahme und zum Anschluß an das Dritte Reich führen sollte. Als einer der Hauptverantwortlichen an der Ermordung von Bundeskanzler Dollfuß wurde er standrechtlich zum Tode verurteilt und im Wiener Zentralgefängnis mit dem Strang hingerichtet.)

              Es dürfte 15 Uhr 45 nachmittags gewesen sein, als Dr. Dollfuß seine Seele aushauchte. Er hat 2¾ Stunden gelitten, ohne daß die Mörder daran dachten, Priester und Arzt an den Sterbenden herankommen zu lassen. In der Verweigerung des priesterlichen Beistandes ist ein {332} Akt besonderer Roheit zu sehen, da den Hakenkreuz-lern die tiefe Religiosität des Kanzlers bekannt sein mußte. In der Tatsache aber, daß ihm auch der ärzt-liche Beistand verweigert wurde, hegt der letzte Beweis dafür, daß der Mord im Plane der Aufrührer lag.

              Diese Darstellung zeigt, daß die anderen Minister und Funktionäre dem Kanzler nicht zu Hilfe eilen und mit ihrem Leibe decken konnten. Es war keine Gelegen-heit dazu vorhanden. Der Kanzler hatte sich ja mit dem Türhüter Hedvicek in ein anderes Zimmer begeben, in das Säulenzimmer waren ja schon die Aufrührer einge-drungen und die Anwesenden festgenommen. Zu glei-cher Zeit erhielt der Kanzler in einem anderen Zimmer die tödlichen Schüsse. Was sich nachher abspielte, ist allgemein bekannt. Dank der Kaltblütigkeit des Bundes-präsidenten Miklas und der Entschlossenheit des Mi-nisters Dr. Schuschnigg, der sofort die provisorische Leitung der Regierung übernahm, konnte der Putsch im ganzen Lande niedergeschlagen werden. Rintelen befindet sich jetzt in der Strafanstalt Stein, als zu lebens-länglichem Kerker verurteilter Häftling.  Die öster-reichische Regierung hat alle weiteren Versuche des Hakenkreuzes, das Volk aufzuwiegeln, abgewehrt.

             

***

              Aber das Hakenkreuz gibt keine Ruhe. Enorme Be-träge werden aufgewendet, um in Betrieben und Ämtern geeignete Werkzeuge zu finden, die gegen die Regie-rung hetzen und handeln.

              Alle geschilderten Terrorakte gehen von einer Zen-trale in Deutschland aus, die in unmittelbarer Verbin-dung mit der deutschen Regierung steht. Die Verant-wortung für den Mord an Dollfuß und für das ver-gossene Blut trifft ausschließlich das Hakenkreuz, wel-ches bekanntlich mit der deutschen Regierung identisch ist.

              Die Daten über das Vorgehen des Hakenkreuzes gegen {333} Österreich habe ich fast wörtlich einer einwandfreien Publikation entnommen.

             

***

              Österreich hat seinen großen Kanzler verloren, Europa ist um eine Hoffnung ärmer geworden. Das Hakenkreuz, das Österreich ins Herz treffen wollte, mußte bald er-kennen, daß es wohl einen verabscheuungswürdigen Meuchelmord begangen hat, daß aber Dr. Schuschnigg das Erbe Dollfuß' zu verwalten versteht.


{334}

 

12. Kapitel.

 

Schlußbetrachtung.

 

              Das Hakenkreuz bedeutet ein fürchterliches Unglück für die gesamte Menschheit. Es gäbe für die Welt kein edleres Ziel, als das arme deutsche Volk von der Herr-schaft des Nationalsozialismus zu befreien. Das Haken-kreuz will das Rad der Menschengeschichte um Jahr-tausende zurückdrehen.

Es will uns in die Zeiten zu-rückführen, in denen nur das Faustrecht herrschte und Liebe und Mitleid unbekannte Begriffe waren. Was sind wir Menschen im Verhältnis zum Weltall, im Verhältnis zu Gott, der die Welt erschaffen hat? Wir wissen nichts und vermögen nichts. In der Weltgeschichte wiegt die Gegenwart des Menschengeschlechtes wie ein Regen-tropfen, der in das Meer fällt. Jesus Christus hat die Demut gepredigt. Mit welchem Recht verfallen wir, arm-selige Geschöpfe, in Hochmut, preisen Fleisch und Blut als edel und heilig, während wir angesichts unserer Schwächen und Mängel eher Grund hätten, sehr bescheiden zu sein und uns eng zusammenzuschließen, um den Fortschritt der Menschheit zu ermöglichen und den künftigen Geschlechtern das Dasein zu erleichtern.

              Dem Christentum haben wir es zu verdanken, daß die Begriffe Nächstenliebe und Barmherzigkeit sich über die Welt verbreiteten und die Menschen einander näher-brachten. Mag es auch wahrend des Mittelalters in der Geschichte der Kirche schmerzliche Zeiten gegeben ha-ben, man wird trotzdem nicht leugnen können, daß die Männer, die unter Einsatz ihres Lebens die Lehren {335} Christi den Völkern vermittelten, hervorragende Kul-turarbeit geleistet haben. Durch Moses und Christus wurde den Menschen das Bewußtsein der Verbunden-heit mit Gott beigebracht und dadurch in ihre Herzen die Hoffnung verpflanzt, daß sie mehr sind als die Tiere, deren Sein mit dem Vergehen der sterblichen Hülle aufhört. Gott hat uns die Vernunft gegeben. Mit ihrer Hilfe und durch Anwendung der Gebote der Religion ist es uns gelungen, eine Welt aufzubauen, die es ermöglicht, daß Kranke geheilt, Arme ernährt und Alte versorgt werden. Die Vernunft und das Gefühl haben das Gebäude aufgerichtet, das wir Kultur und Zivili-sation nennen.

              Das Hakenkreuz will uns beides nehmen. Es will die Menschheit der Vernunft berauben und jedes edle Ge-fühl aus unserem Herzen herausreißen. Das Hakenkreuz will die Vernunft zerstören, indem es die Wahrheit ver-nichtet. Was ist die Vernunft ohne Wahrheit? Was, ist die Vernunft ohne die klare, richtige Erkenntnis der Dinge und ihrer Zusammenhänge? Das Hakenkreuz hat ein Attentat gegen die Wahrheit und damit gegen die Vernunft organisiert, indem es die Lüge zum Staats-prinzip erhob.

Das Hakenkreuz will die menschliche Ge-sellschaft auf Grund der Rassentheorien organisieren und dadurch der Vernunft und der Wahrheit den Todes-stoß versetzen. Es hat die Lehre verkündet, daß es edle und minderwertige Rassen gebe. Die Deutschen, lehren die Nationalsozialisten, sind edelrassig und die Juden müssen ausgerottet werden, weil ihre Erbmasse kör-perlich und seelisch schlecht ist.

Es gibt keinen ernsten Gelehrten, der noch nicht gegen die Rassenlehre des Hakeilkreuzes aufgetreten ist. Ich habe an anderer Stelle die Meinungen maßgebender Persönlichkeiten wieder-gegeben. Die farbigen Rassen sind nicht schlechter, aber anders geartet als die weiße Rasse, ihre Hautfarbe und die Formen gewisser Organe unterscheiden sich deut-lich von der Hautfarbe und den Organen der weißen Rasse. Innerhalb der weißen Rasse aber sind die {336} körperlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Menschengruppen sehr gering. Der jüdische Franzose sieht seinem christlichen Landsmann viel ähnlicher als seinem deut-schen oder polnischen Glaubensgenossen. Dafür aber unterscheiden sich manche arische Deutsche mehr von-einander als jeder einzelne von ihnen sich von ihrem jüdischen Landsmann unterscheidet. Der jüdische Öster-reicher steht seinem christlichen Landsmann näher als der Preuße. Und wenn wir von den seelischen, von den geistigen und moralischen Eigenschaften der Menschen ausgehen, so können wir auch die farbigen Rassen in diese Betrachtung einschließen.

              Überall gibt es Mörder, Diebe, Ehebrecher, Wucherer, überall gibt es Idioten und Wahnsinnige, aber auch überall gibt es Gerechte, Genies und Leuchten der Menschheit. Kerker und Galgen, Irrenhäuser und Zwangsarbeitsanstalten gibt es bei den Schwarzen und den Weißen, bei den Gelben und Roten, bei den Ariern und Semiten, in Deutschland und in Frankreich, in Eng-land und in Amerika, in China und in Japan.

Der chine-sische Mörder hat viel mehr Ähnlichkeit mit einem deut-schen Verbrecher, als mit seinem anständigen Lands-mann, der die Gesetze achtet. Ein blödsinniger Mongole kann gemeinsame Berührungspunkte eher mit einem weißen Idioten als mit seinein normalen Rassegenossen haben. Was hatte Goethe Gemeinsames mit Haarmann dem Menschenschlächter? Mit dem Juden Spinoza fühlte er sich innig verbunden. Eine schlechte Erbmasse weisen die Verbrecher und moralisch Herabgekommenen aller Rassen auf.

              Natürlich gibt es auch Individuen jüdischen Blutes mit schlechter Erbmasse. Daß aber die Behauptungen des Hakenkreuzes in Ansehung der jüdischen Rasse als Ganzes auf Unwahrheit beruhen, glaube ich ausreichend dargelegt zu haben. Es wäre in erster Linie sehr ge-wagt, zu behaupten, daß es so etwas wie eine 'jüdische Erbmasse" gebe, die bis zu Abraham oder Jakob reicht. Die Juden haben sich während der 5000 Jahre ihrer {337} Geschichte mit den anderen Völkern, mit denen sie als Sieger oder Besiegte in Berührung kamen, vermischt und es gibt sicherlich manchen polnischen Juden, in dessen Adern mehr arisches Blut fließen durfte als in den Adern der Führer des Dritten Reiches.

Die Juden vermischten sich mit den Philistern, mit den Persern, Griechen, Römern und Germanen. Seit der Be-freiung der Juden aus dem Ghetto hat es in allen Län-dern Hunderttausende von Juden gegeben, die arische Frauen geheiratet haben.  Es gibt eine rein jüdische Rasse ebensowenig, wie es eine rein arische Rasse gibt. Aber abgesellen davon ist es eine Verdrehung der Tat-sachen, wenn man behauptet, daß die jüdische Erbmasse schlecht sei. In körperlicher Beziehung habe ich nach-gewiesen, daß die Juden - solange sie in ihrem eigenen Lande lebten - ein tapferes Volk waren. Ich erinnere an die Kriege Sauls und Davids, an die Heldentaten der Makkabäer, die wie die Löwen die Unabhängigkeit ihres Vaterlandes verteidigten. Auch in dem letzten Weltkrieg haben die Juden an allen Fronten mutig mitgerungen, sie stehen auf dem Gebiet des Sportes keineswegs an letzter Stelle. Hat doch der jüdische Boxer Max Baer den germanischen Weltmeister Schmeling besiegt!

Im Segelflug führt der Jude Kronfeld. Daß die Juden wäh-rend des Mittelalters körperlich keine Spitzenleistungen vollbrachten, ist nicht auf ihre minderwertige Erbmasse zurückzuführen. Wir haben es verschuldet, daß die Ju-den sich während vieler Jahrhunderte körperlich nicht entwickeln konnten.

 

Wir haben sie gezwungen, in einem finsteren Ghetto zu leben, wir haben sie von der Land-wirtschaft, vom Handwerk, von jeder ehrlichen und ge-sunden Arbeit ferngehalten!

 

***

           Was ist es aber mit der 'seelischen Erbmasse" der Juden? Die Juden sind  die Schöpfer der Bibel. Wir Katholiken  sehen                                         in ihr eine Offenbarung Gottes.

{338}    Können wir annehmen, daß der Allmächtige gerade das schlechteste Volk auserwählt hat, um uns durch seine Männer die Offenbarungen zu vermitteln? Wer aber glaubt, daß das Alte Testament ein Menschenwerk ist, der muß erst recht dessen Schöpfer bewundern.

Nebst der Bibel haben die Juden den Talmud und viele religiösen Lehrbücher geschaffen, deren hoher, sittlicher Wert unbestreitbar ist. Ich habe auf die Gefahr hin, meine Leser zu ermüden, eine große Anzahl von Sprü-chen und Lehrsätzen wiedergegeben, die in diesen Schriften enthalten sind.

Sie zeugen von einer Tiefe des Gefühls für den Nächsten, von einer Lauterkeit des Charakters, von einer Redlichkeit der Gesinnung, von einer Treue im Handel und Wandel, die bewunderungs-würdig sind.

Während des Mittelalters haben die Juden einen Opfermut an den Tag gelegt, der beispiellos da-steht. Sie haben kaltblütig Scheiterhaufen bestiegen, um ihren Glauben nicht abschwören zu müssen. 

Mütter haben ihre Kinder abgeschlachtet, um ihrer Religion treu zu bleiben. Die Ströme von Blut, die während der Kreuzzüge geflossen sind, sind beweiskräftige Zeugen dafür, daß die seelische Erbmasse der Juden keineswegs minderwertig ist. Was die Juden seit der Emanzipation geleistet haben, straft die Behauptungen des Hakenkreuzes Lügen. Das jüdische Familienleben ist ein sehr schönes. Es gibt wenig jüdische Trinker oder Dirnen. Die Juden haben Sinn für Wohltätigkeit und soziale Taten.

Auf geistigem Gebiet haben die Juden die Menschheit vorwärts gebracht. Sie haben manchen ge-fährlichen Krankheiten den Schrecken genommen, sie haben der Menschheit ermöglicht, sich aus ungeahnten Entfernungen durch das Telephon zu verständigen und durch das Radio fast zur gleichen Zeit Kunstprodukte zu genießen, die in anderen Erdteilen dargeboten wer-den. Das Benzinauto ist eine jüdische Erfindung.

Kann man unter diesen Umständen sagen, daß die geistige und seelische Erbmasse der Juden eine schlechte sei? Kann man mit Recht behaupten, daß die deutsche {339} Menschengruppe geistig und moralisch höher stünde als die jüdische? Man braucht nur die Verbrecherstati-stik zu studieren, um zu erkennen, daß es verhältnis-mäßig nicht mehr jüdische als arische Gesetzesbrecher gibt. Es zeigt sich also ganz klar, daß der Hauptgrundsatz des Hakenkreuzes, die Hauptlehre, die es zur Grundlage seiner Regierung machen will, die These von der Minderwertigkeit der jüdischen Rasse, der Wahrheit in das Gesicht schlägtEin Volk, das die Lüge zur Grundlage seines Handelns macht, kann unmöglich glücklich werden. Wenn die Vernunft ausgeschaltet wird, so muß die gesellschaftliche Entwicklung dem Abgrund entgegensteuern.  Würde sich das Hakenkreuz über die ganze Welt verbreiten, so würde sie in ein Narrenhaus verwandelt werden.

              Das Hakenkreuz nimmt uns aber nicht mir die Ver-nunft, es raubt uns auch das menschliche Empfinden. Kann ein deutsches Kind, das ruhig zusehen muß, wie sein jüdischer Spielgenosse grundlos gepeinigt und gedemütigt wird, ein guter Mensch werden?

 

Kann ein deutscher Nationalsozialist, der im Konzentrationslager seine Volksgenossen schlagen, foltern oder gar ermor-den darf, das Gefühl der Hebe oder des Mitleids empfinden? Wird seine Seele durch die fortwährenden Scheußlichkeiten, durch die Betätigung der Haßgefühle, der Roheit und der Mordlust nicht abgestumpft? Die Menschheit braucht nicht nur die Vernunft, sondern auch das Gefühl der Liebe für ihren Aufbau und ihren Fortschritt. Wenn die Menschen nichts für den Nächsten empfinden, was soll sie davon abhalten, sich gegen-seitig totzuschlagen? Das, was von den Menschen inner-halb der Nation gilt, gilt auch im Verhältnis der Völker untereinander. Ohne Vernunft und Nächstenliebe gibt es keinen wirksamen Kampf gegen den Krieg.

Dort, wo menschliches Empfinden vorhanden ist, scheut man sich noch, die fürchterlichen Waffen, die schauerlichen Gift-gase gegen seine Nachbarn anzuwenden. Wo aber das Gefühl ausgeschaltet wird, dort gibt es auch keine {340} Hemmung für die restlose Vernichtung der Mitmen-schen, für die Vergiftung ganzer Bevölkerungsteile, auch wehrloser Männer, Frauen und Kinder.

             

***

 

              Alle diese Charaktermängel treffen beim Hakenkreuz zu.

Dort gibt es kein Gefühl, keine Vernunft, dort gibt es nur Haß, Zorn und Vernichtung. Wir brauchen nur die Mittel zu betrachten, die das Hakenkreuz angewen-det hat, um Österreich zum Anschluß zu zwingen, und wir werden erkennen, wie ferne seine Taten von der Liebe und der Barmherzigkeit sind. Das Hakenkreuz hat gefährliche Explosivstoffe, Handgranaten und Höllen-maschinen verwendet, im sicheren Bewußtsein, daß da-durch unschuldige Menschen ermordet oder zu Krüppeln werden. Das Hakenkreuz hat den österreichischen Bun-deskanzler Dr. Dollfuß ermorden und ihn ohne Arzt und Priester elend umkommen lassen.

***

 

              Wir haben allerdings Pionierarbeit für Hitler geleistet, als wir den Antisemitismus duldeten und nicht recht-zeitig dem Rassenwahn entgegengetreten sind. Wir ha-ben ihn im Gegenteil dadurch genährt, daß wir ihm ein religiöses Mäntelchen umhingen. Mit den Lippen ha-ben wir die Nächstenliebe gepredigt, aber im Herzen hegten wir Neid und Haß gegen eine Menschengruppe, die nichts verbrochen hat. Wir haben uns durch die jüdischen Sera  (seraplural von serum) heilen lassen, wir haben alles entgegen-genommen, was der jüdische Geist geschaffen hat. Wir haben aber gleichzeitig alles getan, um den Juden-haß zu schüren.

Diese Wahrheit muß herausgesagt wer-den damit man noch rechtzeitig das Unheil verhütet. Noch ist es nicht zu spät. Noch ist es uns Österreichern gelungen, einen Damm aufzurichten gegen das weitere Vordringen des Hakenkreuzes. Es ist zweifellos, daß es  {341} dem Hakenkreuz gelungen ist, in allen Ländern Brand-fackeln in die Menge zu werfen. Die Flammen lodern hell empor. Kein vernünftiger Mensch wird bestreiten können, daß die Sendlinge des Hakenkreuzes mit Hilfe der Gelder, die ihnen aus Deutschland zukommen, einen großen Teil der Verhetzungsarbeit erfolgreich geleistet haben. Drei Momente kamen ihnen zu Hilfe. In erster Linie ist es das viele Geld, das ihnen aus dem Dritten Reiche zufließt und das ihnen ermöglicht, eine groß-zügige Propaganda zu betreiben. In zweiter Linie sind es die antisemitischen Schlagworte, die noch immer ihre Wirkung nicht verfehlten und heute noch geeignet sind, die Massen aufzurütteln und sie mit einem leidenschaft-lichen Fanatismus zu erfüllen.

Das dritte und wichtigste Moment ist die furchtbare Not, unter der die Mensch-heit leidet und die sie empfänglich macht für die Ver-hetzung, die in raffiniertester Weise vom Hakenkreuz betrieben wird. Wenn wir uns und unsere Kinder vor den Greueln schützen wollen, die das Vordingen des Hakenkreuzes mit sich bringt, so müssen wir alles tun, was geeignet ist, den Judenhaß zu bekämpfen.

Schon unseren Kindern müssen wir - bevor sie noch das schulpflichtige Alter erreicht haben - einschärfen, daß die Menschen vor Gott gleich sind und daß man nur die bösen Menschen bekämpfen müsse. Tritt ein jüdisches Kind oder ein jüdischer Mensch in den Erkenntniskreis unserer Kinder, so darf unter keinen Umständen die Vorstellung genährt werden, daß die Juden ein minder-wertiges Volk seien, daß sie alle Wucherer, Betrüger, oder überhaupt schlechte Menschen sind.

Man muß viel-mehr schon dem Kind einschärfen, daß es alle Religio-nen, auch die jüdische Religion, achten, alle Menschen lieben und unterstützen müsse. Eine Mutter, die glaubt, daß das Gift des Hasses sich in das Herz ihres Kindes einschleicht, muß sich dessen bewußt sein, daß sie möglicherweise selbst den Nagel für den Sarg ihres Lieblings vorbereitet hat

. Man denke an die Tausende von jungen Menschen, die in den letzten zwei Jahren {342} auf der einen oder auf der anderen Seite in Deutsch-land umgekommen sind. Man denke aber auch gleichzeitig an die Millionen von Menschen, für deren Vernich-tung und Ausrottung man in den verschiedenen Kriegs-arsenalen aller Staaten der Welt arbeitet.

Wenn heute der Krieg in greifbare Nähe gerückt ist, so haben wir diese Gefahr hauptsächlich dem Hakenkreuz zu ver-danken, das ganz offen die Vorbereitungen für ein neues Blutvergießen trifft. Wie oft haben schon die anderen Mächte Deutschland die Hand zum Frieden hingehalten! Aber das Hakenkreuz hat es sich in den Kopf gesetzt, seine Herrschaft auf Österreich auszu-dehnen und weigert sich, ehrlich und rückhaltlos die Freiheit und Unabhängigkeit Österreichs anzuerkennen.

 

***

              Und wenn die Kinder in die Volksschule kommen, so sollen die Lehrer und die Priester sie davor bewahren, dem Antisemitismus zu verfallen. Auch in den Mittel-schulen und an den Hochschulen muß dafür gesorgt werden, daß Aufklärung in der Judenfrage herrsche. Ein sehr schönes Tätigkeitsgebiet ergibt sich für die Geistlichkeit auf dem Lande. Aus den Herzen aller Bevölkerungskreise der ganzen Welt muß der Judenhaß herausgerissen werden, damit die wichtigste Waffe, mit der das Hakenkreuz die ganze Menschheit umgarnen und in seinen Herrschaftsbereich ziehen will, unschädlich gemacht wird.

              Der Völkerbund müßte sich alle erdenkliche Mühe geben, seine Mitglieder zu veranlassen, durch eine strenge Gesetzgebung das Aufkeimen des Antisemitis-mus unmöglich zu machen. Ohne den Judenhaß würde es heute keinen Hitler geben.

Die vermeintlichen Vorteile, die die Entrechtung der Juden gewissen Schichten der Bevölkerung bringt, stellen in keinem Verhältnisse zu den fürchterlichen Folgen, die der Sieg des Hakenkreuzes nach sich ziehen würde!. Die Völker sollten eher {343} übermenschliche Opfer bringen, um unserer Jugend eine ge-sicherte Zukunft und den notleidenden Schichten der Bevölkerung durch entsprechende soziale Maßnahmen Hilfe zu bringen, als in dem Judenhaß ein Ventil für die Nöte zu suchen, die die Wirtschaftskrise mit sich gebracht hat.

 

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              Sehen wir Rußland an! Warum ist das Zarenreich zugrunde gegangen? Weil seit Jahrzehnten das russische Volk durch Entfachung des Judenhasses, der in blutigen Pogromen seinen Ausdruck fand, vergiftet und solcher-maßen reif gemacht wurde für die größte Umwälzung des Jahrhunderts. Alle die Großfürsten, Generäle, Guts-besitzer, Industrieherren, die gleichgültig dem Wüten des Antisemitismus zusahen, haben ihre Mitschuld an den vielen Strömen jüdischen Blutes, das in Rußland geflossen ist, teuer bezahlt. Heute müssen sie schon davon überzeugt sein, daß es ein Wahnsinn ist, im Herzen der Menschen den Haß zu nähren. Dieses scheußliche Gefühl kann sehr leicht sein Objekt wech-seln. Läßt man die Massen jahrelang gegen die Juden wüten, so müßte nur irgendein Anlaß kommen, damit ihr Haß sich gegen diejenigen richtet, die sie gegen die Juden hetzten.

Hätte man in Rußland - anstatt die Juden als Sündenbock zu benutzen - rechtzeitig die Ur-sachen der Unzufriedenheit des Volkes erkannt und die notwendigen Reformen durchgeführt, so wäre es mög-licherweise nie zu der Revolution gekommen, die die russische Monarchie zertrümmerte.

 

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              Wir brauchen aber gar nicht erst Rußland anzuseilen. Deutschland ist das beste Beispiel für die Schädlichkeit der antisemitischen Hetze. Jahrelang hat man sich um die judenfeindliche Agitation Hitlers nicht gekümmert. Man hat im Gegenteil auch in den bürgerlichen Parteien nur die Fehler der jüdischen Mitmenschen in das helle {344} Licht zu bringen sich bemüht und die Vorzüge vollstän-dig außer acht gelassen, die den Juden anhaften.

Warum hat Deutschland nicht schon in den Anfängen Hitlers dasselbe getan, was die Schweiz jetzt unter dem Jubel der ganzen zivilisierten Welt durchgeführt hat? Ohne die 'Protokolle der Weisen von Zion" hätte das Hakenkreuz nie die Macht ergreifen können.

Jeder ge-bildete Mensch in Deutschland wußte, daß die 'Pro-tokolle" eine Fälschung, ein Plagiat, Schund und Schmutz sind. Trotzdem hat man es zugelassen, daß das Hakenkreuz während der Nachkriegszeit in Tausenden von Versammlungen die Lügen von der 'Weltherrschaft der Juden" der Jugend vorsetzte, die alle diese Märchen gläubig entgegennahm. Man ließ es zu, daß das Haken-kreuz Lügen über den Talmud verbreitete und daß es die jüdischen Menschen als Scheusale, als Verbrecher und Schädlinge hinstellte.

Ebenso wie die Schweiz energische Maßnahmen gegen diese Seuchen unternimmt, ebenso hätte Deutschland unter keinen Umständen zu-lassen dürfen, daß das Hakenkreuz durch Verbreitung von Lügen gegen die Juden groß und mächtig wurde. Solche Gesetze hätten die demokratischen Grundsätze keineswegs berührt. Ebenso wie man nicht zulassen darf, daß eine Partei gegen Katholiken, Protestanten oder gegen die Einwohner eines bestimmten Landes, eines bestimmten Bezirkes, einer bestimmten Gemeinde oder eines bestimmten Stadtteiles hetzt, ebenso wie der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, die Beeinträchtigung der Ehre einzelner Menschen zu verhindern, ebenso hätte er darauf bedacht sein müssen, zu erreichen, daß auch die Ehre ganzer Menschengruppe, also der jüdischen Minderheit nicht straflos verletzt werde.

Die Herren vom Zentrum und der Deutschen Volkspartei, ja die Herren Deutschnationalen und auch die Angehörigen der Sozialdemokratischen Partei büßen heute ihre Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit. Hätten sie rechtzeitig dem Hakenkreuz die Waffe des Antisemitismus genommen es hätte unmöglich die Millionen von Stimmen {345} aufbringen können, die Hitler den Weg zur Macht ebneten. Leider büßen heute nicht nur die Führer der alten Par-teien die Fehler der Vergangenheit, das ganze deutsche Volk muß heute fürchterliche Qualen ertragen, weil die Politiker nicht rechtzeitig erkannt haben, wie gefährlich es ist, den Judenhaß zu entfachen.

 

              Wird die übrige Welt noch rechtzeitig die Schluß-folgerungen aus diesen entsetzlichen Tatsachen ziehen? Ich habe das Gefühl, daß man die Gefahr noch nicht überall erkannt hat. Man sucht im Gegenteil der na-tionalsozialistischen Mentalität entgegenzukommen. Das Hakenkreuz hat sich immer des Schlagwortes bedient, daß die Juden sehr stark in den intellektuellen Berufen vertreten sind, daß sie die Presse, die Industrie, das Theater und den Handel 'beherrschen". Anstatt die brei-ten Schichten des Volkes über die Zusammenhänge auf-zuklären, bemüht man sich nun auch in den Ländern, die frei vom Hakenkreuz sind, diese Ideen zu verbreiten.

Man weist überall auf die vielen Arzte, Rechtsanwälte, Journalisten und Kaufleute hin, die jüdischen Blutes sind. Und wenn irgendein jüdischer Wucherer oder Be-trüger auftaucht, so wird noch immer das ganze jüdische Volk für die Missetat einzelner verantwortlich gemacht. Leider tritt man auch in katholischen Kreisen diesem Unrechte nicht mit der nötigen Entschiedenheit entgegen.

Die jüdischen Führer selbst bestreiten nicht, daß die Berufsschichtung innerhalb der Judenheit eine sehr un-glückliche ist. Es schadet den Juden sehr, daß sie keine breite Bauern- und Arbeiterschichte besitzen, die das Rückgrat ihres Volkstums bilden müßte. Aber an dieser ungesunden sozialen Erscheinung tragen wir Christen die Schuld.

Bis zum 12. Jahrhundert gab es genug jü-dische Landwirte, Arbeiter und Handwerker Während des Mittelalters haben wir die Juden gezwungen, nur Schacher zu betreiben und Geldgeschäfte zu machen. Wir haben sie erst vor hundert Jahren aus dem Ghetto befreit. Kein Mensch hat daran gedacht, die Berufs-schichtung der Juden planvoll zu gestalten. So kam es, {346} daß nur wenige jüdische Siedlungen geschaffen wurden und daß die jüdische Menschengruppe sich dem Handel und den freien Berufen widmete. Gedankenlosigkeit, mangelnde Führung und die noch immer bestehenden Vorurteile in unserem Lager haben eine gesunde Berufs-schichtung der Judenheit verhindert.. Das sind aber Zustände, die keineswegs unabänderlich sind. Anstatt auf die Juden zu schimpfen, soll man den notleidenden jüdi-schen Schichten lieber ermöglichen, sich in Massen in den Ländern anzusiedeln, wo noch genügend Platz für Kolonisten vorhanden ist.

 

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              Die englische Regierung könnte nicht nur der Juden-heit, sondern der ganzen Welt einen ungeheuren Dienst leisten, wenn sie die notleidenden jüdischen Massen aus dem Osten und aus dem Westen Europas ohne jede Beschränkung nach Palästina hineinließe.

Heute gibt es 1,100.000 Menschen in Palästina. Es heißt, daß man dort mindestens 4 Millionen Menschen ansiedeln könnte, wenn man auch das Gebiet jenseits des Jordans heran-ziehen würde. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß es Gesichtspunkte gibt, die wichtig genug sind, eine Politik der freien Einwanderung der Juden nach Palästina un-möglich zu machen.

Für die arabische Bevölkerung kann man ausreichende Garantien schaffen.

Die bisherige Ein-wanderung von Juden nach Palästina hat den Arabern nur Vorteile gebracht. Der Wert ihres Bodens ist ins Phantastische gestiegen und die arabische Bevölkerung fand beim Wiederaufbau Palästinas Brot und Arbeit.

Mit den Millionen von Einwanderern würde auch viel Kapital in das Land kommen und schon in wenigen Jahren hätten wir an der Pforte Asiens einen herrlichen modernen Staat, in dem Juden und Araber, wie heute in der Schweiz die Schweizer deutscher, französischer und italienischer Zunge, friedlich nebeneinander leben könn-ten. England hat das größte Interesse daran, daß das Hakenkreuz keine weitere Ausbreitung findet. Durch {347} die Hilfe, die es den jüdischen Massen Europas ge-währen würde, könnte England die Ausbreitung des Judenhasses in Österreich, Polen und Rumänien ver-hindern und dadurch dem Hakenkreuz die wichtigste und gefährlichste Waffe nehmen.

 

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              Aber abgesehen von Palästina müßten die verschie-denen Regierungen, deren Länder vom Hakenkreuz be-droht werden,  dem Antisemitismus ihr besonderes Augenmerk zuwenden. Die Juden selbst werden sicher eine Berufsumschichtung begrüßen, wenn man ihre staatsbürgerliche Gleichberechtigung nicht antastet und wenn die Aktion im Einvernehmen mit ihnen stufenweise durchgeführt wird, damit ihr Volkstum eine gesundere Basis erhalte. Freilich darf man auch die Dinge nicht übertreiben. Wäre Hitler nicht zur Macht gelangt und hätte die Wirtschaftskrise nicht so fürchterlich gewütet, so hätte man auch heute die unnatürliche Berufsschichtung der Juden kaum beachtet.

Wenn ich aufrichtig sein soll, schadet diese Verteilung der verschiedenen Berufsarten innerhalb der Judenheit nur den Juden selbst. Die nichtjüdische Bevölkerung wird dadurch nicht geschädigt, denn es wurde bis heute nicht der Beweis erbracht, daß jüdische Ärzte schlechter die Kranken behandeln oder jüdische Anwälte sie schlechter vor Gericht vertreten, als ihre christlichen Berufsgenossen. Dasselbe gilt von den jüdischen Kaufleuten und Industriellen. Auch das Märchen von der Schädlichkeit der jüdischen Presse ist nur aufgetischt worden, damit einige postenlose nicht-jüdische Journalisten die Plätze ihrer jüdischen Kollegen einnehmen können. Das ist die volle und reine Wahr-heit. Man will Platz schaffen für die nichtjüdische Ju-gend und darum sollen jüdische Mitmenschen aus ihren Berufen verdrängt werden. In Deutschland ist dieses Prinzip in der brutalsten Art durchgeführt worden. Ist das deutsche Volk als solches glücklicher geworden, weil es dort mehr arische Ärzte oder Anwälte gibt?

              Nur beschränkte Menschen könnten diese Frage be-jahen.

 

***

              Aber gerade die Tatsache, daß in Krisenzeiten die vielen jüdischen Ärzte und Anwälte den ersten Anlaß zu den Judenverfolgungen geben, sollte für die jüdi-schen Menschen einen triftigen Grund für eine gesunde Berufsumschichtung geben. Wir Christen müssen den Juden hierbei behilflich sein. Ohne jeden Zwang und ohne jede Beeinträchtigung staatsbürgerlicher Rechte müßte diese Berufsumschichtung erfolgen.

 

Das kann man auch durchführen, ohne Haß, ohne Verfolgung, ohne die 'Protokolle der Weisen von Zion", ohne die Lügen über den Talmud und ohne die Behauptung, daß die jüdische Erbmasse 'minderwertig" sei.

              Die Welt kann und soll die Wohltaten des jüdischen Geistes nicht missen.  Die Jahrhunderte, die die Ju-den im Ghetto verbracht haben, führten zu einer gerade-zu großartigen Entwicklung ihrer geistigen Kräfte.

Daß alle Juden gescheit wären, ist ein Märchen, das ich oft genug unter Zustimmung der jüdischen Kreise selbst widerlegen konnte. Aber die Tatsachen, die ich in diesem Buche angeführt habe, beweisen, daß es verhältnismäßig viele jüdische Geistesgrößen gibt. Haben wir Menschen schon den Höllepunkt unserer Entwicklung erklommen? Gibt es nicht noch Probleme zu lösen, die das Wohl der Menschheit in höchstem Maße berühren? Hätten wir die Juden weiter im Ghetto gelassen, wer weiß, ob andere Menschen bis heute die Erfinderarbeit geleistet hätten, die ich in diesem Buche erörtert habe.

Lassen wir den menschlichen, auch den jüdischen Geist sich ungehemmt entwickeln, weil noch viele Fragen zu lösen sind. Es gibt noch viele Krankheiten, die als unheilbar gelten, und auch auf politischem, wirtschaftlichem und technischem Gebiet könnte noch sehr vieles geleistet werden, wenn man nicht an Kriege dächte und man im Frieden miteinander leben würde.

{348}    Die ungehemmte Entwicklung des jüdischen Geistes hindert uns aber nicht, daran zu denken, daß nicht alle Juden Ärzte und Anwälte werden können und daß nicht jeder jüdische Junge geeignet ist, in der Redaktionsstube oder im Laboratorium zu sitzen. Es müßte aber jeden-falls Raum geschaffen werden für die jüdischen Massen, damit sie durch Bearbeitung des Bodens auf dem Lande oder durch die Maschinenarbeit in den Fabriken ihr Brot finden können. Die Auslese wird sich von selbst ergeben.      

              Wir müssen uns nur bemühen, einen Zustand zu schaf-fen, der auch dem Juden die Möglichkeit gibt, den Beruf zu wählen, für den er geeignet ist. Wenn der Jude nicht Bauer werden kann, wird er eben mit alten Kleidern handeln. Wenn er nicht in die Fabrik kommen kann, wird er das Heer der Luftmenschen und der Arbeitslosen vermehren.

Wenn er kein anständiges Handwerk ergreifen kann, wird der Jude Händler werden wollen. Ein Teil der Menschen, die gerne zur Landwirtschaft oder zum Handwerk gegangen wären, bringen unsäg-liche Opfer, um den Ärzteberuf zu ergreifen oder Anwalt zu werden, obwohl sie sich hierzu nicht immer eignen. Jüdische Eltern bringen ungeheure Opfer, um ihre Kin-der studieren zu lassen, weil sie keine Möglichkeit haben, ihnen in anderer Weise den Unterhalt zu sichern. Frei-lich leiden auch die nichtjüdischen Massen unsäglich unter der Wirtschaftskrise.

Auch der Christ weiß nicht, wie er seinein Kinde die Zukunft sichern könnte. Auch die christlichen Massen finden keine Beschäftigung in der Fabrik oder im Büro. Auch viele christliche junge Menschen gehen in die Mittelschule, weil sie keine an-dere Wahl haben. Die Not, die sie leiden, und der Hun-ger, der ihre Eltern quält, hat sie eben erst dazu ge-bracht, ihr Heil in der Verdrängung ihrer Mitmenschen zu suchen.

Die Not war doch der beste Bundesgenosse des Hakenkreuzes. Sie wird nicht gebannt werden, wenn wir auch alle jüdischen Ärzte und Anwälte in den ver-schiedenen Staaten der Welt brotlos machen.

 

 

 

{350}

 

***

              Es ist kein Zweifel, daß die Welt krank ist.

Wenn in unserer Menschengemeinschaft möglich ist, daß man Weizen verbrennt, Baumwolle vernichtet, Kaffee und sonstige Herrlichkeiten in das Meer wirft, die Anbau-flächen verringert, Betriebe sperrt, während Hunderte Millionen von Menschen hungern, so ist es zweifellos, daß irgendein Fehler in dem Mechanismus der Weltwirtschaft besteht, der entdeckt und beseitigt werden müßte. Ich bin seit jeher Anhängerin der Privatwirt-schaft, weil ich der Ansicht bin, daß ohne persön-liche Initiative und ohne Aussicht auf Belohnung für Fleiß, Sparsamkeit und Tüchtigkeit der Fortschritt der Menschheit erschwert werden würde.

Trotzdem glaube ich aber, daß man die Interessen der Produzenten mit den Interessen derjenigen Menschen in Einklang bringen kann, für die die Güter bestimmt sind, die in den ver-schiedenen Betrieben erzeugt werden könnten. Ich habe viel über die Sache nachgedacht und bin zur Überzeu-gung gekommen, daß das Problem der gerechten und vernünftigen Verteilung der Güter dieser Erde nicht unlösbar ist, wenn man den guten Willen aufbringt, auch denjenigen Menschen das Recht auf Leben zuzu-billigen, die nicht mit Glücksgütern gesegnet sind. Auf die Lösung der wirtschaftlichen Frage müssen wir un-bedingt das Augenmerk richten, damit wir unserer Ju-gend eine Zukunft bauen und den alten Menschen eine Versorgung sichern können, die sie vor Not schützt. Ist es uns gelungen, normale Verhältnisse zu schaffen, so  werden auch die Voraussetzungen für eine gesunde Be-rufsschichtung der Judenheit gegeben sein.

 

              Das Hakenkreuz bedeutet eine große Gefahr für die Menschheit. Das Hakenkreuz ist die größte Gefahr des Jahrhunderts. Wenn wir ihr begegnen wollen, müssen wir gerade die Waffen anwenden, die dem Hakenkreuz fremd sind: Idealismus und Opfermut, Vernunft und Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit.

 

 

 

ENDE
Anhang
(ldn-knigi)

 

Zusätzliches Material

1.  Über dem Begriff - Namen Palästina:

'Die Bezeichnung Palästinenser (Palästina) ist die lateinische Version von Philister, hat aber mit dem philistäischen Insel- und Küstenvolk nichts zu tun, denn der römische Kaiser Hadrian setzte 135 nach der Zeitrechnung für das von ihm eroberte Israel/Judäa den Namen "Provinz Syria- Palästina" ein. Jerusalem erhielt übrigens den Namen "Aelia Capitolina".

Bis zur Staatsgründung Israels 1948 waren alle Bewohner des britischen Mandatsgebietes "Palästinenser", egal ob Araber, Juden oder Christen. Auch Israels Staatsgründer David Ben Gurion war laut Pass Palästinenser. Und die erste jüdische Tageszeitung hieß "Palestine Post". Der Begriff eines "palästinensischen Volkes" taucht erstmals 1964 auf, als Arafat seine "Palestine Liberation Organization" (PLO) ins Leben rief.'

 

2.  zum Thema 'Kashruth'- jüdische Speisevorschriften, Zusatzinfos über Irene Harand auch andere - siehe unsere Webseite.