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'SEIN KAMPF"
ANTWORT AN HITLER
VON
IRENE HARAND
WIEN 1935
5. bis 10. Tausend.
Im Selbstverlag der Verfasserin Irene Harand.
Wien, l., Elisabethstrasse 20
Herausgeberin der 'Gerechtigkeit".
Druck: 'Elbemühl", Wien. IX.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort 7
I Die Lüge, die Hauptwaffe des Hakenkreuzes 11
II Der rasende Nationalismus 13
III Der Rassenwahn 33
IV Die 'rassischen" Eigenschaften derJuden 51
V Die Lüge vom jüdischen Wucher 88
VI Die Lügen über den Talmud 102
VII Die Ritualmordlüge 117
VIII Jüdischer Idealismus und Opfermut 131
IX Die 'Protokolle der Weisen von Zion" 196
X 'Juden sehen Dich an" 216
XI Die Bilanz des Hakenkreuzes 277
XII Schlußbetrachtung 334
Kapitel V - VIII
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5. Kapitel.
Die Lüge vom jüdischen Wucher.
Das Hakenkreuz will der Welt einreden, daß die ras-sischen Eigenschaften des Juden ihn zum Wucherer stempeln. Der Jude habe eine Wuchererseele, sagen die Antisemiten. Nur gedankenlose Menschen können diesen Unsinn glauben. Um diese Anklage gegen die Juden überprüfen zu können, müssen wir die Frage untersuchen, womit sich die Juden beschäftigt haben, als sie noch Palästina bewohnten, und wie es dazu gekommen ist, daß eine gewisse Zeit hindurch das Geldgeschäft der Hauptberuf vieler Juden war.
(besonders die letzten 50 Jahre und zu jetzigem Zeitpunkt in Israel...,ldn-knigi)
Wir wissen, daß die Juden in ihrem Heimatlande Ackerbauer waren. Sie wohnten zumeist auf dem Lande und befaßten sich wenig mit Handel. Nach der Thora besteht der verheißene Segen der Treue zum Gesetze im Gedeihen der Feldfrüchte. Der zwölfte Teil des Volkes (Priester und Leviten) sollte von dem Bodenertrag be-soldet werden. Dies weist doch sicher auf ein Vorherr-schen des ackerbautreibenden Volkes hin. Gideon drischt eben Weizen, als er zum Richter und Heerführer berufen wird. Boas, Urahne Davids, ist Bauer. Elischa wird zum Propheten berufen, als er eben mit zwölf Gespann Rin-dern pflügte. Es ist bekannt, daß die meisten jüdischen Gelehrten Handwerker waren. Als der berühmte Rabbi Gamaliel zu seinem Gegner Josua kam, um ihn zu ver-söhnen, traf er ihn mit seinem Handwerke beschäftigt. Er verfertigte Nadeln.
{89}
***
In dem Kalender 'Der Arbeiterfreund", Jahrgang 1932, schreibt unter dem Titel 'Die sozialen Verhältnisse in Palästina zur Zeit Jesu Christi" Kardinal Dr. Th. Innitzer, der Erzbischof von Wien:
'Im Zeitalter Jesu waren die Juden der Hauptsache nach ein ackerbautreibendes Volk. Besonders gilt dies von Galiläa, das, wie uns der jüdische Geschichtsschrei-ber Flavius Josephus berichtet, gänzlich angebaut war und wie ein großer Garten aussah. Der Weizen aus Galiläa und von Chorazin und Kapharnaum war beson-ders geschätzt. Gewöhnlich erntete der jüdische Bauer von seinem Acker das Fünffache des Samens, aber in guten Jahren und auf fruchtbarem Boden bis zum Hun-dertfachen, wie uns die Evangelien berichten (vgl. Matth. 13, 8). Wenn es keine Dürre gab, konnte sogar Getreide ausgeführt werden. Neben Weizen gediehen Gerste, Ha-fer, Roggen, Hirse und sogar Reis, dazu alle Arten Gemüse und Hülsenfrüchte. Außerdem war Palästina reich an Trauben, Feigen, Oliven, Granatäpfeln, Johannesbrot, Pflaumen, Mandeln, Datteln, Äpfeln, Birnen, Pfirsichen, Aprikosen u a. m. - Auch an Wein und Öl war Palästina reich, beides wurde in guter Qualität er-zeugt und ausgeführt. Von den Datteln stellte man Dattelwein und Dattelhonig her. Plinius rühmt Judäa wegen seiner Datteln, wie Ägypten wegen seiner Gewürze.
Neben dem Ackerbau betrieben die Juden auch die Viehzucht. Besonders die Hauptstadt Jerusalem ver-brauchte für ihre Bewohner und vor allem für die täg-lichen zahlreichen Tieropfer im Tempel viele Schafe, Rinder und Ziegen. In Jerusalem gab es einen besonde-ren Viehmarkt. Von Geflügel wurden besonders Tauben, Hühner, Gänse und Enten gezogen. Der See Genezareth und das Mittelländische Meer waren reich an Fischen und so blühte an deren Gestaden die Fischerei, deren Mittelpunkt zur Zeit des Auftretens Jesu Tiberias wurde. Die Apostel waren zum Teil Fischer. In Jerusalem gab es schon seit alter Zeit ein eigenes Fischtor nahe dem Tempel.
Aus dem Toten Meer gewann man Salz, Asphalt, Phosphor und Teer. Der berühmte jüdische Asphalt heißt bis heute Judenpech oder Judenharz. Im Libanon und in Idumäa gab es Eisengruben. Aus den Rosen ge-wann man feines Rosenöl, aus der Kyprosblume eine Schminke für die Frauen, die noch heute als Henna von den Araberinnen gebraucht wird.
Weiteres pflegten die Juden in besonderer Weise das Handwerk. Im Zeitalter Jesu gibt es nach Ausweis der jüdischen Literatur mehr als vierzig verschiedene Arten von Handwerkern für alle Bedürfnisse des täglichen Le-bens. Nach dem Talmud war jeder Vater verpflichtet, seinen Sohn ein Handwerk lernen zu lassen, und das taten auch die Schriftgelehrten; ja selbst die Hohenpriester übten ein Handwerk. Auch Jesus war Handwerker; er wird so in dem Evangelium genannt, ein Zimmermann und Sohn eines Zimmermanns. Dieser Ausdruck lehrt zugleich, daß das Handwerk vom Vater auf den Sohn überging. Es gab ganze Familien, die es in irgendeinem Handwerk zu besonderer Fertigkeit gebracht hatten und ihr Geheimnis sorgfältig hüteten.
Auch manche Stände waren durch besondere Artikel bekannt wie Sepphoris durch seine Gewebe, Bathsean durch sein Linnen, Bethsaida durch seine Fische, Ligdal Zabbaim durch seine Färber. Ferner gab es zur Zeit Jesu wahrscheinlich auch noch die Familien der Byssusarbeiter und der Töpfer, die im alten Testament (l. Chro-nik 4, 21, 23) erwähnt werden, also eine Art Industrie. Im Talmud werden kleine Arbeitshäuser, z. B. der Fär-ber und Töpfer, genannt, also Werkstätten.
Gleichwohl setzt sich die Mehrzahl der jüdischen Be-völkerung nicht aus Handwerkern, sondern aus Klein-bauern zusammen. Die Evangelien erzählen nur von diesen und nur sehr wenig von den Handwerkern. Den Grund hierfür erblickt man darin, daß letztere nicht mit den ausländischen Produkten konkurrieren konnten.
Die fremden Bezeichnungen für Gebrauchsgegenstände, wie Tuch, Sandalen, Filzhut, Stuhl u. a., beweisen das.
{91} Den Kern der Volksmasse bildet der kleine Bauer, in den Evangelien wie in der Mischna Hausherr genannt.
Er bewohnt die Dörfer und kleinen Städte des Landes, bearbeitet mit Weib und Kindern sein Stück Land und schlägt sich damit schlecht und recht durch. Für ge-wöhnlich gibt der Boden gerade soviel her, daß er da-von leben kann. Das meiste von dem, was er erntet, braucht er für sich und seine Familie zum Leben, den Überschuß bringt er in die Stadt zum Verkauf, um dafür notwendigen Hausbedarf einzukaufen. Ersparen konnte ein solcher Kleinbauer gewöhnlich nichts. Trat aber ein-mal Dürre und Mißwachs oder Erkrankung ein, so war es für ihn eine Katastrophe. Er mußte Schulden machen und wurde auf diesem Wege bald ein Lohnarbeiter und geriet in die Schuldknechtschaft eines Großgrundbesit-zers. Auf alle Fälle mußten in diesen Bauernfamilien stets einige Söhne Taglöhner und Lohnarbeiter werden, da nach dem jüdischen Erbrecht der Erstgeborene den doppelten Erbanteil erhielt, also für die anderen nichts mehr übrigblieb. Diese konnten dann nicht mehr von Grund und Boden leben und wurden notgedrungen Pro-letarier, die nur ihre Arbeitskraft besaßen.
Fanden sie keine Arbeit, so sanken sie zu einer Art 'Lumpenprole-tariat" herab und wurden Bettler oder Räuber. Das sind die Zuhörer der Bergpredigt, die Jesus als Arme und Bedrückte selig preist, wenn sie ihre Armut geduldig ertragen und aus ihrer Not eine Tugend machen. Es sind jene, die infolge ihrer sozialen Verhältnisse auch die zahlreichen Vorschritten des jüdischen Gesetzes nicht erfüllen können und deshalb von dessen zünftigen Hütern als Unwissende verflucht werden (Joh. 7, 49).
Daneben gab es auch wohlhabende Bauern, die sich etwas ersparen konnten und die zugleich Handel trieben. Sie bilden den Grundstock der jüdischen Händler. Wirkliche Großgrundbesitzer waren verhältnismäßig wenige. Das waren vor allem die Mitglieder der königlichen oder der hohenpriesterlichen Familien. Ein solcher tritt uns als der Herr im Gleichnis vom ungetreuen {92} Verwalter entgegen (Luk. 16, l-8) oder als der Besitzer des Weinberges (Matth. 20, l ff.). Vielleicht gehört zu ihnen auch das Mitglied des Hohen Rates, Joseph von Arimathäa (vgl. Mark. 15, 43). Der im Evangelium von ihm gebrauchte Ausdruck 'angesehen' scheint nach den Papyrusschriften den reichen Grundbesitzer zu bedeuten. Er war in der Tat ein reicher Mann und besaß im Norden von Jerusalem einen Garten mit einem Felsengrab. Da dieses erst neu ausgehauen war, scheint sein Grund-besitz in seiner Heimat gewesen zu sein. Auch der Ratsherr Nikodemus (Joh. 3, l, 7, 50; 19, 39) war augenscheinlich begütert, da er eine reiche Salbenspende zum Begräbnis Jesu bringt. Jerusalemische Großhändler in Getreide, Öl und Wein sowie Holz nennt die rabbinische Überlieferung. Vom Getreidegroßhändler Nagdimon ben Gorjon berichtet die Überlieferung, daß das Volk während der Belagerung durch die Römer (im Winter 69 auf 70) seine mit Getreide gefüllten Speicher in Brand steckte.
Neben den Vollbauern gibt es zur Zeit Jesu in Pa-lästina noch Pächter, die vom Besitzer totes und leben-des Inventar erhalten, aber den Boden selbst bebauen und dafür einen entsprechenden Teil des Ertrages be-kommen (25 bis 50%). Waren ihrer im Lande auch nicht sehr viele, da die Kleinbauern vorherrschten, so spielten sie doch eine Rolle und das Gleichnis von den aufrühre-rischen Winzern (Matth. 2, 33-43) lehrt, daß ihr Ver-hältnis zu den Grundbesitzern meist kein freundliches war. Daneben gab es Unternehmer und Mieter, welche die Güter gegen einen bestimmten Ertragsanteil betrie-ben oder einen solchen als Pachtzins abgaben.
In den Evangelien und Apostelbriefen lesen wir ferner öfters von den Taglöhnern und Arbeitern. Erstere ver-dingen sich auf eine bestimmte Zeit, nicht länger als auf sechs Jahre, mindestens aber auf einen Tag, daher auch ihr Name. Das waren entweder verarmte Weinbauern oder Söhne von solchen, die notgedrungen sich an Großbauern verdingten, manche ihr ganzes Leben lang, {93} sie hießen Lekutoth. Zum Unterschied davon vermieteten sich die Arbeiter nur für bestimmte Gewerbe. Im Tal-mud werden auch Arbeitslose erwähnt und im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Matth. 20, 1-16) fin-det der Hausherr, der ausgeht, um Arbeiter zu dingen, auf dem Marktplatz Arbeiter, die müßig stehen, weil sie kein Mensch gedungen hat.
Der Arbeitgeber schloß mit den Arbeitern meistens mündlich, aber auch oft schriftlich einen Vertrag, der auch eine Strafe für den Fall eines Vertragsbruches vorsah. Im allgemeinen war die Lage des jüdischen Arbeiters besser als die der Arbeiter in anderen Ländern, weil die Lebensbedingungen in Pa-lästina einfacher und die Zahl der Millionäre geringer war. Neben den Landarbeitern gab es, wie schon er-wähnt, auch gewerbliche Arbeiter. Die Arbeitsdauer betrug für den Tag zehn Stunden, der Arbeitslohn eine Drachme oder Denar, also etwa S 1,50.
Außer den freien Arbeitern gab es noch das Gesinde, Knechte und Mägde, Diener und Dienerinnen einzelstehender Leute. Sie besaßen alle nur ihre Arbeitskraft und lebten von ihr."
So schreibt Kardinal Dr. Innitzer über die Verhältnisse in Palästina zur Zeit Jesu.
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Die Völkerwanderung brachte sehr viele Juden nach Deutschland. Unter Karl dem Großen schließt die Periode der Einwanderung der Juden nach Deutschland in der Hauptsache ab. Von da an läßt sich kein weiterer nennenswerter Zuzug, sondern vielmehr Auswanderungen konstatieren. Die Juden wurden von den Franken und Burgundern als Römer behandelt. Unbeschrankt trieben die Juden des fränkischen und burgundischen Reiches Ackerbau, Gewerbe und Handel. Sie befuhren mit eigenen Schiffen die Flüsse und das Meer. Auch die Arzneikunst übten sie aus, und die jüdischen Arzte wur-den auch von den Geistlichen zu Rate gezogen. Die {94} Juden verstanden auch die Waffen zu führen und nah-men lebhaften Anteil an den Kriegen zwischen Chlodwig und den Feldherren Theoderichs bei der Belagerung von Arles. Der Handel, den die Juden im frühesten Mittelalter betrieben, war von segensreicher Wirkung für die Völker, in deren Mitte sie lebten. Die Juden betrieben aber auch Ackerbau und Gewerbe. Handel betrieben sie nicht aus Arbeitsscheu, denn Handel war damals schwere und gefährliche Arbeit.
Jeder Kaufmann war auf seiner Wanderung der Gefahr ausgesetzt, von germanischen Räuberbanden überfallen zu werden, und hinter jedem Strauch lauerten die Raubritter, die den 'Weitertransport" der Ware übernahmen. Solche Gefahren mit der Waffe in der Hand abzuwehren, war keine leichte Sache. Es gehörte viel Mut und persönliche Entschlossenheit dazu. Die Juden waren damals an Bildung und Beweglichkeit den Deutschen weit überlegen. Sie verstanden und beherrschten selbst verschiedene Sprachen, hatten in weitesten Fernen Verwandte und Bekannte und be-saßen in der hebräischen Sprache zum Verkehr mit ihnen eine Weltsprache. Für jene Zeit waren sie sicher die ge-schaffenen Handelsleute. Dem staatsmännischen Blick Karls des Großen (768 bis 814), der die Bedeutung des Handels für das neue große Reich, das er gegründet hatte, wohl zu würdigen wußte, konnte das nicht ent-gehen. Er sah, daß die Juden durch ihre Handelstätig-keit Volkswohlstand und Kultur hoben.
Später wurde der religiöse Unterschied immer mehr betont und ein Fanatismus entfacht, der zu den Gewalt-taten führte, vor welchen der Genius der Menschheit das Angesicht verhüllt.
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Schon das vierte Konzil zu Orleans (545) verfügte harte Bestimmungen gegen die Juden. Das Konzil von Macon (581) wollte den Juden eine niedrigere Stellung in der Gesellschaft anweisen. Sie sollten weder als {95} Richter fungieren, noch als Steuerpächter zugelassen wer-den, 'damit die christliche Bevölkerung ihnen nicht un-tergeben erscheine". In Spanien war es König Reccared, der den Christen untersagte, Ehebündnisse mit Juden einzugehen, den Juden christliche Sklaven zu erwerben und öffentliche Ämter zu bekleiden.
Trotz dieser Maßnahmen lebten die Juden vor den Kreuzzügen in Deutschland unangefochten. Sie waren vom Grund nicht ausgeschlossen und noch weniger ge-ächtet und verachtet. Als der Bischof Rüdiger Huozmann von Speyer den Weiler Alt-Speyer zur Stadt erhob (1081), glaubte er, das Ansehen der Stadt nicht besser heben zu können als dadurch, daß er den Juden darin Wohn-plätze und Privilegien einräumte. Neben der Handels-freiheit durften sie in Neu-Speyer auch Ländereien, Wein-berge besitzen und von Christen Ammen und Knechte mieten. Um die Juden vor Belästigungen des Pöbels zu schützen, wies ihnen Rüdiger einen eigenen Stadtteil an, den sie selbst befestigen und verteidigen durften.
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Während der Kreuzzüge und in der Zeit nachher wurden die Juden vom Ackerbau und dem Gewerbe aus-geschlossen. Auch die Handelsfreiheit wurde ihnen ge-nommen. Nur der Trödel und der Wucher wurden ihnen erlaubt.
Diese Lage war für die Juden eine fürchterliche. Man zwang sie zum Wucher. Das Nehmen von Zinsen wider-sprach aber der jüdischen Religion. Es ist nicht wahr, daß die Thora den Juden den Wucher gestattet. Der be-rühmte Satz im 23 Kapitel des Buches Moses, Vers 19und 20, besagt, daß das Nehmen von Zinsen verboten ist. Auch andere Stellen des Alten Testamentes, Ezechiel, Kapitel 18, Vers 8 und 9, Psalm 15, 5, loben denjenigen, der keine Zinsen nimmt.
Auch die Rabbiner empfehlen, selbst Götzendienern Geld ohne Zinsen zu leihen. In Talmud {96} Schulchan-Aruch Choschen Mischpat 34, 29 steht: 'Will ein Wu-cherer die Fähigkeit zur Zeugenschaft wieder erlangen, so muß er seine Schuldscheine von selbst zerreißen und vollständig von seinem bösen Wandel umkehren, so daß er nicht ein mal von einem Nichtjuden Zins nehmen will." Rabbi Isseries sagt, 'daß er nicht einmal soviel Zins vom Nichtjuden nehmen dürfe, als er zu seiner Ernährung bedarf". Und tatsächlich tritt uns in der Ge-schichte der Juden vor Christus sowie in der ganzen Geschichte der Diaspora kein Fall jüdischen Wuchers entgegen. Kein römischer, kein griechischer Schrittstel-ler, keiner von jenen, die über die Juden spotteten und so viel Gehässiges und Unwahres über sie geschrieben haben, erzählt uns von jüdischen Wucherern. Aber noch mehr: Jerusalem und später das Römische Reich fallen, die Juden werden in aller Herren Länder zerstreut und es vergeht ein Jahrtausend, ohne daß wir von jüdischem Wucher etwas hören.
Auch jene Kirchenväter, die sich eingehend mit den Juden beschäftigten und alles nieder-geschrieben haben, was sich nur Ungünstiges über die jüdischen Menschen sagen läßt, wissen von einem Wu-cher der Juden nichts zu berichten. Selbst der 'Antisemitenkatechismus", der sorgfältigst alles zusammen-gestellt hat, was sich über den Wucher der Juden sagen läßt, bringt vor dem 12. Jahrhundert n. Chr. nichts über einen Wucher der Juden.
Aus diesem Schweigen der vielen gelehrten Juden-feinde während eines Zeitraumes von zwölf Jahrhunder-ten läßt sich mit Gewißheit schließen, daß Juden vor dem 12. Jahrhundert keinen Wucher betrieben haben. Die Juden im späteren Mittelalter waren dazu verdammt, entweder zu wuchern oder zu verhungern. Sie waren von allen Ämtern, Würden, von der Landwirtschaft, von den Zünften und Innungen, vom Handwerk und von den meisten Zweigen des Handels ausgeschlossen.
Eine an-dere Wahl, wenn sie nicht verhungern wollten, als Schacher und Wucher zu betreiben, hatten sie nicht, denn den wenigen ihnen erlaubten anderen {97} Beschäftigungen als da waren: das Wechsel- und Bankgeschäft, Edelsteinhandel usw., konnte sich ja nur eine geringe Anzahl widmen. Die großen Landesherren waren die Nutznießer des jüdischen Wuchers. Das Odium des Wuchers überließen sie den Juden, die Früchte des Wuchers steckten sie aber selber ein, indem sie, wenn sie Geld brauchten, die Juden zwangen, ihnen die Früchte des Wuchers herauszugeben (Coudenhove-Kalergi, 'Das Wesen des Antisemitismus'). Bekanntlich verbietet das kirchliche Recht unter Berufung auf die oben angeführte Stelle des Alten Testaments das Zinsennehmen über-haupt. Aus diesem Grunde ließ man, um dieses Gesetz nicht zu übertreten, die Juden wuchern, und hatten diese Vermögen erworben, nahm man ihnen das Geld wieder weg, mit der Begründung, daß dieses Geld un-rechtmäßig erworben und 'den armen Christen durch Wucher abgezapft worden war". Jene aber, denen das Geld weggenommen worden war, sahen es natürlich nicht mehr wieder. Es floß in ganz andere Taschen, nämlich in die Taschen jener, welche die Juden 'be-schützten". (z.B. Hans Tietze 'Die Juden Wiens' Geschichte-Wirtschaft-Kultur, Wien - 1933; ldn-knigi)
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Wenn Hitler behauptet, daß die Juden das Zinsennehmen eingeführt haben, so setzt er sich zu der Ge-schichte in Widerspruch. Weiß denn Hitler gar nichts vom Auszug der Plebejer nach dem heiligen Berg in Rom, der seinen Grund in dem maßlosen Wucher der arischen Patrizier hatte und der zu der Festsetzung eines Zinsmaximums führte? So geschehen 560 Jahre vor der Zerstörung Jerusalems, also zu einer Zeit, als es im 'arischen" Rom noch keinen einzigen Juden, geschweige denn jüdische Geldverleiher gab.
Daß Christen im frühen und späteren Mittelalter Geld-geschäfte betrieben - selbst Geistliche trotz dem kirchlichen Zinsverbot -, ergibt sich aus den Konzilsbeschlüs-sen, die sich gegen diese Geschäfte richteten. Daß diese {98} Geldgeschäfte von Christen im Mittelalter oft den Charakter sehr druckenden Wuchers annahmen, beweist folgende sehr interessante Tatsache: Röscher (Syst. d. V. I. S. 184) berichtet mit Quellenangabe, daß die Florentiner im Jahre 1430 Juden zu sich beriefen, um den zu jener Zeit bis zur Unerschwinglichkeit hoch gestiegenen Zinsfuß herabzudrücken.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß nicht die Juden den Wucher nach dem Abendlande gebracht, son-dern, daß sie ihn hier vorgefunden haben und daß auch die Christen im Mittelalter Wucher trieben, oft einen drückenderen als die Juden.
Es ist erwiesen, daß die Juden im Altertum Geldgeschäfte überhaupt nicht und im Mittelalter erst gezwungen betrieben haben. Als die Juden unter die Völker zerstreut wurden, verbot ihnen der Talmud das Zinsnehmen von Nichtjuden ganz und gar und gestattet es nur demjenigen, der des Zinses zu seinem Lebensunterhalte bedurfte, nicht aber zur Ver-mehrung seines Vermögens (Baba mezia 70). Der große jüdische Gelehrte Maimonides bezeichnete noch im Jahre 1180 dieses Zinsverbot als bindend. Dieses Verbot wurde eigentlich nie aufgehoben, man machte es aber den Ju-den unmöglich, es zu befolgen, indem man ihnen, wie wir gesehen haben, jeden anderen Erwerbszweig verbot.
Allein, die Juden fügten sich keineswegs gerne in diese schimpfliche Berufsart, die auch ihrer Religion widersprach. In den Bemerkungen zu obiger Talmud-stelle klagte Rabbi Jakob Tarn (gestorben 1171) bitter darüber, daß das Verbot, von Nichtjuden Zinsen zu nehmen, nicht aufrechterhalten werden kann, indem er sagt: 'Man hat uns keinen Erwerbszweig gelassen, un-ser Leben zu erhalten und die hohen Abgaben zu er-schwingen, welche unsere Landesherren uns auferlegen.
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So schaut es mit dem Wucher der Juden aus! Ich will nun keineswegs bestreiten, daß es noch heute Juden {99} gibt, die Wucher treiben, obwohl kein Zwang mehr besteht. Daraus folgt aber nicht, daß man alle oder auch nur die Mehrheit der Juden als Wucherer hinstellen darf, wie es Hitler tut. Ich behaupte vielmehr, daß es auch Nichtjuden gibt, die wuchern. Soll der Kampf sittlich gerechtfertigt sein, muß er gegen jeden Wucher geführt werden. (Was ist den mit den Banken?!)
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Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts wurden in Norwegen keine Juden geduldet. Dennoch wurde die Bevölkerung dort derart ausgewuchert, daß die 1842 aufgehobenen Zinsbeschränkungen 1851 gesetzlich wie-der eingeführt werden mußten.
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In England konstatierte M. Williams im Jahre 1845, also zu einer Zeit, in der es dort keine jüdischen Geld-verleiher gab, daß ihm Fälle bekannt seien, in welchen sich Schuldner zur Zahlung von 20 bis 60 % verstanden hatten, um eine kurze Existenz zu tristen.
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Das schändlichste Wucherwesen betreiben die privaten Pfandleihanstalten, weil sie die ärmsten Klassen be-wuchern. Diese Anstalten sind keineswegs in Händen von Juden gewesen und sind es auch heute nicht.
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Ich muß leider feststellen, daß Nichtjuden als Wuche-rer mitunter viel unbarmherziger vorgehen als Juden. Raiffeisen (Darlehenskassen-Vereine, 2. Aufl., Seite 2ff.)erzählt, daß ein Mann, welcher etwas darauf hielt, äußer-lich ehrbar und religiös zu erscheinen und dessen {100} Vermögen durch 'Liebesdienste" an seinen armen Mitmenschen (in der Form von Darlehen) zu einer bedeutenden Höhe angewachsen war, ein Anwesen von einem realen Wert von 1000 Taler, das ihm für eine Schuld von 450 Talern hypothekarisch verpfändet war, durch eine 'geschickte" Manipulation um 49, sage neunundvierzig Taler an sich brachte. Er erlöste die 1000 Taler wirklich, hatte noch 401 Taler Guthaben bei der obdachlos gemachten Familie und versagte dieser Familie selbst in kleines Quantum Steine von den später abgebroche-nen Baulichkeiten zum Bau einer Hütte. Und dieser Wucherer war 'Christ",er schimpfte sicher auf die Juden.
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Es wird noch folgender Fall erzählt, der sich in der Nähe Würzburgs im Sommer 1879 zutrug. Ein Bauer zu Pl. schuldete einem Bauern zu H. auf die verpfändete Hofernte 800 Gulden. Nach der Fälligkeit wollte der Gläubiger, ein 'Christ", in die Stundung der Schuld nur einwilligen, wenn der Verpflichtete anstatt 800 Gulden 1000 Gulden zahlt und überdies den Zinsfuß um 1 % erhöht.
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Erst vor einiger Zeit wurde in der Nähe von Wien eine Wuchererbande verurteilt, die von den armen Bauern Zinsen bis zu 80 % jährlich nahm. Unter diesen Ausbeutern befand sich aber kein einziger Jude!
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Es ist für mich klar: Es gibt jüdische und nichtjüdische Wucherer. Die nichtjüdischen Wucherer fallen weniger auf, und keine Zeitung wird diese Schandtaten unter Hinweis auf die christliche Religionszugehörigkeit breit aufmachen. Werden solche nichtjüdische Wucherer verurteilt, so erscheint eine kleinere oder größere Notiz {101} in der Zeitung und damit ist die Sache erledigt. Im Falle eines Prozesses gegen jüdische Wucherer tritt das Delikt als solches fast in den Hintergrund gegenüber dein Ver-brechen 'jüdisch zu sein". Zwei, drei Namen jüdischer Wucherer werden dutzendmal aufgefrischt, bald aus-drücklich, bald durch bloße Anspielung. Dann werden 'Fälle" ohne Namensangaben, auch erlogene und er-fundene Fälle angeführt. Dann heißt es: 'ein Jude in Mödling" oder 'ein Jude in Floridsdort", dann über-haupt: 'ein jüdischer Halsabschneider" treibt es so und so. Schließlich heißt es dann schon: 'Jeder Jude wu-chert." Trotzdem konnte das Hakenkreuz bis heute nicht den Beweis liefern, daß auch nur ein Prozent aller existierenden Wucherer der Welt Juden sind.
Die Juden haben den Wucher nicht erfunden, gegen ihren Willen wurden sie vom Mittelalter bis zum An-fang des vorigen Jahrhunderts dazu getrieben, heute aber gibt es in allen Ländern unter den Geldverleihern im Verhältnisse zur Bevölkerung nicht mehr Juden als Nichtjuden. Selbst wenn man alle jüdischen Wucherer unschädlich machte, gäbe es noch immer Wucherer, so-lange die Not die Menschen zwingen wird, sich auf Gnade und Ungnade den Geldgebern auszuliefern.
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6. Kapitel.
Die Lügen über den Talmud.
Eines jener Werke, denen in Vergangenheit und Gegenwart vielfach Unrecht zugefügt worden ist, ist der Talmud. Indem man willkürlich Stellen aus dem Zu-sammenhang riß, suchte man den Anschein zu erwecken, laß im Talmud Lehren enthalten seien, die den Juden gegenüber Nichtjuden erlaubten, das Recht zu brechen. Das ist unwahr. Ich werde beweisen, daß der Talmud sogar sehr eindringlich den Juden gebietet, auch Nichtjuden gegenüber die Vorschriften ihrer Religion treu einzuhalten.
Zweck und Ziel der talmudischen Gesetzesauslegungen ist die Verwirklichung der großen Menschheitsidee und der religiösen Wahrheiten im Leben. Die Vorschriften und Zeremonien, die Gebete und Segenssprüche sollen die Übertretung der Sittengesetze unmöglich machen (und die Menschen zum Sittlich-Guten täglich und stündlich aneifern. Der Talmud ist die Fortentwicklung des biblischen Gesetzes. Wie dieses will er dem Übel durch soziale Einrichtungen entgegenwirken, wie sie ähnlich in der Gegenwart versucht werden. Er kennt und fördert die Volksküchen, die Armen- und Krankenpflege, die Fürsorge für Witwen, Waisen und Gefangene und den Schutz der arbeitenden Menschen.
Er fordert die treue Anhänglichkeit an das Vaterland und die Teilnahme an allen Werken der Liebe, Gerech-tigkeit und Humanität. Über den Talmud wurden viele Lügen verbreitet.
{103} Durch Zitate aus dem Talmud versuchen die Judenfeinde, ihren Verleumdungen den Schein der Wahrheit zu geben. Ich werde daher einige Stellen besprechen, damit meine Leser sich überzeugen, wie gemein die Waffen sind, die das Hakenkreuz gegen die Juden anwendet.
Das Hakenkreuz behauptet, daß der Talmud ,,die Nichtjuden samt Weib und Kind zu vernichten" gebietet. Die jüdischen Gesetze schreiben nun vor, daß man sich dem Fremden gegenüber bei Geschäften und bei der Ausübung der Wohltätigkeit genau so verhalten müsse, wie einem Juden gegenüber. Es heißt in 5. B. Moses 14, 21: 'Den Fremden in deinen Toren schenke es, daß er es esse." Die jüdischen Talmudisten haben sogar vorgeschrieben, daß man auch die Kranken der Götzen-diener besuche, ihre Toten begrabe und ihre Armen er-nähre. Auch in den Psalmen heißt es (145 a. A.): 'Gut ist Gott zu allen, sein Erbarmen ergeht über alle seine Werke."
Nach dem Talmud soll - wie das Hakenkreuz behauptet - 'den Juden die Ausbeutung und Auswucherung der Nichtjuden empfohlen worden sein". Auch das ist Lüge und Verleumdung. Die Bibel verbietet das Zinsnehmen von Juden. Da aber die Nachbarvölker ihr Geld den Juden nur gegen Zinsen geliehen haben, so war es eine Selbstverständlichkeit, daß auch die Juden von ihren Nachbarn Zinsen verlangten, wenn sie ihnen Darlehen gewährten. Das war nichts anderes als der Grundsatz der Gegenseitigkeit. Trotzdem haben die Gelehrten den Juden auch das Zinsnehmen von Nichtjuden verboten (Talmud Baba Mezia 71 a). Nur um den Geschäftsver-kehr nicht zu drosseln, wurde das Zinsnehmen erlaubt:
a) soweit die Verzinsung des Geldes zur Erhaltung des eigenen Lebens notwendig war, das bezog sich auch auf Nichtjuden;
b) soweit es sich um Gelehrte handelte, weil bei ihnen die Gefahr eines Mißbrauches ausge-schlossen war. Nie aber wurde die AusbeutungvonJuden oder Nichtjuden erlaubt. Die jüdischenMassensprechen mit Verachtung von Wucherern.
Der Talmud schreibt vor:
a) betreffend Raub: Es ist verboten, den kleinsten Wert einem Juden, ebenso aber einem Nichtjuden zu rauben oder vorzuenthalten (Choschem ha-Mischpat, Br. 359, l);
b) betreffend Diebstahl: Wer einen Gegenstand auch nur im Werte einer peruta (Pfennig) stiehlt, übertritt das Verbot 'Ihr sollt nicht stehlen". Und er muß es, gleichgültig, ob das Opfer ein Jude oder ein Nichtjude ist, ersetzen (Choschem ha-Mischpat, Br. 348, 2);
Ó) betreffend Betrug: Wer sich eines falschen Maßes oder Gewichtes einem Juden oder sogar einem Götzendiener gegenüber be-dient, der übertritt das Verbot 'Ihr sollt kein Unrecht tun in Maß, Gewicht und Hohlmaß" (Choschem ha-Mischpat, Kap. 231, l). 'Es ist verboten, Menschen im Geschäfte zu betrügen oder ihre Meinung zu stehlen" (sie irrtümlich glauben zu lassen, daß man ihnen gefällig sein wolle). Wenn die Ware einen Fehler hat, muß man es dem Käufer mitteilen. Auch einem Nichtjuden ver-kaufe man kein Nebelafleisch (nicht rituell geschlachtet) wenn er annimmt, es sei geschlachtetes. Man dringe nicht darauf, daß jemand mit uns speise, wenn man genau weiß, daß eres nicht tun wird (Choschem ha-Mischpat Nr. 228,
6).
Angesichts dieser Vorschriften ist es eine Lüge und Verleumdung, ja eine erbärmliche Gemeinheit, wenn das Hakenkreuz behauptet, daß nach dem Talmud den Nicht-juden gegenüber Unrecht und Bedrückung erlaubt sei.
Das Hakenkreuz zitiert gewöhnlich eine Stelle aus San-hedrin 37 a und Baba Mezia 3 b. Nun ist in San-hedrin 37 a überhaupt von Nichtjuden keine Rede. Was die Stelle in Baba Mezia betrifft, so handelt es sich auch hier um eine Unwahrheit. Eine solche Stelle gibt es überhaupt nicht.
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Vor Jahren hat vor dem Landesgerichte Wien ein Pro-zeß zwischen einein Professor Rohling und dem Rabbiner Bloch stattgefunden. (siehe unsere Webseite, ldn-knigi)In diesem Prozeß hat das {105} Landes-gericht Wien zwei christliche Professoren, und zwar die Professoren August Wünsche und Theodor Nöldecke, als Sachverständige vernommen. Diese Sachverständigen haben erklärt, daß die Anklagen gegen den Talmud vollkommen grundlos sind. Alle prominenten Antisemi-ten, die die christlichen Völker im deutschen Raum zu verhetzen suchen, kennen das Buch des damaligen Ver-teidigers Blochs, des christlichen Abgeordneten Dr. Josef Kopp: 'Zur Judenfrage nach den Akten des Prozesses Rohling-Bloch" (1886). (siehe unsere Webseite, ldn-knigi)
Trotzdem in diesem Buche ganz klar die Lügenhaftigkeit der Anschuldigungen gegen den Talmud nachgewiesen wurden, verbreiten die Antisemiten sie weiter, als wenn nicht durch einen jahrelangen Prozeß all diese Lügen im Gerichtssaal als solche ent-larvt worden wären.
Die Sachverständigen haben bestä-tigt, daß der Talmud nichts anderes ist als eine Nieder-schrift der sogenannten mündlichen Überlieferung und der Debatten, die in den Lehrhäusern seit Moses bis ins fünfte Jahrhundert n. Chr. geführt wurden.
Die in äußerster Kürze, aber wortgetreu wiedergegebenen De-batten der Lehrhäuser in Palästina und Babylon bilden den Inhalt des Talmuds. Daher gibt es einen umfang-reichen babylonischen und einen kleinen Jerusalemische Talmud.
Der Talmud ist nicht das Werk eines Mannes, sondern das Produkt einer vielhundertjährigen geistigen Arbeit und ein fast getreues Spiegelbild der geschicht-lichen Entwicklung der Juden. Er könnte allenfalls mit Protokollen von Parlamentsverhandlungen verglichen werden.
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Der Inhalt des Talmud ist so bunt und vielseitig wie das Leben. Es gibt nichts zwischen Himmel und Erde, aus dem Gesichtskreis oder Erfahrungsbereich des da-maligen Menschen, das darin nicht berührt wäre.
Der Talmud hat heute nur soweit Gültigkeit, als er den Ritus und die eigentliche Religion behandelt. Seine Straf-, Zivil- und Verwaltungsvorschriften gelten heute nicht mehr. {106} Nach den jüdischen Vorschriften gelten auf diesen Gebieten nur die Staatsgesetze. Diese sind für die Juden bindend. Es heißt ausdrücklich, wiederholt in der jüdischen Lehre: 'Die Gesetze des Staates sind die Gesetze."
Die Hakenkreuzler, die doch nicht auf dem Mond leben, müssen wissen, daß die Juden auch untereinander nur auf Grund der bestehenden staatlichen Gesetze ihre Rechtsbeziehungen regeln. Wenn ein Jude gegen einen anderen Juden eine Klage erhebt, so beruft er sich nicht auf den Talmud, sondern auf das staatliche Gesetz.
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Von den 16 Millionen Juden der Welt (1935) kennen kaum 100.000 jüdisch-orthodoxe Männer den Talmud. Genau dürften ihn kaum 1.000 Menschen kennen. Die europäischen Westjuden und die Ostjuden, die nicht in ihrer Kindheit und auch später den Talmud studiert haben, kennen ihn überhaupt nicht. Die grenzenlose Gemeinheit aber hegt darin, daß sogar gefälschte Talmudzitate veröffentlicht werden, um hernach durch die Behaup-tung, daß die Vorschriften die ganze Judenheit binden, die jüdischen Menschen bei christlichen Völkern zu dis-kreditieren und Haß und Verachtung gegen sie zu er-wecken.
Der Talmud ist kein Geheimnis. Das Hakenkreuz, das den Talmud zur Begründung seiner Richtung heranzieht, hat ausgezeichnete Gelegenheit, sich über den Inhalt des Talmuds zu informieren. Eine Fülle wissenschaftlicher und volkstümlicher Literatur aus der Feder erster Fach-leute christlichen und jüdischen Glaubens ist vorhanden, aus der sich der wirklich um die Wahrheit Ringende unterrichten kann. Christliche Gelehrte von großem An-sehen. wie Franz Delitzsch und Fiebig, haben den Talmud wissenschaftlich behandelt.
Er ist in fast allen Kultur-sprachen übersetzt. Es gibt auch eine Ausgabe in deut-scher Sprache. Allerdings gibt es auch gefälschte Talmudübersetzungen, so z. B. die eines gewissen Justus, {107} der früher Aron Briman hieß. Er ließ sich taufen, wurde Protestant, dann Katholik. 1865 erreichte ihn sein Schicksal in Wien, wo er wegen Urkundenfälschung zu Gefängnis und Landesverweisung verurteilt wurde. Die-ser Mann hat auch den Talmud 'übersetzt". 'Ein Mach-werk infernaler Lüge", nennt Professor Dr. Franz Delitzsch aus Leipzig diese Übersetzung.
Es gibt ferner einen gewissen Rohling, dessen Übersetzungen des Tal-muds Professor Dr. Nöldecke eine Gemeinheit nennt.
Professor Theologe Dr. H. L. Strack sagt von dieser Übersetzung, daß sie eine seltene Vereinigung von Unwissenheit, verblen-detem Haß und Böswilligkeit sei. Er habe sie von einer anderen Fälscherschrift abgeschrieben. Dann gibt es noch einen gewissen Dr. Ecker in Münster, der die Fälschungen des Justus als sein eigenes Werk heraus-gab. Professor der katholischen Theologie Bickel nennt das Buch 'einen Schwindel gelehrter Industrieritter. Professor Dr. Franz Delitzsch schleuderte gegen diese Fälscher die folgenden zornigen Worte: 'Aber noch lebt der Gott der Wahrheit... und lebt noch der zu seiner Rechten erhobene Christus, welcher seine Ehre zu recht-fertigen wissen wird gegen die Schänder seines Na-mens ... Die Rohlings und die Justus' (die ihm durch Lügen zu dienen meinen) werden sterben an ihren Lü-gen."
Auch ein gewisser Eisenmenger hat Stellen des Tal-muds falsch übersetzt und veröffentlicht.
Sachverständige haben bestätigt, daß in Fachkreisen alle diese antisemitischen Talmudübersetzungen längst als gemeine Fälschungen entlarvt wurden. Wenn das Hakenkreuz die Verfolgung der Juden betreibt,so muß es doch die Literatur kennen und es muß insbesondere wissen, daß die Stellen, die es anführt, Verleumdungen und Fälschungen sind.
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Nun will ich aber einige Lehrsätze aus der Thora, dem Talmud und den späteren Schriften veröffentlichen, um zu beweisen, daß die religiösen Lehren des Juden-tums Vorschriften enthalten, deren sittlicher Wert außer Zweifel steht.
In den zehn Geboten ist der lapidare Satz enthalten:
Du sollst nicht stehlen (e. B. Mos. 20, 15 u. 5 B. Mos. 5, 17); ferner heißt es: 'Ihr sollt nicht stehlen und nicht ableugnen und nicht einen den anderen betrügen" (3. B. Moses 19, 11). Und weiter ergeht die Mahnung: 'Du sollst nicht gelüsten nach dem Eigentum deines Näch-sten" (2. B. Moses 20, 17 u. 3. B. Mos. 5. 18).
In den jüdischen Schriften wird aber die Schonung fremden Vermögens derart gefordert, daß man sich nicht nur jedes Eingriffes in das Eigentum der Mitmenschen völlig zu enthalten hat, sondern auch, daß man einer etwaigen Verletzung von anderer Seite entgegenzutreten habe. Wir finden hier den bezeichnenden Satz: 'Das Vermögen des anderen soll dir teurer sein als dein eigenes" (Sprüche der Väter II, 12). Jede Verletzung fremden Eigentums ist nicht nur eine Sünde gegen die Mitmenschen, sondern auch gegen Gott.
'Wegen Raubes an fremdem Gut wird Regenmangel verhängt" (Taanit 7 b).
'Einen Menschen berauben ist schlimmer, als heiliges Gut rauben" (Baba batra 88 b).
'Wessen Hände mit unrechtem Gut befleckt sind, den erhört Gott nicht, wenn er ihn ruft" (Schemot Rabba o. 22).
Der Talmud erschöpft sich in Einzelheiten, um die sorgfältigste Schonung fremden Eigentums aufs dringlichste zur Pflicht zu machen, wobei häufig die Sittenlehre und das kodifizierte Recht ineinandergreifen. Schon jede mißbräuchliche Benutzung fremden Eigentums wird als Diebstahl angesehen. Wie weitgehend hier die tal-mudische Moral ist, zeigt folgende Legende aus dem babylonischen Talmud:
'Dem frommen Mar Sutra wurde einst im Gasthof {109} ein Silbergerät gestohlen. Da er sah, wie jemand sich die Hände wusch und sie an Gewand eines anderen ab-trocknete, sagte er, wer Sachen eines anderen so miß-braucht, wird wohl auch der Dieb sein. In der Tat ge-stand jener den Diebstahl ein" (Baba mezia 24 a). Eben-so schlimm ist es, jemand die Gelegenheit zum Diebstahl zu geben:
'Man darf selbst einem Redlichen nicht die Gelegen-heit zum Stehlen geben, geschweige denn einem, der zu Diebstahl Neigung zeigt" (Tanchuma, Abschnitt Wajischlach).
Verwerflicher als die Beraubung eines Lebenden gilt die eines Toten.
'Einen Toten berauben ist schlimmer, als einen Le-benden berauben; denn wer einen Lebenden beraubt, kann ihm sein Eigentum zurückgeben und ihn um Ver-zeihung bitten - wer aber einen Toten beraubt, kann ihm nichts zurückgeben und ihn auch nicht um Ver-zeihung bitten" (Ebel rabbati c. 9).
Ohne Erlaubnis in die Wohnung eines anderen einzudringen, selbst um sein Eigentum zurückzuverlangen, ist nach dem talmudischen Recht verboten.
'Du darfst nicht in die Wohnung deines Nachbarn gehen, um ohne dessen Wissen dein Eigentum zurück-zunehmen, denn auch dies gleicht dem Diebstahl" (Baba kamma 27 b).
Maimonides (1135-1201), der in seinem großen Werk 'Mischne Thora" das gesamte jüdische Recht, wie es sich bis zu seiner Zeit entwickelt hatte, kodifizierte, be-schäftigt sich in besonderen Kapiteln mit Raub und Diebstahl (Hilchot Gesela und Hilchot Geneba). An die Spitze seiner Behandlung dieser Materie kann man einen Satz aus dem Kapitel über Ethik (Hilchot Deot) stellen, der an den obererwähnten Ausspruch aus den 'Sprüchen der Väter" anknüpft: 'Man soll von seinem Nächsten immer nur das Gute sagen und auch dessen Vermögen schützen, wie man sein eigenes Vermögen schützt" (Mischne thora Hilchot Deot VI, 3).
{110} 'So wie es dem Gläubiger verboten ist, Zahlung zu fordern, wenn ihm bekannt ist, daß es dem Schuldner nicht möglich ist, Zahlung zu leisten, so ist dem Schuld-ner verboten, dem Gläubiger das Geld vorzuenthalten und ihm zu sagen: 'Geh und komm wieder'" (Sprüche 3, 28). - Ebenso treulos und pflichtvergessen ist es, ein Darlehen aufzunehmen, um es unnötigerweise auszu-geben und zu verschwenden, so daß der Gläubiger dann nichts vorfindet, wovon er sich bezahlt machen könnte. Wer so handelt, ist ein Bösewicht, auch wenn der Gläubiger reich begütert ist.
Denn es heißt: Der Bösewicht leiht und zahlt nichts (Psalm 37, 21). Und die Weisen lehren: Das Vermögen deines Nebenmenschen sei dir so lieb wie dein eigenes (Sprüche der Väter II, 12, Mischne thora hilchot Malwe welowe I, 3).
'Es ist verboten, von einem Diebe gestohlenes Gut zu kaufen, und zwar ist es eine schwere Sünde, denn man unterstützt dadurch einen Verbrecher und veranlaßt ihm, andere Diebstähle zu begehen. Fände er niemand, der ihm das Gestohlene abnimmt, so würde er nicht stehlen" (Mischne thora hilchot Geneba V).
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Nach talmudischem Recht ist jedes Geschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, rechtsungültig und kann zu jeder Zeit rückgängig gemacht werden. Selbst wenn zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart wurde, daß die Einrede der Übervorteilung nicht erhoben werden dürfe, ist jene gesetzliche Bestimmung nicht aufgehoben. Überhaupt darf bei keinem Geschäfte ein unlauteres Mittel angewendet werden, um bei dem Käufer eine falsche Vorstellung von Beschaffenheit und Preis der gekauften Ware hervorzurufen. Enthält diese irgendeinen Fehler oder einen Schaden, so muß der Käufer darauf hingewiesen werden. Eine allgemeine Redewendung, die besagen will, daß die gekaufte Ware nicht fehlerfrei sei, genügt nicht.
Dasselbe gilt auch hinsichtlich des {111} Preises. Ein unangemessener Gewinnaufschlag darf, vornehmlich bei Lebensmitteln, nicht gemacht werden. Ist der Käufer bei der Festsetzung des Preises um mehr als ein Sechstel des Wertes übervorteilt worden,sokann der Kauf rückgängig gemacht werden, es sei denn, daß beim Abschluß des Geschäftes der Käufer ausdrück-lich davon verständigt wird, daß er mehr als den orts-üblichen Preis bezahlt. Bezüglich der notwendigen Le-bensmittel hatte aber die Marktpolizei mit allem Nach-druck darauf zu sehen, daß Preistreiberei und jede an-dere Übervorteilung der Käufer vermieden werden, nö-tigenfalls sollte sie gegen Preistreiber, Brotwucherer und Betrüger bei Maß und Gewicht mit strengen Strafen vorgehen. Nach dem Rechtsbewußtsein des Volkes be-drohen solche gewissenlose Menschen den Fortbestand des Staates und der Gesellschaft auf das schwerste.
(Ba-ba Batra 90 b). Eine ganze Reihe von talmudischen Sittensprüchen schärft Redlichkeit im Handel und Wan-del ein.
'In der Stunde, in der der Mensch zur Rechenschaft gezogen wird, wird er gefragt: 'Bist Du redlich ge-wesen im Handel und Wandel?'" (Sabbar 31 a).
'Groß ist die Treue, denn wer mit den Menschen sein Werk in Treue übt, erfüllt gleichsam alle Gebote der Thora" (Midrasch Gadol u. Gedola XII Bet ha-Midrasch ed. Jellinek III s. 125).
'Wer sein gegebenes Wort nicht halt, gleicht dem Götzendiener" (Sanhedrin 92 a).
'Der das Geschlecht der Sintflut und das des Turm-baues zu Babel und die Sodomiter wegen ihrer Sünden heimgesucht hat, wird auch die heimsuchen, die ihr gegebenes Wort nicht halten" (Baba Mezia 48 a).
'Der Wahrheit redet in seinem Herzen" (ps. 15, 2) nach Art des Rab. Safra.
Rab. Safra hatte einst einen Gegenstand zu verkaufen. Da kam, während er das ,,Schma" (Gebet) las, ein Mann und sagte zu ihm: Gib mir den Gegenstand für soundsoviel Geld. Da Rab. Safra, weil er das 'Schma" las, nicht antwortete, meinte {112} jener der Preis sei ihm zu niedrig, und bot mehr. Nachdem er das 'Schma" beendet hatte, sagte Rab. Safra:
'Nimm den Gegenstand für den Preis, den du zuerst geboten hast, denn um diesen Preis beabsichtigte ich ihn dir zu geben" (Makkot 24 a).
'Man verspreche nicht einem Kinde, ihm etwas zu geben, ohne es ihm dann zu geben, weil man es dadurch lügen lehrt" (Baba Mezia 49 a).
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Auch von späteren Autoritäten wird die Mahnung Redlichkeit wiederholt. Saadja Gaon (882-942) sagt seinem 'Emunot wedeot" (Offenbarungs- und Vernunftlehre):
(SAADJA ben Joseph, Gaon, jüd. Theologe, Philosoph, Jurist, 882 Fajjum (Oberägypten)- 942 Sura (Babylonien) (Die frühen Kommentare zum Sefer Jezira wurden im 10. Jahrhundert geschrieben. Der erste wurde 931 von Saadja Gaon, einem der wichtigsten religiösen Führer und Philosophen seiner Zeit, geschrieben, ldn-knigi)
'Niemand täusche absichtlich durch seine Handlungen, auch keinen Nichtjuden, sei nicht zänkisch gegen die Leute, wes Glaubens sie seien. Handle ehrlich in Dei-nem Geschäfte; erzähle nicht, daß man Dir eine Ware für diesen oder jenen Preis abkaufen wolle, wenn es nicht wahr ist; mache nicht Miene zum Verkaufen, wenn es Dir kein Ernst ist; solche Dinge sind eines Israeliten unwürdig" (Buch der Frommen, bei Zunz: Geschichte und Literatur, Seite 135/136).
'Kannst Du Dich mit dem Wenigen, das Du besitzest, ernähren, so nimm nicht von anderen, um reich zu werden, denn die meisten von denen,
die von anderen nehmen, haben kein Glück. An dem Gelde von Leuten, die die Münzen beschneiden, Wuchergeschäfte machen, unredlich Maß und Gewicht haben und im Handel nicht ehrlich sind, ist kein Segen (Buch der Frommen bei Zunz: Dass., Seite 137).
'Aus übertriebenem Schamgefühl kann man mitunter bei der Weigerung, aus öffentlichen Mitteln eine Unter-stützung anzunehmen, gegen Dritte ein Unrecht be-gehen. So wohnte z. B. jemand zur Miete und war nicht in der Lage, die schuldige Wohnungsmiete zu bezahlen; die ihm angebotene Unterstützung wies er mit der {113} Begründung zurück, er habe noch niemals eine Unter-stützung angenommen. Er schädigte den Hauseigentü-mer, der auf Unterstützung keinen Anspruch hatte, er selbst aber durfte die ihm angebotene Unterstützung annehmen, um die Schuld zu bezahlen" (Buch der Frommen,
867 [1046]).
'Ein vergeßlicher Mann darf nicht Armenvorsteher sein, auch soll er nicht fremdes Eigentum in Gewaltsam nehmen, denn aus Vergeßlichkeit kann leicht eine Schä-digung anderer entstehen" (Buch der Frommen, 907 [329]).
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Maimonides beschäftigte sich in seinem Religions-kodex 'Mischne Thora" in verschiedenen Kapiteln aus-führlich mit dem im Handel und Verkehr zu beachtenden Verhalten.
'Wer mit Juden oder Nichtjuden Handel treibt und falsch mißt oder wiegt, übertritt ein Gebot der Thora. Ebenso ist es verboten, einen Nichtjuden bei der Ab-rechnung zu übervorteilen, vielmehr soll man mit ihm aufs genaueste abrechnen ..."
'Man darf weder liegende noch bewegliche Güter ver-kaufen, über die ein Rechtsstreit schwebt, ohne dem Käu-fer davon Mitteilung zu machen. Denn wenn auch der Verkäufer dem Käufer gegenüber ersatzpflichtig ist, so will doch niemand Geld für etwas ausgeben, das ihm strittig gemacht werden könnte" (Mischne thora hilchot Mechira XIX, l).
'Man darf nicht Wasser in Wein mischen. Ist einem Händler Wasser in den Wein gekommen, so darf er ihn nur dann verkaufen, wenn er dem Käufer davon Mit-teilung macht; aber an einen Wiederverkäufer darf er ihn auch dann nicht verkaufen, denn dieser könnte Käu-fer damit betrügen" (Dass. XVIII, 6).
'Man darf nicht (bei Verkauf von Obst) verschiedene Obstgattungen durcheinandermischen" (Dass. XVIII, 5).
'Eine Sache, von der man voraussetzen kann, daß sie {114} gestohlen ist, oder bei der überhaupt Diebstahl üblich ist, darf man nicht kaufen. Sp. z. B. darf man nicht bei Hirten Wolle oder Milch oder junge Lämmchen kaufen" Mischne thora hilchot VI, l, nach Talmud Baba kamma 118b).
'Von Leuten, die als Räuber bekannt sind, oder die ein unehrliches Gewerbe betreiben und von denen an-genommen werden kann, daß sie nicht im rechtmäßigen Besitze ihrer Habe sind, darf man keinen Nutzen haben"
(Dass. V, 9, nach Mischna Baba kamma X, 9).
'Man darf von Frauen, vom Gesinde und von Kindern nur das kaufen, wovon man voraussetzt, daß sie es mit Wissen der rechtmäßigen Eigentümer haben" (Mischne thora hilchot Geneba VI, 4, nach Mischna Baba kamma X9).
'Von Gartenwächtern darf man weder Holz noch Obst kaufen, es sei denn, daß der Verkauf auf offenem Markte geschieht und sie Körbe und Wagen vor sich haben" (VI, 3).
'Dort, wo es üblich ist, daß die Reste (von bearbeiteten Stoffen) dem Eigentümer gehören, darf man solche von Handwerkern nicht kaufen, weil vorausgesetzt werden kann, daß sie gestohlenes Gut sind" (Dass. VI, 9, nach Talmud Baba kamma 118b).
'Der Schneider, der Stoff und Zutaten zur Verarbeitung erhalten hat, ist verpflichtet, einen übriggebliebenen Faden, wenn er noch durch die Nadel gezogen werden kann, und Stoffreste, wenn sie drei Finger breit sind, dem Eigentümer zurückzugeben. Ebenso ist der Tischler gehalten, Späne und Abfälle dem Eigentümer zurückzugeben. Im übrigen gilt in solchen Dingen, was landesüblich ist" (Dass. VI, 7-8, nach talmudischen Quellen, vgl. Baba kamma 118b).
'Wer zum anderen sagt: 'Leihe mir Deinen Spaten, damit ich mit ihm diesen Garten bearbeite', darf nicht einen anderen Garten damit bearbeiten" (Mischna thora hilchot Gesela und Phikadon über Leihen und Hinterlegen II, 7, nach Talmud Baba Mezia 103 a).
{115} 'Hüte Dich vor allem, was wie Diebstahl und Betrug auch nur aussieht. Du sollst mit Deinen Nächsten auch nicht um Wertvolles wetten, sollst selbst nicht in ver-steckter Weise Dir Dein Geld von Deinen Nächsten verzinsen lassen, noch das Geld ihm in dieser Form ver-zinsen, Du sollst auch um etwas von geringem Werte nicht Würfel spielen" (Moses Kohen b. Eleasar: Das kleine Buch der Frommen, S. 11 b).
'Man darf die Menschen nicht täuschen, auch den Nichtjuden nicht, nicht einmal, wenn es sich um Worte handelt" (Elieser Askarte [1588], Sefer Charadim, Buch der Gottesfürchtigen, c. 5).
Manasse b. Israel (1604-57): 'Rettung der Jüden' (übersetzt von Marcus Herz, gedruckt in Mendelsohns Ges. Schriften III), schreibt S. 247:
'Die Lehrer des Talmuds behaupten ferner, daß die Wiedererstattung eine Handlung ist, welche zum Lobe Gottes und des heiligen Gesetzes gereicht. Als der ehrliche und weise Mann Rabbi Simon b. Satah (Schetach) von einem Heiden einen Esel kaufte, so war unter dessen Halfter ein Juwel von großem Wert, was dem Eigen-tümer unbekannt war. Als er es hernach fand, so stellte er es freiwillig und umsonst dem Verkäufer, der nichts davon wußte, wieder zu. 'Ich habe den Esel gekauft', sagte er, 'aber nicht den Edelstein.' Wodurch Gott, sei-nem Gesetze und der jüdischen Nation Ehre erwuchs" (Menasse b. Israel, dass. S. 274).
Du denkst vielleicht: 'Wie können wir in unserem Geschäft davon abseilen, dem anderen unsere Waren und ihren Wert anzupreisen? Es ist aber ein großer Unter-schied; die Bemühungen, dem Käufer der Wahrheit ge-mäß zu zeigen, wie gut und schön ein Gegenstand ist, sind nur recht und löblich. Was aber dazu dient, die Fehler eines Gegenstandes zu verdecken, das ist eine Übervorteilung und verboten. Das ist das Hauptprinzip für den, der sich im Geschäft ehrlich halten will" (Der Weg der Frommen, 11. Kapitel, übersetzt von J. Wohlgemuth, S. 49/52).
{116} Befleißigt euch der Redlichkeit in eurem geschäftlichen Verkehr, denn die erste Frage, die Gott an die Seele des Menschen richtet, wenn sie vor seinem Thron erscheint, ist: 'Bist Du allezeit redlich gewesen in Deinen Handel und Wandel? ...' Habt Ihr eine Schuld einzufordern, dann treibt sie nicht mit Strenge ein, weder vom Juden noch vom Nichtjuden ... Ihr sollt euch nicht bloß hüten, euch an fremdem Eigentum zu vergreifen, Ihr müßt euch auch vor Gesinnungsdiebstahl hüten, das heißt Ihr dürft den Mitmenschen, auch wenn er einem fremden Glauben angehört, über eure Gesinnung nicht täuschen" (Sabbar 31 a).
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Wer diese Sprüche aus der Thora und dem Talmud liest, der ist ein Bösewicht, wenn er noch davon spricht, daß der Talmud ein unsittliches Werk sei und daß er die Übervorteilung des Christen durch den Ju-den erlaube.
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7. Kapitel.
DieRitualmordluge.
Gegen die Juden tritt die Ritualmordbeschuldigung erst seit dem 12. Jahrhundert auf. Erst von diesem Zeit-punkt an wird behauptet, daß die Juden zu Ostern Christenkinder schlachten und das Blut beim Passahfest verwenden.
Durch furchtbare Folterungen erpreßte man den An-geklagten 'Geständnisse", aber weder damals, noch in den folgenden Jahrhunderten ist bei Ritualmordprozessen jemals ein Täter wirklich festgestellt worden.
Ein wenig Nachdenken muß dahin führen, die Ge-schichte von den Ritualmorden als Idiotie zu erkennen, denn wäre etwas Wahres an der Sache, dann hätte es in fast 2000 Jahren nicht nur sechs oder sieben derartige Prozesse gegeben, sondern man müßte jedes Jahr Ritual-morde entdecken, was niemals der Fall ist.
Schon auf Grund der jüdischen Schriften sind Mord-taten zu rituellen Zwecken unmöglich. Das erklärt je-der, der sich mit der jüdischen Lehre befaßt hat, darunter Größen, wie Delitzsch und Nöldecke.
Nun haben die Antisemiten behauptet, es gebe jüdische Geheimschriften, in denen der Blutritus verlangt wild. Auch das bestreiten namhafte Gelehrte energisch. Es gibt keine jüdischen Geheimschriften und kann keine geben, weil die Antise-miten sie längst entdeckt hätten. Nahrung haben die Ge-rüchte von den Geheimschriften insofern erhalten, als die jüdischen Originaltexte in hebräischer oder aramäischer {118} Sprache abgefaßt und daher nur einem winzigen Bruch der Bevölkerung zugänglich sind. Im Dritten Buche Moses, 17. Kapitel, und an anderen Stellen der Heiligen Schrift finden sich strenge Verbote des Blutgenusses. Auf diese Tatsache geht auch die Vorschrift zurück, daß Fleisch erst Stunden nach der Schlachtung und erst nach wiederholtem Wässern und Waschen verwendet werden darf.
(über jüdische Speisevorschriften siehe Anhang am Ende des Buches, ldn-knigi)
Dennoch wird immer wieder von dem Ritualmord gesprochen. Als ein Ritualmordprozeß geführt wurde, stand ein Mann auf, bei dem man wirklich sagen kann: Nomen est omen. Er hieß Doktor Rohling. Er war Theologieprofessor und Kanonikus und spielte eine große Rolle am österreichischen Hof. Dieser Mann er-klärte sich - um den Prozeß zu ermöglichen - bereit, zu beeiden, daß es Ritualmorde gebe und daß gewisse Stellen in den jüdischen Schriften den Genuß des Blutes von Christenkindern vorschreiben. Diese Äußerungen riefen ungeheure Aufregung hervor.
Rabbiner Dr. Jakob (Fehler im Original, sollte sein - Dr. Joseph Samuel Bloch - ldn-knigi) Bloch verwahrte sich auf das entschiedenste gegen sie und erklärte in der breitesten Öffentlichkeit in einer Wiener Zeitung, dem 'Journal", wenn Rohling den Eid ablege, dann sei es ein Meineid. Er forderte ihn auf, zu klagen und vor Gericht seine Behauptungen zu bewei-sen.
Gutachten von Delitzsch und Noeldeke stellten fest, daß die von Rohling angeführten Stellen grobe Fäl-schungen seien. Die Geschichte wurde Rohling sehr un-angenehm. Er zog seinen Prozeß zwei Jahre hinaus, und als endlich der Termin der Verhandlung festgesetzt wurde, zog er zwölf Tage vorher die Klage zurück, wobei er die Zahlung sämtlicher Kosten auf sich nahm.
Damit war Rohling erledigt.
Seine Schriften wurden von der Kirche auf den Index gesetzt, Kaiser Franz Josef ent-hob ihn seiner Ämter.
Er starb in Salzburg im Exil.
(Literatur, siehe z.B., Dr. Joseph Samuel Bloch 'Erinnerungen aus meinem Leben' Band 1-2, Wien 1922, Band 3 Wien 1933; 'Israel und die Völker'- Nach jüdischer Lehre, Wien 1922.
Dr. Josef Kopp 'Zur Judenfrage' nach den Schriften des Prozesses Rohling - Bloch,
Leipzig 1886) (auch weitere Bücher zum Thema - z.B., Dr. D. Chwolson 'Die Blutanklage und sonstige mittelalterliche Beschuldigungen der Juden', eine historische Untersuchung nach den Quellen, Frankfurt a.M., 1901 (erste Ausgabe - 1861 in rus.), Prof. Hermann Leberecht Strack 'Das Blut im Glauben und Aberglauben der Menschheit' 1900 'Entstehung und Entwicklung des 'Blutaberglaubens', ldn-knigi)
Die Ritualmordbeschuldigung wurde in grauer Vor-zeit von vielen Völkern an verschiedenen Orten gegen ihre Feinde erhoben. Nach Gibbon wurden sogar die ersten Christen von {119} den Römern beschuldigt, in geheimen Zusammenkünften ein neugeborenes, mit Mehl vollkommen bedecktes Kind zu verstümmeln und dessen Blut zu trinken.
Unter der Herrschaft Hadrians (Anfang des 2. Jahr-hunderts n. Chr.), später auch unter Marcus Aurelius und Lucius Verus (Mitte des 2. Jahrhunderts), suchten christliche Männer den Römern die Haltlosigkeit der christenfeindlichen Anwürfe in Wort und Schrift zu be-weisen. Unter diesen Streitern um die Ehre des Chri-stentums werden Origenes, Eusebius, Justinus, Minicius Felix, Athenagoras u. a. genannt.
Athenagoras führt in seiner Schrift aus:
'Nach unserem Gesetz ist es uns nicht erlaubt, die-jenigen wieder zu schlagen oder diejenigen nicht zu segnen, die uns fluchen; wir begnügen uns in unserem Leben auch nicht mit der einfachen Gerechtigkeit, nach der man glaubt, daß Gleiches mit Gleichem vergolten werden könne, sondern wir bestreben uns, durch Gute und Geduld uns vor den anderen auszuzeichnen. Und nachdem wir mit solchen Grundsätzen ausgerüstet sind, wer möchte uns, sofern er bei gesundem Verstand, dem Verdachte aussetzen, daß wir die verruchten Mörder vieler Menschen seien? Denn anders können wir das Fleisch eines Menschen nicht genießen, es sei denn, daß er zuvor von uns getötet wurde. Wenn ihr aber unsere Ankläger fraget, ob sie das, was sie vorbringen, auch gesehen haben, da möchte doch sicher, wie ich glaube, keiner von ihnen so alle Scham abgelegt haben, daß er das zu behaupten wagte ..."
Justinus schreibt an Kaiser Antonius:
'Durch böse Dämonen angetrieben, haben dieses Ge-rücht einige übrigens schlechte Menschen ausgestreut. Denn da man auf die falsche Anklägerei hin, die gegen uns gang und gäbe ist, einige hinrichtete, schleppten diese schlechten Menschen (als Werkzeuge der Dämonen) auch Hausgesinde von den Unsrigen, Knaben und Mäg-delein, zu den Folterbänken und zwangen sie da mit entsetzlichen Martern, jene erdichteten Verbrechen zu {120}
gestehen, die sie (die Peiniger selbst), und zwar öffentlich verüben..."
Und Tertullian:
'Man sagt uns nach, daß wir, unsere Sakramente vollziehend ein Kind töten und essen ... So wird immerdar gesagt und ihr sorgt, solange das Gerede dauert, keineswegs dafür, daß es erforscht werde. Das, was man sagt, ist immer dasselbe; seitdem es aber gesagt wird, habt ihr noch keinmal versucht, unsere Verbrechen zu untersuchen...'
Auch nachdem das Christentum zur Macht gelangte, beschuldigten einzelne Sekten untereinander, daß sie zu Ostern Kinderblut mit Mehl mischen und verzehren. Die Mohammedaner verdächtigen ebenfalls gewisse gegnerische Gruppen des gleichen Verbrechens.
Die Christen kämpfen gegen die christlichen Missionäre mit Verdächtigungen, die an die gegenseitigen Beschuldigungen der feindlichen Heere im Weltkrieg lebhaft erinnern, wie z. B. die über das Töten schwangerer Frauen und Verstümmeln Wehrloser. (z.B. Kriegspropaganda der Deutschen und Franzosen - in I Weltkrieg, ldn-knigi) Im Jahre 1870 be-schuldigten die Spanier Franzosen, Protestanten und Freimaurer, ein Kind, das eine Zeitlang vermißt war, gestohlen und geopfert zu haben. Wie man sieht, ist es im Grunde immer das gleiche Märchen, das eine Menschengruppe von der anderen verbreitet.
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Eine ganze Reihe von päpstlichen Bullen ist gegen die Blutbeschuldigung erlassen worden. In einer Bulle Innocenz IV. vom 5. Juli 1247 an die Erzbischöfe und Bischöfe in Deutschland heißt es:
'daß einzelne geistliche und weltliche Fürsten und an-dere Adelige und Machthaber in Euren Städten und Diö-zesen, um ungerechterweise ihre (d. h. der Juden) Güter zu plündern und sich anzueignen, gottlose Anschläge gegen sie ersinnen und mannigfache und verschiedene Anlässe erdichten, ohne vernünftig zu bedenken, daß {121} gewissermaßen aus ihrem Archive die Zeugnisse des christ-lichen Glaubens hervorgingen. Trotzdem die Heilige Schrift unter anderen Gesetzesvorschriften sagt ,Du sollst nicht töten' und ihnen verbietet, am Passahfest etwas Gestorbenes zu berühren, erheben jene die falsche Beschuldigung, daß sie eben am Passahfest das Herz eines gemordeten Kindes unter sich verteilen, indem sie glauben machen, daß das Gesetz selbst es vorschreibe, während es doch offenbar dem Gesetz zuwider ist.
Und wenn irgendwo ein Leichnam gefunden wird, legt man böswillig ihnen den Mord zur Last. Durch solche und andere zahlreiche Erdichtungen wütet man gegen sie und ohne Anklage, ohne Geständnis, ohne Überführung, ent-gegen den ihnen vom Apostolischen Stuhl gnädig ge-währten Privilegien, beraubt man sie wider Gott und Gerechtigkeit ihrer Habe...
Da wir nicht wollen, daß die genannten Juden mit Unrecht verfolgt werden, deren Bekehrung der Herr erbarmungsvoll erwartet..., ver-fügen wir, daß Ihr Euch ihnen gnädig und gütig zeiget, deshalb jedesmal, wenn Ihr findet, daß von den ge-nannten Prälaten, Adeligen und Machthabern in betreff des Erwähnten gegen die Juden leichtfertig etwas un-ternommen wird, den gesetzmäßigen Zustand wieder herstellt, nicht duldet, daß dieselben fernerhin wegen dieser und ähnlicher Anklagen von irgend jemand mit Unrecht belästigt werden, und diejenigen, welche sie auf diese Weise belästigen, durch kirchliche Strafen, ohne Berufung zuzulassen, in Schranken haltet."
Diese Bulle wurde am 7. Juli 1273 von Papst Gregor X. erneuert.
Innocenz IV. war am 25. September 1253 neuerlich ge-zwungen, eine Bulle gegen den Ritualmord zu erlassen, in der es heißt:
'Ferner verfügen Wir, um der Verderbtheit und dem Geize böser Menschen zu begegnen, daß niemand es wage, einen Friedhof der Juden zu verwüsten oder zu schänden oder unter dem Vorwand, daß er Geld suche, Leichen auszugraben und daß niemand ihnen vorwerfe, {122} daß sie bei ihrem Ritus Menschenblut gebrauchen, weil ihnen ja im Testament vorgeschrieben ist - von Menschblut ganz zu schweigen - sich jeglichen Blutes zu enthalten. Da bei Fulda und in zahlreichen anderen Orten wegen einer derartigen Verdächtigung viele Juden getötet wurden, verbieten Wir, kraft der Autorität vorliegender Urkunde auf das strengste, daß dies fernerhin geschieht. So aber jemand es unternimmt, diesem Dekret... zuwiderzuhandeln, dann soll er an Ehre und Würde Gefahr erleiden oder mit der Exkommunikation bestraft werden ..."
Am 7. Oktober 1272 gab Gregor X. eine Bulle heraus, der es heißt:
'Ferner verordnen Wir, daß das Zeugnis von Christen gegen Juden nur dann Gültigkeit hat, wenn unter jenen Christen sich ein Jude zur Ablegung des Zeugnisses befindet, da auch die Juden gegen Christen nicht Zeugnis ablegen können, weil es bisweilen vorkommt, daß Christen ihre Kinder verlieren und dann die Juden durch ihre Feinde bezichtigt werden, sie rauben und töten heimlich Christenkinder und opfern mit dem Herzen und Blut derselben, und es vorkommt, daß die Väter eben dieser Kinder oder andere Christen, Gegner der Juden, heimlich eben diese Kinder verbergen, um den Juden etwas anhaben und als Preis des Loskaufes von den Quälereien eine gewisse Summe Geldes von den Juden erpressen zu können, und sie dann die völlig falsche An-gabe machen, daß die Juden heimlich und verhohlen die Kinder geraubt und getötet haben und daß die Juden mit dem Herzen und Blute Kinder opfern, während doch ihr Gesetz klar und ausdrücklich verbietet, daß sie Blut opfern, essen oder trinken oder auch das Fleisch von Tieren mit gespaltenen Klauen genießen, was von Juden, welche zum christlichen Glauben bekehrt wurden, an unserem Hofe wiederholt bestätigt worden ist.
Aus derartigem Anlasse sind oft sehr viele Juden wider die Gerechtigkeit gefangengenommen und gehalten worden. Wir bestimmen daher, daß Christen in einem solchen {123} Falle gegen Juden nicht gehört werden dürfen und ver-fügen, daß die aus einem derartigen frivolen Anlaß ge-fangenen Juden aus dem Kerker befreit und daß sie fer-nerhin wegen eines derartigen frivolen Anlasses nicht gefangengenommen werden sollen, es sei denn, daß sie, was Wir nicht glauben, auf frischer Tat ertappt wer-den."
Am 20. Februar 1422 erließ Papst Martin V. eine Bulle, aus der wir folgende Sätze entnehmen:
'Um zu bewirken, daß die genannten Juden sich los-kaufen, um sie ihrer Güter und Habe berauben und stei-nigen zu können, erdichten bisweilen zahlreiche Christen Anlässe und Vorwände und streuen in den Zeiten gro-ßen Sterbens und anderer Kalamitäten aus, daß die Juden Gift in die Brunnen geworfen und in ihre unge-säuerten Brote Menschenbild gemischt haben. Diese Verbrechen, welche ihnen so mit Unrecht vorgeworfen werden, streut man aus, um Menschen zu verderben.
Aus diesen Anlässen werden die Völker gegen diese Juden aufgereizt, töten dieselben, suchen sie heim und quälen sie mit den verschiedenartigsten Verfolgungen und Bedrückungen. In der Erwägung, daß es der christlichen Religion zukommt, für den Juden um so williger gegen ihre Verfolger und Bedrücker sichersten Schutz zu gewähren, je ausdrücklicher sie als Zeugnis für den wahren Glauben erhalten würden..., verbieten Wir eurer Körperschaft... aufs strengste, zuzulassen, daß fernerhin derartiges oder ähnliches gegen die Juden ... gepredigt werde."
Papst Nicolaus V. erließ am 5. November 1447 eine ähnlich lautende Bulle.
Schließlich hat Paul III. am 12. Mai 1540 eine Bulle gegen den Ritualmordwahn erlassen, in der es heißt:
'Wir haben durch die Klage sämtlicher in jenen Tei-len (Ungarn, Böhmen und Polen) weilenden Juden miß-fällig vernommen, daß seit etwa einigen Jahren Magi-strate und andere Herren und Machthaber..., als heißspornige und tödliche Feinde derselben Juden, von Haß {124} und Neid oder, was mehr wahrscheinlich scheint, von Habsucht verblendet, damit sie die Habe selbiger Hebräer mit einem gewissen Anstand sich anzueignen imstande seien, ihnen fälschlich andichten, daß sie kleine Kinder umbringen, deren Blut trinken und verschiedene andere mannigfache, ungeheuerliche Verbrechen begehen, welche sich namentlich gegen unseren besagten Glauben richten und in solcher Weise bemüht sind, die Gemüter der einfältigen Christen gegen sie aufzuhetzen, wodurch geschieht, daß letztere häufig nicht bloß ihrer Habe, sondern sogar des Lebens in ungerechter Weise beraubt werden..."
Neben den Päpsten haben hohe geistliche Würdenträger verschiedentlich gegen die Ritualmordbeschuldigung Stellung genommen; ich erwähne das Gutachten es Kardinals Ganganelle vom 24. Dezember 1759, in dessen ersten Teil er die Voreingenommenheit der Be-völkerung als psychologische Grundlage der Möglichkeit einer Blutbeschuldigung behandelt; in dessen zweitem Teil er die Nichtigkeit der angeführten Zeugnisse ur den Ritualmord nachweist. Das Gutachten Gangaellis und der Beschluß des Inquisitionstribunals, dem er Fall zur Begutachtung vorgelegt worden war, wurden am 10. Jänner 1760 vom Papst Clemens XIII. ge-billigt.
Damals teilte der Papst als endgültiges Resultat der über die Blutbeschuldigung geführten Untersuchung mit, daß keine Gründe vorhanden seien, welche dieses Vorurteil gegen die Juden rechtfertigen.
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Aus neuerer Zeit möchte ich nur noch eine Äußerung des Erzbischofs von Wolhynien wiedergeben, der (laut 'Frankfurter Zeitung' vom 25. Mai 1913) sich anläßlich des Kiewer Mordes äußerte:
'Das Volk vergißt seinen eigenen Heiland und geht in seinem Haß so weit, die Juden eines so ungeheuer-lichen Verbrechens wie des Ritualmordes anzuklagen. {125} Die Unwissenheit der Leute ist geradezu entsetzlich. Sie bilden sich ein, in der Bibel sei gesagt, die Israeliten müßten sich des Blutes bedienen, um ihre Passahspeisen zuzubereiten! Das ist ein Märchen, ein Märchen, wie man immer wiederholen muß. Und die, die glauben, die Heilige Schrift gebiete den Juden, Blut zu vergießen, haben die Bibel nicht gelesen oder nicht verstanden. Ich behaupte, daß das Gerücht, es gäbe eine Sekte unter den Juden, die Christenblut gebraucht, eine fürchterliche Lüge ist."
(ldn-knigi, in Jahre 1913 wurde in Kiev (Russland-Ukraine) der Mendel Beilis, Angestellter einer Fabrik, angeklagt einem christ. Kind ermordet zu haben. Ein polit. Prozeß mit Einwilligung des Zaren (Nikolai II). Der Beilis Prozeß hat die Öffentlichkeit in Rußland gespalten... Beilis wurde freigesprochen und ist nach Amerika ausgewandert. Die o.g. päpstlichen Bullen wurden vorenthalten, auch Nachweise, z. B. Bücher von Dr. D. Chwolson 'Die Blutanklage und sonstige mittelalterliche Beschuldigungen der Juden' Ausgabe in rus. schon in Jahr 1861! und andere wurden nicht erwähnt...)
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Ich werde nun einige Gerichtsfälle, die Blutbeschuldi-gung betreffen, veröffentlichen, damit meine Leser die Ungeheuerlichkeit, die diese Lüge verkörpert, richtig würdigen können.
In Frankfurt a. M. lebte im Jahre 1504 ein Jude namens Gombchen, der eine Metzgerei betrieb und es zu einein ansehnlichen Vermögen gebracht hatte. Neben-bei betätigte er sich auch, den wirtschaftlichen Gepflo-genheiten der Zeit entsprechend, mit Darlehensgeschäf-ten. Zu seinen Kunden in diesem zweiten Zweige seiner Tätigkeit gehörte der Schuhmacher Heinrich Bry, der tief verschuldet und niemals imstande war, seinen Ver-pflichtungen nachzukommen. Eines Tages nun erschlug aus irgendeinem Anlaß dieser Bry sein Stiefkind und entfloh nach der Tat nach Hanau, wo er festgenommen wurde. Vor dem Richter legte er ein Geständnis ab, fügte aber hinzu, er habe das Blut des erstochenen Kin-des in einer Schüssel aufgefangen und dem Juden Gombchen gebracht.
In der Bürgerschaft entstand darob eine große Entrüstung und alles schrie, daß Bry nur ein Werkzeug in den Händen des Juden gewesen sei. Gomb-chen wurde verhaftet, bestritt aber jede Schuld. Auch als er auf die Folter gespannt wurde, legte er kein Ge-ständnis ab. Inzwischen war der Prozeß gegen Bry ver-handelt und dieser zum Tode verurteilt worden. Er wurde am 4. November 1504 hingerichtet. Wenige Tage {126} vor derExekution hatte Bry gestanden, Gombchen falsch beschuldigt zu haben, und kurz vor seiner Hinrichtung wiederholte er dies vor Zeugen. Gombchen aber wurde mehrere Wochen in Untersuchungshaft behalten und wurde erst dann in Freiheit gesetzt, nachdem er 'Urfehde" geschworen hatte, d. h., daß er sich für die erlittenen Unbilden nicht rächen wolle.
Jeder unbefangene Betrachter wird aus diesem Verhalten der gerichtlichen Behörden, die damals so wenig gern ihre Irrtümer eingestanden wie heute, ohne weiteres erkennen, daß das Gericht von der völligen Unschuld des Bezichtigten überzeugt war.
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In keinem einzigen Prozeß ist es bisher gelungen, die Behauptung der jüdischen Blutschuld zu beweisen.
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Im Falle Hülsner, der zum Tode und später zu lebenslänglichem Kerker wegen angeblicher Ermordung der Agnes Hruza in einem Walde bei Polna verurteilt wurde, ist auch nicht der Schatten eines Beweises darüber erbracht worden, daß es sich um einen Ritualmord handelte.
Kein Geringerer als der jetzige Präsident Masaryk hat übermenschliche Anstrengungen gemacht, um den Justizmord an Hülsner zu verhindern. Er hatte keinen Erfolg, weil die Antisemiten es verstanden haben, die Bevölkerung aufzuhetzen und die Geschworenen einzuschüchtern.
Großes Aufsehen erregte die Ermordung Esther Solymossis am l. April 1882 in der ungarischen Stadt Tisza-Eszlar. Die Solymossi war an jenem Tag von ihrer Dienstherrschaft zum Einkauf einiger Waren fortgeschickt worden und ihr Weg zum Hause des Krämers führte an der Synagoge vorbei. An jenem Tage waren {127} drei fremde Juden, sowie der Synagogendiener Josef Scharf und andere Personen in der Synagoge, wo die Wahl eines Gemeindeschächters stattfinden sollte, an-wesend. Diesen Umstand machte sich die antisemitische Agitation zunutze.
Die Anklage stützte sich auf das Zeugnis eines Kna-ben; dieser, der 13-jährige Sohn des Synagogendieners, Moritz Scharf, behauptete, er habe durch das Schlüssel-loch der Synagogentür beobachtet, wie die Juden ein christliches Mädchen ermordet hätten. Im Laufe des Pro-zesses ergab sich gelegentlich des Lokaltermins, daß man durch das Schlüsselloch den Teil der Synagoge, in dem sich der Vorgang angeblich abgespielt haben sollte, gar nicht sehen konnte. Die Aussage des Zeugen war in Wirklichkeit erpreßt worden. Die angeklagten Juden wurden freigesprochen. Und schließlich stellte sich her-aus, daß der eigentliche Mörder ein christlicher Landedelmann gewesen war, der das Mädchen geschwängert hatte.
Nicht ohne Nachhilfe wurde die öffentliche Meinung dazu gebracht, an einen Ritualmord zu glauben. Der Landtagsabgeordnete Geza von Onody organisierte eine ganze Armee von Publizisten gegen die Juden. In ganz Ungarn wurden Versammlungen abgehalten, und der Er-folg in Gestalt von Plünderungen jüdischer Häuser blieb auch nicht aus.
Aber glücklicherweise konnte in diesem Falle die volle Wahrheit ans Licht gebracht werden. Moritz Scharf konnte als Lügner entlarvt werden, und auch die noch-malige Überprüfung der ersten gerichtsärztlichen Gut-achten ergab, daß man an der Leiche nicht die geringste Spur einer Blutentziehung, geschweige denn eine Schächtung nachweisen konnte.
Aus der Rede des Staatsanwaltes gebe ich folgende be-merkenswerte Ausführungen wieder:
'Aus der Eröffnungsrede des Herrn Präsidenten glaubte ich schließen zu dürfen, daß der Hohe Gerichts-hof schon von vornherein die Anklage des rituellen {128} Mordes fallen zu lassen beliebte. Infolgedessen tue ich desgleichen und ich tue es freudigen Herzens. Wenn wir die Idee rituellen Mordes fallen lassen, diese absurde Ausgeburt des mittelalterlichen Aberglaubens, diesen blöden Gegenstand der Ammenmärchen und der Unterhaltung alter Dorfweiber, mögen die Rohlinge immerhin über den Sinn der Buchstaben des Talmud brüten; mögen sie den Schreckenstraum von Blutopfern der jüdischen Religion weiterträumen - in Ungarn höre die sträfliche Agitation mit diesen Blutopfern auf... Nach meiner Überzeugung sind alle hier anwesenden Angeklagten unschuldig an den ihnen zur Last gelegten Riten... Ich halte die Angeklagten für unschuldig und beantrage ehrfurchtsvoll, dieselben von der Anklage und deren Folgen freizusprechen."
Das Urteil wurde am 3. August 1883 gefällt; sämtliche Angeklagten wurden freigesprochen. In der Begründung wurde hervorgehoben, daß die Anklage wegen Mordes gänzlich grundlos war und daß der rituelle Mord überhaupt nicht existiert. Das freisprechende Urteil wurde von den beiden höheren Instanzen bestätigt.
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Einer der aufsehenerregendsten Fälle der letzten Jahrzehnte spielte sich in Kiew ab. Im März 1911 wurde ein zwölfjähriger Knabe, Jusczynski, ermordet aufgefunden. Die Leiche wies zahlreiche Stichwunden auf. Der Knabe hatte im Hause eines Schulkollegen verkehrt, dessen Mutter im Mittelpunkte einer Diebsbande stand, auf die zunächst der Verdacht fiel. Im Laufe der Untersuchung meldete der radikal-antisemitische Student Golubew dem Untersuchungsrichter, daß der eben genannte Schulkollege mit dem ermordeten Knaben im Hof einer Ziegelei gespielt hätte; dort seien sie ,,von einem Mann mit einem schwarzen Bart" verscheucht worden. Auf Grund dieser Aussage wurde Mendel Beilis, ein Ange-stellter dieser Ziegelei, verhattet. Die Untersuchungshaft {129} dauerte zwei Jahre. Die Behörden nahmen eine feind-selige Stellung ein und der Justizminister suchte das schwebende Verfahren in einen Ritualmordprozeß umzu-wandeln. Die Kriminalbeamten, die die Unschuld von Beilis ermittelt hatten, wurden entlassen und zur Ver-antwortung gezogen; einer seiner Verteidiger erhielt einen Verweis vom Kreisgericht; gegen einen anderen Anwalt wurde ein Verfahren wegen angeblicher Zeugenbestechung eingeleitet. Die Verhandlung wurde auf An-ordnung höherer Instanzen verschoben, da die Zusam-mensetzung der Geschworenen der Regierung nicht ge-nehm war.
Endlich am 8. Oktober 1913 konnte die Ver-handlung beginnen und sie dauerte bis zum 10. Novem-ber. Die Anklage wurde von zwei Gutachten gestützt; das eine stammte von P. Pranaitis, einem katholischen Kuraten aus Turkestan, der eine von Rohling und Justus beeinflußte Schrift, 'Christianus in Talmude", verfaßt hat; das andere Gutachten hatte der Kiewer Psychiater Professor Sikorski erstattet. Noch vor der Verhandlung nahmen hervorragende Vertreter der Wissenschaft in allen Ländern gegen diese Gutachten Stellung. Auch die Sachverständiger, die im Prozeß gegen die Ritualmordbeschuldigung auftraten, darunter Prof. Kokowzew und der Moskauer Rabbiner Mase, widerlegten die von der Anklage beigebrachten Gutachten.
Die Zeugenvernehmung ergab, daß die Belastungs-zeugen nur Vermutungen ausgesprochen, aber gar keine Tatsachen selbst beobachtet hätten.
Das Ergebnis des Prozesses ist eine eindeutige Wider-legung der Blutbeschuldigung; denn trotz der gründlichen Bearbeitung der öffentlichen Meinung durch die Behörden konnte sich das aus elf bäuerlichen Geschwo-renen bestellende Gericht nicht von der Schuld Beilis überzeugen, sondern verneinte die Schuldfrage. Der An-geklagte wurde dementsprechend freigesprochen.
Dieser Fall erregte die gesamte europäische Welt außerordentlich. Zahlreiche führende Persönlichkeiten wandten sich in eindeutigen Erklärungen gegen die {130} Ritualmordbeschuldigung. So erschien am 12. März 1913 in Berlin ein Aufruf von 215 führenden deutschen Persönlichkeiten, unter denen sich bekannte Gelehrte, Abgeordnete, Geistliche, Schriftsteller und Künstler befan-den. In dem Aufruf heißt es unter anderem: 'Und doch ist niemals für die Berechtigung dieses Wahnglaubens auch nur der Schatten eines Beweises erbracht worden. Die angesehensten christlichen Kenner des jüdischen Schrifttums haben einwandfrei nachgewiesen, daß zu keiner Zeit die Juden durch ihre Religion zum Morde ihrer Mitmenschen angestiftet wurden."
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Am 7. Mai 1912 erschien in den englischen Zeitungen ein Protest gegen die Blutbeschuldigung, den unter anderen der Erzbischof von Canterbury, zahlreiche englische Bischöfe, die Herzöge von Norfolk und Northum-berland, Balfour, Austen Chamberlain unterzeichnet haben.
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8. Kapitel.
Hitler meint, daß der Jude niemals im Besitze einer eigenen Kultur war und daß er die Grundlagen seiner geistigen Arbeit immer von anderen Völkern entlehnt hat. 'Denn", schreibt Hitler, 'wenn auch der Selbst-erhaltungstrieb des jüdischen Volkes nicht kleiner, son-dern eher noch größer ist als der anderer Völker, wenn auch seine geistigen Fähigkeiten sehr leicht den Ein-druck zu erwecken vermögen, daß sie der intellektuellen Veranlagung der übrigen Rassen ebenbürtig wären, so fehlt doch vollständig die allerwesentlichste Vorausset-zung für ein Kulturvolk, die idealistische Gesinnung ...
Der Aufopferungswille im jüdischen Volke geht über den nackten Selbsterhaltungstrieb des einzelnen nicht hinaus... Wären die Juden auf dieser Welt allein, so würden sie ebensosehr in Schmutz und Unrat ersticken wie in haßerfülltem Kampfe sich gegenseitig zu über-vorteilen und auszurotten versuchen, sofern nicht der sich in ihrer Feigheit ausdrückende restlose Mangel jedes Aufopferungssinnes auch hier den Kampf zum Theater werden ließe."
Braucht man erst viele Beweise, um darzulegen, daß die Behauptungen Hitlers von mangelndem Idealismus bei den Juden, vom Fehlen eines Aufopferungswillens und von ihrer Feigheit jeder Grundlage entbehren?
Ich berufe mich auf Graf Coudenhove-Kalergi, derinseinem bereits erwähnten Buche 'Das Wesen des Anti-semitismus", Seite 199, nachdem er auf mehr als 70 {132} Seiten Verfolgungen aufgezählt hat, denen die Juden ausgesetzt wurden, folgendes schreibt:
'Die Juden, die alle diese Qualen standhaft ertrugen, sie waren sicherlich nichts weniger als schlau. Sie hät-ten ebenfalls, wie so viele ihrer Stammesgenossen, scheinbar zum Christentum übergehen und dabei ruhig an ihre mosaische Religion weiter glauben können, denn ins Herz schaut kein Mensch hinein. Sie taten es aber nicht und litten. Das war nicht weise, und ich bedaure es lebhaft. Aber in dieser Standhaltigkeit liegt ein so kolossaler Heldenmut, eine so überirdische Größe, eine derartige Majestät des Charakters, daß ich nicht umhin kann, mich vor diesen Duldern ehrfurchtsvoll zu beugen in grenzenloser Bewunderung und rufe statt: Jude, Jude, hepp, hepp, hepp - Juda, Juda, hipp, hipp, hurra!"
So spricht Heinrich Reichsgraf von Coudenhove, der auf Seite 278 seines Werkes noch folgendes wörtlich sagt:
'Ich gestehe, daß ich unter meinen christlichen Freun-den und Bekannten mich nur an drei erinnere, die philosemitisch angehaucht sind. Ich gestehe, daß ich selbst theoretischer Antisemit war. In noch jüngeren Jahren war ich sogar praktischer Antisemit, da ich mit jüdischen Wucherern die denkbar unangenehmsten persönlichen Erfahrungen ge-macht habe. Wenn man, als ich vor einigen Jahren mich entschlossen habe, die Judentrage zu studieren und über dieselbe zu schreiben, mich gefragt hätte, ob das Werk antisemitisch ausfallen würde, so hatte ich diese Frage wahrscheinlich bejaht. Ein ernstes und, wie ich glaube, gründliches Studium der Sache hat mich eines Besseren belehrt, und ich habe geglaubt, sowohl den Juden als den Antisemiten einen Dienst zu erweisen, wenn ich das Resultat meiner Arbeiten: 'Der Anti-semitismus beruht auf religiösem Fanatismus', darlege und beweise. Ja, einen Dienst allen jenen Antisemiten, die zu überzeugen mir gelungen sein sollte, daß sie auf falscher Fährte sind, wenn sie den Juden schuld geben an einer ganzen Reihe von politischen und sozialen Mißständen, {133} woran dieselben ganz unschuldig sind, weil sie dann umkehren, eine andere Fährte suchen können und die richtige vielleicht entdecken werden... Ich werde einem jeden meiner Gegner zu Dank ver-pflichtet sein, wenn er mir Irrtümer nachweisen wollte, um dieselben in künftigen Arbeiten korrigieren, resp. vermeiden zu können. Nur bitte ich um wissenschaftliche Begründung eventueller Kritiken, denn bloße Behauptungen des Gegenteiles oder gar Schmähungen könnte ich leider nicht als Gegenbeweise ansehen.
Arbeiten wir nur alle daran, daß der Antisemitismus, in welchem wir ein übriggebliebenes Monstrum längst vergangener Zeiten erblicken, recht bald irgendwie das Ende nehme, welches er verdient. Unsere Zeit des Fort-schrittes und der Arbeit hat noch größere und inter-essantere Probleme zu losen, zunächst die weitaus wich-tigsten von allen, nämlich die Abschattung der Kriege durch Unterwerfung der Staaten unter ein internatio-nales Schiedsgericht, dann die Besserung der Lage der Arbeiter und Proletarier, kurz, der Armen, und die Linderung ihrer Leiden."
Noch unmittelbar vor seinem Tode schreibt Coudenhove: ,,... Von niemandem abhängig und mit irdischen Glücksgütern so ziemlich mit allem gesegnet, ja über-häuft, darf ich mir den Luxus bieten, schriftstellerisch zu arbeiten, bloß um der Wahrheit zu dienen... Ich betrachte mich als Diener aller, die vorurteilsfrei und voraussetzungslos die Wahrheit suchen."
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Ich werde mich nicht nur auf das Zeugnis des Grafen Heinrich Coudenhove-Kalergi zur Widerlegung der Be-hauptungen Hitlers berufen, sondern ich werde einige wichtige Ausschnitte aus der Geschichte der Juden und über das Verhalten der Juden im Weltkriege wieder-geben, damit man sich überzeuge, ob man einem Volke, das auf eine solche Geschichte zurückblicken kann, den Vorwurf der Feigheit und des mangelnden Aufopferungswillens machen kann.
{134} Esist sehr traurig, daß die Menschen, die der antisemitischen Hetze ausgeliefert sind, insbesondere die Deutschen, sich um alles, was irgendwie wissenschaftliche Bedeutung hat, kümmern, nur die Geschichte des ältesten Kulturvolkes, dem die Menschheit den größten und besten Teil ihrer Kultur verdankt, ist ihnen gleichgültig.
Einige wenige edlere Naturen ausgenommen, stöbern nur Judenfeinde darin nach brauchbarem Material für sich. Die Antisemiten rechnen mit der so ziemlich allgemeinen Unkenntnis der jüdischen Geschichte.
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Ich kann natürlich die Geschichte Israels in dieser Arbeit nicht ausführlich schildern. Ich werde daher nur einige Episoden aus der jüdischen Geschichte, wie sie in der 'Volkstümlichen Geschichte der Juden" von Graetz (1923) geschildert werden, wiedergeben, die uns be-weisen, daß die Israeliten ein kriegerisches und tapferes Volk waren.
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'Es war zur Zeit der Kriege Sauls mit den Philistern. Der Ort, wo König Saul mit seiner ganzen Mannschaft lag, war kaum eine Stunde vom Lager der Philister entfernt. Zwischen beiden läuft ein Engtal, für Krieger unnutzbar, von steilen, fast senkrechten Felssäulen und Abhängen begrenzt, die es östlich fast zu einer Schlucht von kaum zehn Schritt Breite verengen. Nur auf Umwegen hätten sich die Philister und Israeliten zum Treffen einander nähern können. Da kletterte Jonathan, ein Heerführer Sauls, mit seinen Waffenträgern gerade an der engsten Stelle des Passes an der steilen, spitz zulaufenden Felswand auf der feindlichen Seite mit Händen und Füßen hinauf. Ein Fehltritt hätte den Kriegern einen jähen Sturz in die Tiefe und den Tod gebracht. Sie kamen aber glücklich auf der Spitze an. Als die Philister die tollkühnen Kletterer erblickten, spotteten sie {135} zuerst ihrer. Die Hebräer gingen aber weiter vor und wagten einen mutigen Angriff, indem sie, vorwärtsdringend, Felsstücke auf die Philister schleuderten. Die Feinde gerieten in Verwirrung und lösten ihre Reihen in wilder Flucht auf."
Der Zweikampf des jungen David mit dem Riesen Goliath ist ein geschichtliches Ereignis. Dabei war David kein eigentlicher Krieger, sondern Hirte und war von seinem Vater mit einer Botschaft an seine Brüder, die im Heerbanne dienten, betraut.
Als König Saul von der schweren Reiterei und den Kriegswagen der Philister besiegt wurde und sich plötz-lich allein sah, mochte er nicht fliehen und ebensowenig Gefangener zum Spotte der Philister werden. Er stürzte sich in sein eigenes Schwert und starb eines Königs würdig.
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'Inmitten des israelitischen Stammgebietes war eine Enklave, welche die Jebusiter innehatten. Der hohe Hügel war von drei Seiten durch schmale Täler und künst-liche Bollwerke schwer zugänglich gemacht, am schwie-rigsten von der Südseite, wo die Felswand des Hügels fast steil aus der Schlucht aufstieg. Von dieser Hügelburg aus beherrschten die Jebusiter das umhegende Ge-biet und fühlten sich sicher. Diese Enklave war dem König David hinderlich bei der Bekämpfung der Phi-lister. Er machte den Jebusitern den Vorschlag, ihm die Felsenburg 'Zion' gegen Entgelt abzutreten. Diese aber lachten ihn aus und erwiderten ihm spöttisch: 'Du kannst nicht hierherkommen, es sei denn, daß Du die Blinden und Lahmen beseitigt haben wirst, auch diese könnten den Zugang streitig machen'. Daraufhin rief David seine Heldenschar zusammen und setzte einen Preis für die Tapferkeit aus: Derjenige, welcher von der steilen Südseite aus zuerst die Spitze der Felsenburg er-reichen würde, sollte Feldherr werden. Ein Wetteifer entstand infolgedessen unter den Tapferen, diesen hohen {136} Siegespreis zu erringen. Sie kletterten die Felswand hinan, wurden aber von den Jebusitern mit einem Hagel von Felsstücken und Pfeilen empfangen. Trotzdem gelang es dem Helden Joab, die Spitze zu erklimmen, und mit der nachfolgenden Krieger die Burg zu stürmen. Die Jebusiter baten hierauf um Frieden, den ihnen David auch bewilligte. Sie durften in ihrer Stadt bleiben, nur nicht in ihrer Burg. Sie zogen sich auf den Hügel Moria zurück".
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Um in einer Kampfpause seine Helden zur Kraftanstrengung anzufeuern, äußerte König David den Wunsch, Wasser aus einer Zisterne in Bethlehem zu trinken, welche im Besitze der Philister war. Sofort machten sich drei Helden auf den Weg, drangen bis Bethlehem vor, verscheuchten durch ihre Kühnheit die Philister, schöpften Wasser aus der Zisterne und brach-ten es dem König. David weigerte sich aber, das Wasser zu trinken, weil die Helden es mit Gefahr ihres Lebens geholt hatten.
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Die Herrschaft der Perser, die Babylon besiegt hatten, wurde durch die griechische Eroberung abgelöst. Antiochus Epiphanos wollte unbedingt die Judäer zwingen, dem Götzendienste zu huldigen und den eigenen Gott zu verlassen. Die Judäer leisteten Widerstand. Es schien aber, daß sie sich durch Erschöpfung und Verzweiflung in das Unabwendbare fügen würden. Als die blutige Verfolgung diesen Grad erreicht hatte, trat eine Er-hebung ein. Sie wurde von der Familie der Hasmonäer oder Makkabäer herbeigeführt. Ein greiser Vater und fünf heldenmütige Söhne haben diesen Umschwung herbeigeführt. Es war Mattattia, der in dem Städtchen Modin wohnte. 'Die Heiligtümer entweiht, Judäa aus einer Freien eine Sklavin geworden, wozu wollen wir {137} noch leben?" So sprach der greise Mattathia zu seinen Söhnen.
Als einer der syrischen Aufseher namens Appeles nach Modin kam, um die Bewohner zum Götzendienste und zum Abfalle von der Lehre aufzufordern, fand sich Mat-tathia mit seinen Söhnen und seinem Anhange geflissent-lich ein, und als er aufgefordert wurde, als der Ange-sehenste mit dem Beispiele der Unterwürfigkeit voran-zugehen, antwortete er: 'Und wenn alle Völker im Reiche des Königs gehorchen sollten, von der Weise ihrer Väter abzufallen, so werde ich, meine Söhne und Brüder beharren im Bündnisse unserer Väter."
Als ein Judäer sich doch dem aufgerichteten Altare näherte, um dem Zeus zu opfern, hielt sich Mattathia nicht mehr, sein Eifer erglühte, er stürzte sich auf den Abtrünnigen und tötete ihn neben dem Altare. Seine Söhne fielen über Appeles und seine Schar her, machten sie nieder und zerstörten den Altar. Nach dieser Tat schlössen sich die Bewohner von Modin den Makkabäern an. Sie zogen, sich alle in das Gebirge zurück.
Die Zahl der entschlossenen Verteidiger des Vaterlandes nahm täglich zu. Mattathia führte gegen den Feind einen Kleinkrieg in den Gebirgsgegenden. Nach dem Tode Mattathias nahm unter seinem Sohn Juda Makkabi der Widerstand zu. Juda war ein Kriegsheld von lauterer Gesinnung. Alle, die sich um ihn schaarten, wurden mit Todesmut erfüllt. Der Volksmund sagte von ihm, daß er in seinem Zorne einem Löwen glich, anderseits aber einer Taube in Sanft-mut und Herzensgüte.
Antiochus hatte beschlossen, jede Spur von Israel und jeden Überrest von Jerusalem zu vernichten und auszurotten, ihr Andenken zu vertilgen und fremde Völker nach Judäa zu verpflanzen. In diesem Sinne unterrichtete er seinen General Lysias. Große Trauer war unter den Judäern. Sie fasteten, weinten und klagten. Die Angesehenen kleideten sich in Bußgewänder und legten sich in Asche. Doch Juda Makkabi verzweifelte nicht. Indessen rückte die Gefahr {138} näher. Antiochus sandte seinen Feldherrn Geor-gias mit 40.000 Reitern nach Judäa. Dieser war seines Sieges so gewiß, daß er Sklavenhändler aufforderte, sich mit ihren Geldbeuteln und Ketten in sein Lager zum Ankaufe von gefangenen Judäern einzufinden.
Während aber über ihre Leiber Abschlüsse gemacht wurden, versammelten sich die judäischen Krieger um ihren Helden Juda Makkabi; sie zählten 6000. Juda veranstaltete einen großen Bettag. Eine Menge Volk hatte sich dazu eingefunden. Es wurde den ganzen Tag ein strenges Fasten beobachtet und Traueranzüge getragen. Juda Makkabi ließ durch Beamte ausrufen, daß es denen, welche erst jungst geheiratet oder ein neues Haus gebaut oder einen Steingarten gepflanzt hätten, oder welche sich nicht Mut zutrauten, gestattet sei, sich dem Kampfe zu ent-gehen. Georgias wollte die Judäer in der Nacht überrumpeln. Aber Juda war mit den Seinigen vom Lagerplatz aufgebrochen, hatte sich auf bekannten Wegen westlich gewendet und stand dem Feinde im Rücken. Als Georgias den Lagerplatz leer fand, eilte er den Feinden nach. Inzwischen verfolgte aber Juda den Feind im Rücken, erreichte sein Lager, steckte es in Brand und zog den Truppen nach. Georgias konnte nur eine Ab-teilung entgegenwerfen. Da aber die Judäer mit Begeisterung kämpften, errangen sie den Sieg, und der Feind suchte sein Heil in der Flucht Dieser Sieg lahmte den Feind und flößte den Judäern Selbstvertrauen ein. Weder Reiterei noch das mit Helm und Panzer bedeckte Fußvolk waren imstande, sie zu erschrecken. Mit Dank- und Lobliedern kehrten die Sieger nach Modin zurück. Unmutig zog Lysias ab, da er sah, daß die Judäer dem Tode trotzten. Lysias hatte nämlich, nach der Nieder-lage des Georgias, selbst mit einem starken Heer Judäa überzogen. Makkabi zog ihm entgegen, es kam zu einer regelrechten Schlacht und der ungestüme Angriff der Judäer siegte über die Kriegskunst der syrischen Hilfstruppen.
Im Jahre 162 loderte die Kriegsflamme wieder auf.
{139} Es war für die Judäer eine ungünstige Zeit, denn es war gerade Sabbat- oder Brachjahr, in welchem die Saat nicht bestellt werden durfte und das Gesetz des Sabbatjahres wurde von denen, welche ihr Leben für ihre Lehre eingesetzt hatten, genau befolgt. So wurde in diesem Jahre nicht gesäet und geerntet. Die Bevölkerung mußte sich mit den Baumfrüchten begnügen. Die Festungen konnten nicht mit Lebensmitteln versehen werden. Lysias zog mit einem starken Heere und auch mit Elefanten gegen Judäa. Makkabi konnte nur einige tausend Krie-ger ins Feld stellen. Lysias zog gegen Jerusalem.
Ihm trat Makkabi entgegen. Die Judäer verrichteten wieder Wunder der Löwenherzigkeit. Ein Bruder des Führers Eleasar kroch unter den Leib eines Elefanten im Glau-ben, daß der aufgeputzte Reiter der König selbst wäre. Er erstach ihn und wurde von dem getöteten Tiere er-drückt. Aber die Überzahl des syrischen Heeres siegte. Juda zog sich nach Jerusalem zurück und verschanzte sich in der Tempelfestung. Bald rückte Lysias ihm nach und begann den Tempel regelrecht zu belagern. Juda ließ es zwar nicht an Gegenwehr fehlen und er-richtete ebenfalls Schleudermaschinen, allein der spärliche Mundvorrat wurde bald von der Mannschaft aufgezehrt. Von Hunger gepeinigt verließen die Krieger allmählich durch unterirdische Gänge die Tempelfeste und zerstreu-ten sich im Lande. Nur Makkabi, seine drei Brüder und die ihnen fest anhängende Mannschaft hielten unverzagt aus und trotzten dem Hunger. Glücklicherweise wurde Lysias inzwischen von einem Widersacher bedrängt. Er riet also dem König, mit den Judäern Frieden zu schlie-ßen. Der König sagte unbeschränkte Religionsfreiheit zu und beschwor den Vertrag. Juda Makkabi wurde wegen seiner Heldentaten zum Hohepriester gewählt.
Einige Jahre später schickte der syrische König Demetrios seinen Krieger Nikanor, den Führer der Elefan-tentruppe, nach Judäa, um mit unerbittlicher Strenge gegen Makkabi vorzugehen. Man erzählte sich, daß die-ser Feldherr, der von Judas Tapferkeit und Seelengröße {140} immer neue Züge erfahren hatte, sein Bewunderer geworden sei und eine Versöhnung zwischen ihm und dem Könige herbeiführen wollte. Bei der persönlichen Bekanntschaft mit dem judäischen Helden war er von so ihm bezaubert, daß er ihm geraten haben soll, nach eingetretenem Frieden eine Frau heimzuführen, um ein Heldengeschlecht in die Welt zu setzen. Doch die Versöhnung kam nicht zustande, und der König gab Nikanor den Befehl, Juda gefesselt nach Griechenland zu bringen. Makkabi flüchtete ins Gebirge. Daraufhin verlangte Nikanor von den Judäern die Auslieferung des Helden. Um einen Druck auf sie auszuüben, nahm er den frommen Ragesch, den man den Vater der Judäer nannte, als Geisel fest. Ragesch entleibte sich aber selbst. Nikanor folgte Makkabi ins Gebirge, von einem zahlreichen Heere begleitet. Juda hatte indessen 3000 seiner tapfersten Anhänger um sich gesammelt. Als es zur Schlacht kam, siegte abermals die jüdische Tapferkeit über die Überzahl der Syrier. Nikanor verlor gleich bei Beginn des Kampfes sein Leben und darauf löste sich das Heer in wilder Flucht auf. Die Judäer setzten ihnen nach, und es heißt, daß keiner von ihnen lebendig davongekommen sei. Diese Schlacht war so entscheidend, daß der Tag, an dem sie stattfand, als Freudentag lange gefeiert wurde.
Schließlich erreichte auch Juda Makkabi das Schicksal. Demetrios hatte sogleich bei der Nachricht von Nikanors Niederlage ein zahlreiches Heer mit dem erbarmungslosen Bakides an der Spitze in Judäa einrücken lassen. Makkabi erließ einen Aufruf an Männer und Jünglinge, sich zum Kampfe für Vaterland, Gesetz und Freiheit einzustellen. Bakides verfolgte die Judäer mit zahlreichem Fußvolke und mit Reiterei. Beim An-blick dieser Heeressäulen entfiel vielen Kriegern der Mut. Mit den Beherztesten griff Juda Bakides an, brachte ihm eine Niederlage bei und verfolgte ihn bis zur Grenze. Die zurückgebliebenen jüdischen Krieger konnten aber dem Stoß des linken Flügels der Syrier nicht {141} widerstehen. Und als Juda von der Verfolgung zurückkehrte, mußte er es mit diesem aufnehmen. Er und die Seinigen taten wieder Wunder der Tapferkeit. Auf beiden Seiten fielen Tote und Verwundete. Die Schlacht dauerte von morgens bis abends, aber die judäischen Krieger schmol-zen mehr und mehr zusammen. Endlich fiel auch Mak-kabi mit dem Schwerte in der Hand. Seine Brüder konn-ten des Helden Leiche vor Beschimpfung retten und in Sicherheit bringen.
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Auch anläßlich des Unterganges Jerusalems unter dem römischen Kaiser Titus konnte die Welt den Heldenmut der Judäer bewundern. Ehe er zur Belagerung Jerusa-lems schritt, ließ Titus die Einwohner auffordern, in Frieden die Tore zu öffnen. Aber die mutigen Kämpfer schlugen die Forderung ab. Sie hatten geschworen, die Stadt mit ihrem Leben zu verteidigen und mochten nichts von Ergebung hören. Da die Aufforderung erfolglos war, ließ Titus alle Garten- und Baumpflanzungen im Norden und Westen Jerusalems verheeren. Als sich aber Titus dem nördlichen Walle näherte, stürzten die Judäer aus einem Tore heraus, trennten ihn von seinem Gefolge und hätten ihn beinahe zum Gefangenen gemacht, wenn seine Begleiter ihn nicht gedeckt hätten. Tags darauf, als die zehnte Legion auf dem Ölberge beschäftigt war, wurde sie von den Judäern überrumpelt und in solchen Schrecken versetzt, daß sie die Arbeit im Stiche ließ und zurückwich. Indessen blieben diese Scharmützel ohne Erfolg. Die Judäer mußten sich stets wieder in die Festung zurückziehen, aber diese kühnen Ausfälle zeig-ten den Römern, welchen schweren Kampf sie zu be-stellen haben würden. Die Belagerungsmaschinen wur-den aufgestellt. Pfeile, schwere Holzstücke und Steine wurden auf die Verteidiger der Mauern geworfen. Sturm-böcke und eiserne Widder arbeiteten an drei Stellen ge-gen die Mauern, um siezu erschüttern. Sobald aber die Römer die Maschinen aufgestellt hatten, stürzten die {142} Judäer wie die Dämonen aus der Stadt und zerstörten sie, vertrieben die Arbeiter und zogen sich, nachdem sie Schrecken und Verwirrung unter den Feinden verbreitet, wieder hinter die Mauern zurück.
Alle, die nur Waffen tragen konnten, beteiligten sich an den Kämpfen, selbst Frauen zeigten, den Männern gleich, eine beispiellose Todesverachtung. Die Belagerten warfen Felsblöcke auf die Feinde oder gössen siedendes Öl auf ihre Köpfe. Nach und nach lernten sie mit schwerem Geschütz umgehen und kehrten die erbeuteten Geschütze gegen die Römer. Indessen besserten diese die Schäden wieder aus und zwangen die Belagerten, die äußerste Mauer zu verlassen (Mai). Dann begann ein hitziger Kampf um die Zwischenmauer, welche die Verteidiger hinter der ersten aufgerichtet hatten. Als die Römer sie schon eingenommen glaubten, vertrieben sie die Judäer wieder. Erst nach mehreren Tagen konnten sie die Römer erobern.
Die Kämpfe hatten noch lange kein Ende und wiederholten sich täglich mit neuer Erbitterung. Die Römer hatten vier Dämme über die zweite Mauer errichtet und wollten sie erschüttern. Da stürzte sich der Judäer Jo-hannes mit seiner Schar durch einen unterirdischen Gang auf sie und zündete die Werke an. Zwei Tage später steckten drei mutige Männer die anderen Werke in Brand, ungeachtet der Geschosse, die auf sie niederhagelten. Mit der nahen Gefahr stieg auch der Mut der Belagerten. Sie wußten, was sie von den Römern zu erwarten hatten.
Titus ließ 500 Gefangene an einem Tage ans Kreuz schlagen. Andere schickte er mit abgehackten Händen in die Stadt zurück. Schon wollte Titus die Be-lagerung aufgeben, als er eine Bundesgenossin bekam: die Hungersnot. Sie ergriff zuerst die ärmeren Klassen, die Häuser und Straßen füllten sich mit Leichen, die Lebenden schlichen mit aufgedunsenen Leibern wie Ge-spenster umher. Nach längerer Zeit gelang es den Römern, die zweite Mauer einzunehmen. Ein Ausfall des Johannes, das Werk anzuzünden, mißlang. Wie {143} erschraken aber die Römer, als sie hinter dieser Mauer noch eine andere erblickten. Vergebens strengten sie sich an, diese im Sturm zu nehmen, der Überfall wurde von den Judäern abgeschlagen. Vergebens forderte Titus die Übergabe der Stadt, indem er beteuerte, den Tempel zu verschonen. Aber das Erscheinen des Boten erbitterte die Kämpfenden noch mehr.
Indessen schritt der Würgeengel der Hungersnot durch die Bevölkerung Jerusalems und sog mit Gier alle Lebenskräfte aus, hob die Schran-ken zwischen arm und reich auf. Die aufgehäuften Leichen erzeugten Seuchen, welche die Bevölkerung hin-rafften. Die Krieger aber ertrugen alle diese Beschwer-den mit ungebrochenem Mute. Sie stürmten zum Kampf-platz mit leerem Magen, umgeben von den düsteren Bildern des Todes mit demselben Ungestüm, wie am ersten Tage der Belagerung.
Von diesem todesverachten-den, unerschütterlichen Heldenmute waren selbst die Römer betroffen. Sie hielten sie für unüberwindlich. Einzelne Römer verließen ihre Fahnen und ihren Glau-ben und gingen zu dem Judentum über. Die Bewohner Jerusalems waren auf diese aufrichtige Bekehrung eini-ger Römer in der Stunde der höchsten Gefahr so stolz, daß sie für dieselben auch in der Hungersnot sorgten, damit sie nicht zu darben brauchten.
Die Römer hatten indessen die Belagerungsmaschinen gegen die Außenwerke des Tempels aufgestellt und sechs Tage lang unaufhörlich gearbeitet, ohne die Mauern er-schüttern zu können. Die Belagerten machten einen neuen Ausfall gegen die Römer, wurden aber geworfen und verfolgt. In dieser Verwirrung ergriff ein Römer ein brennendes Holzstück, ließ sich von einem Gefährten in die Höhe heben und warf es durch das sogenannte goldene Fenster in den Tempel. Die Flammen schlugen in die Höhe. Bei diesem Anblick wichen auch die Mu-tigsten zurück. Die wütenden Soldaten drangen in den Tempel. Titus wollte das Allerheiligste sehen, aber ein erstickender Qualm vertrieb ihn daraus. Bald drangen die judäischen Krieger wieder vor.
Auf der Brandstätte {144} entstand ein neuer Kampf. Doch das Feuermeer gab den Bewohnern umher das Zeichen, daß jede Hoffnung ent-schwunden. Viele Judäer stürzten sich aus Verzweiflung in die Flammen. Sie wollten den Tempel nicht überleben. Andere, viele tausend Männer, Weiber und Kinder waren trotz der andringenden Feinde und der züngelnden Flammen in den Hallen des Tempels geblieben. Aber die Römer stürzten sich auf sie und machten sie nieder. Mehrere Priester, welche sich auf die Mauer gerettet hatten, ließ Titus hinrichten.
Noch immer war der Kampf nicht zu Ende. Die Judäer hatten sich mit ihren noch übriggebliebenen Scharen in der Oberstadt zurückgezogen. Dort hatten sie eine Unterredung mit Titus. Sie verlangten, da sie geschworen hatten, eher zu sterben als die Waffen zu strecken, daß ihnen freier Abzug mit den Waffen zugestanden werde: Unter diesen Bedingungen wollten sie die Oberstadt übermitteln. Titus bestand darauf, daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergeben sollten. Und so entbrannte der Kampf von neuem. Die Römer begannen die Dämme gegen die Oberstadt aufzurichten. Die Standhaftigkeit verließ die Judäer auch dann nicht. Die Römer überstiegen jedoch die Mauer und drangen mordend in die Oberstadt ein, die sie auch tags darauf verbrannten. Die Mauern völlig zerstört, nur drei Türme ließen sie unversehrt, damit sie als Zeugen ihres glänzenden Sieges dastehen sollten, sonst aber wurde die ganze Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Unter den Trümmern Jerusalems und des Tempels wurde der letzte Rest staatlicher Selbständigkeit Judäas begraben."
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Wie vertragen sich diese Taten der Judäer mit den Vorwürfen der Ehrlosigkeit und der Feigheit, die ihnen das Hakenkreuz macht?
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{145} 'Aus dem ursprünglich eigenen Wesen", schreibt Hitler, 'kann der Jude eine religiöse Einrichtung schon deshalb nicht besitzen, da ihm der Idealismus in jeder Form fehlt."
Das Hakenkreuz sagt uns, daß die Juden nur auf den Genuß eingestellt sind, Hitler spricht davon, daß 'der Talmud kein Buch ist für das Jenseits, sondern nur für ein praktisches und erträgliches Leben im Diesseits".
Es ist nun wahr, daß das Judentum als Religion den Erwerb und Genuß der Erdengüter nicht verachtet, es stellt als Lohn für die Befolgung der göttlichen Gebote irdischen Segen in Aussicht. Das Judentum will, daß der Mensch seines Lebens froh werde, das Mönchtum konnte auf seinem Boden nie entstehen.
Doch sind diese dem Fleische gemachten Konzessionen durch eine strenge Gesetzgebung geregelt, deren Zweck in dem Satze gip-felt: 'Strebet heilig zu werden, denn Gott ist heilig" (Levit. 19). In der Tat finden wir in der jüdischen Re-ligion Glaubenssätze, die uns die Mäßigkeit und die Sittenreinheit der Juden klar beweisen.
Das zehnte Ge-bot lautet: 'Du sollst nicht gelüsten nach dem Hause Deines Nebenmenschen, noch nach seinem Knechte, sei-ner Magd, seinem Ochsen, seinem Esel, noch nach irgend etwas, das Deines Nebenmenschen ist." Die jü-dische Religion (Levit. 23, 24, 25) verbietet den Bodenverkauf zum ewigen Eigentum, gestattet einen jederzeitigen Rückkauf verkaufter Grundstücke und verordnet für jedes fünfzigste Jahr eine Neuverteilung der Äcker nach der Kopfzahl der Bevölkerung, so daß unmöglich in einer Familie ein Reichtum und Macht erblich werden konnte.
Wenn wir diese Agrargesetzgebung mit dem germanischen Feudalsystem vergleichen, dessen letzte Überreste heute noch das Fideikommißwesen verkör-pert, so werden wir erkennen, ob der Vorwurf des Mate-rialismus, der man den Juden macht, gerechtfertigt ist. Es heißt ferner: (Deuter. 17, 16, 17): Dem Könige wird verboten, viele Pferde anzuschaffen und Gold und Silber anzuhäufen. Salomon (II. Könige3, 9, 11) bittet nicht {146} umReichtum, sondern um Weisheit, und fleht (Sprüche 30, 8): 'Weder Armut noch Reichtum gib mir, nur mein bescheiden Teil Nahrung beschere mir." 'Mühe Dich nicht ab, reich zu werden", lehrt er (Sprüche 23, 4), 'Denn wer eifrig nach Reichtum strebt, kann nicht schuldfrei bleiben" (Sprüche 28, 20). Ferner (Pred. 5, 12): 'Eine böse Krankheit habe ich wahrgenommen unterhalb der Sonne: den Reichtum, der zu seines Besitzers Verderben ihm aufbewahrt ist." 'Wie der Vogel, der Kuckuckseier brütet, die er nicht gelegt hat, ist der, der Reichtum erwirbt ohne Recht. In seiner Tage Mitte muß er ihn verlassen, und wird am Ende als Schurke betrachtet", verkündet Jeremias (17, 11).
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Aber nicht nur die Religion, sondern auch die Geschichte zeigt uns, daß die Juden nicht nach Reichtum oder Herrschaft strebten. So verlockend auch die Meeres-küste und die Nachbarschaft der Phönizier war, werden doch nur vereinzelte Versuche gemacht, sich auf die See zu begeben. Immer beschränkte sich Israel auf die Ver-teidigung seiner Grenzen und seiner Religion. 'Goldhäuferin" schmäht Jesaias das babylonische Reich. Und hört man dieses Propheten (Kap. 23) und insbesondere des Hesekiel (Kap. 17) Ausfälle gegen Tyrus und Sidon ob deren Geldsucht und Üppigkeit, so muß man sich doch sagen, daß in der Mitte der eigenen Nation dieses Streben nicht dagewesen sein konnte, denn die Pro-pheten unterließen es nie, dieser ihre Fehler vorzuhalten (Stern, die Lehrsätze des neugermanischen Judenhasses, 1879, Seite 12).
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Wer aber den Idealismus und den Aufopferungswillen der Juden kennenlernen will, der verfolge die Leidens-geschichte der Juden während des Mittelalters. Ich werde einige Episoden aus der Verfolgungsgeschichte der {147} Juden im Mittelalter schildern - die ich ebenfalls Grätz entnommen habe - die uns beweisen werden, daß die Vorwürfe, die das Hakenkreuz den Juden macht, von einer unerhörten Frechheit Zeugnis ablegen.
Wie können wir uns das Recht herausnehmen, gegenüber den Juden die Sittenrichter zu spielen, während die Menschheit bei der Behandlung der Juden so ziemlich alle Gebote über-treten hat, die unser christlicher Glaube uns auferlegt? Man hat gestohlen, geraubt, gemordet und hat falsches Zeugnis abgelegt und das nicht vor Jahrtausenden, sondern bis vor kaum 200 Jahren.
Was spielen die (im übrigen grundlosen) Anklagen, die das Hakenkreuz mit listiger Spitzfindigkeit aus dem Talmud ableiten will, für eine Rolle den Grausamkeiten und Mordtaten gegenüber, die die Menschen gegen die Juden be-gangen haben und das Hakenkreuz heute noch gegen sie begeht? Doch lassen wir die Tatsachen sprechen, damit unsere Leser sehen, wie gemein das Hakenkreuz lügt, wenn es uns erzählt, daß bei den Juden Idealismus und Aufopferungswille nicht zu finden seien.
Die geschilder-ten blutigen Episoden widerlegen auch die unsinnige Be-hauptung, daß die Juden an keine Auferstehung glau-ben.
Wie hätten sie sonst für ihren Glauben sterber können?
Die ersten Scharen der Kreuzzügler fügten den Juden kein besonderes Leid zu. Aber die nachfolgenden Schwärme mordeten und plünderten. Ein Mönch warf den zündenden Gedanken unter sie, daß die Juden mit Gewalt zum Christentum gezwungen werden müßten. Indessen blieben Metzeleien in Frankreich vereinzelt.
Erst auf deutschem Boden erhielten die Verfolgungen einen besonderen, tragischen Charakter. Schon bei der Nachricht von dem Herannahen der Kreuzzügler war die jüdische Gemeinde von Trier von einem solchen Entsetzen ergriffen, daß einige ihre Kinder und sich erstachen.
Frauen und Mädchen beschwerten sich mit Steinen und stürzten sich in die Mosel, um nicht von den Henkern zur Abschwörung des Glaubens gezwungen oder {148} geschändet zu werden. Darauf wälzte sich die Schar dach Speyer. Hier schleppten sie zehn Juden in eine Kirche, um sie unter Androhung des Todes zu taufen. Standhaft weigerten sich dieselben, die Taufe zu empfangen und wurden hingeschlachtet (3. Mai 1096). Die übrigen Juden hatten sich teils in den Palast des Bischofs Johanson und teils in die Burg des Kaisers geflüchtet. Dieser Bischof, der die Bekehrung durch Zwang verabscheute, ließ gegen die wütende Schar einschreiten.
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In Worms versteckte der edle Bischof Allebrandus viele Juden in seinem Palast. Die übrigen fielen unter den Streichen der Kreuzfahrer. Viele Juden begingen Selbstmord, Frauen schlachteten ihre zarten Kinder mit eigenen Händen. Nach sieben Tagen kam die Reihe auch an diejenigen, welche im bischöflichen Palast Schutz gefunden hatten. Die Aufrührer forderten die Abschwörung des Glaubens, Allebrandus war ohnmächtig, etwas dagegen zu tun. Da baten die Juden um eine kurze Frist zur Beratung.
Vor dem Palaste harrten die Wallbrüder, um die Juden entweder in die Kirche oder in den Tod zu führen. Als aber die Frist abgelaufen war und der Bischof die Tür öffnen ließ, fand er sämtliche Juden im Blute schwimmend. Sie hatten sich gegenseitig umgebracht.
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In Mainz lud der Erzbischof sämtliche Juden ein, in seinem Palast Schutz zu suchen, bis der Sturm vorüber sein würde. Darauf übergaben sie ihm ihre Schätze und in seinem Hofe lagen über 1300 Juden mit bangem Herzen in inbrünstigem Gebet. Aber schon bei Tagesanbruch erschienen die Kreuzfahrer und verlangten mit wildem Geschrei die Auslieferung der Juden.
Leicht durchbrachen sie die Türen des Palastes und überfielen {149} die Juden. Doch auch sie fanden nur die Leichen, da die Unglücklichen sich schon früher durch das Schwert ihrer Brüder entleiben ließen. Dreizehnhundert Leichen wurden aus dem Palast geschafft. Sechzig Juden hielt der Erzbischof im Dom verborgen, aber auch sie wurden ergriffen und hingemordet. Zwei Männer und zwei Mäd-chen, Uria und Isaak mit seinen zwei Töchtern, welche im Taumel oder aus Schwäche ihren Glauben abge-schworen haben, trieb die Reue zu einer schauder-erregenden Tat. Isaak schlachtete zwei Tage später seine Töchter und legte seine Wohnung in Brand. Darauf begab er sich mit seiner Gefährtin in die Synagoge, zündete sie ebenfalls an und beide starben den Feuertod durch eigene Hand.
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In Köln leitete die Verfolgungen Hermann, der Zimmermann. Die Juden flehten die Bürger und den Bischofum Schutz an. Von Mitleid mit ihnen ergriffen, nahmen die menschlich gesinnten Kölner Bürger sie in ihre Häuser auf. Der edle Bischof Hermann III. ließ die Ju-den heimlich aus Köln entfernen und in den ihm gehöri-gen Städten und Dörfern in dem nahen Neuß und an-deren zur Sicherheit unterbringen. Aber die Kreuzfahrer entdeckten sie und schlachteten sie alle ab. Viele haben ihrem Leben in Seen und Sümpfen ein Ende gemacht. Ein gelehrter Greis, Samuel Benjechiel, gab das Beispiel dazu. Er tötete seinen schönen, kräftigen Sohn im Was-ser, sprach den Segen dazu und das Opfer fiel mit 'Amen" ein, während die Umstehenden ihr Gebet an-stimmten und sich ins Wasser stürzten. Im ganzen sol-len damals im Rheinlande während zweier Monate 12.000 Juden getötet worden sein. Als die Kreuzfahrer durch Böhmen zogen, war das Land in einen Krieg ver-wickelt. Hier hatten also die Kreuzfahrer volle Freiheit, sie schleppten die Juden zur Taufe und töteten die Widerstrebenden. Vergebens predigte der Bischof gegen die Gewalttätigkeit. Sehr schlimm erging es den Juden {150} in Jerusalem.
Als das Kreuzheer die heilige Stadt mit Sturm genommen und ein Blutbad unter den Mohammedanern angerichtet hatte, trieb es die Juden in eine
Synagoge, ließ dieselbe in Brand stecken und bereitete einen qualvollen Tod (1099).
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Der zweite Kreuzzug brachte noch mehr Leiden über die Juden. Ein französischer Mönch, Rudolph, ein Mann von feuriger Beredsamkeit, entzündete den Fanatismus der Deutschen gegen die Juden. Er glaubte, ein frommes Werk zu vollbringen, die Bekehrung oder die Vertilgung der Ungläubigen durchzusetzen. Im August 1146 fielen die ersten Opfer. Ein Mann, Simon der Fromme, wurde zur Taufe gezwungen und nach seiner Weigerung ermordet und verstümmelt, ferner auch eine Frau Mina aus Speyer, welche standhaft schaudererregende Folterqualen erlitt und doch ihrem Glauben treu blieb.
Der Kardinal Arnold gewährte den Juden Schutz. Er nahm einige sogar in sein Haus, aber sie wurden vor seinen Augen hingemordet. Auch eine Botschaft des berühmten Bernard von Clairvaux blieb wirkungslos. Der Abt meinte, die Kirche setze ihre Hoffnung darauf, daß einst sämtliche Juden bekehrt werden würden. Daher habe er ein besonderes Gebet am Karfreitag dazu eingesetzt. Würde die Hoffnung der Kirche sich erfüllen, wenn die Juden samt und sonders totgeschlagen würden? Auch an die Geistlichkeit und an das ganze Volk erließ Ber-nard ein solches Sendschreiben. Doch die Menge war bereits verhetzt und lauerte den Juden überall auf. Der Abt von Clairvaux fand es daher für nötig, persönlich gegen das Gemetzel aufzutreten. Doch nichts half. Als zerstückelte Glieder eines Christen bei Würzburg aufgefunden wurden, beschuldigte man die Juden des Ritualmordes (1147). Mehr als 20 Juden erlitten den Märtyrertod, darunter ein angesehener Rabbiner, {151} der beim Lesen eines heiligen Buches erschlagen wurde. Mitleidige Christen pflegten die Verwundeten, die für tot gehalten wurden.
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In Frankreich entstand in Clarenton eine förmliche Schlacht, da die Juden sich tapfer verteidigten. Der be-rühmte Gelehrte Tam wurde von den Kreuzfahrern aufs Feld geschleppt, fünf Kopfwunden hatten sie ihm bereits beigebracht, und er war nahe daran, zu erliegen, als ein ihm bekannter Ritter des Weges einherzog, der ihn rettete. Von den böhmischen Juden fielen 150 als Mär-tyrer.
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Auch unter den Arabern mußten die Juden für ihren Glauben leiden. Als die Hauptstadt Marokkos in die Ge-walt Abdulnumens fiel (1146), ließ der neue Herrscher die zahlreichen Juden seiner Stadt zusammenrufen und redete sie folgendermaßen an: ,,Ihr leugnet die Sendung des Propheten Mohammed und Ihr glaubt, daß der Mes-sias, der Euch verkündet ist, Euer Gesetz bestätigen und Eure Religion befestigen wird. Wir können Euch nicht mehr in Eurem Glauben lassen. Ihr habt nur die Wahl zwischen Annahme des Islams und dem Tod." Später änderte der König seinen Ukas ab und erlaubte den Juden, die ihre Religion nicht lassen wollten, auszu-wandern. Auch die Christen traf dieselbe Verfolgung.
* * *
Das Laterankonzil enthält vier, den Juden gewidmete Bestimmungen. Ein Kanon bestimmte, daß die Juden kein Amt bekleiden dürfen, ein anderes aber, daß sie eine von den Christen sich unterscheidende Tracht an-legen sollen. Vom 12. Lebensjahr an sollten die jüdischen {152} Jünglinge an ihren Hüten und die Frauen an ihren Schleiern ein durch eine besondere Farbe kenntliches Abzeichen tragen. Fortan beschäftigten sich Provinzialkonzilien, Ständeversammlungen und fürstliche Kabinette mit dem Judenzeichen, welches für die Gassenjungen eine Aufforderung war, die Träger zu verhöhnen undmit Kot zu bewerfen, für den Pöbel ein Wink, über sie herzufallen, sie zu mißhandeln oder gar zu töten und für die höheren Stände eine Gelegenheit, sie als Auswürflinge zu brandmarken oder des Landes zu verweisen
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Die nächsten Jahrhunderte brachten den Juden schauerliche Verfolgungen und Qualen, die der Menschheit für ewige Zeiten zur Schande gereichen werden. Der Judenfleck und die sonstigen Maßnahmen zu ihrer Ächtung führten dazu, daß die ganze Wucht des Gesellschaftsgebäudes im Mittelalter auf ihnen lastete und sie zu Jammergestalten erniedrigte. Dem Volke ge-nügte die Entwürdigung keinesfalls. Die Juden gal-ten ihm als Auswürflinge, die man ohne Gewissens-bisse wie räudige Hunde totschlagen konnte. Aller-lei Verbrechen wurden den Juden angedichtet und fanden Glauben. Hetzereien gegen Juden wegen Kindes-mordes wiederholten sich von Zeit zu Zeit, bald hier, bald dort mit einer solchen Selbstgewißheit, daß selbst gutgesinnte Menschen irre wurden und dem Lügen-gewebe Glauben schenkten. Im Badischen wurde die Leiche eines Christen gefunden. Wer waren die Mörder? Natürlich die Juden. Auf diese durch nichts erwiesene Anschuldigung hinauf wurden jüdische Männer, Frauen und Kinder ohne Prozeß vom Volke überfallen und getötet. Dann erst machte man acht gelehrten und frommen Männern den Prozeß wegen Meuchelmordes an einem Christen (2. u. 3. Jänner 1235). Sie wurden gefoltert und infolge ihres durch die Tortur erpreßten 'Geständnisses' hingerichtet. {153} Die Plünderung jüdischer Häu-ser war die stete Begleiterin solcher Metzeleien.
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Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Werkes alle ent-setzlichen Vorfälle zu schildern, die sich im Mittelalter und in der Neuzeit abgespielt haben. Zumeist waren es Beschuldigungen wegen Ritualmordes, wegen Schän-dung von Hostien und wegen der bekannten Brunnen-vergiftung. Man machte sich die Sache ganz leicht. Man folterte die Beschuldigten so lange, bis sie, um die Qualen loszuwerden, alles eingestanden, was man von ihnen verlangte. In den meisten Fällen zeigte es sich, nachdem die Geständnisse durch die Folter erpreßt und die Juden hingerichtet worden waren, daß es sich um Lügen und Verleumdungen handelte.
Nur einige Vorfälle sollen hier geschildert werden: Ein Spanier namens Juan Vero, der sich mit einem Juden überworfen hatte, ließ einen an demselben Tage begrabenen Christen ausgraben, und in das Haus seines jüdischen Fein- des tragen, während das Grab mit einem Stein gefüllt wurde. Als sich die Nachricht verbreitete, daß der Leich-nam eines Christen in einem jüdischen Haus gefunden wurde, erschlug und beraubte man in den Städte Ecia und Palma eine Menge Juden. Der König, der davon erfuhr, setzte einen Preis von 500 Goldstücken für denjenigen aus, der die Wahrheit an den Tag fördern würde. Ein Diener des Juan verriet nun die Tat seines Herrn, und als man das Grab untersuchte, fand man dort den Stein. Juan und seine Helfer wurden hingerichtet.
Ein andermal beschuldigte man einen Juden, daß er einem Christen namens Guzman getötet hätte, in der Ab-sicht, sein Blut zu gebrauchen. Der Jude gestand auf der Folterbank die Tat ein und wurde zum Tode ver-urteilt. Als man eben im Begriffe war, das Urteil zu vollziehen, fuhr zufällig der Bischof des Ortes vorbei und erkundigte sich, weshalb der Jude hingerichtet {154} werde.
Es erwies sich, daß er Guzman persönlich kannte und ihn vor einigen Tagen in einem Dorfe gesehen hatte. Man schickte dorthin und bald stand der angeblich von dem Juden Getötete frisch und munter vor dem Bischof. Der Bischof soll danach verordnet haben, die Folter nicht mehr zu gebrauchen.
Solche Fälle, wo die Unschuld der Juden ans Tageslicht kam, waren nicht selten. So wurden z. B. in Wien im Jahre 1454 unter Friedrich III. dreihundert Juden verbrannt, weil sie angeblich drei Christen getötet hätten. Im Frühling fand man die Leichname dieser Christen im Flusse und sie wiesen nicht die geringsten Spur auf, die auf einen gewaltsamen Tod hätten schließen lassen können. Diese drei Christen also waren einfach ertrunken. Die Folter aber hatte den Juden das Eingestehen des vermeintlichen Mordes erpreßt. Dieser Fall hatte das Edikt Friedrichs III. vom Jahre 1470 veran-laßt welches untersagte, in Zukunft derartige Anklagen gegen die Juden zu erheben.
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Zu trauriger Berühmtheit gelangte folgendes Vor-kommnis, das sich im Jahre 1474 in Trient abspielte:
Ein Jude dieser Stadt, dessen Haus sich unmittelbar an den Ufern der Etsch befand, fand in diesem Flusse die Leiche eines Kindes, die durch das Gitter eines Hauses, das in den Fluß hineinragte, festgehalten wurde. Er machte sofort dem Bischof Mitteilung davon und letz-terer berief ein Gericht, das den Beschluß faßte, alle Juden der Stadt ohne Ausnahme in Fesseln zu legen. Das geschah denn auch und die Juden wurden gefoltert. Einige von ihnen, welche die furchtbaren Quälen nicht ertragen konnten und sich nach Erlösung sehnten, gaben zu den Mord des Kindes verübt zu haben.
Der Bericht des Trienter Bischofs an den Papst liefert von den Martern, denen der Hauptangeklagte Samuel und seine Genossen unterworfen wurden, folgendes Bild: {155} Am 31. März 1475 wurde Samuel entkleidet, an Händen und Füßen gebunden und an einem Seil in die Höhe ge-zogen, so daß er schwebend hing, wodurch die Glieder aus den Gelenken gerenkt wurden und heftig schmerzen mußten. Da er trotzdem seine und der anderen Juden Unschuld beteuerte, erhielt er einen Sprung, das heißt, man ließ ihn schnell niederfallen, und ihn ebenso schnell wieder hochzuziehen, dann 'rührte", das heißt schlug man an das gespannte Seil, an dem er hing und ließ ihn mehrere Male auf und nieder schnellen. Eine Ohn-macht hinderte die Fortsetzung der Tortur. Sie wurde am 3. April wieder aufgenommen, und zwar zunächst mit der Wiederholung aller Grade der Folter, welche bereits am 31. März angewandt worden waren. Man ließ ihn zweimal aus doppelter Armhöhe auf und nieder schnellen, weil er neuerdings seine und aller Juden Un-schuld beteuerte. Dann ließ man Samuel 40 Minuten in der Luft schwebend hängen, bis wieder eine Ohnmacht seine Sinne umfing.
Der vierte Folterungstag begann mit ähnlichen Torturen und da Samuel erklärte, er würde lügen, wenn er etwas gestehen sollte, band man an das rechte Bein des in der Luft Schwebenden einen Holzpflock, außerdem nahm man eine mit Feuer gefüllte eiserne Pfanne, auf welche Schwefel getan war und hielt Samuel diese Pfanne unter die Nase. Trotz der Betäu-bung durch die Schwefeldämpfe und der drängenden Fragen beharrte Samuel bei der Leugnung jeder Schuld, worauf man den Holzpflock zwischen die Schienbeine band und so den Unglücklichen eine Viertelstunde schwe-bend hängen ließ.
Noch nicht genug der Pein, wird die Prozedur des jähen Niederstürzens, dann des Auf- und Niederschellens wiederholt und jetzt ist die Wider-standskraft Samuels gebrochen: Der Halbentseelte, durch die vielstündigen, in raffinierter Steigerung abwechseln-den Marterungen dem Wahnsinn nahe Gebrachte 'ge-steht', daß er den Knaben erdrosselt hatte.
Mehr als diese 'Aussage", welche die Anschuldigung der Blut-entziehung direkt widerspricht, war nicht aus ihm herauszubringen. {156} Zwei Monate ließ man Samuel in Ruhe. Innerhalb dieser Zeit erfolgten die Folterungen und 'Geständnisse" der übrigen Juden. Am 6. Juni hat Samuel sein Geständnis widerrufen. Darum brachte man ihn am 7 Juni wieder in die Folterkammer.
Aufgefordert die Wahrheit zu sagen, antwortete er, daß alle Juden wenn sie etwas gestanden haben, die Unwahrheit gesagt haben. Da nahm man zwei kochendheiße Eier legte sie Samuel unter die Achselhöhle, und zwar ein Ei unter jede Achsel. Nunmehr aufgefordert, die Wahrheit zu sagen, antwortete er, die Wahrheit zu sagen unter der Bedingung, daß man ihm verbrenne und nicht eines anderen Todes sterben lasse.
Natürlich wurden nun alle Juden getötet, ihre Häuser geplündert.
Die anständigen Menschen wollten aber nicht zur Ruhe kommen. Als der Rat von Padua einige Gelehrte nach Trient schickte, um die Sache zu untersuchen, wollte das Volk sie erschlagen, weil sie die Anklage als Lüge erklärt hatten. Ähnlich erging es dem päpst-lichen Legaten.
Schließlich erfuhr man, daß ein gewisser Enze aus Trient der Mörder des Knaben war und daß der Diener dieses Enze die Tat seines Herrn bestätigt und ausgesagt hat, daß der Mord auf Anstiften eines Mannes geschehen sei, der ein wütender Judenhasser war. Auch stellte es sich heraus, daß ein gewisser Schweizer das getötete Kind in das Haus Samuels ge-tragen habe.
Diese Ritualmordlüge verbreitete sich über ganz Europa. Abbildungen des Knaben traf man überall; an einem Stadttor zu Frankfurt a. Main, in Kirchen, Ge-schichtsbüchern und auf Jahrmärkten, auf Messen und in allen Straßen ging die Geschichte von Mund zu Mund. Schon damals erklärte der Doge von Venedig, Pietro Moceligo, in einem Edikt vom 22. April 1475 auf das bestimmteste die ganze Geschichte für eine erfundene Lüge.
Auch der Papst Sixtus IV. hat noch in demselben Jahre in einem heftigen Sendschreiben gegen die Lüge {157} Stellung genommen und die Verbreiter mit schweren Strafen bedroht.
* * *
All das haben die Juden wegen ihres Glaubens er-duldet. Es besteht volle Übereinstimmung darüber, daß jeder Jude während der ganzen Zeit des Mittelalters die Möglichkeit hatte, sich all diesen Qualen zu entziehen und als gleichberechtigtes Glied in die menschliche Ge-meinschaft einzutreten, wenn er seinem Glauben untreu geworden wäre. Ich muß diesem Volke nur Bewunderung zollen, wenn es trotz dieser entsetzlichen Verfolgungen an seiner Religion festhielt. Konnten die Juden während dieser Zeit an Reichtümer oder gar an Herrschaft, an politischen Einfluß denken? Man braucht nur die Ge-bete der Juden zu lesen, die steinerweichenden Klage-gesänge - nirgends die Bitte um Geld - immer nur um ein Plätzchen, das Haupt niederzulegen, um Rettung des Lebens und - der Religion.
Dieser Stimmung der Juden im Mittelalter hat ein angelsächsischer (also germanischer) Dichter, Lord Byron, in dem Verse Aus-druck gegeben:
'Ihr Stämme mit dem Wanderstab, ihr Müden,
Wohin könnt fliehen ihr und Ruhe finden?
Die Taube hat ihr Nest, der Fuchs die Kluft,
Der Mensch die Heimat, Israel nur die Gruft "
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Daß der Idealismus bei den Juden vorherrschend war, daß sie Sinn hatten für Gemütswerte, für Wahrheit und soziale Gerechtigkeit, werde ich durch die Wiedergabe einiger Episoden und Abschnitte ihrer Geschichte dar-legen, die ich ebenfalls dem Grätz entnommen habe.
{158}
Als König Saul die Philister besiegte und ihren König Agag gefangennahm, fanden die israelitischen Krieger reiche Beute, doch sollten diese Reichtümer nach Anordnung des Propheten Samuel nicht benützt, sondern vernichtet werden. Weil die Krieger die reiche Beute nicht preisgeben wollten und Saul, sonst so strenge, die Erbeutung stillschweigend zuließ und dadurch die Anordnung des Propheten übertreten hat, sagte ihm letzter: 'Weil Du Gottes Wort mißachtest, so hat Gott Dich verworfen, König über Israel zu sein." Er fügte die geflügelten Worte hinzu: 'Gott hat ebensoviel Wohlgefallen an Gehorsam wie an Opfern und Malen. Gehorsam ist besser als Opfer, Lauschen mehr wert als der Widder Fett." Dieser Ungehorsam Sauls hat ihm viel Unglück gebracht und dazu geführt, daß Samuel den David zum König Israels auserkoren hat.
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Als Absalom sich gegen seinen Vater David empörte und diesen zur Flucht zwang, hatte letzterer viele Qualen zu ertragen. Es entstand ein Bürgerkrieg, der mit der Niederlage Absalons endete. Dieser fiel im Kampfe.
Trotzdem Absalon ein entarteter Sohn war, trauten sich seine Heeresführer nicht, die peinliche Botschaft zu überbringen. David war auch so entsetzt, als er vom Tode seines Sohnes erfuhr, daß er weinte und schluchzte und ein über das andere Mal rief: 'Mein Sohn, mein Sohn Absalon, ich wollte, ich wäre an deiner Statt gefallen."
Die Krieger wagten nicht, als Sieger in die Stadt einzuziehen, sondern schlichen hinein, als schämten sie sich wie nach einer Niederlage. David mochte niemanden sehen und sprechen, sondern jammerte unaufhörlich über den Tod seines Sohnes. Erst als ihn sein Heerführer Joab auf die Undankbarkeit aufmerksam machte, die er durch seine Trauer gegen seine Krieger beging, zeigte er sich dem Volke.
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{159} Als David für die Aufbewahrung der Bundeslade Got-tes einen Tempel errichten wollte, eröffnete ihm der Pro-phet Nathan, daß er nicht berufen sei, ein Heiligtum zu erbauen, weil er auf seinen Feldzügen viel Blut ver-gossen habe, so daß diese Aufgabe seinem Sohne Salo-mon vorbehalten sei. David unterwarf sich in Demut diesem Gottesspruch und führte nur die Vorbereitungs-arbeiten für den Tempelbau durch.
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Als Salomon nach seiner Thronbesteigung den großen Altar in Gibeon besuchte, so wird erzählt, habe er nicht um langes Leben, noch um Reichtum und Ehre, sondern um weisen Sinn gebeten, sein Volk gerecht regieren zu können. Das Vermögen, nicht nach dem Augenschein zu richten und nicht nach Wortgeklingel zu entscheiden, dieses Vermögen besaß der junge König in hohem Grade.
Das 'salomonische Urteil" ist bekannt. Zwei Frauen stritten um ein Kind. Jede von ihnen behauptete die Mutter zu sein. Da befahl Salomon, das Kind in zwei Stücke zu teilen und jeder Frau eine Hälfte zu geben. Entsetzt über diesen Spruch erklärte eine der Frauen, auf das Kind zu verzichten, damit es nicht getötet werde. Da sprach Salomon dieser Frau das Kind zu, die Kund-gebung ihres Muttergefühls, die der König erproben wollte, brachte die Wahrheit an den Tag.
Das Land Israel war durch die innere Ordnung, die äußere Ausdehnung und die Reichtümer, welche Salo-mon in Fülle gehäuft hatte, eine festbegründete Groß-macht geworden, welche mit den größten Staaten der alten Welt, mit Assyrien und Ägypten wetteifern konnte. Fürsten und Völker, welche in Streit miteinander lebten, suchten Salomon auf und riefen ihn zum Schiedsrichter an. Es herrschte damals Friede und ungestörte Sicher-heit. Von Dan bis Berseba konnten die Israeliten ihr Dasein ruhig genießen, 'jeder unter seinem Weinstocke und Feigenbaume".
Die Handelsverbindungen, der Wohlstand des Landes, die Sicherheit des Daseins zogen nahe und entfernte Nachbarfamilien ins Land. Die israelitische Seefahrer und Kaufleute brachten den entfernten Völkern und Zungen Kunde von ihrer Heimat. Sie waren unbewußt die ersten Sendboten und Verkünder von dem Gotte Israels an die götzendienerischen Völkerschaften. Bekannt ist auch der Besuch der weisen Königin von Saba die von dem Ruhme Salomons so Außerordentliches vernommen hatte. Sie bewunderte seine Weisheit, den Tempel, die Ordnung und den Glanz seines Hofes.
Seine Weisheit soll sie durch Rätselfragen erprobt haben, die sie ihm aufgegeben und die er zu ihrer Bewunderung beantwortet hatte.
Als Salomon es duldete, daß auf dem Ölberg Götzen für die Fremden errichtet wurden, warf ihm der Prophet diese Lauheit vor und bedrohte ihn mit dem Verluste seiner Herrschaft. Diese Gleichgültigkeit Salomons dem Prophetenworte gegenüber führte zur Spaltung des Reiches nach seinem Tode.
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Bekannt ist das Wirken des Propheten Elia am Ende des zehnten Jahrhunderts v. Chr. Elia konnte sein Leben für die eigene Überzeugung ohne Bedenken einsetzen. Er galt als die Verkörperung des religiösen und sittlichen Eifers. Wie ein Sturm brauste er an den schwachen, von seinem Weibe ge-gängelten König Ahab heran, donnerte ihm ein betäubendes Wort zu, wie der Sturm brauste er wieder davon. Im Gegensatz zu dem weichlichen Wesen der Götzenpropheten trug er um das Unterkleid einen Gür-tel von Leder, über dasselbe einen schwarzen härenen Mantel. Er enthielt sich des Weines und führte das Nasiräerwesen ein. Ehe man sich's versah, war eine Schar von Propheten da, welche ihr Leben für die Er-haltung des ureigenen Glaubens hinzugeben bereit waren. Elia hat der Weichlichkeit und der Genußsucht die {161} Einfachheit und die Enthaltsamkeit entgegengesetzt. Er und seine Jünger führten einen heftigen Krieg gegen die Baalpriester.
Die Königin Isebel ließ viele Jünger schonungslos töten. Es waren die ersten Märtyrer, welche für die altisraelitische Lehre fielen. Als König Ahab einen Nachbarn ermorden ließ, um sich dessen Grundstück anzueignen, erschien plötzlich Elia vor ihm und rief ihm folgende Worte zu: 'Hast Du gemordet und ergreifst Du jetzt Besitz? Das unschuldig vergossene Blut hat Gott gestern gesehen, auf diesem Felde sollst Du die Strafe dafür erleiden." In der Tat hat dann Ahab einen fürchterlichen Tod erlitten.
Bekannt ist die Prophetenschule Elias. Die Mitglieder hielten ihre Hände rein von Gaben und lebten von ihrer Hände Arbeit einfach und ärmlich. Sie waren kühn undverachteten den Tod. Ihre Aufgabe war, zu verhüten, daß die Israeliten dem Götzendienste verfielen. Ein Jahr-hundert beinahe war seit dem Wirken des Propheten Elia abgelaufen, aber seine Prophetenjüngerschaft be-stand noch, um in seinem Geiste und mit seinem Eifer zu wirken. Die israelitische Jugend, welche für Ideale sehr empfänglich war, wendete sich gegen die Lebens-weise der Reichen, die die Armen unterdrücken.
Es kam so weit, daß die Kinder gegen die Eltern auftraten. Be-zeichnend ist der Fluch des Propheten Amos, der sich als einfacher Hirte gegen die Verkehrtheit seiner Zeit in schön geformten Gedichten wendete. Dieser Fluch lautete auszugsweise:
'Weil Ihr auf die Armen tretet und selbst geliehenes Getreide ihnen abnehmt, darum die Quaderhäuser, die Ihr erbaut, sollt Ihr nicht be-wohnen. Von den Weinbergen, die Ihr gepflanzt, sollt Ihr nicht den Wein trinken."
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{162} Der berühmte Prophet Isaia brandmarkte rücksichtslos die Verkehrtheit und das Laster. Er übertraf alle seine Vorgänger an Fülle der Gedanken, Anmut und Form. Erhabenheit des poetischen Ausdrucks, Feinheit der bildenden Gleichnisse und Klarheit der prophetischen Vorschau. Isaia begnügte sich nicht damit, die Freveltat bloß zu rügen, sondern stellte auch ein sittliches Ideal auf, durch dessen Verwirklichung die Menschen ihr Heil finden könnten.
Er sagte: 'Wer in Gerechtigkeit wandelt, aufrichtig spricht, achtet den Gewinn von Unrecht, seine Hände abschüttelt, um nicht Bestechung zu fassen, sein Ohr ver-gießt, um nicht von Blutschuld zu hören, ein solcher wird Höhen bewohnen."
Den Lippengottesdienst, der Gott mit dem Munde preist, während das Herz weit davon ist, behandelte Isaia mit der größten Verachtung, und noch mehr das Opferwesen, mit Gesinnungslosigkeit und Schlechtigkeit verbunden. Gegenüber der Genußjagd und Ausschweifung, welche der Reichtum erzeugte, stellte Isaia das einfache Hirtenleben als Muster hin, wie es die Vorfahren hielten. Jeder soll ein Rind und ein zwei Schafe ernähren. Den Gottesbegriff als Urgrund der sittlich reinen Tat und der sittlich hohen Gesinnung stellte er als gleichbedeutend mit Heiligkeit und Erhabenheit. Die Armen waren zugleich seine Jünger und seine Kinder. Er verlangte von ihnen die Tugend der Sanftmut, der Geduld und der völligen Ergebung in Gott.
Seine Jünger nannte man daher 'die Sanftmütigen". Unter ihnen gab es Gesangskundige, welche die in ihrer Brust erweckte Stimmung in Lobliedern aushauchten. Diese Lieder waren eine neue Art Psalmen, welche sich besonders durch Gemütstiefe auszeichneten, und spiegeln den Geist der Israeliten wider.
Diese Psalmenliteratur, welche heute noch in christlichen Kirchen klingt, wurde der Trost für Millionen von Menschen zu verschiedenen Zeiten, als Gewalttätigkeit, Frevel und Menschenverachtung über die Schwachen und Hilflosen hinfuhren.
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{163}
Im Jahre 621 v. Chr. fand bekanntlich der Hohepriester Hiskija im Tempel eine große Rolle, welche das zweite Gesetzbuch (Deutoronomium) verkörperte und noch heute einen Bestandteil des jüdischen Glaubens bildet. Dieses Ge-setzbuch schärft den Israeliten die Einheit ihres Gottes ein und verlangt, daß man Gott mit ganzem Herzen, mit ganzem Wesen und mit der ganzen Kraft liebe. Das Deutoro-nomium (Oewarim) offenbarte zuerst die Liebe zu Gott als Beweggrund zur Frömmigkeit und Sittlichkeit und brachte dadurch den Menschen der Gottheit näher.
Es machte das Menschenherz zum Tempel, in dem das göttliche Wesen verehrt sein will, und gestaltete sein Verhältnis zu ihm zu einem innigen, wie das des Sohnes zum Vater.
Der Mensch braucht nicht mehr vor der Gottheit wie der Sklave vor seinem finsteren Herrn zit-tern, sondern er darf sich ihm in kindlicher Frömmigkeit nahen. Das Gesetz des Deutoronomiums wollte die Opfer einschränken und überhaupt mehr Gewicht auf die Gesinnung als auf das Äußerliche legen. 'Wenn Du unterlassest, Opfer zu geloben, so wird keine Sünde an Dir sein. Nur den Ausspruch Deiner Lippen sollst Du erfüllen."
Das Gesetzbuch verlangt nicht mehr, daß den Priestern Opfergaben ausgefolgt werden. Es wird nur darauf Gewicht gelegt, daß die Priester und auch die Waisen, Witwen und Fremdlinge, welche keinen Boden-besitz haben, und besonders die Sklaven und Sklavinnen zu den Opfermahlen zugezogen werden sollen; sie soll-ten dadurch als Glieder der opfernden Familie betrach-tet werden. Jedes dritte Jahr mußte der Bodenbesitzer den zehnten Teil des Ertrages an die Leviten, Fremdlinge, Witwen und Waisen abliefern und vor dem Gottesaltar bekennen, daß er seine Pflichten mit dem, was Gott ihm gespendet, gewissenhaft erfüllt und von seinem Eigen-tum den Bedürftigen gespendet habe.
An den Freuden des Mahles am Passahfeste, am Wochenfeste und an dem Hüttenfeste sollen die Besitzlosen teilnehmen. 'Du sollst eingedenk sein, daß Du einst Sklave in Ägypten warst." {164}
Darum sollen die Unglücklichenzur Freude zugezogen werden.
Die Richter sollen das Recht und nichts als das Recht im Auge haben, keine Rücksicht nehmen und sich vor Bestechung hüten. Ein Todesurteil soll nur durch über-stimmendes Zeugnis zweier oder dreier Zeugen gefällt werden. Die Zeugen sollen gründlich und umständlich gefragt werden. Die Richter sollen darauf halten, daß nicht unschuldiges Blut vergossen werde und die Schuld nicht ungesühnt bleibe.
Todesstrafe setzt das deutoronomische Gesetz auch auf erwiesene Unzucht und über einen ungehorsamen, widerspenstigen Sohn, welcher trotz der Erziehung seiner Eltern sich der Ausschweifung ergibt. Vor allein ist das Gesetz des Deutoronomiums auf das Volk der Hilflosen bedacht und will die milde Gesinnung der Brüderlichkeit für sie den Gemütern einflößen.
Nicht nur der Zehnte soll ihnen zu-gewiesen werden, sondern auch sonst ein Teil der Ernte. Wenn der hebräische Sklave im siebenten Jahre zur Freiheit entlassen wird, soll er nicht leer ausziehen, sondern der bisherige Herr soll ihm mitgeben von seiner Herde, seiner Tenne und seiner Kelter. Diese Gesetzgebung nimmt darauf Bedacht, Milde, Menschlichkeit und Mitleid in den Herzen der Menschen zu wecken.
Ein Sklave, der vom Nachbarlande Zuflucht im Lande Israels genommen und sich vor seinem Herrn gerettet hat, soll nicht ausgeliefert werden. 'Er soll bei Dir bleiben und sich eine Stadt zum Aufenthalte auswählen, und Du sollst ihn nicht bedrücken." Selbst gegen den Feind soll Mitleid geübt werden. 'Wenn Jemand eine schöne Kriegsgefangene heimbringt, um sie zu ehelichen, muß er ihr einem Monat Frist gestatten, um die ihrigen zu betrauern. Dann erst soll sie geehelicht werden. Beim Ausheben eines Vogelnestes soll der Vogelsteller nicht Mut-ter samt Küchlein und Eier nehmen, sondern soll selbst beim Tier das Muttergefühl schonen."
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{165}
Nach der Verbannung der Judäer nach Babylon schickte Jeremia ein Sendschreiben des Inhaltes an die Verbannten:
'Bauet Häuser und bewohnet sie. Pflanzet Weinberge und genießet die Früchte. Nehmet Frauen und erzeugt Söhne und Töchter. Führet für Eure Söhne Frauen heim und verheiratet Eure Töchter in der Fremde. Kümmert Euch um das Wohl der Stadt, wohin Ihr verbannt seid, denn mit ihrem Wohlergehen ist das Eurige verbunden."
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Ein Volk, aus dessen Mitte solche Gesetze geschaffen und solche Propheten entstanden, ein Volk, das für sei-nen Glauben solche Opfer auf sich nahm, kann nicht als feig oder bar eines jeden Idealismus bezeichnet werden.
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- Aber auch die heutige Generation hat Dinge erlebt, die uns Zeugnis davon abgeben, daß die Beschuldigun-gen des Hakenkreuzes erlogen sind.
Ich werde das Verhalten der Juden während des Weltkrieges besprechen, wie es aus dem gründlichen Werke des Regierungsrates
Dr. J. Kreppel, 'Juden und Ju-dentum von heute" (Amalthea-Verlag, Wien), hervorgeht. Über das Verhalten der Juden während des Weltkrieges haben wir uns bis jetzt nur durch die Judenfeinde und die antisemitischen Zeitungen und Bücher informieren lassen. Die Wahrheit sieht allerdings ganz anders aus. Gewiß gab es auch jüdische Drückeberger, aber verhält-nismäßig nicht mehr als bei den anderen Menschen-gruppen. Glücklicherweise besitzt man verläßliche Daten über das Verhalten der Juden an allen Fronten, wie die nachstehenden Ausführungen zeigen werden.
Die englischen Juden haben während des Weltkrieges die höchsten Beweise ihres Patriotismus geliefert. Als Soldaten an der Front, als Bürger unter der Kriegswirtschaft, {166} als Zeichner der Kriegsanleihe und auf jedem Ge-biete leisteten sie das Höchstmögliche und erwarben sich höchste Verdienste um das englische Vaterland. Die Daten und Tatsachen über die Arbeit der englischen Juden im Kriege sprechen Bände. Die Zahl der englischen Juden im aktiven Dienst bei Kriegsausbruch war verhältnismäßig gering (50 in der Marine, 400 Offiziere und Soldaten in der Armee und 600 in der Reserve). Von allen Teilen der Welt aber kamen die Juden aller Stände, um freiwillig für die Sache Englands zu kämpfen.
Noch bevor es notwendig wurde, die allgemeine Wehrpflicht in England einzuführen, gab es dort schon 10.000 Juden im Kriegsdienste. Der Prozentsatz der freiwillig sich meldenden Juden war ein sehr hoher. So meldeten sich zum Beispiel in Australien von der jüdischen Gesamtbevölkerung von 19.000 tausendachthundert freiwillige, von denen 250 gefallen sind. Von den in England geborenen Juden dienten ungefähr 90% der tauglichen jungen Männer freiwillig.
Ein schlagendes Beispiel für die unter den Juden herrschende Begeisterung war die Jüdische Brigade, welche Jünglinge mosaischen Glaubens militärisch ausbildete. Diese Brigade stellte 80 Offiziere für den Felddienst. Nicht unerwähnt darf auch die von Juden ausgeübte Tätigkeit für die Verwundeten und Kranken bleiben. Neben der großen Anzahl von Ärzten und Pflegerinnen wurde ein Spital organisiert, dessen Personal ausschließlich aus jüdischen Damen und Herren bestanden.
Lady Samuel, die Frau des jüdischen englischen Innenministers, stellte ihren Landsitz als Spital zur Verfügung und Mister Howard widmete ein Rekonvaleszentenheim bei Brighton. Mit einem der ersten zugrunde gegangenen Schiffe ertrank William Stern, und Leutnant Henry Quez war der erste jüdische Offizier, der in der Schlacht an der Aisne im September 1914 sein Leben dahingab und an der Spitze langen Verlustliste steht, die Zeugnis gibt von der ruhmvollen Art, in der die Juden Englands und des britischen Reiches ihre Pflicht erfüllten. {167} Die Gesamtzahl der aktiv am Krieg teilnehmenden britischen Juden ließ sich schwer feststellen. In Belgien und Frankreich fielen 1800 Juden. Es gab kaum ein Re-giment, das nicht Juden enthalten hätte, desgleichen fanden sich in der Marine und in den Luftstreitkräften Juden.
Die Gesamtzahl der bekannten jüdischen Opfer be-trägt rund 8700, davon entfallen auf an der Front ge-fallene Offiziere 316 und Unteroffiziere sowie Mann-schaften 2000, der Rest betrifft Verwundete und Ver-mißte.
Die Juden wurden auch vielfach ausgezeichnet. Als Beispiel für die jüdischen Heldentaten diene die glän-zende Leistung des mit dem 'Viktoria-Kreuz" ausge-zeichneten Kapitäns Robert Gu. Er erhielt seine Aus-zeichnung für hervorragende Tapferkeit, Initiative und Entschlossenheit.
Nach einem übermächtigen feindlichen Angriff am 30. November 1917, wobei der Feind das Hauptquartier und das Munitionsdepot einer Brigade erobert hatte, tötete Kapitän Gu, der gefangen worden war, einen Feind mit der Eisenspitze seines Stockes, und es gelang ihm, zu entkommen. Er organisierte sodann eine aus dem Brigadestab gebildete Truppe, an deren Spitze er den Feind heftig angriff, und konnte durch seine große persönliche Tapferkeit und sein rasches Handeln den Ort von Feinden säubern. Er organisierte sodann eine Verteidigungsfront am Rande des Dorfes, und als ein feindliches Maschinengewehr noch in Tätig-keit war, stürmte er, in jeder Hand einen Revolver, ge-folgt von einem Soldaten den feindlichen Posten und er-oberte das Maschinengewehr. Er wurde dabei verwun-det, weigerte sich aber, seine Wunde verbinden zu las-sen, ehe er sich nicht überzeugt hatte, daß die Abwehr-organisation eingerichtet war.
Die Liste der Tapferen ist ziemlich lang, und die briti-schen Juden hatten ihren vollen Anteil an allen Opera-tionen zu Land und zur See in allen Teilen der Erd-kugel. Juden haben auf jeder Art von Schiffen auf und {168} unter See gedient, verschiedene jüdische Offiziere nahmen an den berühmten Kämpfen von Zeebrügge und Ostende teil, und jüdische Matrosen befanden sich an Bord des Kreuzers 'Sydney", der die 'Emden" vernichtete. Beim Angriff auf Deutsch-Südwestafrika hatte General Botha eine stattliche Anzahl von Juden aus Kapstadt (Natal Transval) unter seinem Befehl, welche auch später mit der südafrikanischen Brigade nach Europa kamen.
Sir John Monasch kommandierte die australischen Truppen an der Westfront und führte sie von Sieg zu Sieg. Ein zweiter jüdischer Offizier, der es bis zum General brachte, war H. J. Seligmann, der aktiver Artillerie-Offizier war und den ganzen Krieg vom Anfang bis Ende mitmachte. Alle drei Söhne Leopold Rothschilds waren im Felde. Major Evelin Rothschild fiel in Palästina und Kapitän Antoni Rothschild wurde bei Galipoli verwundet. Auch die Luftkämpfe haben viele unternehmende und tapfere jüdische Männer angezogen, und viele haben als Flieger Auszeichnungen errungen.
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Der Patriotismus der Juden in Frankreich war außerordentlich. Eine genaue Angabe der französischen Juden, die am Krieg teilgenommen haben, ist unmög-lich, doch kann man mit ruhigem Gewissen behaupten, daß alle Gesellschaftsklassen der französischen Juden für Frankreich gekämpft haben. Gelehrte verließen ihre wissenschaftlichen Arbeiten, um an die Front zu gehen und dort ihre Wissenschaft nutzbringend zu verwerten. So erfand der Astronom Charles Nordmann, der als Rekrut bei der Artillerie eintrat und später zum Offizier befördert wurde, eine wichtige Verbesserung für das Zielen; er leistete auch wichtige Arbeit, indem er die Entfernung der feindlichen Geschütze durch den Schall ebnete. General Nivel hat die Tätigkeit des Gelehrten besonders gewürdigt. Unterleutnant Henry Abram, Professor {169} an der Sorbonne, wurde Offizier der Ehrenlegion für seine Verbesserung des drahtlosen Telegraphen und seine Verdienste im Kampfe der Unterseeboote. Von den im Jahre 1914 an der Polytechnik ausgemusterten 450 Zöglingen waren 16 Juden, 4 von diesen sind ge-fallen, 3 verwundet worden.
Unter den Verwundeten befand sich auch der Sohn des Pariser Großrabbiners Levy, der zweimal verwundet wurde. Ein zwanzigjähri-ger Leutnant, Pierre Hadamart (Sohn des berühmten Mathematikers), suchte in der Umgebung von Verdun nach einem passenden Punkt für seine Artilleriebatterie.
Als er seine Aufgabe vollendet hatte, sah er beim Pas-sieren eines Schützengrabens die Infanteristen im Begriff, einen feindlichen Angriff mit Bajonett und Gewehr ab-zuwehren. Der junge Offizier packte ein Gewehr und schoß mit, dabei fand er den Heldentod.
Beamte, Advokaten und sonstige Angehörige freier Berufe wurden Männer des Schwertes und taten Ihre Pflicht auf dem Schlachtfelde. Die jüdischen Ärzte zeig-ten denselben Geist der Hingabe und der Selbstaufopfe-rung wie die Soldaten. Auch die Künstler und die Schrift-steller eilten an die Front. Kapitän Halphen, Komponist und Redner, starb an einer Krankheit, die er sich an der Front zugezogen hatte. Der Dramatiker Henry Bern-stein zeichnete sich als Flieger aus. Pierre Mortie, Re-dakteur des 'Gil-Bias", wurde mehrmals lobend er-wähnt, zuerst kämpfte er an der Front, später war er für die Organisation des Fliegerkorps im Orient tätig. Aus Handel, Industrie und Finanz sei erwähnt, daß die Familie Grumbach in Belfort sieben Söhne, zwei Schwie-gersöhne und zwei Enkel unter den Fahnen hatte.
Die Familie Dreifuß in Paris hatte acht Söhne, Aron Weil neun Söhne unter den Waffen. Der Verlust mehrerer Kinder war eine häufige Begebenheit. Oberst Mayer ver-lor drei Söhne, eine Witwe, Madame Picard, beklagte den Tod dreier Söhne. In der Liste der französischen Flieger finden wir den Namen James Henry Rothschild. Baron Günster fiel an der Yser.
Besonders im Flugdienst {170} zeichneten sich die französischen Juden aus, und sie waren dort auch in besonders großer Zahl vertreten. Viele französische Juden taten sich in der Führung der Tanks hervor.
Die jüdische Bevölkerung in Algier zählt 65.000 Seelen. íÁn kann annehmen, daß in der Armee im Felde mehrals 10.000 Juden dienten. Die jüdischen Familien Algiers sind sehr kinderreich. Madame Lelouche hatte acht Söhne im Felde. Eine Familie Palikao stellte 25 Familienmitglieder. Tausend algerische Juden wurden ausgezeichnet.
Es ist unbekannt, wie viele französische Juden genau vor dem Feinde gefallen sind. Von 2120 gefallen Juden weiß man. Ein gewisser Bensait verlor drei Söhne, ebenso ein Mann namens Nahon. Rabbi Boris von Lüneville fiel zu Beginn des Krieges, Rabbi Wechsler, Lehrer der Theologie, starb an einer Krankheit, die er sich im Schützengraben zugezogen hatte. Vier von den Rabbinern, die Seelsorger waren, starben gleichfalls, einer an einer Krankheit, die drei anderen fielen bei Ausübung ihrer Pflicht als Seelsorger an der Front.
Der Rabbiner Abraham Bloch wurde von einer Granate getroffen, als er einem verwundeten Christen ein Kruzifix brachte, der sterbend darum gebeten hatte. Rabbi Ruff wurde bei Verdun von einer Bombe aus einem Flugzeug tödlich getroffen. Ebenso starb Rabbi Wilson in einem Dorfe bei Champagne. Der Tod des Rabbi Bloch wurde von einem katholischen Priester in rührenden Worten geschildert. An Stelle, an der er gefallen ist, wurde ihm auch ein Denkmal errichtet. Zwei Rabbiner erhielten das Kreuz der Ehrenlegion, 19 wurden lobend erwähnt.
Der Krieg wurde aber nicht bloß in den Schützengräber geführt. Es gab auch tapfere jüdische Pflegerinnen, so Fräulein Blanche Levy, die für ihren Heroismus das Kriegskreuz erhielt, da sie 35 Monate in der Feuerlinie und während der heftigsten Bombardements die Verwundeten pflegte. Fräulein Sophie Fridmann, erste Pflegerin in einem Spital, das immer den Fliegerangriffen {171} ausgesetzt war, erhielt die Medaille der französischen Tapferkeit. Ich muß auch noch den alten Kahn in Lüneville erwähnen, der den Deutschen mit einer französi-schen Fahne entgegenlief, und als er von ihren Kugeln hingestreckt wurde, starb er mit dem Rufe: 'Es lebe Frankreich!"
Die Juden Italiens haben im Weltkrieg ihre Pflicht er-füllt. Ihre Opfer waren nicht gering. Bereits wenige Monate nach Kriegsausbruch fand im großen Tempel zu Rom eine Gedenkfeier für die zahlreichen im Kriege gefallenen jüdischen Offiziere und Soldaten statt. An der Hauptpforte der Synagoge stand in großen Lettern fol-gender Ausspruch: 'Den Gefallenen, die ihr Blut für das Vaterland geopfert, sei Ehre und Ruhm!" Das Innere war vollständig mit schwarzen Tüchern bekleidet und über dem Altar wehte die italienische Fahne. Beim Eintritt des rabbinischen Kollegiums erwähnte OberrabbinerAngelo Sacerdoti unter großer Bewegung aller An-wesenden die Namen der Gefallenen.
Besonders gedachte er der Hauptleute Angelo Astrologe, Decio Pontecorvo, Gualtiero Vechio und der Leutnants Ippoliti Segre, Giorgio Levi, Alessandro di Veroli, des Korporals Adolf Gai und der Soldaten Angelo Spiszichim und Cesare Veneziani, welche sich durch ihren großen Mut in den Schlachten auszeichneten und für ihr Vaterland und für die Ehre der israelitischen Gemeinde Roms gefallen waren.
Oberrabbiner Angelo Sacerdoti hatte ein Gebet ver-faßt, das den italienischen jüdischen Soldaten mitgegeben wurde. Sein Inhalt war folgender: 'Schöpfer der Wel-ten, Herr aller Wesen, der die Herzen prüft und die menschlichen Gedanken kennt! Es ist Dir wohlbekannt, daß ich nicht aus Haß gegen die Mitmenschen und nicht mit einem bösen Herzen in den Krieg gezogen bin, son-dern nur um meine Pflicht gegen das teure Vaterland zu {172}
erfüllen. Darum, o Gott, rechne es mir nicht als Sünde an, wenn ich gezwungen bin, die Waffe zu erheben gegen deine Geschöpfe, denn ich tue es nicht nach meinem eigenen Willen. Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, o Gott, vernimm die Worte Deines Knechtes und erhöre mein Gebet. Du bist mein Fels und meine Burg, auf welche ich vertraue. Verlasse mich nicht und entferne Dich nicht von mir in dieser Zeit der Not, gewähre mir Deinen Schutz und stütze mich, rette mich vor allem Bösen. Solltest Du bestimmt haben, daß ich im Kriege sterben soll, so nehme ich das mit Demut und Unterwerfung unter Deinen heiligen Willen an, dann möge es wohlgefällig sein von Dir, allgnädiger und barmherziger Gott, daß mein Tod eine Sühne sei für meine Sünden. Verzeih mir, wie ich auch meinen Feinden verzeihe, auch denen, die mich töten werden. Erlöse meine Seele von der jenseitigen Strafe und bringe sie zum ewigen Leben. Oh, ich möge doch unter den Menschen Wahrheit, Recht und Milde herrschen! Lasse bald Dein Reich kommen, Amen'
* * *
Die prozentuale Beteiligung der deutschen Juden an dem I Weltkrieg bleibt hinter der gesamten deutschen Bevölkerung nicht zurück.
Bei der letzten reichsdeutschen Bevölkerungszählung vor dem Kriege (1910) wurden unter etwa 68 Millionen ca. 555.000 deutsche Juden (die ausländischen, nicht militärpflichtigen nicht mitgerechnet) gezählt.
Über 96.000 deutsche Juden waren eingezogen, das heißt 17,3% der reichsdeutschen jüdischen Bevölkerung oder jeder sechste deutsche Jude.
Von 100 jüdischen Kriegsteilnehmern waren 78, das heißt nahezu vier Fünftel (im ganzen also etwa 80.000) an der Front.
Wenn man einer Gesamtbevölkerung von 68 Millionen die Gesamtkriegsteilnehmerzahl von 12,5 Millionen zugründe {173} legt, so ergibt sich als Prozentsatz der Kriegs-teilnehmer 18,38.
Die jüdische Bevölkerung in Deutschland hat also (bis auf einen kleinen Spielraum) verhältnismäßig eben-so viele Feldzugsteilnehmer gestellt wie die Gesamtbe-völkerung.
Es darf dabei zweierlei nicht außer acht ge-lassen werden:
1. Der Altersaufbau der Juden in Deutschland unter-scheidet sich wesentlich von der Altersgliederung der Gesamtbevölkerung. Es ist einleuchtend, daß die Masse der Eingezogenen immer in einem bestimmten Verhält-nis zur Masse der dem wehrfähigen Alter angehörenden Personen steht; dieses Verhältnis wiederum ist abhän-gig von der Besetzung der Jahrgänge 18 bis 45.
Es ist eine allgemein bekannte und statistisch festgestellte Tat-sache, daß infolge des Jahrzehntelangen, ständig zu-nehmenden Geburtenrückganges bei den deutschen Juden die jüngsten Altersklassen dieser Bevölkerungs-gruppe eine schwächere Besetzung als die höheren auf-weisen. Die nicht mehr wehrfähigen Altersklassen waren daher bei den Juden relativ stärker vertreten als bei der Gesamtbevölkerung.
2. Für die Beurteilung der Prozentsätze der Feldzugs-teilnehmer ist die Verteilung der jüdischen Bevölkerung auf Stadt und Land zu berücksichtigen. Drei Viertel der deutschen Juden sind Städter, vornehmlich Großstädter. Die Land- und Kleinstadtbevölkerung stellt bekanntlich infolge ihrer größeren Fruchtbarkeit und körperlichen Tauglichkeit ein größeres Kontingent von Wehrfähigen und damit auch Soldaten als die großstädtische Bevöl-kerung.
Von über 96.000 jüdischen Kriegsteilnehmern sind über 10.000, das heißt 11%, freiwillig in den Krieg ge-zogen (darunter befand sich der erste gefallene deutsche Reichstagsabgeordnete Frank).
Es sind mindestens 12.000 deutsche Juden auf dem Felde der Ehre gefallen.
Die auf Grund der vorsichtigen Statistik von Segall-Silbergleit angenommene Zahl von 12.000 jüdischen Gefallenen dürfte nach der Liste des 'Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten" wahrscheinlich beträchtlich überschritten werden. Jedenfalls ist die Mindestzahl 12.000 als sicher anzunehmen. Unter den mit der amtlichen Verlustlistennummer ermittelten Gefallenen befinden sich die genauen Angaben von 270 gefallenen jüdischen Offizieren. Diese Zahl erhöht sich unter Berücksichtigung der Gesamtziffer von 12.000 auf 322. Dazu kommen 185 gefallene jüdische Sanitätsoffiziere.
Zahlen einzelner Länder und Städte:
a) Württemberg 270 Gefallene
Bayern 1080 '
Hamburg 457 '
jüd. Bewohner Gefallene
b) Dortmund 3000 76 (2,5%)
Hannover 4500 89 (2%)
Bielefeld 847 26 (3,3%)
Bremen 1300 28 (2,2%)
Erfurt 797 30 (3,7)
Mühlhausen 168 8 (4,8%)
Quedlinburg 88 4 (4,5%)
(Literatur zum diesem Thema, z.B. - 1) Die Jüdischen Gefallenen des Deutschen Heeres, der Deutschen Marine und der Deutschen Schutztruppen' '1914 - 1918 EIN GEDENKBUCH' (431 Seiten), 1933 (dritte Auflage);herausgegeben vom Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten.
Namenslisten (sortiert nach Namen, Herkunftsort...) beinhaltet ca. 12.000 Namen...
2) 'Deutsche Jüdische Soldaten 1914 - 1945' herausgegeben von Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Verlag E.S. Mittler & Sohn - 1983; ldn-knigi)
c) Aber wer ein waschechter Antisemit ist, schert sich den Teufel um die Statistik. So hat bald nach dem Kriege der Herausgeber der antisemitischen Münchner Wochenschrift 'Auf gut deutsch", Dietrich Eckart, einen Preis von 1000 Mark für den Nachweis ausgesetzt, daß eine jüdische Familie während des Krieges drei Wochen lang auch nur drei Söhne im Schützengraben gehabt habe. Rabbiner Dr. Freund (Hannover) legte daraufhin dem Preissausschreiber eine Liste von zwanzig Familien seiner Gemeinde vor, auf die diese Voraussetzung zutraf.
Da der Aussetzer des Preises den Nachweis nicht anerkennen wollte, erhob der Rabbiner Klage beim Landesgericht München auf Zahlung des ausgesetzten Prei-ses. Nach Durchführung des Beweisverfahrens, in dem {175} der Kläger ein Verzeichnis von weiteren fünfzig jüdi-schen Familien aus anderen Gemeinden vorlegte, die bis sieben und acht Söhne im Felde hatten und von denen einige den Verlust dreier Söhne zu beklagen haben, er-kannte der Beklagte den erbrachten Nachweis an und zahlte an den Kläger den ausgesetzten Preis von 1000 Mark, der für gemeinnützige Zwecke verwendet wurde.
Auch die einzelnen Leistungen der Juden im Kriege stehen nicht hinter denen ihrer christlichen Mitbürger zurück.
Etwa 35.000 jüdische Soldaten wurden dekoriert, etwa 23.000 befördert und über 2000 zu Offizieren ernannt. (die Sanitätsoffiziere nicht mitgerechnet). Die hohe Zahl der zu Offizieren Beförderten ist deshalb bemerkenswert, weil aus ihr die Zahl der Feldtüchtigen hervor-geht; vor dem Kriege gab es keine jüdischen Offiziere (außer in Bayern)!.
Ein antisemitischer Abgeordneter stellte 1918 im Reichstag unter dem Beifall seiner Gesinnungsgenossen folgende Anfrage:
'Haben Sie schon einmal einen jüdischen Flieger gesehen?"
Diese Frage konnte durch eine genaue Liste mit den Lebensbeschreibungen von über 125 jüdischen Fliegern beantwortet werden (die später noch um weitere 40 er-gänzt wurde). Es handelt sich hier natürlich um Flieger, die über dem Feinde geflogen sind. 30 jüdische Kriegs-flieger sind gefallen, darunter Wilhelm Frankl (Pour le mérite, Eisernes Kreuz I. Kl.) und Leutnant Weil (viel-fach ausgezeichnet).
Infolge einer Komplikation nach schweren Wunden, die ihm im Weltkrieg zugefügt wurden, starb in Breslau der Goldarbeiter und Lehrer in einer Fachschule Josef Cypes. Er war Jude und der jüngste deutsche Kriegs-freiwillige im Weltkrieg. In Konstantinopel, wo er lebte, meldete er sich als Dreizehnjähriger im vierten Kriegs-jahr freiwillig in das deutsche Heer. Bald danach kam er an die Front, wo er schwere Verwundungen erlitt, {176} daß ihm beide Beine amputiert werden mußten. Für sein tapferes Verhalten vor dem Feinde erhielt Cypes, der damals noch ein Kind war, eine Reihe von Kriegsdekorationen und Auszeichnungen. Nach Beendigung Krieges kam er als hundertprozentiger Invalide nach Deutschland. Er kam zu einem Goldarbeiter in die Lehre und wurde bald Meister in seinem Fach.
Obendrein übernahm er die Stelle eines Lehrers in einer Breslauer Hochschule. Cypes beschäftigte sich in freien Stunden mit der Kunstgeschichte und sollte die Leitung eines kunsthistorischen Museums übernehmen. Seine Schüler vergötterten ihn, aber auch in der breiten Öffentlichkeit erfreute er sich größten Ansehens. Wie für alle deutschen Juden war der Hitler-Umsturz auch für Josef Cypes ein Schlag. Auch diesen Helden, der sich als Knabe freiwillig in den Krieg meldete, wollte der herrschende Kurs von seiner Stelle entfernen.
Dies gelang jedoch nicht, denn auch die nationalsozialistischen Schüler Cypes wollten nicht gegen ihren Lehrer, um den eine Gloriole des Heldentums schien, auftreten. Der Vorsitzende des Breslauer Stadtrates versuchte, die Richtigkeit seiner militärischen Dokumente anzuzweifeln, doch auch das mißlang. Der Breslauer Magistrat begnügte sich mit der Verkleinerung der Lehrstundenzahl Cypes. Vor einigen Monaten mußte sich Cypes einer neuen Operation unterziehen, die im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Amputation seiner Beine stand und starb während der Operation infolge eines Blutsturzes!.
Der 'Schild", das offizielle, in Berlin erscheinende Organ des 'Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten" brachte aus Anlaß des 20. Jahrestages des Ausbruches des Weltkrieges eine Sondernummer heraus, in der unter anderem ausgeführt wird:
'Der jüngste, in Deutschland geborene Freiwillige in der deutschen Armee während des I Weltkrieges war ein Jude namens Scheyer aus Königsberg, der am 26. August 1914 im Alter von 14 Jahren 11 Monaten ins Feld zog.
{177} Und der älteste Freiwillige unter den neuen Leutnants war unser jüdischer Kamerad Adolf Stern, der mit 63 Jahren zu den Fahnen eilte. Genannt sei auch Max Meltzer, der als gemeiner Soldat mit 70 Jahren, zu-sammen mit seinem 44jährigen Sohn Siegmund, sich an-werben ließ.
Die jüdische Witwe Feilbusch hatte am 20. August 1914 ihre acht Söhne im Feld; auch ihre einzige Tochter tat Kriegsdienst. Eine andere jüdische Mutter, die acht Söhne im Feld hatte, war Frau Guttmann aus Szillen in Preußen.
Frau Baum, eine Jüdin, hatte während des Krieges zehn verheiratete Söhne im Felde. Die jüdische Witwe Lobenhardt hatte neun Söhne an der Front, die alle mehrmals verwundet wurden. Die Witwe Jacobus in Zempelburg hatte acht Söhne im Felde. Am Tage des Kriegsausbruches stellten sich 30 jü-dische Pflegerinnen sofort freiwillig in den Dienst an der Front, und am 16. August nahm das Kriegsministerium ihr Angebot an und erließ an sie die Order, sich zum Antritt zu melden.
Unmittelbar nach Kriegsausbruch brachten die Juden Deutschlands unter sich einen Fonds auf und stifteten einen Hospitalzug mit einem Kostenaufwand von 130.000 Mark. Bis l. November 1918 hatten sich 6000 Juden als Freiwillige gemeldet.
Die erste von einer deutschen Armee während des Krieges erbeutete Fahne wurde von einem Juden namens Fischel erbeutet.
In der deutschen Armee dienten 96.000 jüdische Sol-daten, 12.000 Juden fielen."
Aber die Nationalsozialisten nennen die Juden 'Ver-räter", 'Parasiten", 'Fremdkörper" und 'Feinde Deutsch-lands".
* * *
In Österreich-Ungarn haben die Juden nicht nur an den Kampfhandlungen, sondern auch in hervorragendem Maße an der Kriegsfürsorge und an den Zeichnungen der Kriegsanleihe teilgenommen. Kaiser Franz Josef und {178} nachihm Kaiser Karl haben den Juden bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Dank für ihr Verhalten ausgesprochen.
Auch die Heeresleitung sowie die höheren Kommandos gaben wiederholt ihrer Anerkennung für die Leistungen der Juden im Feld und im Hinterland Ausdruck. Freilich setzte während des Krieges auch hier gegen die Juden eine Hetze ein, die aber von der Regierung keineswegs gefördert wurde. Bezeichnend für das Vertrauen der maßgebenden Kreise zu den Juden ist folgender Vorfall: Ein Mitglied der kaiserlichen Familie kam in den ersten Kriegswochen in eine kleine galizische Stadt und erkundigte sich, ob im Ort ein Hotel vorhanden sei, wo man gut untergebracht wäre.
Dem Erzher-zog wurde erwidert, daß es in dem Städtchen zwei Hotels gebe, ein jüdisches und ein kleinrussisches, wobei das jüdische nicht erstklassig sei. Darauf der Erzherzog: 'Trotzdem wähle ich lieber das jüdische, wo ich wenigstens sicher aufgehoben sein werde."
Ähnliche Äußerungen fielen auch seitens höherer Generäle und Kommandanten. Trotzdem hat man gegen die galizischen Juden die lächerliche Beschuldigung erhoben, daß sie für Rußland Spionagedienste leisten. Natürlich nahm man diese Verleumdungen nicht ernst.
Durch den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie ist es unmöglich geworden, den Anteil der Juden Österreich-Ungarns an dem Kriege festzustellen. Tatsache ist aber, daß der Prozentsatz der jüdischen Kriegsteilnehmer in Österreich-Ungarn nach keiner Richtung hin geringer war als ihr prozentuales Verhältnis zur Gesamtbevölkerung.
Die 50 Millionen Bürger der Mon-archie stellten etwa 9 Millionen Soldaten für Heer und Marine, das heißt etwa 18%. Da die Juden in Österreich-Ungarn etwa 5% der Gesamtbevölkerung bildeten, so hätte die Zahl der jüdischen Kriegsteilnehmer 400.000 betragen sollen.
In Wirklichkeit war sie jedoch wesentlich höher. Man schätzt den quotenmäßigen Anteil der Juden an dem Kriege deshalb höher ein, weil infolge der un-zähligen und gehässigen Denunziationen der Antisemiten {179} gegen die Juden wegen angeblicher Drückebergerei, Musterungskommissionen sich veranlaßt sahen, unter den Juden mehr geeignete zu finden, als der Wirklichkeit entsprach.
In der Tat konnte man auch während des Krieges sehen, daß Juden an die Front geschickt wur-den, die schwächlicher Konstitution waren. In der Etappe und in der Bewachungsmannschaft der Gefangenenlager konnte man Juden sehen, die eher in das Spital, als in eine militärische Formation gehörten.
Eine oberflächliche Zusammenstellung bis anfangs 1917 zählte nicht weniger als 474 gefallene jüdische Offiziere. Dekoriert wurden bis dahin mit dem Leopoldsorden 2, mit dem Orden der Eisernen Krone I. Klasse 12,
II. Klasse 8, dem Franz-Josef-Orden 183, dem Signum Laudis 307, dem Militär-verdienstkreuz III. Klasse 225, dem Eisernen Kreuz I. Klasse 4,
II. Klasse 2000, dem goldenen Verdienstkreuz 345, dem silbernen Verdienstkreuz 729 Juden.
Aus diesen Ziffern kann man hinreichend auf den Prozentsatz der jüdischen Kriegsteilnehmer und ihre Leistungen schließen. Diese Leistungen wurden bei verschiedenen Gelegenheiten rühmend anerkannt. So äußerte sich General v. Dankl in Zuschriften an jüdische Soldaten:
'Sie haben sich im Gefechte bei Piotrkow am 29. August sehr mutig benommen und der Mannschaft ein gutes Beispiel gegeben. Ich spreche Ihnen hiermit die Belobung im Namen des Allerhöchsten Dienstes aus."
'Sie haben in den Gefechten südlich Plock am 3., 4. und 5. September großen Mut und Tatkraft gezeigt und durch Ihr persönliches Beispiel die Mannschaft ange-eifert. Ich belobe Sie hiefür im Namen des Allerhöchsten Dienstes."
Vom 2. Korpskommando erhielt der Motorfahrer Ru-dolf Löwenstein folgendes Dekret:
'Anläßlich Ihres Abgehens zum 1. Armee-Etappen-kommando spreche ich Ihnen für Ihre mehr als zwei-monatige Dienstleistung als fahrender Ordonnanzoffizier des Korpskommandos, in welcher Eigenschaft Sie bei Überbringung von Befehlen und Meldungen sowie Rekognoszierungen {180} vor dem Feinde sich wiederholt herzhaft und mutig benahmen, im Namen des Allerhöchsten Dienstes die belobende Anerkennung des Korpskommandos aus. Kirchbach."
Vom Major Jambor, königl. ungar. Landsturmregiment 14, erhielt der Bruder des Herrn Geza Kramer aus Nytra ein Schreiben, worin folgende Sätze vorkommen:
'Ihr Bruder, Leutnant Geza Kramer, ist am 7. September, abends 8 Uhr, gefallen. Sein heldenhafter Tod folgte während der eifrigen Erfüllung seiner Pflicht als Kompaniekommandant. Seine Mannschaft trug die Leiche in eine bei Godow gelegene Scheune. Beim Rückzug der Kompagnie blieb die Leiche zurück. Der Feind hat am 8., vormittags 10 Uhr, mit Schrapnells die Scheune und auch das in Frage stehende Gebäude in Brand gesteckt. Es diene der sehr verehrten Familie zum Troste, daß sich der Gefallene in jeder Schlacht als wahrer Held benommen hat, mit unerschütterlicher Ausdauer mutig kämpfte. Jedem Kommandanten diene er in bezug auf Pflichtbewußtsein als würdiges, nachahmungswertes Vorbild."
Der 'Bund jüdischer Frontsoldaten" hat sich im Jahre 1934 an die Generale der alten Armee mit der Bitte gewendet, sich über das Verhalten der jüdischen Soldaten und Offiziere im Weltkrieg zu äußern. Diese Äußerungen bringe ich hier auszugsweise:
Generaloberst Arz: 'Gerne komme ich dem Wunsche nach, mich über die Erfahrungen mit jüdischen Offizieren und Soldaten in der Kampffront auszusprechen. Es ereicht mir zur Genugtuung, feststellen zu können, daß dieselben ihre Pflicht voll erfüllt haben; in einwandfreier Haltung kämpften auch diese mit hingebungsvoller Tapferkeit."
Generalmajor Ernst Doming: 'Als wahrer Christ hatte ich stets ehrliche Sympathie für meine jüdischen Mitbürger und unter ihnen gute Freunde. Und im Weltkrieg lernte ich die Juden als ebenso brave, tüchtige und tapfere Soldaten kennen, wie es alle anderen waren...{181} Im ungarischen Budapester Landsturminfanterieregiment Nr. 30, dessen Kommandant ich von 1915 bis 1917 war, hatte ich ziemlich viele Offiziere und Soldaten jüdischer Konfession unter mir, und über diese kann ich mich nur sehr lobend, wie schon eingangs erwähnt, äußern. Sie standen in nichts den christlichen Offizieren und Sol-daten nach. In dem Abschnitt der Zugna Torta (bei Rovereto in Südtirol) mußten wir viele Gefangene ma-chen, um von ihnen Nachrichten über Truppenbewegun-gen, Angriffspläne u. dgl. zu erhalten. Zu diesem Zwecke schickte ich starke Patrouillen aus, die die italienischen Feldwachen oder kleine italienische Frontstücke zu über-fallen hatten. Zu diesen Patrouillen wurden in erster Linie sich freiwillig meldende Kommandanten und Leute genommen. Darunter befand sich nun stets ein jüdischer Gefreiter, ich glaube, er hieß Goldstein; er wurde mehr-mals verwundet und erhielt für seine außerordentliche Tapferkeit die Große Silberne Tapferkeitsmedaille. Ein Fall von zahlreichen."
Generalmajor Ing. G. Glässer Edler v. Järten: 'Bezüg-lich meiner Erfahrungen mit jüdischen Offizieren und Sol-daten in der Kampffront kann ich nur meiner Überzeu-gung Ausdruck verleihen, daß ich während meiner ganzen Frontdienstleistung keinerlei Unterschied zwischen die-sen und unseren anderen Kämpfern gemerkt habe. Die-jenigen, von denen ich vermuten konnte, sie wären jüdi-scher Abstammung oder jüdischen Glaubensbekenntnis-ses - ich habe mich darum niemals gekümmert, son-dern stets nur die Individualität geschätzt und berück-sichtigt, haben mich niemals enttäuscht; sie haben sich immer durch hohes Pflichtgefühl und Selbstaufopferung ausgezeichnet. Heute, so viele Jahre nach dem Kriege, fällt es meinem Gedächtnis schwer, die Namen der bei meinen zahlreichen, abwechslungsreichen Verwendungen im Krieg unter mir gedienten Soldaten und Offiziere wiederzufinden. Zwei Offiziere bleiben mir speziell un-vergeßlich: der äußerst schneidige, tapfere und sehr pflichteifrige Leutnant oder Oberleutnant Baum in der {182} Dolomitenfront (Col-di-Lana-Abschnitt) und ein Herr der Türk. Haubitz-Dion, dessen Name mir leider nicht erhalten geblieben ist."
General Ing. Bertold Keppelmüller: 'Ich habe im Sommer 1916 als Kommandant einer Kaschauer Feldkanonenbatterie auf dem russischen Kriegsschauplatz drei jüdische Reserveoffiziere (bzw. Kadetten) ungarischer Zunge unter mir gehabt: Eilinger, Weiß und Biro. Eilinger hat mir mehrmals in schwierigen Lagen dadurch vorzügliche Dienste geleistet, daß er durch seine unerschütterliche Ruhe, gepaart mit würzigem Humor, in ganz ausgezeichneter Art auf die Mannschaft Einfluß zu nehmen verstand. - Weiß (ich glaube ein Verwandter des bekannten Großindustriellen Manfred Weiß) verbrachte mit mir u. a. einmal mehrere Stunden in einer ganz verdammt bösen Lage am Waldrand bei Zwyzyn. Wir wurden unaufhörlich von Infanterie aus nächster Nähe beschossen, ebenso von russischer, aber auch eigener Artillerie, und entgingen dieser Lage erst durch den unvermuteten Vorstoß eines eigenen Reservebataillons in unserem Gefechtsabschnitt. Während dieser harten Stunden zeigte Weiß keinen Augenblick ein Wanken, kroch immer wieder zum Feldtelephon, bis dieses durch einen Treffer zerstört war. - Biro ist bei seinem Aufklärungsdienst im vordersten Infanteriegraben östlich Zloczow gefallen."
General Hermann Loy von Sternschwerdt: 'Über meine Erfahrungen aus dem Weltkrieg kann ich nur sagen, daß ich besonders in dem Infanterieregiment Clerfayt Nr. 9 sowohl Offiziere als Mannschaften jüdi-schen Stammes angetroffen, kennen- und schätzengelernt habe, die zu den tapfersten und besten Soldaten und Kämpfern gezählt werden müssen.
Unter meinem Kommando stehend, kann ich den Leut-nant Emmerich Hornig anführen, Infanterieregiment Nr. 9. Vom Infanterieregiment Kaiser Nr. 1 ist
Dr. Leopold Gellner, Rechtsanwalt in Wien, durch seine beson-ders lange Frontdienstzeit hervorzuheben. Andere Angaben {183} kann ich aus Mangel an Namen momentan nicht machen."
General Julius Kreischer: 'Ich weiß nur, daß der Hauptmann des Sappeurbaons Nr. 2 (Kiems a. d D.), Ritter von Eiss, als Held vor dem Feinde geblieben ist, daß ein Leutnant i. R. des Komorner Sappeurbaons die goldene Tapferkeitsmedaille besaß, Sternheim oder Stern-feld mit Namen, und daß der Major Karl Neustadtl, ehe-maliger Pionier, an einer Krankheit gestorben ist, die er sich im Felde zugezogen hat."
General Karl Kikovszky: 'Über die Erfahrungen mit jüdischen Offizieren und Soldaten in der Kampffront bin ich in der angenehmen Lage, Ihnen mitzuteilen, daß ich ein allgemeines Minderwertigkeitsurteil über das Ver-halten des jüdischen Elements an der Kampffront als eine Ungerechtigkeit empfinden würde. Ich habe wäh-rend des Krieges fünf verschiedensprachige und konfes-sionell verschieden zusammengesetzte Artilleriebrigaden unter meinem Kommando gehabt und dabei gesehen, daß sich die jüdischen Offiziere und Frontsoldaten genau so tapfer und pflichtgetreu verhielten wie alle anderen. Eines möchte ich jedoch besonders hervorheben, daß sich das jüdische Element als vaterlandstreu erwiesen hat."
General Julius Hoppe: 'Wahrheitsgetreu und pflicht-gemäß sage ich, daß in der Friedenszeit Offiziere jüdi-schen Glaubensbekenntnisses stets zu den beliebtesten Kameraden gehörten - während des Krieges jüdische Offiziere und Soldaten schon in den ersten Monaten für hervorragende Tapferkeit das Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration und Tapferkeitsmedaillen erwarben und bis zuletzt treu ihre Soldatenpflicht erfüllten. In den Kriegsgefangenenlagern Sibiriens und nach dem Zusammenbruch in England zeichneten sich jüdische Offi-ziere und Soldaten durch ihr Wohlverhalten, ihre Diszi-plin und die Anhänglichkeit an ihre Höheren aus. Un-seren jüdischen Militärärzten wäre für ihre Selbstauf-opferung ein besonderes Ehrenblatt zu widmen!" {184}
Feldmarschalleutnant Rich. Ritter v. Gruber: 'Während meiner ganzen Dienstzeit habe ich meine Untergebenen nach ihren Leistungen beurteilt und nie nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt. Ich kann daher keine bestimmten Angaben über meine Erfahrungen mit jüdischen Offizieren und Soldaten machen, obwohl es deren in den galizischen Regimentern Nr. 30 und 80, die mir als Brigadier und später als Divisionär unterstanden, gewiß viele gegeben hat. - Ich kann nur feststellen, daß keiner der Kommandanten dieser braven Regimenter je Klage darüber geführt hat, daß seine jüdischen Offiziere und Soldaten ihren anderen Regimentskameraden an Verläßlichkeit, Tüchtigkeit und Tapferkeit irgendwie nachgestanden wären. Zwei Offiziere muß ich jedoch besonders hervorheben: Der eine war mein Jahrgangskamerad und lieber, hoch-geschätzter Freund, Oberst Husserl, der sich so-wohl als Regimentskommandeur vor dem Feinde als auch vor dem Krieg als Generalstabsoffizier und nach dem Krieg als fachmännischer Berater des englischen Militärattaches in Prag hervorragend ausgezeichnet hat. Ihn deckt leider schon der grüne Rasen. Der zweite war mein Generalstabschef bei der 9. ITD., Major des Gene-ralstabes Krömer, der mir während zweier Isonzo-schlachten als umsichtiger, tatkräftiger und schneidiger Berater treu zur Seite gestanden ist."
Feldmarschalleutnant E. Lüftner Edler v. Krinnerstorff:
'Bezüglich meiner Erfahrungen mit jüdischen Offizieren und Soldaten in der Kampffront will ich sehr gerne nachstehendes mitteilen: Ich bin als Kommandant des Infanterieregiments Nr. 81 ins Feld gerückt. Der erste, den ich für die Beteilung mit der goldenen Tapferkeitsmedaille in Vorschlag brachte, war der jüdische Fähn-rich Dr. jur. Breth, Mittelschulprofessor in Iglau, Sohn eines Kaufmanns daselbst. Während des Gefechtes von Zamasc (Teilgefecht der Schlacht von Komarow) am 30. August 1914 hat die Kompagnie, bei welcher er ein-geteilt war, aus eigener Initiative des Hauptmanns, isoliert {185} einen Vorstoß aus der allgemeinen Gefechtslinie ge-macht und wurde vom Gegner mit dem heftigsten Ge-wehr- und Maschinengewehrfeuer überschüttet. Die Kompagnie flüchtete wieder zurück.
Alle Offiziere waren teils gefallen, teils verwundet. Da sprang Fähnrich Breth vor die zurückflutende Mannschaft der Kompagnie. Mit gezogenem Säbel und vorgestreckter Pistole brachte er es dahin, daß die stark dezimierte Kompagnie in der all-gemeinen Gefechtslinie haltmachte und Front gegen den Feind nahm. Alles dies geschah im heftigsten feindlichen Verfolgungsfeuer. Ich war Augenzeuge dieses heroischen Verhaltens Breths und habe ihn für die goldene Tapfer-keitsmedaille eingegeben. Zu Beginn des Krieges wurde diese Auszeichnung nur sehr spärlich verliehen. Fähn-rich Breth erhielt die große silberne Tapferkeitsmedaille (I. Klasse) und wurde außertourlich zum Leutnant be-fördert. Im weiteren Verlauf des Krieges hat er auf dem galizischen Kriegsschauplatz den Heldentod gefunden."
Feldmarschalleutnant Rudolf Pfeffer: 'Selbst nicht Jude, bestätige ich dem Bunde um so bereitwilliger, daß ich während meiner ganzen Kriegsdienstleistung als Armeegeneralstabschef, Brigadier und Divisionär in kei-nem einzigen Falle die Erfahrung machte, daß jüdische Offiziere und Soldaten der Kampffront den übrigen in voller Hingabe an ihre Eidespflicht nachgestanden sind. Einer meiner Ordonnanzoffiziere, Oberleutnant i. d. Res. Otto Strakosch, war durch zwei Jahre mein ständiger Begleiter in allen Kämpfen der Jahre 1916, 1917 und 1918 und hat sich hierbei als hervorragend tapferer und kaltblütiger Offizier bewährt."
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Wer diese Antworten hervorragender Offiziere der alten österreichisch-ungarischen Armee liest, der muß darüber staunen, daß Elemente, die sicher selbst ferne vom Schusse standen, es wagen, die Juden als Feiglinge und Drückeberger hinzustellen. Und gerade in {186} Österreich werden noch heute solche Verleumdungen gegen die Juden verbreitet. Angesichts dieser Äußerungen einwandfreier Fachkundiger ist es die Pflicht aller anständiger Menschen, sich gegen die Verunglimpfungen der Ehre der jüdischen Soldaten aufzubäumen.
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Die Juden Amerikas haben während des Krieges Hervorragendes für ihr Vaterland geleistet. Es ist sehr schwer, die genaue Anzahl der jüdisch-amerikanischen Kriegsteilnehmer festzustellen. 150.000 wurden festgestellt; es waren aber sicher mehr. New York allein stellte über 50.000 jüdische Soldaten. Ernste Schriftsteller geben die Zahl der amerikanischen Kriegsteilnehmer jüdischen Glaubens mit 250.000, das ist fast 7% der gesamten Judenschaft der Vereinigten Staaten, die damals ungefähr 3.000.000 Männer zählte, an.
Da die jüdische Bevölkerung 3% der amerikanischen Gesamtbevölkerung ausmacht, 6-7% der Juden aber im Militärdienst standen, läßt sich daraus schließen, daß die amerikanische Juden-schaft fast doppelt so viele Kriegsteilnehmer zählte, als ihrem Verhältnis zur Gesamtbevölkerung entspricht. Die Hauptursache dieses hohen Prozentsatzes liegt in der großen Zahl der jüdischen Freiwilligen, die 20% der gesamten Juden in der Armee ausmachen dürfte. 67% der jüdischen Soldaten standen in der Feuerlinie.
Die Beweise für die jüdische Tapferkeit auf dem Schlachtfelde sind außerordentlich eindrucksvoll. Der nichtjüdische Kapitän Henry Gen sagte wörtlich: 'Ungefähr 40% meiner Division waren Juden, und wie haben sie gekämpft! Sie bemühten ihren scharfen, jüdischen Verstand für den Kampf. Sie suchten eine verborgene deutsche Batterie so lange und so hartnäckig, bis sie sie fanden." Ähnlich lautete das Zeugnis des Obersten Whittley, der selbst unsterblichen Ruhm für sich gewann. Er sagte: 'Wir haben Gelegenheit gehabt, {187} viele jüdische Soldaten kennenzulernen und urteilen über sie mit der größten Bewunderung. Einige ihrer Helden-taten sind meinem Gedächtnis unauslöschlich einge-prägt."
Einige Juden haben die höchste Auszeichnung der Vereinigten Staaten erhalten. Einer von diesen - William Stavelson - wurde getötet, als er einem Kamera-den Wasser brachte. Dieser Liebesdienst wird sehr oft von den Offizieren erzählt. Sie behaupten, daß diese höchste Tugend der Selbstaufopferung für die jüdischen Soldaten besonders bezeichnend war.
Aus der Statistik ersehen wir, daß aus 200 Fällen, die die militärischen Kommandanten besonders erwähnten, folgendes hervorgeht:
52 von diesen 200 jüdisch-amerikanischen Soldaten waren Soldaten, die wegen beharrlicher Hingabe an die Pflicht und wegen Beharrlichkeit in Ausführung einer Aufgabe trotz Gefahren und über die Pflicht hinaus, ferner wegen ihrer Weigerung, trotz ihrer Verwundung das Feld zu verlassen, erwähnt wurden. 64 Juden wur-den erwähnt, weil sie ihr eigenes Leben gewagt haben, um Verwundete zu retten, indem sie den Unterstand ver-ließen und sich in die Feuerlinie begaben, um Verwun-deten Hilfe zu leisten. Viele von ihnen wiesen die ärzt-liche Hilfe, bevor nicht die anderen Verwundeten be-handelt wurden, zurück, 37 von den 200 Soldaten wur-den erwähnt, weil sie sich freiwillig für Patrouillen-Dienste anboten, obwohl andere Kameraden bereits er-schossen wurden und dieser Dienst beinahe den sicheren Tod bedeutete.
Die Ausführung dieser Mission hat oft die Situation gerettet. Von den 200 Soldaten wurden acht Juden wegen Kaltblütigkeit im Kampfe und unter anderen gefährlichen Umständen, wegen Geistesgegen-wart in kritischen Augenblicken, wodurch eine Gefahr abgewendet wurde, erwähnt. 24 von den 200 Soldaten wurden wegen Intelligenz beim Gefecht, Findigkeit, ge-sundem Urteil und Verstand, Initiative und Übernahme der Verantwortlichkeit in kritischen Augenblicken, wegen {188} Tüchtigkeit im Plan und der Ausführung wichtiger Aufgaben erwähnt.
Die Gesamtzahl der amerikanischen Juden, die den Heldentod erlitten, wird auf 3500, also ungefähr auf 5% der Gesamtzahl der Verluste Amerikas, geschätzt. Verwundete zählte man etwa 2000.
Der Jude Josef Trumpeldor wurde vor 55 Jahren in einer kaukasischen Ortschaft geboren. Vor 15 Jahren starb er - von einer arabischen Kugel getroffen - in palästinensischen Kolonie Tel-Chaj. Dazwischen lag ein heroisches Leben.
(Tel-Chai- war und ist eine jüdische landwirtschaftliche Siedlung, über J. Trumpeldor siehe z.B.: Zwi Kanner 'Josef Trumpeldor - ein jüdischer Held' Wien - 1936;
Joseph Trumpeldor 'Tagebücher und Briefe' Übersetzt aus dem russ., Jüdischer Verlag, Berlin, 1925; ldn-knigi)
Als der russisch-japanische Krieg ausbrach, mußte Trumpeldor in die russisch-zaristische Armee einrücken, und zwar als einfacher Soldat. Er blieb lange Zeit ein 'Gemeiner", obwohl er viele Beweise des tapferen Verhaltens vor dem Feinde geliefert hat. In der zaristischen Armee konnte ein Jude eben nicht so leicht avancieren, und Offizier zu werden war für ihn geradezu ein Ding der Unmöglichkeit.
Aber Trumpeldor ist es gelungen, diese judenfeindliche 'Tradition" zu brechen. Er hat die Fahne seines Regiments den Händen der Japaner entrissen; er hat einen schwerverwundeten jüdisch-orthodoxen Militärseelsorger aus dem Todesgebiet des Trommelfeuers in Sicherheit gebracht; unzählige Male hat er sich während der Belagerung von Port-Arthur ausgezeichnet, bis er schließlich eines Tages eine schwere Verletzung davon-trug. Der rechte Arm mußte ihm amputiert werden ... (Fehler, es war der linke Arm!, siehe o.g. Bücher und Fotos, ldn-knigi)
Wenn man keinen rechten Arm hat, kann man kein Gewehr halten. Dies war Trumpeldors größter Kummer. Als Schwerinvalider konnte er in die Etappe, ja sogar ins Hinterland zurück, aber er wollte an der Front bleiben, er wollte weiterkämpfen. Mag auch das zaristische Rußland seine Juden nicht gerade edel und christlich behandelt haben, Trumpeldor wußte nur eines: Er ist {189}
Soldat und sein Land führt einen Krieg. Da mußte er unter den Kämpfenden der ersten Reihe sein, trotzdem er einen Arm verloren hatte.
Das Heereskommando sah sich in Anbetracht der Heldentaten Trumpeldors genötigt, ihn zum Offizier zu ernennen. Er konnte ein Gewehr nicht mehr bedienen. Er bekam eine Pistole und eine Säbel und durfte als Leutnant weiter an der Front bleiben - er, Josef Trumpeldor, der erste jüdische Offizier der alten russi-schen Armee. Nachher geriet er in japanische Gefangen-schaft und als er nach Beendigung des Krieges nach Rußland zurückkehrte, wurde er mit den größten Orden und Verdienstkreuzen ausgezeichnet.
Denn so weit ging der Judenhaß des Zarismus nicht, daß er eine hundertprozentige Aufopferung auch bei einem Juden nicht entsprechend gewürdigt hätte. Eine gegenteilige Behandlung jüdischer Patrioten blieb den 'Erneuerern" Deutschlands vorbehalten.
Nach dem Weltkrieg ging Trumpeldor nach Palästina.
Als einfacher Albeiter, als Pionier, als einer von den vielen Tausenden junger Juden, die ihr uraltes, vernach-lässigtes, verödetes Heimatland erschließen und zu neuem, blühendem Leben erwecken wollen. Der heute in der jüdischen, aber auch in der sonstigen Welt bekannte Begriff 'Chaluz" (Pionier) verdankt seine Entstehung Josef Trumpeldor.
(Bewegung 'Hechaluz' - zionistische Pionierbewegung, ldn-knigi)
Denn er hat diese Pionierbewegung in Rußland geschaffen. Sie wurde dann zu einer Welt-bewegung. Aber er, der Held von Port Arthur, war nicht nur ein Rufer und ein Organisator - er war es immer gewöhnt, vorauszugehen, an der Front zu stellen, er war immer ein Mann der Tat. So wurde er - der Ein-armige - in Palästina zu einem einfachen Landarbeiter in der nördlichsten Kolonie dieses Landes, Tel-Chaj. Eine zweite heroische Periode begann nun im Leben Trumpeldors. Es war Heroismus anderer Art. Es galt nicht, ihn auf den Schlachtfeldern, sondern im grauen Alltag zu beweisen. Es war nicht mehr das Heldentum der Lebensverachtung im feindlichen Kugelregen, es war {190}
das Heldentum eines täglichen Ringens, einer schweren Arbeit - auf dem Boden der Väter - für die kommenden Geschlechter.
Doch es war Trumpeldor nicht gegeben, sein Leben in Ruhe und Arbeit zu beschließen. Noch einmal mußte er zur Waffe greifen. Doch diesmal zahlte er nicht mit einem Arm, diesmal zahlte er mit seinem Leben.
Im Jahre 1920 erhob sich der arabische Kriegerstamm der Drusen gegen die französische Herrschaft in Syrien und im Libanon. Damals befand sich auch der nördlichste Teil Palästinas - Obergaliläa - vorübergehend unter französischer Okkupation. So wurde auch die in diesem Teile des Landes gelegene jüdische Kolonie Tel-Chaj in die Wirren hineingezogen. In ihrem Europäer haß machten die revoltierenden Araber keinen Unter-schied zwischen den französischen Soldaten und friedlichen jüdischen Arbeitern.
Eines Tages stand ein Trupp von mehr als 3000 drusischen Beduinen vor Tel-Chaj. Die Tore der Kolonie wurden geschlossen - Tel-Chaj ist wie ein Fort gebaut - und die Belagerungskämpfe begannen.
Drei Tage und drei Nächte lang wehrte eine landvoll jüdischer Arbeiter und Arbeiterinnen - auch Frauen nahmen aktiv am Kampfe teil - die hundertfache Übermacht der Angreifer erfolgreich ab. Der Kommandant war Josef Trumpeldor. Nur dank seiner militärischen Fähigkeiten und seinem beispiellosen Mut konnte sich die kleine Kolonie so lange halten. Am vier-ten Tage sandten die Drusen einen Parlamentär, der folgende Botschaft überbrachte: Die belagernden Araber werden abziehen unter der Bedingung, daß man ihnen Vorher erlaubt, die Kolonie nach französischen Offizieren zu durchsuchen. Trumpeldor wußte, daß es in Tel-Chaj nur jüdische Arbeiter gab und vertraute auf das Wort der Feinde. Er ließ die Tore der Kolonie öffnen. Kaum war aber ein Trupp von Arabern in Tel-Chaj eingedrungen, begannen sie wild um sich zu schießen. Zu spät erkannte Trumpeldor, daß er und die Seinen Opfer einer schändlichen List geworden waren. Schon gab es Tote {191} unter den Juden - als erste fiel eine Frau, Chana Czizik (Deborah Drachler und Sarah Tschischik, ldn-knigi) - da beschloß er, bis zum letzten Blutstropfen zu kämp-fen und sein Leben teuer zu verkaufen. Mit der linken Hand (rechten!) unausgesetzt schießend, gelang es ihm, mit seinen überlebenden Getreuen sich einen Weg durch die schwer-bewaffnete, doch erschreckt auseinanderstiebende arabi-sche Menge zu bahnen. Es war aber zu spät. Ein furcht-barer Bauchschuß traf ihn...
(ldn-knigi - weiter aus dem Buch - Israel Zwi Kanner 'Josef Trumpeldor - ein jüdischer Held' (laut Augenzeugen- 29 Febr. 1920) Verl. Josef Belf, Wien - 1936, Auszugsweise :
'{Ab Seite 202}...Jakobson wollte ihn holen, wurde aber gleichfalls verwundet, gleich darauf bekam auch Trumpeldor eine dritte Kugel. Er krümmte sich ganz zusammen und bat, ihn ins Haus zu schaffen.
Mit großer Mühe, die ganze Zeit auf Kammel und seine Leute feuernd, gelingt es zweien von den Kameraden, Trumpeldor allmählich ins Haus zu schaffen. Dort lag er in völliger Ruhe.
Er übergab endgültig das Kommando Schneurson. Er bat, man solle ihm die Gedärme, die aus der Bauchwunde gequollen waren, wieder in den Leib hineinstopfen. Niemand wagte es zu tun. Er aber beruhigte sie und sprach: 'Es ist nichts,, wascht nur gut eure Hände, dann werde ich euch zeigen, wie man das macht." Still und ruhig sah er zu, wie man ihm seine Gedärme in den Bauch hineinsteckte und mit einem Handtuch ban-dagierte, da es keine Bandagen gab. Diese lagen in dem oberen Geschosse, in das man nicht ge-langen konnte.
Nachdem man ihn verbunden hatte, sprach er:
'Das sind meine letzten Minuten. Saget allen, daß sie auf ihren Posten stehen und die Ehre des Volkes bis zur letzten Minute verteidigen sollen."
Obwohl es mit ihm zu Ende ging, verlangte er, von allem, was vorging, unterrichtet zu wer-den. Die Hauptsache war ihm, daß die Verteidiger ihre Posten hielten...
Trumpeldor befiehlt, daß drei Leute nach Kfar Gilcadi gehen müssen, um den Arzt und einige Leute zu holen. Sofort melden sich drei frei-willig. Sie werden unter keinen Umständen um-kehren. Auf allen Vieren kriechen sie, in dunkle Kleider gehüllt, nach Kfar Gileadi. Unweit von der Kolonie begegnen sie bereits dem amerikani-schen Arzt Dr. Geri von der 'Hadassah", der, gefolgt von fünfzehn Mann, nach Tel Chaj auf-gebrochen ist.
Es bestand nur sehr geringe Hoffnung, Trum-peldor am Leben zu erhalten. Als der Arzt kam, war er sehr schwach, aber bei vollem Bewußt-sein. Er bat, seinen Verband zu richten. Er hatte zwei große Wunden im oberen Teile des Bauches und eine kleine an der rechten Hand. Der Arzt sagt, er werde ihn nach Metullah bringen, um ihn dort zu operieren. Trumpeldor bittet, es nur so rasch wie möglich zu tun.
Außer ihm sind noch fünf Verwundete vor-handen, davon zwei sehr schwer Verletzte.
Trumpeldor spricht seit einer Stunde nicht mehr. Die Kräfte lassen nach. Der Arzt wun-dert sich, daß er überhaupt noch am Leben ist.
Ein übermenschlicher Wille hält ihn am Leben.
Eine kurze Beratung.
Man beschließt, Tel Chaj zu verlassen und nach Kfar Gileadi zu gehen. Trumpeldor gibt nickend seine Zustim-mung. Morgen, mit Sonnenaufgang, werden die Araber mit frischen Kräften die Belagerung fort-setzen und es wäre unmöglich, den ungeschütz-ten und offenen Platz weiter zu halten. Tel Chaj liegt in einem Tal, so daß man leicht und ohne eigene Verluste das Häuschen von allen Seiten gleichzeitig unter Feuer halten kann. Sie be-schlossen, die Kräfte in Kfar Gileadi zu konzen-trieren und sich in der auf der Höhe des Ber-ges gelegenen Siedlung zu verschanzen.
Um den Arabern nichts in die Hände fallen zu lassen, soll Tel Chaj vernichtet werden. Sie bereiten lange Stangen zur Herstellung von Trag-bahren vor.
Zunächst hüllte man Trumpeldor und Kanewsky in Decken, legte sie auf die Bahren. Allmählich läßt die Schießerei nach, nur ver-einzelt fallen noch Schüsse.
Die Vorhut geht Schritt für Schritt, das Ge-wehr schußbereit. Sie sichert den Transport Trumpeldors. Trumpeldor liegt unbeweglich und stumm. Augen und Mund sind geschlossen. Die Kameraden geben die Hoffnung nicht auf: Viel-leicht wird es doch seiner Lebenskraft gelingen, der Gefahr zu entrinnen. Die neben der Bahre schreitenden Kameraden blicken ständig gespannt auf sein blasses Gesicht. Es ist unheimlich still. Niemand spricht. Nur manchmal hört man das heimliche metallische Klirren der Waffen und das Knirschen der Steinchen am Wege.
Eine kurze Strecke hinter Tel Chaj klagt Trum-peldor über starke Kopfschmerzen. Er öffnet die Augen und mit kaum hörbarem Geflüster ver-langt er - Wasser!
Man macht ihm einen Umschlag von kaltem Wasser. Mit zitternder Hand reicht ihm ein Ka-merad eine Feldflasche und führt sie an seinen Mund. Trumpeldor befeuchtet kaum die Lippen. Er schaut den Kameraden an. Und über sein Ge-sicht huscht ein Lächeln und, wie wenn er ihn trösten möchte, spricht er leise: 'Ejn dawar; tow lamuth bead arzenu" (Es macht nichts; es ist gut, für unser Land zu sterben, hebr.)...
Einige Minuten verstreichen. Da erfaßt der Todeskrampf seinen Körper, er wendet das Ge-sicht zur Erde, die er so über alles liebte und stirbt...
In vielen Gefahren, in Port-Arthur, in Gallipoli war er gestanden, aber das Schicksal wollte sein Leben nur als Opfer für sein Land entgegen-nehmen. Im Galil haeljon, am Fuße des Berges Hermon, zwischen den Siedlungen Tel Chaj und Kfar Gileadi, hat ein Heldenherz, noch nicht vierzig Jahre alt, aufgehört zu schlagen...
Zwei Stunden nach Mitternacht wurden die ge-fallenen Brüder, ohne jede Zeremonie, zur ewigen Ruhe gebettet. Ihr Grab liegt zehn Meter nord-östlich vom Wirtschaftsgebäude entfernt, in der Tenne von Kfar Gileadi. Ein Grab vereint die toten Kameraden, die Chaluzim Tucker, Scharf, Munter und Josef Trumpeldor, und ein zweites die beiden Heldinnen, Deborah und Sarah...
So lange die jüdische Legion im Lande eine sichtbare Macht war, war das Land ruhig und es ereigneten sich keinerlei Zusammenstöße. Kaum hatte man die fünftausend Legionäre entwaffnet, mußten Trumpeldor und seine Kameraden mit ihrem Leben den Arabern den Beweis erbringen, daß auch jetzt jüdisches Gut und Vermögen nicht herrenlos sei.
Trumpeldors Leben und Trumpeldors Tod sind eins geworden. Sie sind das Symbol, das der jü-dischen Jugend auf ihrem schweren Wege von Arbeit und Opfern voranleuchten soll...
Trumpeldors Leben ist nicht nur Mahnung, auch das Letzte, Teuerste, was dem Menschen bleibt, für die Ehre und den Schutz des Volkes zu opfern, es ist mehr als das. Es ist der Ruf, nicht zum Tode, sondern zum Leben. Aus seinem Tode erwachst ein neues Geschlecht junger Juden, bereit, dem Volke alles zu opfern, persönliche Interessen, Wünsche und Bedürfnisse den Erfor-dernissen der Volksgesamtheit unterzuordnen, das imstande ist, mit Aufopferung des eigenen Lebens, den jüdischen Jischuw zu schützen.
'Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten." Der Tod der Helden von Tel Chaj war ein furchtbares Unglück. Aber aus ihm ist der Gedanke des Selbstschutzes erwachsen, der das jüdische Werk in Erez-Israel schon manches Mal verteidigen und retten ließ....
Trumpeldors Tagebücher und Briefe geben uns, ebenso wie die Erzählungen seiner Freunde, genug Material, um ein wahres, ungefälschtes Bild seiner Person und seines Wirkens zeichnen zu können....
Er war Farmer, Vegetarier, sozial denkend und Kriegsgegner - aber nicht einer jener Pazifisten, die die Hände in die Taschen stecken und andere für ihr Glück kämpfen und sterben lassen. Er wollte nach dem Worte des Propheten leben:
'Es werden die Schwerter zu Spaten..." Aber wenn es sein mußte, so führte seine Rechte Spaten und Revolver.....
Auf allen Gebieten der jüdischen Wiedergeburt stellte er seinen Mann. Er schützte die Ehre des jüdischen Volkes im fremden Lande vor dem Vor-wurf der Feigheit und Vaterlandslosigkeit, ver-breitete den Gedanken des Zionismus, setzte die Tat, indem er selbst als Chaluz in Erez-Israel arbeitete, schuf eine große politische Tat, indem er das Korps gründete und an der Errichtung der jüdischen Legion tätigen Anteil nahm.
Sein Leben aber krönte der Tod in Tel Chaj...
Er hatte geschworen, seinem Volke Selbstbe-wußtsein wiederzugeben, es zu einem Kampfe für ein freies Leben in einem Staate der Gerechtigkeit und Arbeit zu führen. Und er hat diesen Schwur durch vierzig Jahre getreulich erfüllt...
Vielen wird gerade sein Leben und seine Hal-tung vielleicht nicht als 'jüdisch" erscheinen. Und dies, weil die Lebensformen der großen Mehrheit des jüdischen Volkes Jahrhunderte hin-durch keine Möglichkeiten gaben, zu erstehen. Der Jude des Ghetto war der ewige Lerner und Lehrer, Sohn des Volkes des Buches, lebte so in der fernen Welt der Bibel und des Talmud, daß er jede unmittelbare Berührung zu der sinn-lich wahrnehmbaren Welt fast verlor. Der Jude der letzten zwei Jahrhunderte gab sein Ich durch Assimilation preis. Trumpeldor war der Typus eines neuen Geschlechtes jüdischer Menschen, das die Fesseln des Ghettos abstreifte und sich von dem selbstverleugnenden Assimilationsjudentum abwandte....
Wo weist die lange Galuthgeschichte einen ihm nur ähnlichen Menschen auf? Gewiß, zu allen Zeiten hat das jüdische Volk Todesverachtung und Charakterstärke bewiesen. Eine unaufhörliche Kette von Märtyrertum geht durch die jüdische Geschichte. Jedes Geschlecht kennt Hunderte, die mit Freuden dem Henker ihren Nacken hinge-streckt haben, um für die Erhaltung ihrer Reli-gion und ihres Volkstums zu sterben. Von den Tagen des alten Rom, da die Gefangenen Judas im Theater unter dem Jubel einer entgotteten Welt von wilden Bestien zerfleischt wurden, über die Zeit der Kreuzzüge, der Blutbeschuldigungen, der 'Schwarzen Pest", des Chmelnickiaufstandes und der Pogrome in Rußland, ist die Kette der jüdischen Märtyrer nicht abgerissen. In jedem Lande, in jeder Stadt, zu jeder Zeit und Epoche fielen tausende und zehntausende Märtyrer. Mär-tyrer, aber keine Helden.
Trumpeldor aber war ein Held.
Helden anderer Völker brauchen nur das Werk ihrer Vorgänger fortzusetzen und etwas aus Eige-nem hinzuzugeben. Trumpeldor war aber von seinen Vorgängern, den Makkabäern, Kanaim, Birjonim und Zeloten durch eine Wüstenära von zwei Jahrtausenden getrennt. Trumpeldor konnte an diese Epoche nicht anknüpfen - er mußte selbständig etwas Neues, Ganzes, schaffen.
Das jüdische Volk kennt überdies keine Hel-denverehrung. Religion und Tradition verbieten es. Seine Helden gehören der Bibel selbst an.
Erst Trumpeldor, der jede Minute in seinem Leben dem Volke und damit der Menschheit weihte, weckte im jüdischen Volke den Widerhall für solche Gestalten....
Sowohl Trumpeldors Pflug als auch Trum-peldors Schwert werden bei der Jugend verehrt. Sowohl die Siedlung Tel Chaj als auch die Festung Tel Chaj sind der Jugend heilig.
Trumpeldors Name wurde der Chaluzbewegung aller Parteien heilig. Seine Persönlichkeit wurde Beispiel, Symbol für die tausende Chaluzim in der Welt.
Der Ehrenname Chaluz ist aber im Laufe der Jahre verblaßt. Das jüdische Land, insbesondere die jüdische Jugend, kann das Andenken an ihr Vorbild nicht besser ehren als durch die Tat, den alten, edlen Begriff 'Chaluz" wiederherzustellen.
Trumpeldor ist eine der populärsten Figuren in der jungzionistischen Welt. In jeder jüdischen Siedlung, in jedem Jugend- oder Arbeiterheim hängt sein Bild...
Nach Tel Chaj pilgern alljährlich in den ersten Frühlingstagen Tausende von Menschen, junge Arbeiterpioniere und ältere, deren Mut und Aus-dauer noch von der des großen Helden ge-nährt wird. Seit fünfzehn Jahren ergießt sich alljährlich dieser Menschenstrom aus dem judäischen Gebirge, aus dem Emek, aus Wadi Chawarith und aus Jerusalem zu dem Grabhügel, dorthin, wo Trumpeldor begraben ist.
Bild und Grabmal sind sichtbare Erinnerungen. Tiefer aber lebt im Herzen des Volkes die Erinnerung an ihn fort, unzerstörbar und stark. Sein Name ist Symbol geworden für die jüdische Ju-gend, die wehrhaft und stolz, unerbittlich und bescheiden, opferbereit und kompromißlos das neue Palästina bauen will. Dies fand im Trumpeldor-Standbild Ausdruck, das vor kurzem (1935) Lord Melchett und die Arbeiterschaft in Kfar Gileadi errichteten und das von A. Melnikoff geschaffen wurde.
Wenn jemand ein Denkmal in Israel (damals Palästina) ver-dient, dann Josef Trumpeldor, der Nationalheld unseres Volkes.
Heute hat man die Gräber Trumpeldors und seiner Kameraden von ihrem ursprünglichen Orte ein wenig weiter versetzt. Unweit Tel Chaj, des 'Lebenshügels", wölbt sich jetzt ein Grabeshügel. Der dankbare Jischuw hat dort durch den Bild-hauer Gordon 1923 als symbolisches Denkmal ein Löwenmonument errichtet. Trumpeldor er-sehnte sich immer den Tod eines Löwen und nicht den eines feigen Hasen. Dieses Marmormal kündet schlicht bloß die Namen der teuren Toten. Brüllend kündet der Löwe die Bereitschaft des Jischuw den Bergen des Galil....
'Es macht nichts" - dachte Trumpeldor - 'wir fallen, aber nach uns werden tausende und zehntausende Jünglinge Israels kommen, die in unseren Fußstapfen gehen werden, und indem sie die Ehre des Volkes und des Landes schützen, werden sie unseren trotzigen Kampf fortsetzen, bis der Tag kommt, an dem Israel gesammelt sein wird in seinem Lande der Erlösung...'
Ereignisse - 29 Febr. 1920, Auszug aus o.g. Buch (Ausgabe 1935-1936!) - ldn-knigi)
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Aber noch zur Zeit als die Juden noch keine volle Gleichberechtigung genossen, zeichneten sie sich aus.
Nach den Ermittlungen des deutschen Kriegsministeriums traten in den Jahren 1813 bis 1815 als Frei-willige 561 Juden ein, und 170 wurden ausgehoben. Einer der ersten Soldaten, der mit dem Eisernen Kreuz geschmückt wurde, war der Jude Günsberg. Von einem jüdischen Soldaten erzählt Willibald Alexis in seinem Aufsatz 'Mein Marsch nach Frankreich" ('Vossische Zeitung", 5. Mai 1899) :
'Gedacht sei hier noch eines anderen Kameraden, an den mich die politischen Fragen der Gegenwart lebhaft wieder erinnern. Ein kleiner, untersetzter schwarzer Mann, nicht schön und in seinem Wesen nichts von einem Gentleman. Wenn er nicht die Büchse trug, wa-ren seine Waffen Schere und Nadel, und er säumte auch nicht, in jedem Quartier, wenn er vom Dienste frei war, die Beine übereinanderzuschlagen und den Faden zu wichsen. Unsere Uniformstücke verdankten ihm, daß sie noch so erträglich aushielten, wenigstens wenn sie Miene machten, auseinanderzugehen, war er es, der sie {192} zuihrer Pflicht fürs Vaterland zurücknötigte. Aber er stand trotz seiner Unansehnlichkeit in großem Ansehen und bei den Hänseleien, die im kameradschaftlichen Leben unvermeidlich sind, wagte sich niemand ihm zu nahe; denn es war bekannt, daß er sich im vorigen Feldzuge tapfer gehalten hatte und mehrmals verwundet worden war, wovon seine Hand Zeugnis ablegte. Er hieß Schwarzbraun und war ein Jude."
StaatskanzIer Fürst von Hardenberg äußerte in einem Schreiben vom
4. Jänner 1815: 'Auch hat die Geschichte unseres letzten Krieges wider Frankreich bereits er-wiesen, daß die Juden des Staates, der sie in seinem Schoße aufgenommen, durch treue Anhänglichkeit sich hervortun. Die jungen Männer jüdischen Glaubens sind die Waffengefährten ihrer christlichen Mitbürger ge-wesen, und wir haben unter ihnen Beispiele des wahren Heldenmutes und der rühmlichsten Verachtung der Kriegsgefahren aufzuweisen, so wie die übrigen jüdi-schen Einwohner, namentlich auch die Frauen, in Aufopferung jeder Art den Christen sich anschlossen."
Über das Verhalten der Juden als Soldaten gibt ein Gutachten des Kriegsministeriums vom Jahre 1847 Aufschluß. Dort heißt es, daß die Juden von den Soldaten der christlichen Bevölkerung nicht erkennbar unterschieden sind und daß sie sich im Kriege gleich den übrigen Preußen bewährt haben.
In Österreich hatten die Juden wie in keinem ändern Lande Europas Gelegenheit, sich am Kriegsdienst zu beteiligen.
Schon im 9. Jahrhundert standen auf Seite der Böhmen auch Juden, um gegen die Heiden zu kämpfen. Im Jahre 1611 finden wir 500 Juden in den Reihen jener Soldaten, welche die Prager Alt- und Neustadt gegen die Passauer verteidigten. Es befindet sich heute noch in der Prager Altneuschule eine Fahne, die Kaiser Ferdinand III. den Juden für ihre tapfere Verteidigung Prags gegen die Schweden verliehen hat. Als l790 der Türkenkrieg losbrach, ebenso in den bald folgenden Kämpfen gegen Napoleon und in den Befreiungskriegen, {193} finden wir Juden in den Reihen der Kämpfenden.
In einer Liste aus dem Jahre 1855 finden wir zwei jüdische Majore, Simon Prisker und Ignatz Weiß, ferner 5 Rittmeister, 5 Hauptleute, 14 Oberleutnants und 33 Leutnants. In den vielen Schlachten auf dem Felde Italiens, Schleswigs, Böhmens haben jüdische Soldaten mitgefochten. So hat im italienischen Feldzug 1859 Theodor Jerusalem den Leopoldsorden, den Rang eines Hauptmannes und den Ritterstand erhalten, weil er beim Übergang über den Lombro die Fahne seines Regiments gerettet hatte.
Auch aus dem Feldzug gegen Preußen wird eine Hel-dentat eines Juden von J. von Hoffinger in seinem Werke 'Lorbeeren und Zypressen von 1866" erzählt. Der Name des Tapferen war Moses Weber (geb. zu Zoll-kiew 1832). Nachdem er seine gesetzliche Dienstzeit ab-gedient hatte, trat er 1866 freiwillig in die kaiserliche Armee und machte den Feldzug dieses Jahres als Zugsführer im Inf.-Reg. Kronprinz Wilhelm von Preußen Nr. 20 mit.
'Als am 20. Juni bei Skalitz sein von feindlichen Ku-geln an beiden Füßen schwer verwundeter Hauptmann Puchreimer zusammenbrach, erfaßte ihn Weber und trug ihn mitten im dichtesten Kugelregen aus dem von den Seinen bereits aufgegebenen Kampfplatz. Auf seinen Schultern brachte er ihn an einen, von den feindlichen Kugeln geschützten Ort, dann aber kehrte er in das Schlachtgetümmel zurück, übernahm das Kommando der bereits aller Offiziere beraubten Kompagnie und führte dieselbe mit ebensoviel Umsicht als Bravour."
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Der deutsche Dramaturg und Romancier Otto Zarek, der seit anderthalb Jahren als Emigrant in Budapest lebt, hat kürzlich der Öffentlichkeit sein biographisches Kossuth-Werk übergeben, das im Verlag zeitgenössi-scher Werke in Zürich und nun auch in ungarischer {194}Übertragung im Verlag Rozsavölgyi in Budapest er-schienen ist.
Besonders bemerkenswert ist, was Zarek über die jüdischen Kombattanten der Freiheitskämpfe berichtet: 'General Klapka bekennt: Ein Zwölftel unseres Korps bestand aus Juden. In allen Bataillonen standen jüdische Freiwilligenscharen. Sie fochten tapfer und mit Auszeichnung. Viele von ihnen fielen auf den Schlachtfeldern, eine große Anzahl avancierte zu Offizieren, wie Ignaz Eisenstädter, Leva, Dr. Rotfeld u. a. m. Viele von den jüdischen Offizieren wurden für ihre be-wiesene Tapferkeit auf dem Schlachttelde mit dem mili-tärischen Verdienstorden ausgezeichnet, so Hauptmann Aranyi, der bei Cibakhaza seinen Kommandanten, Graf Leinungen, durch einen kühnen Angriff aus der Kriegs-gefangenschaft befreite, Hazai, Just, der als Generalstabshauptmann in Komorn sich auszeichnete, Schlesinger von der Komorner Garnison und Leo Holländer, Chefintendant in Komorn.
Diese Tapferkeit erkannte das ganze Heer, also das im Felde stehende Volk, an. Als jetzt im Auftrage Kossuths Szemere das Gesetz über die Gleichberechtigung der Juden einbrachte, war die Annahme des Gesetzes eine Selbstverständlichkeit ge-worden."
(Zusatz- ldn-knigi:
Quelle: Dr. Josef Maliar 'Juden im Kampf gegen Nazideutschland' (in rus.)
'..Es ist bekannt, daß während des zweiten Weltkrieges gegen Nazideutschland in Kamphandlungen auf allen Fronten nicht weniger als 1,5 Mil. Juden teilgenommen haben.
Nur auf der Seite der USA waren mehr als 600.000 Juden, auf der Sowjetischer Front -
ca. 500.000 Juden. (von denen ca. 130 haben die höchste Militärauszeichnung erhalten - dem Heldenstern..'; ldn-knigi)
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Was sagt aber Hitler mit Bezug auf den Juden?...
So fehlt doch vollständig... die idealistische Gesin-nung... Und weiter: 'Der Aufopferungswille im jüdi-schen Volke geht über den nackten Selbsterhaltungs-trieb des einzelnen nicht hinaus..."
Wie vertragen sich diese Behauptungen Hitlers mit dem heldenmütigen Verhalten der Juden bei der Verteidigung ihrer Heimat in Palästina und ihres Glaubens während des Mittel-alters? Wie erklärt man den Widerspruch zwischen dieser Diskriminierung der Juden durch Hitler und ihrem tapferen Verhalten an allen Fronten im Weltkriege? Gibt es eine Erklärung für diese Kluft zwischen den Behaup-tungen Hitlers und der Wahrheit? Ja, es gibt eine Erklärung {195}, die uns Hitler selbst in seinem Buche 'Mein Kampf", S. 200, gibt.
Dort schreibt Hitler wörtlich:
'Die Aufgabe der Propaganda ist zum Beispiel nicht ein Ab-wägen der verschiedenen Rechte... Sie hat nicht ob-jektiv auch die Wahrheit, soweit sie den anderen günstig ist, zu erforschen ..."
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