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'SEIN KAMPF"

 

 

ANTWORT  AN   HITLER

 

VON

 

 

IRENE HARAND

 

 

WIEN 1935

 

 

5. bis 10. Tausend.

 

 

Im Selbstverlag der Verfasserin Irene Harand.

Wien, l., Elisabethstrasse 20

Herausgeberin der 'Gerechtigkeit".

Druck: 'Elbemühl", Wien. IX.

 

 

 

 


INHALTSVERZEICHNIS

 

 

 

Vorwort                                                                                                7

I         Die Lüge, die Hauptwaffe des Hakenkreuzes                      11

II        Der rasende Nationalismus                                                     13

III      Der Rassenwahn                                                                        33

IV      Die 'rassischen" Eigenschaften derJuden                            51

V       Die Lüge vom jüdischen Wucher                                           88

VI      Die Lügen über den Talmud                                                   102

VII     Die Ritualmordlüge                                                                  117

VIII   Jüdischer Idealismus und Opfermut                                       131

IX      Die 'Protokolle der Weisen von Zion"                                  196

X       'Juden sehen Dich an"                                                             216

XI      Die Bilanz des Hakenkreuzes                                                 277

XII     Schlußbetrachtung                                                                    334

 

 

Kapitel IX - X

 

 


{196}

 

 

9. Kapitel.

 

Die Protokolle der Weisen von Zion".

 

              Eine der Hauptwaffen der Hakenkreuzler gegen die Juden sind die 'Protokolle der Weisen von Zion". Wir lesen in Hitlers 'Mein Kampf" folgendes:

                             'Wie sehr das ganze Dasein dieses Volkes der Juden auf einer fortlaufenden Lüge beruht, wird in unver-gleichlicher Art in den von den Juden so unendlich ge-haßten 'Protokollen der Weisen von Zion' gezeigt. Sie sollen auf einer Fälschung beruhen, stöhnt immer wieder die 'Frankfurter Zeitung' in die Welt hinaus. Der beste Beweis dafür, daß sie echt sind. Was viele Juden unbe-wußt tun mögen, ist hier bewußt klargelegt. Darauf aber kommt es an. Es ist ganz gleich, aus welchem Judenkopf diese Enthüllungen stammen. Maßgebend ist, daß sie mit geradezu grauenerregender Sicherheit das Wesen und die Tätigkeit des Judenvolkes aufdecken und in ihren inneren Zusammenhängen sowie den letzten Schlußzielen darlegen.

                             Die beste Kritik an ihnen jedoch bildet die Wirklich-keit. Wer die geschichtliche Entwicklung der letzten hundert Jahre von den Gesichtspunkten dieses Buches aus überprüft, dem wird auch das Geschrei der jüdi-schen Presse sofort verständlich werden. Denn wenn dieses Buch erst einmal Gemeingut eines Volkes gewor-den sein wird, darf die jüdische Gefahr auch schon als gebrochen gelten."

             

              Auf diesen Protokollen baut das Hakenkreuz seinen ganzen Feldzugsplan gegen die Juden auf. Es gab vor der Machtergreifung des Hakenkreuzes keine {197} Versammlung, wo man nicht die Verworfenheit der Juden unter Hinweis auf die 'Protokolle der Weisen von Zion" zu beweisen suchte. Unzählige Bücher sind über diese Pro-tokolle geschrieben worden. Wenn ein einfacher Mensch dieselben liest und sie als wahr annimmt, so kann man sich gar nicht wundern, wenn er ein fanatischer Anhän-ger des Hakenkreuzes wird. Ein solcher Mensch muß aber auch ein glühender Judenhasser werden.

              Der Inhalt dieser Protokolle besteht aber vom Anfang bis zum Ende aus einer Kette von Lügen, Fälschungen und Verleumdungen.

Wie kann man die Lehren der na-tionalsozialistischen Partei ernst nehmen, wenn man erfährt, daß die wichtigsten Vorwürfe, die sie gegen die Juden vorbringen, auch nicht ein Fünkchen Wahrheit enthalten?

              Ein erfahrener Mensch sieht ja schon auf den ersten Blick, wenn er diese Protokolle liest, daß es sich um ver-brecherische Phantasien eines Fälschers und Verleumders handelt und daß die Juden mit diesen Protokollen nicht das geringste zu tun haben. Für die Echtheit der Be-hauptungen der 'Protokolle der Weisen von Zion" kann das Hakenkreuz nicht einmal den Schatten eines Bewei-ses erbringen. Und trotzdem haben diese Protokolle da-hin geführt, daß ein großer Teil des deutschen Volkes von Haßgefühlen gegen die Juden beseelt wurde und daß es dem Hakenkreuz zur Macht verhalf.

              Vor dem Welttribunal kann aber das Hakenkreuz durch seine tönende Stimme die Wahrheit nicht ersticken.

Vor dem Welttribunal stellt sich die ganze Verlogenheit der 'Protokolle der Weisen von Zion" sonnenklar heraus. Wie muß das Urteil der Welt über das Hakenkreuz lau-ten? Es handelt sich hier nicht um eine unschuldige Not-lüge, die keinem Menschen schadet. Es handelt sich viel-mehr um ein Todesurteil über Millionen von Menschen.

              Mit Hilfe der 'Protokolle der Weisen von Zion", die-ses verbrecherischen Fälscherwerkes, konnte das Haken-kreuz die Macht in Deutschland ergreifen und alle die schändlichen Gesetze beschließen, durch welche Tausende {198} Menschen  Konzentrationslager gebracht, in die Gefängnisse geworfen und meuchlings ermordet wurden. 'Protokolle der Weisen von Zion" haben dem Hakenkreuz Millionen von Stimmen gebracht, durch welche es ihm gelungen ist, Hunderttausende von Juden um ihr Brot zu bringen und sie der Not und dem Elend preiszugeben.

              Auf welch morschen Grundlagen beruht also das ganze Regierungssystem des Hakenkreuzes, wenn seine Hauptwaffe gegen die Juden sich als plumpe Lüge entpuppt? Genau so wie das Hakenkreuz in der Frage der 'Protokolle der Weisen von Zion" gelogen hat, genau so hat  es auch in allen anderen Fragen gelogen. Sein ganzes Gebäude besteht in einer Kette von Lügen und Verleumdungen.

              Wie kann das deutsche Volk glücklich werden, wenn die Partei, die sich dazu berufen fühlt, ihm Lebensglück zu verschaffen, die gemeinsten Lügen gegen Mitmenschen vorbringt, obwohl sie wissen muß, daß kein wahres Wort an den Beschuldigungen ist, die sie gegen sie er-gebt? Nicht nur die 'Frankfurter Zeitung" 'stöhnte", daß die Protokolle eine gemeine Fälschung sind, die ganze Welt behauptet es.

              Damit man das entsetzliche Verbrechen erfaßt, dessen sich jedermann schuldig macht, der die 'Protokolle der Weisen von Zion" verbreitet, werde ich ihre Vorgeschichte und die Begleiterscheinungen schildern.

              Schon in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurden innerhalb des Judentums Strömungen bemerkbar, die darauf abzielten, für die Juden eine Heimstätte in Palästina zu schaffen. (siehe z.B. Leon Pinsker  (1821-1891) 'Autoemanzipation', erste Ausgabe 1882 in deutsch, ldn-knigi) 'In den letzten Jah-rten des vorigen Jahrhunderts trat Dr. Theodor Herzl auf den Plan. Er ist der eigentliche Urheber des politi-schen Zionismus. Seine Ziele können wir aus dem Buche 'Judenstaat" ersehen. Herzl wollte durch seine Schrift  beweisen, daß der Judenstaat ein Weltbedürfnis sei.

              Es handelt sich bei Herzl nicht etwa um eine Flucht {199} der Juden aus ihren Wohnländern, sondern um 'einen geordneten Zug unter der Kontrolle der öffentlichen Meinung". Die Bewegung sei nicht nur mit vollkommen gesetzlichen Mitteln einzuleiten, sie könne überhaupt nur durchgeführt werden 'unter freundlicher Mitwirkung der beteiligten Regierungen, die davon wesentliche Vor-teile haben". Herzl erfreute sich als Mensch in den besten und vornehmsten Kreisen Wiens über die Gren-zen seiner Berufsgenossenschaft hinaus hoher Achtung und großer Beliebtheit.

Er war Schriftleiter der 'Neuen Freien Presse", und man gab allgemein zu, daß er ein  feingebildeter, durchaus nobler und gütiger Mensch, ein makelloser Charakter und hilfreicher Kollege war.  Der Antisemitismus tat ihm weh, nicht allein um der Juden willen, sondern auch wegen der Verrohung und Verwilderung, die er über die europäischen Nationen bringt.                                            

              Für das Jahr 1897 berief Herzl gemeinschaftlich mit dem Schriftsteller Max Nordau einen Kongreß nach Basel. Dieser I Zionistenkongreß dauerte drei Tage. Seine Sitzungen waren öffentlich. Selbstverständlich waren - abgesehen von den Delegierten - auch Gäste und Jour-nalisten, auch Nichtjuden anwesend.

Die Delegieren setzten sich aus Leuten zusammen, die dem Mittelstände und dem Kleinbürgertum angehörten; sie waren zumeist kleine Kaufleute, Gewerbetreibende, Rechtsanwälte, Ärzte und Arbeiter. Viele von ihnen waren so arm, daß Freunde oder Vereine für sie die Kosten bestreiten mußten. Die Verhandlungssprache war deutsch.

              Nun erdreistet sich ein Verbrecher, zu behaupten, daß auf diesem Zionistenkongreß in Basel im Jahre 1897 in 26 Geheimsitzungen die Delegierten, die als Freimaurer bezeichnet und 'Weise von Zion" genannt werden, den teuflischen Plan ausgeheckt hätten, mit Hilfe der nieder-trächtigsten Mittel die jüdische Weltherrschaft zu er-richten und eine jüdische Oberregierung einzusetzen, der alle Staaten der Welt zu gehorchen hätten- Um diesen Lügen den Schein der Wahrheit zu geben, werden {200} Schundbücher verbreitet, in denen erdichtete Protokolle über diese Geheimsitzungen unter dem Namen 'Protokolle der Weisen von Zion" veröffentlicht werden.

              Es ist heute erwiesen, daß die 'Protokolle" gefälscht sind. Sie sind die größte, wahnwitzigste, gemeinste Fälschung des Jahrhunderts.

              In deutscher Sprache erschienen sie zum ersten Male im Jahre 1919. Ihr Herausgeber und Übersetzer war Jottfried zur Beck. Er erzählt über die Herkunft der 'Protokolle" folgendes: Sie wurden im Jahre 1897 in Basel in geheimen Sitzungen des ersten Zionistenkongresses verlesen. Zar Nikolaus II. habe sich sofort für schweres Geld eine Abschrift der 'Protokolle" verschafft. Diese Abschrift wurde dann einem gewissen Sergej Nilus übergeben, der sie ins Russische übersetzt hat. - Nilus aber erzählt folgendermaßen, wie er in den Besitz der 'Protokolle" gekommen ist: 'Alles dies wurde durch meinen Korrespondenten aus dem gleichen Verlies der zionistischen Hauptkanzlei herausgeholt, die sich auf französischem Territorium befindet." Da Basel bekannt-lich auf schweizerischem und nicht französischem Terri-torium hegt, straft Nilus Herrn zur Beek Lügen. Er widerspricht sich aber auch selbst: Im Jahre 1911 erschien eine Neuausgabe der 'Protokolle" und diesmal hat Nilus seinen Lesern folgendes Märchen glaubhaft machen wollen: Die 'Protokolle" seien 'eine getreue Kopieübersetzung der Originaldokumente, die eine Frau bei einem der höchsten und einflußreichsten Führer der Freimaurer nach einer geheimen Sitzung gestohlen hatte".

              So weiß die rechte Hand des Verleumders nicht, was seine linke tut. Aber auch ein Übersetzer dieser Fälschung diskreditiert den anderen. Der Herausgeber der neuesten deutschen Ausgabe der 'Protokolle", Theodor Fritsch, erzählt über deren Herkunft folgendes im Vor-wort zu seiner Übersetzung: 'Die russische politische Polizei fand im Jahre 1901 bei einer Haussuchung in einer jüdischen Wohnung ein größeres Manuskript in {201} hebräischer Sprache, dessen Übersetzung dem Orientalisten Prof. Nilus übertragen wurde."

              Was ist also wahr: Das, was uns Beek, das, was uns Nilus, oder das, was uns Fritsch erzählt? Wurden die 'Protokolle" in Basel, in Frankreich oder in Rußland gefunden? Und wann: Im Jahre 1897 oder im Jahre 190l?

              Was von all dem wahr ist? Nichts! Alle haben sie ge-logen: Beek, Nilus und Fritsch, und waren dabei noch so ungeschickt, sich einander zu widersprechen. Der wilde Eifer des Hasses hat sie blind gemacht. Sie rech-neten wohl damit, daß die naiven Leser die Daten und die Einzelheiten nicht nachkontrollieren würden.

              Jeder einsichtige, jeder vernünftige Mensch wird nach der Lektüre der 'Protokolle" sie zweifellos mit einein Achselzucken beiseitelegen; er muß, wenn er noch seine fünf Sinne beisammen hat und kein Hetzer ist, dies Schrift als eine Häufung von Lügen ansehen. Aber es gibt auch Beweise, daß die 'Protokolle" gefälscht sind.

              In Konstantinopel lebte im Jahre 1921 Philipp Graves, Journalist und Berichterstatter des größten englischen Blattes 'Times". Er wurde mit einem aus Rußland ge-flüchteten Offizier bekannt, der ihm einmal ein stark abgenütztes französisches Buch ohne Titelblatt als Selten-heit interessanten Inhaltes zum Kaufe anbot. Graves, der dem armen Teufel helfen wollte, kaufte das Buch, und als er las, entdeckte er darin zu seinem Staunen ganze Seiten lang dieselben Stellen, die er aus den 'Protokol-len der Weisen von Zion" kannte. Da das Titelblatt fehlte, wußte er nicht, wie der Autor heißt und wie der Titel lautet. Da stellte sich heraus, daß es sich um ein Buch aus der Feder Maurice Jolys handelte, das unter dem Titel 'Zwiegespräch in der Unterwelt zwischen Machiavelli und Montesquieu" im Jahre 1864 erschienen ist. Das Werkchen des Pariser Advokaten Maurice Joly war ein verschleiertes Kampfbuch gegen die Politik Napoleons III.

Dieser Herrscher hatte den Ehrgeiz, die Fäden der Weltpolitik in seinen Händen zu vereinigen {202} und Paris zum Hirn der Welt zu machen. Solche Pläne kosten Geld, und da die französischen Steuerzahler sich das nicht gefallen lassen wollten, wurde die Preßfreiheit aufgehoben. Joly konnte es unter diesen Umständen nicht wagen, offen gegen die ihm verderblich scheinende Politik Napoleons III. aufzutreten und deshalb schrieb er seine Kampfschrift in der Form eines Zwiegespräches aus dem Jenseits, die ihm trotzdem eine Gefängnisstrafe einbrachte.

Philipp Graves begnügte sich aber nicht mit dieser Feststellung allein. Er unterzog die 'Protokolle" einer flauen vergleichenden Prüfung mit der Schrift Jolys, und mühelos kam er zu dem Ergebnis, daß die 'Protokolle" nichts anderes als eine Abschrift der 'Zwiegespräche" des Maurice Joly sind, mit dem Unterschied, aß das, was Joly den Machiavelli an Bösem und Ränkesüchtigem sagen läßt, in den 'Protokollen" als jüdische Äußerung und Plan erscheint. Um die Fälschung als solche anzuprangern, veröffentlichte Graves in den 'Times" am 16., 17. und 18. August drei große Aufsätze, die in der Öffentlichkeit der ganzen Welt großes Aufsehen erregten.

              Zur Zeit, da ich diese Zeilen schreibe, wurde in Bern ein Prozeß, der die 'Protokolle der Weisen von Zion" zum Gegenstande hat, beendet. Schweizer Nationalsozialisten, die dieses verleumderische Buch zu leicht durch-sichtigen Zwecken verbreiteten, wurden vor das Gericht zitiert. Das Gericht hat eine Reihe von Zeugen vorgeladen, die sich über die Echtheit der 'Protokolle" ausgesprochen haben. Diese Aussagen sind für die Verleumder und die Verbreiter der 'Protokolle der Weisen von Zion" niederschmetternd.

              Ein französischer Graf erklärte vor Gericht, die 'Protokolle" wären eine plumpe Fälschung, ein russischer Historiker machte eine ähnliche Erklärung und lieferte Beweise für deren Behauptung. Auch der weltberühmte russische Publizist Burzew, der seinerzeit die aufsehenerregende Affäre Asew aufgedeckt hat, ist trotz seines {203} Greisenalters dem Rufe des Gerichtes gefolgt, um für die Wahrheit - wie er sich ausdrückte - ein Zeugnis abzulegen und zu kämpfen. Diese drei Zeugen sind Nicht-Juden.

(Vladimir Burzev, 1862-1942; ab  1907 - in Paris; zu erst hat er gegen die Monarchie in RU. gekämpft, nach 1917- gegen die Bolschewiken. Im seinem bekanntem Buch (in rus. auf unserer Webseite - 'Die Protokollen der Weisen von Zion, eine erwiesene Fälschung' 'Ratschkovski hat die P. zusammengebastelt und Hitler hat sie weltweit verbreitet', Paris, 1938; ldn-knigi)

              Der frühere Präsident der zionistischen Weltorgani-sation, Prof. Weizmann, erklärte als Zeuge, daß die Protokolle des ersten Basler Zionistenkongresses in der Schweizer Nationalbibliothek aufliegen und daß jeder-mann durch Einsicht in diese sich überzeugen kann, daß die 'Protokolle der Weisen von Zion" nichts als eine auf menschliche Dummheit und Gemeinheit spekulierende Fälschung sind.

              Ich werde einige Pressestimmen Schweizer Zeitungen  zum Prozeß in Bern wiedergeben:

              'Der Bund", Bern: 'Wenn man 1921 meinte, es seien nun die Protokolle als Fälschung erledigt und sie wür-den im antisemitischen Kampf als Beweisstücke nicht mehr verwertet werden können, hat man sich getäuscht.  Sie sind in neuerer Zeit wieder aufgetaucht. In Deutschland hat man sie als 'Dokumente" im Kampf gegen die  Juden verwendet, und auch in der Schweiz wurden sie benutzt. So sind anläßlich einer Versammlung der Na-tionalen Front in Bern von den Bernischen National-sozialisten diese Protokolle und andere antijüdische Schriften dem Publikum angeboten worden.

Die jüdi-schen Kreise setzen sich zur Wehr und möchten vor allem wahrscheinlich einmal vor aller Welt und wahrscheinlich auch besonders zuhanden Deutschlands, wo ja ein solcher Prozeß nicht stattfinden könnte, durch ein Gericht feststellen lassen, daß die 'Zionistischen Proto-kolle' gefälscht sind."

'Berner Tagwacht" Nr. 254 vom 10. Oktober: 'Diese 'Protokolle der Weisen von Zion' haben nicht nur die Juden allein in ihrer Ehre aufs tiefste verletzt und be-leidigt, es sind die anständigen Menschen schlechtweg, gleichviel, aus wieviel verschiedenen Lagern sie kamen, die hier in diesem Prozeß der Welt das ermutigende {204} Beispiel gegeben haben, wie Unrecht gutzumachen ist und Schmutz und Gemeinheit ihre Meister finden.

              Was hat den katholischen Historiker, Monarchisten und Antibolschewisten Graf du Chayia, was die alten russischen Demokraten Swatikow und Burzew, was den Sozialdemokraten Nikolajewski und heute noch den Führer der russischen liberalen Miljukow dazugebracht, so ohne weiteres dem Rufe zu folgen und ihren guten alten Namen für eine anscheinend fremde Sache in die Waag-schale zu werfen? ('Erinnerungen' der o.g. Personen in ru. auf unserer Webseite!, ldn-knigi)

              Sie haben ein Kapitel schweres Unrecht des alten Ruß-land entlarvt, offen und ohne zu zögern, wer sie auch waren und wie verschieden sie sonst auch denken."

              'Luzerner Tagblatt": 'Ganz richtig weist Dr. Weizmann auch darauf hin, daß, wer Weltherrschaft anstrebt, nicht wohl gleichzeitig Zionist sein, also für eine von den anderen Völkern abgesonderte Heimstätte der Juden eintreten könne, denn das Streben nach Weltherrschaft, insbesondere nach den Methoden der angeblichen Pro-tokolle, bedingt das Gegenteil der Absonderung...'

              Wahrscheinlich, und mit den weiteren Aussagen wird man in dieser Annahme immer mehr bestärkt, waren die Protokolle ein Machwerk der russischen Ochrana, der Geheimpolizei, die auch in Paris ein Büro unterhielt, wie überall, wo Russen in größerer Zahl im Auslande lebten. Ratschkowsky ist der Name, der von nun an immer wiederkehrt: ein anscheinend vollständig skrupelfreier Mann, der ganz nach Bedarf Fälschungen fabrizierte, heute angebliche revolutionäre Aufrufe, mit denen man dem Zaren Angst machen und ihn für reaktionäre Pläne gewinnen wollte, morgen ganze Broschüren - und so auch die 'Protokolle'."

              'Die gefälschten Protokolle": Unter dem Titel 'Die gefälschten Protokolle" schreibt das 'Volksrecht", Zü-rich, vom l. November 1934, an leitender Stelle einen Artikel, dem ich die nachstehenden Zeilen entnehme:

              'Was haben die bisherigen Verhandlungen ergeben? Es ist einwandfrei festgestellt, daß in der Tat im Jahre {205} 1897 in Basel ein zionistischer Kongreß während dreier Tage stattgefunden hat!

Aber es war kein Geheimkon-greß, wie verblendete arische Nationalisten und Anti-semiten behaupten. Der Kongreß spielte sich in voller Öffentlichkeit ab. Eines der Protokolle befindet sich zu jedermanns Einsicht seit langem in der Schweizerischen Landesbibliothek. Und nicht nur das! Es haben nicht bloß Juden, sondern auch eine ganze Anzahl Schweizer an den Verhandlungen teilgenommen! Da sind noch die beiden Basler Stenographen Franz Sieber und Dr. Diet-rich und da ist auch der Journalist Dr. Otto Zoller, der als Vertreter der ,Basler Nachrichten' den Verhandlun-gen des Kongresses beigewohnt hat. Sie alle leben noch. Sie erscheinen auf der Zeugenbank. Sie legen Zeugnis ab darüber, was am Zionistenkongreß verhandelt wor-den ist. Sie bestätigen Mann für Mann, daß die von den Frontisten in der Schweiz verhausierten sogenannten Zionistenprotokolle vom Anfang bis zum Ende nichts sind als plumpe Fälschung und gemeine Lüge...

              Es kommen hierzu zwei Gutachten. Eines vom Pro-fessor Baumgarten, Basel, ein anderes von C. A. Loosli, Bern. Beide Gutachten bestätigen aus ihren mit wissen-schaftlicher Gründlichkeit vorgenommenen Untersuchun-gen, daß diese Protokolle Fälschungen sind, die in Ruß-land fabriziert worden sind zu dem Zwecke, Juden-metzeleien, sogenannte Pogrome, zu veranlassen. Diese Judenpogrome gehören zu den offenkundigsten und blu-tigsten Verbrechen der Geschichte ...

              In den jüngsten Judenverfolgungen in Deutschland haben die gefälschten Protokolle eine entscheidende Rolle gespielt. Darum freuen wir uns, daß heute vor einein Gericht, das der nationalsozialistischen Verhetzung ent-rückt ist, die Tatsachen in aller Ruhe und Objektivität haben festgestellt werden können. Auf den Schweizer Fröntlern bleibt die Schmach und Schande sitzen, daß sie in der Schweiz sogar der Verbreitung einer Publikation Vorschub geleistet haben, die von einem nicht-jüdischen reichsdeutschen Gelehrten und {206} Gerichtsexperten als zur Kategorie der Schundliteratur gehörig bezeichnet wird."

               Die 'Basler Nationalzeitung" schrieb: 'Viele werden sich noch an die ersten Zionistenkongresse erinnern, welche in Basel tagten. Ich erinnere mich jedenfalls noch sehr klar, wie uns Schülern von einem unserer Lehrer der Zweck dieser Veranstaltung erklärt wurde. Man sagte uns, aus allen Ländern kämen die Juden zusammen, um ihrem in aller Welt verstreuten Volk wieder die alte Heimat zu erkämpfen. Rührt der Gedanke nicht tief an jedes Menschenherz? So verknüpfte sich mit den zionistischen Kongressen für mich ein Gefühl des Mit-leides mit dem jüdischen Volke. Was auf diesen Tagungen gesprochen, diskutiert und verhandelt wurde, war hier Welt bekannt, niemand aber wohl so offenbar wie den Menschen unserer Stadt. Zweck und Sorge aller die-ser Kongresse war, das jüdische Volk vor dem Antisemitismus, also vor der Verfolgung, zu schützen und ihm deshalb eine Heimat zu geben. Ist es nicht eine tiefe Tragik, daß die alte Heimat, Palästina, welche die Zionisten suchen, dem jüdischen Volke ebenso streitig gemacht wird wie die neue Heimat, die es nach seiner staatlichen Auflösung in den europäischen Staaten gefunden hatte? Aber der Haß anerkennt nicht die Tragik keines Volkes, das mit der Entstehung des Christentums auf unlösbare Weise verbunden ist. Und so entstand jene Fälschung, welche in Europa schon zu einer Legende geworden ist: Im zaristischen Rußland tauchte eine Schrift auf, von welcher in geheimnisvoller Weise behauptet wurde, sie enthielte die Protokolle einer geheimen Sitzung des Zionistenkongresses in Basel.

In diesen ,Protokollen' beschäftigen sich die Juden, welche durch eine Geheimorganisation die ganze Welt beherr-schen, mit dem Plane der Vernichtung aller europäischen Völker und mit der Umwandlung der unsichtbaren Welt-beherrschung in die sichtbare Weltherrschaft des Juden-tums ... Sehr schnell gelang die Enthüllung der Fälschung: Diese angeblichen geheimen Protokolle eines {207} Basler Zionistenkongresses waren Abschriften eines in Frankreich erschienenen Buches, in dem Napoleon III. angeklagt wurde, eine despotische Weltherrschaft anzu-streben. Trotzdem diese 'Protokolle' als eine Fälschung entlarvt sind, und obwohl die Geschichte dieser Fäl-schung bis in alle Einzelheiten enthüllt ist, erscheinen sie unentwegt weiter...

 Man hat im Mittelalter auch in unserer Stadt die Juden, soweit man ihrer habhaft wer-den konnte, verbrannt, unter der Beschuldigung, sie hät-ten die Brunnen der Stadt vergiftet und die Pest ins Land gebracht...

Die Methoden des Kampfes gegen die Juden sind seit dem Mittelalter ähnliche geblieben. Un-zählige Male sind die Juden verfolgt worden, aber eine unsichtbare mächtige Hand scheint über ihnen schützend zu ruhen. Ist es nicht die Hand Gottes selbst, dessen Verheißungen die Juden mit einer Kraft erfüllen, die größer ist als die Stärke ihrer Verfolger und ihrer Un-wahrheiten?"                                    

              Das Gutachten des vom Gericht selbst bezeichneten Experten, des Schweizer Schriftstellers C. A. Loosli in Bern-Blümpliz, kommt zum Ergebnis, daß die 'Proto-kolle der Weisen von Zion" eine Fälschung und ein Plagiat darstellen und als Schundliteratur zu qualifizie-ren sind.

              Der Sachverständige verneint kategorisch, daß die zionistischen Führer jemals das Bestreben hatten, irgend-eine revolutionäre oder sonstige politische Tätigkeit in den Ländern der jüdischen Diaspora zu entwickeln. Die ganze zionistische Bewegung richte sich ausschließlich auf Palästina. Das offizielle Programm und die Ver-handlungen des Zionistenkongresses von 1897, an welchem Kongreß die 'Protokolle der Weisen von Zion" angeblich entstanden sein sollen, gingen einzig darauf aus, den Juden eine rechtlich gesicherte Heimstätte in Palästina zu schaffen.

              Der Sachverständige widerlegt dann weiter die Be-hauptung des judengegnerischen Schrifttums, wonach {208} die Verfasserschaft der 'Protokolle" auf den jüdischen Schriftsteller Achad Haam zurückzuführen sei.

              Ausden Protokollen des Zionistenkongresses wie aus den Aussagen von noch heute lebenden Personen, die daran teilnahmen, ergibt sich, daß alle Verhandlungen  im breitesten Lichte der Öffentlichkeit geführt worden sind. Der Sachverständige gibt ferner seiner Überzeugung Ausdruck, daß die Beratung der sogenannten 'Protokolle der Weisen von Zion', auch wenn sie wirk-lich beabsichtigt gewesen, in drei Tagen ein Ding der technischen Unmöglichkeit gewesen wäre. Es spricht auch nicht das geringste Indiz dafür, daß während der drei Verhandlungstage in Basel noch irgendwelche Geheimsitzungen stattgefunden haben.

              'Das 1864 erschienene Buch des Nichtjuden Maurice Joly 'Dialogues aux Enfers entre Macchiavel et Montesquieu" bildet das wichtigste Beweisstück zur Beurteilung der Frage nach der Fälschung der 'Protokolle".

(Brüssel, 1864, 'Dialogue aux Enfers  entre Machiavel  et Montesquieu, ou LaPolitique de Machiavel au XIX-e siècle, par un contemporain', ldn-knigi)

 Die Schrift von Joly bildet eine Kritik gegen die in einem Buche von Machiavelli vertretene Politik Na-poleons III. - Die 'Protokolle der Weisen von Zion", die ja angeblich aus dem Jahre 1897 stammen, weisen eine unbestreitbare Ähnlichkeit und Verwandtschaft mit dem Buche Jolys auf.

Alle wesentlichen Gedanken der 'Protokolle" sind, und zwar in genau derselben Reihenfolge, dem Buche Jolys entnommen, dann aber je nach Bedarf erweitert, erklärt und, nur ausnahmsweise selbständig, sinnentstellend und zweckbewußt fälschend erörtert. Nicht weniger als rund 170 Stellen sind daraus wörtlich abgeschrieben. Die Fälschung verrät die Hand eines gewissenlosen, oberflächlichen Plagiators und Fälschers, der sich nicht einmal die bescheidenste Mühe gibt, die Spuren eines schrifttümlichen Diebstahles zu verwischen. Die Hauptfälschung besteht darin, daß überall da, wo Joly in seinen 'Totengesprächen" Napoleon III., seine Regierung und seine Politik meint, ohne sie zu nennen, in den sogenannten 'Protokollen" die Judenschaft der ganzen Welt an Stelle der von Joly {209} gemeinten Personen und Verhältnisse  unterschoben wird.

              Als erwiesen ist zu betrachten, daß die 'Protokolle" in ihrer annähernd endgültigen französischen Fassung unter der Anleitung Ratschkowskys, des Leiters der rus-sischen politischen Geheimpolizei im Ausland, im Jahre 1905 in Paris angefertigt und später noch ergänzt wur-den. Die Fälschung entstammte internen russischen Mo-tiven und sollte dem Zaren beweisen, daß die Juden es seien, welche sich gegen die damalige russische Staatsverfassung verschworen hätten und die jüdische Welt-herrschaft anstrebten. Damit sollte dem Zaren weis-gemacht werden, daß die russische Bevölkerung mit seinen Regierungsmethoden zufrieden sei. Die an der Aufrechterhaltung des Absolutismus interessierten Kreise wollten auf diese Weise verhindern, daß der Zar auf den Gedanken komme, Reformen einzuführen, die ihre Macht schwächen könnten.

Der Fälscher Ratschkowsky ist eine düstere Gestalt, der erwiesenermaßen auch in anderen Fällen vor Fälschungen und Provokationen nicht zu-rückschreckte. Der Text der 'Protokolle" wurde dann später noch von Sergius A. Nilus erweiternd gefälscht.

              Seit dem Zusammenbruch des zaristischen Rußland besteht der Zweck der 'Protokolle" darin, die Öffent-lichkeit aller Länder zu überzeugen, die gesamte Judenheit unterstehe einer geheimen, nichts weniger als die Weltherrschaft mit allen, auch den verwerflichsten Mit-teln anstrebenden Oberleitung. Diese Anklagen sind so ungeheuerlich, daß man voraussetzen dürfte, diejenigen, die sie erheben, seien davon restlos überzeugt und auch namentlich in der Lage, die Beweise der Echtheit der 'Protokolle" zu erbringen. Dieser Mühe unterziehen sich die Herausgeber nicht, aus Gründen, die nach dem oben Gesagten ohne weiteres klar sind.

              Die Frage, ob Beweise vorhegen, daß die 'Protokolle" aus politischen Motiven gefälscht worden sind, muß be-dingungslos bejaht werden. Der Sachverständige stellt in Übereinstimmung mit einer im Jahre 1921 von der {210} 'Times" durchgeführten Untersuchung fest, daß die 'Protokolle" judenfeindlichen und anderen politischen Zwecken dienten. Ohne die 'Protokolle" wäre dies nicht oder doch nur in viel geringerem Maße möglich ge-wesen. Sie boten den Anlaß zu Judenpogromen und schürten im Volke, namentlich im nationalsozialistischen Deutschland, den Haß gegen das Judentum. Die Ver-breitung dieser Schrift hat also überall, wo sie sich auswirkte, furchtbare Folgen gehabt.

              Nicht eine Behauptung der Befürworter der Echtheit der 'Protokolle" hält einer unbefangenen, ernsthaften Prüfung stand. Überall, wo der Wahrheitsbeweis ver-sucht wird, verwickeln sich die Beweisführer in Wider-sprüche. So oft es gelingt, einen Gewährsmann festzu-halten, erweist er sich bei näherem Zusehen ausnahms-los als ein Mensch von recht zweifelhaftem sittlichen Wert, wenn nicht gar als Berufsfälscher oder Verbrecher.

              Der Sachverständige kommt zum Schluß, daß die 'Pro-tokolle" in literarischer Hinsicht unter den Begriff der Schandliteratur fallen, und zwar unter die schlimmste Sorte der Schundliteratur, die darin besteht, in verleum-derischen Unterschiebungen bewußt und gewollt darauf auszugehen, ihre Leser zu verrohen, die Sittlichkeit und Rechtssicherheit zu erschüttern, gröbliches Ärgernis zu erregen und das Schamgefühl wie das Gewissen ihrer Leserschaft irrezuführen und zu betäuben und dadurch zur Begehung von rechtswidrigen Handlungen anzu-reizen.

              Das Gericht hat den Beklagten Gelegenheit gegeben, auch ihrerseits einen Sachverständigen zu stellen. Lange hat es gedauert, bis dieser gefunden werden konnte.

              Auch diesem 'Sachverständigen" ist es nicht gelun-gen, die Sache der Hakenkreuzler zu retten und den Be-weis zu erbringen, daß die 'Protokolle" echt sind.

{211}    Interessant und bezeichnend ist die Tatsache, daß die beklagten Berner Nationalsozialisten in der Schweiz überhaupt keinen Gutachter (in ihrem Sinne) finden konnten. Sie mußten also einen aus jenem Lande bezie-hen, wo der Judenhaß sozusagen von Staats wegen ge-züchtet wird und wo er zur - beschämenden - Staats-räson gehört: aus dem Dritten Reiche. Dieser Mann, der die Echtheit der 'Protokolle" hätte beweisen sollen, heißt Fleischhauer - und stammt aus Erfurt.

              Herr Fleischhauer hat vor dem Berner Gericht ein langes Referat abgehalten. Es hat nicht Stunden, es hat Tage gedauert. Hatte er einen Erfolg? Doch. Und zwar einen Heiterkeitserfolg. Nach den übereinstimmenden Berichten seriöser christlicher Schweizer Zeitungen ver-mochte zwar Herr Fleischhauer weder den Vorsitzenden noch die Gerichtssaalzuhörer von der Echtheit der 'Pro-tokolle" zu überzeugen, dafür gelang es ihm aber un-zählige Male, durch widersinnige Behauptungen Lach-stürme hervorzurufen.

              Das 'Gutachten" des Herrn Fleischhauer ist nichts anderes als eine ungeschickte, grotesk verzerrte Wieder-holung aller möglichen und unmöglichen antisemitischen Lügen.

              Da man heute schon allgemein weiß, daß die 'Proto-kolle" nichts anderes als ein Plagiat einer Pamphlet-schrift aus der Feder des französischen Rechtsanwaltes Maurice Joly sind, hat Fleischhauer plötzlich die Ent-deckung gemacht, daß Joly jüdischer Herkunft war. Als 'Beweis" hiefür hat er dem Vorsitzenden eine Photo-graphie von Joly vorgelegt und behauptet, daß Joly - Karl Marx ähnlich sähe. Diese lächerliche Art eines 'Be-weises" ersparte sich Herr Fleischhauer bei seinen an-deren Behauptungen: er begnügte sich mit Aufstellung von Lügen, so zum Beispiel, daß bereits im Talmud der Plan einer jüdischen Weltherrschaft enthalten ist, oder daß es ein Jude war, der das Luftabkommen zwischen England und Frankreich entworfen hat.

              Der Verfasser der 'Protokolle" ist nach Fleischhauer {212} entweder Theodor Herzl oder der seinerzeitige Gegner des politischen Herzl-Zionismus, der hebräische Schriftsteller Achad Haam. Endgültig redigiert und beschlossen wurden nach Fleischhauer die 'Protokolle" im Jahre 1897 in Basel, und zwar auf dem gleichzeitig mit dem Zionistenkongreß tagenden Kongreß der B'nei B'rith.

              Alle diese Behauptungen sind natürlich frei erfunden. Herzls Lichtgesalt ist jedem Europäer bekannt, und jeder weiß, daß dieser Zionistenführer und Idealist nichts anderes wollte, als die Juden in ihr altes Land zurückzuführen. Achad Haam dagegen war ein Verfechter des sogenannten Kulturzionismus: er wollte in Palästina nicht einen Staat für die Juden, sondern ein kulturelles  Zentrum schaffen, das hauptsächlich der Pflege des jüdischen Geistes im Sinne der Bibel und der Propheten  dienen sollte. Unwahr ist ferner, daß im Jahre 1897 ein  B'nei-B'rith-Kongreß in Basel stattgefunden hat, wie es  auch unwahr ist, daß sich diese Organisation mit ande-ren als karitativ-humanitären Angelegenheiten befaßt.

              Es ist charakteristisch, wie verlogen die Antisemiten sind. Erst schworen sie darauf, daß die 'Protokolle" in geheimen Sitzungen des Zionistenkongresses beschlossen worden sind. Da eindeutig bewiesen wurde (und zwar unter anderem durch Aussagen christlicher Stenographen dieses Kongresses), daß es im Jahre 1897 keine gehei-men Kongreßsitzungen gab, erfinden sie nun andere Märchen. Seinerzeit behaupteten die Antisemiten steif, daß die 'Protokolle" Ende des vorigen Jahrhunderts ent-standen und daß die dort enthaltenen Gedankengänge jüdische Originalarbeit sind. Der Beweis, daß die 'Pro-tokolle" ein Plagiat der Schrift von Joly sind, war ihnen lange Zeit unangenehm. Bis sie auf die glänzende Idee kamen, auch den Joly schnell zu einem Juden zu ma-chen. Für alle Fälle behaupten sie aber weiterhin, daß Herzl oder Achad Haam der Verfasser ist. Anscheinend verfolgen sie den Grundsatz, daß doppelt besser hält...

              Daß diese Infamien, daß die lächerlichen Paradoxa in Bern eben nur Heiterkeit erwecken konnten, soll {213} niemanden wundern. Dieser Heiterkeit konnte sich sogar der Vor-sitzende nicht erwehren, obzwar er sonst sehr ernst bei der Sache war. Mit nicht mißzuverstehender verachtender Ironie hat dieser Vorsitzende hie und da den Redeschwall des Herrn Fleischhauer unterbrochen und unverhohlen seiner Meinung Ausdruck gegeben, daß die Ausführun-gen dieses 'Gutachters" eine starke Zumutung für ihn seien.

              Hingegen hat der Sachverständige der Kläger,Prof.Dr. Baumgarten, klar und eindeutig den Beweis erbracht, daß die 'Protokolle" eine plumpe Fälschung sind.

 

***

              Was zum Schlüsse C. A. Loosli unter Eid ausgesagt hat, verdient mit goldenen Lettern in der Kulturge-schichte der Menschheit verzeichnet zu werden. Unter anderem führt Loosli alle seine Freunde und persön-lichen Bekannten jüdischer Abstammung an, mit denen er seit seiner Kindheit Freude und Leid geteilt hat, die ihm hilfreich beigestanden sind. Es könne keine Rede davon sein, sagte er, daß das, was der Antisemitismus, was das nordische Ariertum über die Juden verbreitet, wahr sei.

Wenn es Wissenschaft heißen soll, erklärte Loosli, daß die bekannten Massenmörder und Menschenfleischfresser, wie Haarmann, Kürthen, Denke, Sternickel, ferner Julius Streicher vermöge ihrer nordisch-arischen Abkunft edleren Blutes sein sollten als unsere Juden in der Schweiz, dann bitte ich um einen wohlgezielten Gnadenschuß, denn dann freut mich mein irdisches Da-sein keine Minute mehr.

***

 

              Schließlich verkündete der Richter Dienstag, den 14. Mai 1935, 4 Uhr nachmittags, das von der gesamten Kultur-welt erwartete Urteil. Der Angeklagte, der ehemalige Führer des Bundes nationalsozialistischer Eidgenossen, {214} Theodor Fischer, wird zu 50 Franken Buße und zu fünf Neuntel der Gerichtskosten verurteilt, der Angeklagte Schell erhält 20 Franken Buße und hat fünf Achtzehn-ter Gerichtskosten zu tragen.

Zur Begründung des Urteiles führte der Richter im wesentlichen folgendes an:

 

              Der Echtheitsbeweis der Protokolle, der mit Berufung auf Ehrenpreis angeführt wird, fällt mit dieser Zeugenaussage in sich zusammen. Daß eine hebräische Urausgabe der Protokolle gefunden worden sei, ist nur eine Behauptung. Sie sind ein Plagiat, das war schon seit 1921 bekannt.

              Ich stelle somit fest, daß ein Beweis für die Echtheit der Protokolle nicht erbracht ist. Sie fallen ebenso wie die eingeklagten Schriften unter den Begriff des Artikels 14 des Bernischen Schundliteraturgesetzes, denn sie haben eine verrohende und amoralische Wirkung und sind geeignet, zu Verbrechen anzureizen. Die Protokolle sind sowohl gefälscht wie Plagiat.

 Ich bin überzeugt, daß sie Schundliteratur und, mehr als das, Unsinn sind.          

Das ist das Urteil eines unparteiischen Richters.

 

***

              Schaudernd müssen wir daran denken, daß diese 'Protokolle" vor dem Weltkrieg in Hunderttausenden von  Exemplaren in Rußland verbreitet wurden und zu blutigen Pogromen gegen die Juden führten. Kinder und  Greise wurden in bestialischer Weise von der aufgehetzten Menge hingeschlachtet, das vergossene Blut, das das Pflaster der Straßen färbte, schreit zum Himmel. (Die P. waren nicht Grund der J. Pogrome vor 1917, erstens wurden nicht so viele Exemplare gedrückt in RU, zweitens waren die P. von Sprache her, zu verworren für damaligen rus. Volk, auch für der 'Blutanklage' von 1913, (Mendel Beilis - Kiev, s. früher im Text) hat der Zar Nikolai der II für die Anklage die P. nicht zugelassen, denn er wüßte schon längst, daß die P. eine Fälschung sind; man hat die P. vielmehr in der Zeit nach der Revolution 1917 in Gebieten des 'weißen' Widerstands verbreitet, ldn-knigi)

Nach dem Krieg hat sich das Hakenkreuz der 'Protokolle" be-mächtigt, um das deutsche Volk leichter zu benebeln. Das Urteil ist gesprochen worden. Nun werden auch die Unentwegten, die noch immer an diese dummen Lügen glaubten, überzeugt werden. Die Verbrecher aber, die diese 'Protokolle" verbreiten, wird auch das Urteil nicht überzeugen, denn sie haben ja gewußt, daß {215} diese 'Protokolle" nichts als Fälschungen und Unsinn enthalten.

In Deutschland wird man auch künftighin die 'Proto-kolle der Weisen von Zion" verbreiten, denn die dortigen Machthaber brauchen ja die Lüge als Waffe zur Befesti-gung ihrer Herrschaft. Der Mitwelt erwächst nun die Pflicht, das Berner Urteil zu verbreiten, überall zu ver-künden und dafür zu sorgen, daß auch in die entfernteste Hütte, in die entlegensten Gegenden die Stimme des Richters dringe, der den Mut gefunden hat, die Wahrheit so klar und so eindringlich zu verkünden. (1935)

 

(Noch zusätzlich zu den Gerichtsverhandlungen in der Sache  P. - Die Verurteilten Angeklagten, die Nazis, haben eine Kassationsklage eingereicht und am 27.10.1937 wurde die von Bernergericht  zurückgewiesen, ldn-knigi)

 

{216}


10. Kapitel.

 

'Juden sehen Dich an."

 

              In Deutschland erschien ein Buch, das den Titel 'Juden sehen Dich an" trägt. Ein gewisser Johann v. Leers  hat es geschrieben und dem berüchtigten Gauführer  von Franken, Julius Streicher, gewidmet.

              Nur 95 Seiten hat das Buch und nur sechs Kapitel.  Und die Titel der Kapitel sind kurz: I. Blutjuden,  II. Lügenjuden, III. Betrugsjuden,

IV. Zersetzungsjuden, V. Kunstjuden, VI. Geldjuden.

Im ersten Kapitel ('Blut-juden") wird mit den jüdischen Sozialisten 'abgerech-net". Zu den 'Lügenjuden" gehören u. a. Professor Al-bert Einstein, der hervorragende Romanschriftsteller Lion Feuchtwanger, der meuchlings ermordete Pro-fessor Theodor Lessing, einer der besten Publizisten der Gegenwart, Theodor Wolff, und der Schriftsteller Emil Ludwig.

Im dritten Kapitel ('Betrugsjuden") wird auf Grund einiger Einzelfälle zu 'beweisen" versucht, daß alle Juden Betrüger sind. Das vierte Kapitel ('Zer-setzungsjuden") befaßt sich mit dem berühmten Sexuo-logen Professor Magnus Hirschfeld. Im fünften ('Kunst-juden") werden gottbegnadete Künstler, wie Professor Reinhardt, Elisabeth Bergner, Chaplin und andere in den Kot gezerrt, weil sie eben Juden sind. Und im letzten Kapitel ('Geldjuden") wird dem deutschen Volke die 'Tatsache" eingehämmert, daß alle Juden Blutsauger, Geldraffer, Millionäre und Parasiten am Körper der deutschen Wirtschaft sind. Das Buch hat obendrein einen reichen Bilderschmuck: eine Menge Photos jüdischer {217} Persönlichkeiten. Daß diese Photographien retuschiert und 'korrigiert" sind, und zwar so, daß die abgebilde-ten Künstler, Gelehrten, Schauspieler, Pardon: 'Blut-juden", 'Zersetzungsjuden" usw., möglichst häßlich und abstoßend erscheinen, ist eine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, daß es doch darum geht, dem deutschen Volke zu 'beweisen", daß die jüdische Rasse eine Inkarnation des Schlechten und Minderwertigen ist.

             

***

              'Juden sehen Dich an!" Mit einer sich selbst richten-den Ironie wird in dieser Benennung der Titel eines an-deren Buches, 'Tiere sehen Dich an", plagiiert. Juden sind eben Tiere, nein, noch weniger als Tiere, denn im Buche 'Tiere sehen Dich an" erscheinen unsere vierfüßigen Mitbewohner der Erde als liebenswert, für Herrn Dr. Johann von Leers sind aber alle Juden - ausnahmslos - hassenswert. Und selbstverständlich an allem schuld: an Deutschlands verlorenem Krieg, an Deutschlands Not, an der 'Vergiftung der deutschen Seele" usw. Das Lied ist ja bekannt, der Refrain - immer derselbe, der Haß - infernalisch.

Hunderttau-sendmal wurden alle diese Argumente des Hasses und der Verhetzung widerlegt. Aber man bringt sie immer wieder aufs neue vor und es finden sich immer wieder solche, die sich verhetzen lassen.

In einer Hölle wurde dieses Buch verfaßt und gedruckt. In einer Hölle wird es verkauft, verbreitet und gelesen. Diesem Haßprodukt 'Juden sehen Dich an" will ich ein Kapitel in meiner Arbeit entgegenhalten, in dem meine Leser viele Juden kennenlernen werden. Ich muß es mir leider versagen, die Photos der Juden zu bringen, die ich mit meinen Lesern bekanntmachen will. Ich werde mich aber be-mühen, ein geistiges Bild von ihnen zu entwerfen, so eindringlich und vor allem so wahr, daß wir das Ge-fühl haben werden, als stünden sie vor uns und als sähen sie uns an.

 

***

              Auch ich werde die Juden einteilen, aber nicht, in dem ich die edelsten Angehörigen der Judenheit mit Beschimpfungen belege, die den Auswürflingen zukämen, sondern, indem ich aufzeige, was die verschiedenen Gruppen von Juden der Menschheit geleistet haben und noch leisten. Auch bei mir wird es sechs Gruppen von Juden geben, und zwar:

 

I. Juden, die den Nobelpreis erhielten,

II. Gottbegnadete jüdische Künstler,

III. Be-rühmte jüdische Mediziner,

IV. Berühmte jüdische Schriftsteller,

V. Berühmte jüdische Erfinder,

VI. Be-rühmte jüdische Forschungsreisende.

 

              Wer die Judenfrage unparteiisch studiert, der wird bald erkennen, daß die Juden der Menschheit so Unge-heures geleistet haben, daß man ein Bösewicht oder ein Idiot sein muß, wenn man die ebenso verbrecherische wie kindische Behauptung aufstellt, die Juden seien ein 'minderwertiges Volk". Ich kann natürlich im Rahmen  meiner Arbeit nicht alle jüdischen Wohltäter der Menschheit aufzählen, die uns von scheußlichen Krankheiten  befreit, durch technische Erfindungen unseren Lebensstand gehoben und durch ihre Musik, ihre Gedichte, Erzählungen und philosophischen Werke unsere Seele und unser Gemüt erfrischt haben.

Um alle diese Leuchten aufzuzählen, würde man viele dicke Folianten füllen  müssen. Ich werde mich daher darauf beschränken,  einige jüdische Erfinder, Gelehrte, Dichter und Entdecker aufzuzählen. Viele werden meinen Lesern bekannt sein, von den wenigsten werden sie aber gewußt haben, daß sie Juden sind.

              Wer von uns wußte, daß der Erfinder des Grammo-phons und des Telephons der Jude Berliner war? Ist es nicht eine Dummheit und eine Gemeinheit, das Volk als minderwertig zu bezeichnen, dem ein Ehrlich angehörte, der die Menschheit durch sein 'Salvarsan" von der Syphilis befreite, und das einen Robert von Lieben zu seinen Kindern zählte, dem wir es zu verdanken haben, daß wir uns an den Darbietungen des Radios erfreuen können? Und der Überwinder der Entfernungen auf dem {219} Festlande, der Erfinder des Benzinautos, war auch,wie wir sehen werden, ein Jude.

              Uns erzählen die Antisemiten nur von den jüdischen Gaunern und Wucherern, von 'Blutjuden", 'Lügen-juden", 'Betrugsjuden" und 'Geldjuden", indem sie obendrein lügen und verleumden, sie erzählen uns aber nie von den hervorragenden jüdischen Menschen, die durch ihre aufopferungsvolle Arbeit die Menschheit mit Gaben beschenkten, die sie ebenso reich wie glücklich machen konnten. Es ist unsere Pflicht, als Christen und Menschen gegen diesen Betrug einzuschreiten.

Darum werde ich in diesem Abschnitt zunächst einige hervor-ragende jüdische Männer meinen Lesern vorstellen und sodann entsprechend den erwähnten sechs Gruppen die Namen der jüdischen Mitmenschen aufzählen, die sich auf den verschiedenen Gebieten der Kultur ausgezeich-net haben, damit jedermann einwandfrei ersehen kann, daß die Behauptungen des Hakenkreuzes von der Min-derwertigkeit der Juden ein plumper Schwindel sind. Ich muß natürlich an dieser Stelle hervorheben, daß ich mir vollkommen bewußt bin, was meine 'arischen" Mit-menschen geleistet haben, aber ihnen macht kein Mensch ihre Verdienste streitig.

Es hat noch niemand ein Buch geschrieben: 'Arier sehen Dich an", um dann von Blutariern, Lügenariern, Betrugsariern, Geldariern usw. zu sprechen, obwohl es unter den Ariern sicher auch Mörder, Lügner, Betrüger und Profitgeier gibt.

             

***

              Ich werde sicher zu wenig Namen von Juden nennen, die sich auf verschiedenen Gebieten ausgezeichnet ha-ben. Im Rahmen dieser Arbeit kann ich nicht alle jüdi-schen Berühmtheiten bringen, es ist auch möglich, daß ich den einen oder anderen ausgelassen habe, der wür-diger gewesen wäre, genannt zu werden, als sein Kol-lege, dessen Namen ich gebracht habe. Solche Unzulänglichkeit werden mir meine Leser mit Rücksicht auf {220} die Begleitumstände, unter denen ich dieses Buch schreiben mußte, verzeihen. Ich kann nur versichern, daß ich mich bemüht habe, gerecht zu sein und vor allem der Wahrheit zu dienen. Die Ausführungen über die jüdischen Erfinder und Entdecker habe ich dem aus-gezeichneten Buche Teilhabers 'Schicksal und Leistung" entnommen.

 

Heinrich Heine.

 

              Heinrich Heine ist am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf geboren. Er kann als der größte jüdische Dichter deutscher Zunge bezeichnet werden. Heine hing mit heißer Liebe an Deutschland. In seinen 'Nachtgedanken" sagt er:

                             'Denk ich an Deutschland in der Nacht,

                             dann bin ich um den Schlaf gebracht.

                             Ich kann nicht mehr die Augen schließen

                             und meine heißen Tränen fließen."

 

              Heine scheute sich oft, sein Gefühl zum Ausdruck zu bringen. Offenbarte er es jedoch einmal in seinen lyrischen Gedichten, so geschah es gewissermaßen wider Willen und er bemühte sich schnell, den Eindruck wieder zu verwischen, indem er an die echten Gefühlsäuße-rungen ironische Schlußwendungen anfügte. Eine gute Charakteristik für diese Eigenheit gibt die folgende Stelle aus 'Winter-Märchen Deutschland":

 

                                           'Ich wollte weinen, wo ich einst

                                           geweint die bittersten Tränen -

                                           ich glaube, Vaterlandsliebe nennt

                                           man dieses törichte Sehnen.

 

                                           Ich spreche nicht gerne davon; es ist

                                           nur eine Krankheit im Grunde.

                                           Verschämten Gemütes verberge ich stets

                                           dem Publiko meine Wunde."

 

 

{221}    Und an einer anderen Stelle des 'Winter-Märchens" heißt es:

 

                                           'und als ich an die Grenze kam,

                                           da fühlt' ich ein stärkeres Klopfen

                                           in meiner Brust, ich glaube sogar,

                                           die Augen begannen zu tropfen ...

 

                                           und als ich die deutsche Sprache vernahm,

                                           da ward mir seltsam zu Mute,

                                           ich meinte nicht anders, als ob das Herz

                                           recht angenehm verblute."

 

              Ferner heißt es in einem Brief:                   

              'Wenn ich nicht mein deutsches Heimatland mehr liebte als alle meine teutonischen Freunde zusammen, dann wäre ich wahrhaftig nicht wert, daß meine Sachen im Vaterlande so gelesen, gesungen und deklamiert wer-den, als es wirklich der Fall ist."                

 

***

 

              Bismarck war ein großer Verehrer Heines.Er erklärte:

              'Ich hätte - wäre ich an seiner Stelle gewesen - kaum anders gehandelt. Hätte es mir, wenn ich wie Heine als Jude geboren wäre, gefallen können, daß man um acht Uhr abends die Tore der Judenstadt abgesperrt, überhaupt die Juden unter die schwersten Ausnahme-gesetze gestellt hat?"

              ... 'und vergessen denn die Herren ganz, daß Heine ein Liederdichter war, neben dem nur noch Goethe ge-nannt werden darf, und daß das Lied eine spezifisch deutsche Dichtung ist?"

 

***

              Friedrich Nietzsche schreibt in seinem 'Ecce homo" über Heine:

              'Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir {222} Heinrich Heine gegeben. Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahrtausende nach einer gleich süßen und leidenschaft-lichen Musik... und wie er das Deutsche handhabt, man wird einmal sagen, daß Heine und ich bei weitem die ersten Artisten der deutschen Sprache gewesen sind - in einer unausrechenbaren Entfernung von allem, was bloße Deutsche aus ihr gemacht haben!"

 

***

              Heinrich von Treitschke (an Josef Schrattenholz 1894):

              'Heines unsterbliche Werke sind wahrhaftig nicht  jene internationalen Witze, um derentwillen er ,le seul poète vraiment parisien' genannt wurde, sondern die schlechtweg deutsch empfundenen Gedichte, so die ,Loreley', dies echte Kind deutscher Romantik, so jene herrlichen Verse ,Schon tausend Jahr aus Graecia', die noch immer alles zusammenfassen, was die Deutschen seit Winkelmanns Tagen über die Schönheit der hellenischen Welt gesungen und gesagt hatten ..."

 

***

              Friedrich Hebbel:

              '... daß er Dichter ist, tiefer, wahrer Dichter, ein solcher, der nicht bloß auf gut Glück ins Meer hinunter-taucht, um einige Perlen zu stehlen, sondern der unten bei den Perlen und Nixen wohnt und über ihren Reich-tum gebietet, das tritt aus seiner Gestalt wie aus seiner Rede hervor" (Briefe, Tagebuch, Gedichte).

              ' ... dem Grundtypus deutscher Lyrik entspricht Hei-nes Lyrik durchaus und darum ist er ein deutscher Dich-ter..." (1841 im 'Hamburger Correspondent").

             

'... Sie haben mir in Paris einmal in einer halben Stunde über die Judith mehr Tiefes gesagt, als alle deutschen Kritiker zusammen" (18. Dezember 1855 an Heine).

 

{223}

 

***

              Der Literaturhistoriker Wilhelm Scherer ist nicht blind gegen die Schattenseiten in Heines Wesen und Kunst, faßt aber sein Urteil folgendermaßen zusammen ('Ge-dichte der deutschen Literatur", 15. Auflage):

              'Und doch wird man die Namen Goethe und Heine immer nebeneinander aussprechen müssen, wenn es sich um deutsche Lyrik handelt. Heine gehört zu unseren stärksten Liederdichtern und unter denen, die nach dem Meister kommen, nimmt er als eigentümliche Kraft viel-leicht den ersten Platz ein."

 

***

              Der große dänische Dichter Andersen sagt von seinem Besuch bei Heine:

              'Ich hörte nur den Pulsschlag eines deutschen Her-zens, welcher ewig in den Liedern vernommen wird, die leben müssen" ('Das Märchen meines Lebens", Deutsche Bibliothek, S. 140).                            

 

***

              Alexander Dumas père sagt:

              'Frankreich wird den großen Dichter mit Stolz und Freude zu den Seinen zählen, sobald er den Wunsch äußert; aber leider liebt er Deutschland mehr, als dieses Land es verdient" (mitgeteilt bei Maria Embden-Heine:

'Erinnerungen an Heinrich Heine und seine Familie", S. 82).

 

 

Paul Ehrlich.

             

              Paul Ehrlich, der nachmalige Entdecker des Salvarsans, Nobelpreisträger, wurde in jungen Jahren in Fach-kreisen eine Berühmtheit durch die Entdeckung der Diazoreaktion, einer Harnprobe, die für die Typhus-diagnose von großem Wert ist.

              Als er von der Berliner Universitätim Anfang seinerakademischen Laufbahn {224} wegenseiner jüdischen Abstammung weggeekelt worden war, richtete er sich, kurz entschlossen, ein Privatlaboratorium ein, in wel-chem ihm der Nachweis der Übertragung der Schutz-stoffe von der Muttermilch auf das Kind gelang. - Ehrlich opferte im Dienste der Wissenschaft nicht nur einen Teil seines Vermögens, das wäre nichts Beson-deres, er vergaß im Laboratorium buchstäblich Essen und Trinken und arbeitete bis hart an den körperlichen Zusammenbruch.

Aber nicht genug an dem, setzte er bei seinen Versuchen sein Leben aufs Spiel: er infizierte sich an Tuberkelbazillen.

              Wie verträgt sich dieser Forscherfanatismus mit dem antisemitischen Schlagwort von dem mangelnden jüdischen Idealismus? Ehrlich wurde wieder gesund, aber  seine schwere Erkrankung mag ihn mit veranlaßt haben,  dem Geheimnis der Immunität nachzugehen. Er tat dies in dem neugegründeten Institut für Serumforschung in  Berlin-Steglitz, das später nach Frankfurt verlegte wurde. 

Die Jüdin Franziska Speyer widmete dem Institut eine größere Spende, die auch den Ehrlichschen Forschungen zugute kam. Durch diese Arbeiten wurde er neben Beh-ring der Begründer der Serumtherapie.

 

              Wäre schon das bisher Geleistete hinreichend, Paul Ehrlich Unsterblichkeit in der Geschichte der Medizin zu sichern, so wurde er der große Wohltäter der Mensch-heit erst recht, als ihm durch die Verbindung von Genie und unbeirrbarer Zähigkeit nach 605 vergeblichen Ver-suchen die Herstellung von Salvarsan (606) gelang, jenes Wundermittel, durch das die Menschheit von einer ihrer härtesten Geißeln, der Syphilis, befreit wurde.

              Zwei Jahre lang ließ Ehrlich das neue Mittel an Tie-ren nachprüfen und zog hierbei den japanischen Arzt Dr. Hata zur Mitarbeit heran. Nun widerhallte die Welt von dem Ruhm des jüdischen Forschers. 1908 erhielter {225} neben Elias Metschnikoff den Nobelpreis und schließlich wurde er auch preußische Exzellenz. Die letzten Jahre seines Lebens - er wurde nicht viel über 60 Jahre alt - widmete Ehrlich der Durchsetzung seines Salvarsans, dem anfangs übervorsichtige Ärzte mißtrauten, und das vom Hakenkreuz, weil es eine jüdische Erfindung ist, sogar für wertlos erklärt wurde. Heute ist es aus der Syphilisbehandlung nicht mehr wegzudenken.

             

***

              Persönlich war dieser große Arzt von einer so absoluten Lauterkeit der Gesinnung, daß sie selbst von sei-nen Feinden nie bezweifelt wurde. Wie vielen er im stil-len half, wußte nur seine Privatsekretärin, und sein Ver-hältnis zu seinen Untergebenen wird dadurch charak-terisiert, daß ihn manche 'den Vater" nannten.   

 

 

Albert Einstein.

             

              Selten hat ein Genie einen so mühsamen, dornenvollen Weg zur Höhe gehabt wie Albert Einstein, einer der genialsten Physiker der Gegenwart.     Als er 15 Jahre alt war, wanderten seine Eltern aus Deutschland (München) aus, um sich in Italien niederzulassen. Sie gaben die deutsche Staatsbürgerschaft auf, ohne eine andere zu er-werben, eine Voreiligkeit, die Albert lange Jahre des Darbens eintrug. Mit 16 Jahren wollte er die Aufnahme-Prüfung an der Technischen Hochschule in Zürich ma-chen. In den mathematischen Wissenschaften brillierte er, aber in den fremden Sprachen fiel er durch. Das war sehr bitter, dem Vater ging es wirtschaftlich schlecht. Aber nicht viel später hat Einstein die Matura gemacht, ist mit seinen 17 Jahren einer der jüngsten Züricher Studenten und nach weiteren fünf Jahren ist er mit den Prüfungen fertig. Nun soll er endlich verdienen, aber jetzt rächt es sich, daß er ein Vaterlandsloser ist, denn {226} überall verlangt man Zuständigkeitspapiere, die er nicht besitzt. Er kann sich keine Existenz gründen, er darbt und hungert, und ein Magenleiden ist die bleibende Erinnerung an diese schweren Zeiten.

             

***

              Die Freundschaft anderer Stiefkinder des Glücks, die Vertiefung in die Probleme der Physik und die leiden-schaftliche Liebe zur Musik helfen ihm, diese Jahre zu ertragen. Unter Entbehrungen bringt er das Geld für die Taxe der Einbürgerung auf und wird Schweizer Staats-bürger. 1902 erhält er auch eine, wenn auch keineswegs glänzende Anstellung im Patentamte.

Sieben Jahre wirkt er hier als technischer Experte.

In diese Zeit fallen die ersten großen Untersuchungen. Sie werden in den Annalen der Physik veröffentlicht und machen den Verfasser, wenn auch noch nicht für das große Publikum, berühmt. Von 1909 an geht es rasch aufwärts.

Einstein  wird Dozent in Bern, bereits 1912 ordentlicher Professor  in Zürich und erhält 1914 einen Ruf an die Berliner  Universität. Seine große Volkstümlichkeit nimmt von  Amerika ihren Ausgang. England, Holland, Frankreich  tragen ihm Lehrstühle an. Er erhält den Nobelpreis; auf  seinen Vortragsreisen wird er wie ein Fürst gefeiert.  1921 wird Einstein von der Princeston-Universität zum Ehrendoktor promoviert. In seiner deutschen Ansprache nannte Professor Hibben, der Präsident von Princeton, Einstein 'den neuen Pythagoras, der sich auf den Tafeln der Wissenschaft in die mit Pythagoras beginnende Reihe der Maxwell, Newton und Galilei gestellt hat".

 

***

              Nach dem Kriege war Einstein der erste Vertreter deutscher Wissenschaft, der in Frankreich Vorlesungen hielt. Er las in deutscher Sprache mit dem größten Er-folg, fand aber in Deutschland für seinen Mut und {227} Verständigungswillen keine einhellige Anerkennung. Viel-mehr wuchs mit dem Interesse der gebildeten Laien der Widerstand in Fachkreisen, der sich nicht so sehr gegen die Theorie Einsteins, als vielmehr gegen sein Judentum richtete.

Das geht schon daraus hervor, daß die Kam-pagne hauptsächlich von der 'Arbeitsgemeinschaft deut-scher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft" geführt wurde, einer Gemeinschaft, von der man weder vorher noch nachher etwas gehört hat. Vor dem Vortragssaal Einsteins wurden Hakenkreuze verkauft. Anti-semitische Kollegen hielten ihm 'stille, deutsche Denker" vor, wobei es Paul Weyland passierte, daß er unter den stillen, deutschen Denkern auch den Juden Minkowski nannte.

Zu seinem 50. Geburtstag sollte Einstein von der Stadt Berlin ein kleines Grundstück als Ehrengeschenk erhalten. Der Beschluß wurde veröffentlicht, aber be-reits am folgenden Tage mußte der Magistrat sein Ge-schenk widerrufen, weil er angeblich nicht verfügungs-berechtigt war. Ähnlich erging es mit einem zweiten von der Stadt Berlin angetragenen Grundstück. Einstein erkannte, wohin das Volk der Dichter und Denker steuere.

Er verließ Deutschland noch vor dem national-sozialistischen Umsturz und folgte den ehrenvollen Ein-ladungen, die ihn nach Brüssel, Paris und Amerika an den Vortragstisch riefen. Die Anfeindungen, denen er seiner Abstammung wegen ausgesetzt war, haben das Bewußtsein seiner Zugehörigkeit zum Judentum nur ge-stärkt. Er hat sich dem Zionismus angeschlossen und sich immer und überall zum Judentum bekannt. Wieder ein Beweis 'mangelnden jüdischen Idealismus".

              Die außerordentlichen Schwierigkeiten der Relativitäts-theorie und der anderen Einsteinschen Lehrsätze mach-ten es unmöglich, daß das breite Publikum die Bedeu-tung Einsteins würdigen kann. Trotzdem ist Einstein heute der populärste Physiker der Erde. Diese {228} Tatsache wird durch das Ungeheure, ja Ungeheuerliche der Einsteinschen Erkenntnisse erklärt, die sich besonders mit dem Wesen des Lichtes befassen und beweisen, daß das Licht die Eigenschaft der Schwere teilt, also Materie ist. Aus der Einsteinschen Lehre ergibt sich eine Begrenzung des Weltalls. Nach Berechnungen, die sich auf die Relativitätstheorie stützen, hätte das Weltall einen Raumradius von 84.000 Millionen Lichtjahren.

 

Kein Wunder, daß eine solche Lehre auf Widerspruch stößt.

Aber die eine der beiden zur Beobachtung der Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1929 ausgesandten Expeditionen fand die Einsteinschen Theorien im großen ganzen bestätigt.

 

 

Emil Berliner.

 

              Wie ein sentimentaler und spannender Film mit happy end liest sich das Leben von Emil Berliner, der das Telephon erfunden hat. Er kam in Hannover als eines der  elf Kinder Samuel Berliners zur Welt und lernte in seiner freudlosen Jugend Not und Elend kennen. Mit 16 Jahren erfand er eine Webmaschine, die nicht originell, aber der erste Genieblitz war. In kümmerlichen Stellungen brachte er sich fort, bis 1870 die erste große Wendung in seinem Leben eintrat. Ein Bekannter namens Gotthelf, der in Amerika sein Glück gemacht hatte, besuchte die Familie  Berliner und nahm den jungen Emil nach Washington mit.

              Zunächst allerdings ging es ihm in Amerika nicht viel besser als in Europa. In dem Gotthelfschen Laden gefiel es ihm nicht.

Er ging nach New York durch, konnte aber keinen festen Fuß fassen, wurde Reisender einer Möbel-firma in Milwaukee, kehrte wieder nach New York zu-rück und wurde eine Art Laboratoriumsdiener bei Fahl-berg, dem nachmaligen Erfinder des Sacharins. Wäh-rend er sich in dieser Stellung durchhungerte, fand er {229} doch noch Zeit und Kraft, eine Volkshochschule zu be-suchen. Das gefiel dem Inhaber einer Drogerie, August Engel, und er schenkte ihm ein altes Physikbuch. Ber-liner vertiefte sich in das Buch und faßte den Entschluß, Erfinder zu werden, worüber er selbst lächelte, denn er war damals Buchhalter mit 10 Dollar wöchentlich und die Versuche kosteten Geld. Er hatte die Kapitel über Akustik und Elektrizität in seinem Buch auswendig ge-lernt und als er in Washington eine etwas bessere Stellung fand, ging er ans Experimentieren.

 

***

              Bell, ein amerikanischer Physiker, hatte 1876 unab-hängig von dem deutschen Juden Reis ein Telephon konstruiert, das Berliner nicht kannte. Er ging seine eigenen Wege. Nach vielen Enttäuschungen fand er die richtige Spur. Das Arsenal in seiner Stube schien mehr für ein Kinderspielzeug geeignet. Der eigentliche Telephonapparat bestand aus einem einfachen hölzernen Seifenkasten, auf dem an Stelle des Bodens eine Eisenplatte aufgenagelt war. Über die Mitte des Kastens setzte Berliner eine Querstange. Eine gewöhnliche Schraube, die durch die Querstange ging, berührte den Mittelpunkt der Metallscheibe. Auf dem Ende der Schraube lötete er einen polierten Stahlknopf, so daß der Knopf das tatsächliche Kontaktstück der Eisenplatte war. Mit dem Galvanometer konnte er die Variationen des Druckes beobachten. Die ganze Anordnung, der kleine Holzkasten, 7x12 Zoll groß, ist heute mit an-deren 'Reliquien" Berliners im amerikanischen Nationalmuseum ausgestellt.

 

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              Am 13. April 1877 meldete er seine Erfindung bei dem Patentamt an. Die erste Eingabe machte er, weil er kein Geld hatte, selbst. Nach der nächsten {230} Gehaltsauszahlung nahm er sich zur Vervollständigung seines Antrages einen Patentanwalt. Doch da er nur 10 Dollar zahlen konnte, war die Anmeldung so wenig sorgfältig gemacht, daß Berliner dadurch bei den späteren Prozessen fast um seine Ansprüche gekommen wäre. Berliner trug 1878 der Bell Telephone Company seine Pa-tente um 12.000 Dollar an, doch wurde sein Anbot abgelehnt. Es kam ihm jedoch ein Umstand zugute: Eine weite Telephongesellschaft, die 'Western Union", hatte sich gebildet; sie verfügte über bedeutendes Kapital und rat in Verhandlungen mit dem Engländer Hughes, dem ähnliche Gedanken eines losen Kontaktes den Bau eines Fernsprechapparates eingegeben hatten. Hughes bemühte sich, wenn auch erst nach Berliner, in Amerika herauf Patente zu erhalten. Nach einigen Verhandlungen - Berliner stahl sich dazu zwei Tage Urlaub von seinem Geschäft - übertrug er seine Rechte gegen mäßiges Gehalt und einen guten Anteil am Export an die 'Bell Company".

              Sowie er den Vertrag in der Tasche hatte, brach er zusammen. Acht Jahre, überreich an Arbeit, Enttäuschungen, rächten sich. Aber Berliner heilte und arbeitete weiter. Die 'Bell Telephone Company" nahm bald einen großartigen Aufschwung. 1881 fuhr Berliner  nach Europa und gründete mit seinen Brüdern Jakob  und Josef die Telephonfabrik 'I. Berliner", die bald den Mittelpunkt des Telephonbaues in Europa bildete.

              Während der folgenden Jahre beschäftigte sich Berliner mit Verbesserungen seines Apparates. 'Die letzte Umwandlung des Mikrophons, insbesondere durch die Einfügung der Kohle, führte zur Herstellung eines Apparates 'Universal-Transmitter".

              In einem folgenden Patentstreit sprach das amerika-nische Patentamt Berliner die Priorität zu, {231} trotzdem wird vielfach Hughes als der Erfinder des Mikrophons gefeiert. Da beide Erfindungen etwa gleichzeitig und unabhängig voneinander gemacht wurden, Berliner sie aber zuerst anmeldete, so konnte juristisch Berliner seine Prioritätsrechte voll beanspruchen. Vom wissenschaft-lichen Standpunkt aus allein gesehen, gebührt beiden das Verdienst, das Mikrophon, den Apparat, der Schallschwingungen in Schwingungen des elektrischen Stro-mes umsetzt, erfundenzu haben.

 

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              Nun wandte sich Berliner der Konstruktion einer Ma-schine zu, die die menschliche Sprache sowie Töne und Klänge aller Art aufzeichnen sollte. Wohl hatte Edison bereits 1877 seinen Phonographen gebaut, aber er war praktisch nicht verwertbar. In mühevoller, jahrelanger Arbeit entstand nun das von Berliner erfundene Gram-mophon.                                         

 

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              Große Verdienste erwarb sich Berliner auch auf einem Gebiet, das einem Techniker sehr ferne zu hegen scheint, auf dem des Gesundheitswesens. Um die Jahrhundert-wende entdeckte er die Schädlichkeit der rohen Milch und verlangte ihre Pasteurisierung. Als er in Washington seinen Milchfeldzug eröffnete, war die Mortalität der Neugeborenen im ersten Lebensjahr noch 25 %, zwanzig Jahre später war sie auf die Hälfte gefallen, besonders aber ging durch diese Maßnahmen die Sterblichkeit an Typhus und Paratyphus, die vielfach auch durch die Milch übertragen werden, zurück.

Berliner blieb bescheiden, auch als er reich und be-rühmt war. Großzügig gab er, wo er glaubte, dem Fortschritt zu dienen. Aus dem kleinen darbenden {232} Verkäufer war ein berühmter Erfinder, ein großer Wohl-täter geworden.

 

 

 

Robert v. Lieben.

 

              Während jüdische Erfinder, und nicht nur jüdische, sich sooft aus dem Dunkel armseliger Verhältnisse em-porringen müssen, kam Robert v. Lieben in dem glän-zenden Milieu reicher Wiener Bankiers und Großindustrieller zur Welt. Aber mit einer gewissen Art von Schwierigkeiten hatte doch auch er zu kämpfen, denn sein Vater Leopold v. Lieben wollte ihn zum Kavalier erziehen, er aber wollte elektrische Leitungen legen. Aus dem Gymnasium mußte Robert herausgenommen werden und machte mit Mühe und Not die Realschule. Seinem Vater erklärte er, er denke nicht daran, das Bankgeschäft zu übernehmen, sondern er werde Physik  studieren. In Göttingen wurde der junge Lieben trotz mangelnder Vorbildung von dem großen Physiker Nernst aufgenommen und gefördert. Als Robert später  wieder nach Wien zurückkehrte, richtete ihm sein Vater  ein eigenes Laboratorium ein. Der junge Forscher studierte verschiedene technische Probleme an Automobil  und Flugzeug und veröffentlichte 1903 'Untersuchungen  zur Polarisation der Röntgenstrahlen und Kathodenstrahlen"in einer physikalischen Zeitschrift.

             

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1906 machte Lieben seine große Erfindung, die in der Anwendung der Kathodenstrahlen zur Lautverstärkung besteht und die erst den Siegeszug des Radios ermög-lichte.

              Im Taschenbuch der drahtlosen Telegraphie und Tele-phonie (1927) von Banneitz heißt es auf Seite 427: 'Die Übernahme der Lieben-Patente durch die AEG, Siemens und Halske und Telefunken (Lieben-Konsortium) (Nernst, Telefunkenzeitung vom 5. September 1923) kann als die {233} erste Etappe auf dem Wege zur Entwicklung der mo-dernen Verstärker- und Senderöhren bezeichnet werden. - Die beiden grundlegenden Elemente der heutigen Elektronenröhren, die Verwendung langsamer Kathoden-Strahlen und das zwischen Gleichkathode und Anode eingeschaltete Gitter mit einer konstanten Spannung bilden den Kern der Lieben-Patente - 1912 gelang es, auf einer Lieben-Röhre die fünfzigfache Lautstärke des direkten Empfanges zu erhalten, bei Anwendung beson-derer Mittel, Hochfrequenzverstärkung, Rückkopplung usw. sogar bis zum Zehntausendfachen.

              Diese gewaltige Verstärkung des Empfanges hat die große Erfindung der drahtlosen Telegraphie, des Rundfunks, erst lebensfähig gemacht. Was der Rundfunk heute für Kulturarbeit, Schiffahrt, Flugwesen bedeutet, ist bekannt. Auch für eine Reihe wissenschaftlicher Tä-tigkeiten ist die Kathodenverstärkung von Bedeutung.

              Von dem großen materiellen Erfolg hat der Erfinder der Lieben-Röhren nichts mehr gehabt. Er trug eine Todeskrankheit in sich, der er 1913 im Alter von 35 Jahren erlag.

 

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              Vor einigen Jahren fand Lieben einen merkwürdigen Künder seines Ruhmes: Im ,,Fridericus", der bekannten völkischen Zeitung, stand in Nummer 3 des Jahres 1930 in einem sensationellen Artikel über den Judenstämmling Grafen Arco, 'Graf Arco ein Erfinder?" wörtlich zu lesen: 'Es sei hier laut und deutlich behauptet, und der Graf Arco mag diese Behauptung für falsch erklären, wenn er es kann, daß Graf Arco, der Direktor der Tele-funken, niemals und nirgendwo etwas erfunden hat, was mit der Radiotechnik zusammenhängt.

Daß vielmehr all die schönen gedruckten Lobhudeleien über etwaige Erfindungen von ihm weiter nichts sind als glatter Schwindel. Wenn es sich darum handeln soll, den wirklichen Erfinder und Verbesserer der Elektronenröhre kennenzulernen, so ist es der deutsche Baron v. Lieben.

{234}    Und wenn es der Judenschaft beliebt, so sind wir sehr gerne bereit, einmal der Öffentlichkeit zu zeigen, in welcher Weise die jüdische Telefunkengesellschaft gegen diesen deutschen Erfinder, dessen Werk bahnbrechend war und dem tönenden Löschfunken, mit dem die Telefunken sich solange über Wasser gehalten hatte, ein vorzeitiges Ende bereitete, vorgegangen ist. Wie sie es verstanden hat, die wertvollen Patente des Barons v. Heben, die für die gesamte Radiotechnik heute grundlegend sind, durch langwierige Patentprozesse an sich zu bringen."

              Der 'Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" klärte das Blatt über die Abstammung Liebens auf, worauf der 'Fridericus" in einer kleinen Notiz erklärte, er könne nicht nachprüfen, ob Lieben wirklich Volljude war. Der 'Fridericus" sei niemals so engherzig, wirkliche Verdienste um deswillen zu verschweigen, weil Juden die Träger solcher Verdienste sind. Das Fehlen des Barons v. Lieben im jüdischen Lexikon zeige, daß da wieder einmal mit jüdischer Hast, mit jüdischen Preisen und Jüdischer Ungenauigkeit gearbeitet worden sei...

 

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              An dem Haus der 'Ravag" in Wien in der Johannesgasse wurde 1927 eine Gedenktafel enthüllt, auf der zu lesen steht: 'Robert v. Lieben 1878-1913 dem Erfinder der Verstärkerröhre."

 

 

Hermann Aron.

 

              Erst mit 16 Jahren kam Hermann Aron, der als Sohn des armen ostjüdischen Vorbeters Aron am l. Oktober l848 in Kempen (Polen) geboren wurde, an das Kölnische Gymnasium in Berlin, wo er mit 22 Jahren maturierte. Er mußte sich mühselig mit Nachhilfestunden vorwärtsbringen, aber dennoch wählte er, seiner Begabung folgend, Mathematik und Physik, also ziemlich brotlose Künste, zu seinem Lebensberuf, ohne jedoch, {235} wenigstens im Anfang, sein Interesse für literarische Themen zu verlieren. So hielt er 1870 im Heidelberger Studienverein - Aron hatte die Heidelberger Universi-tät bezogen - einen Vortrag über Hamlet, der einen Beifallssturm auslöste und eine Woche hindurch das Stadtgespräch von Heidelberg bildete.

              In jener Zeit war die Kenntnis der elektrischen Grundeinheiten Ampere, Volt, Ohm, Watt wohl theoretisch gewonnen, aber es gab noch keinen sicheren Weg, sie zu messen. Aron ließ das Pendel einer Uhr durch den Strom beeinflussen, und auf Grund der entsprechenden Beschleunigung des Uhrganges konnte der Verbrauch an Elektrizität festgestellt werden. Damit war der erste Elektrizitätsmesser geboren. - 1884 führte Aron die Konstruktion im Berliner elektrotechnischen Verein vor. 1885 reichte er seinen Zähler dem Magistrat von Berlin zur Prüfung ein. Eine eigens dazu ernannte Kommission befand ihn für gut und praktisch verwertbar.         

             

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              Auch einen Drehstromzähler erfand Aron, ebenso wie die Ausnützung des Differentialgetriebes, das heute einen wesentlichen Bestandteil der Kraftfahrzeuge bildet, auf ihm zurückgeht.

Niemand weiß heute, daß Aron auch der erste Pionier der drahtlosen Telegraphie gewesen ist. Auf der Internationalen elektrischen Ausstellung in Wien 1883 berichtete er über seine diesbezüglichen Versuche. Aber das Wissen von den elektrischen Strömen war noch nicht genügend fortgeschritten, so daß sich keine praktischen Erfolge einstellten.

              Aron kam von der Gewerbeakademie, wo er zwei Jahre Assistent gewesen war, als Lehrer der Physik an die Artillerieschule. Er konstruierte ein Rücklaufgeschütz, das ihm 1894 den Geheimratstitel einbrachte. Als er 1913 starb, war, wie Gottschalk schrieb, 'für die gesamte Elektrotechnik einer ihrer hervorragendsten Altmeister dahingeschieden".

 

{236}

 

Siegfried Markus.

 

              Wer kennt den Namen Siegfried Markus, der doch ein Zeitgenosse der älteren unter uns war? Und doch ist dieser Siegfried Markus der erste Erfinder des Benzin-Autos gewesen. Er wurde 1831 als Sohn eines kleinen Geschäftsmannes in Malchin in Mecklenburg geboren und sollte Handwerker werden. Aber aus antisemitischen Gründen fand sich keine Lehrstelle für ihn. Endlich machten Verwandte in Hamburg einen Schlossermeister ausfindig, der den Judenjungen aufnahm und ihm er-laubte, außerhalb des Hauses zu wohnen, damit er sich rituell beköstigen könne.

Nach Abschluß seiner Lehrzeit 1848 kam Markus nach Berlin und arbeitete vorüber-gehend bei Siemens und Halske. Seine erste Erfindung war eine Verbesserung des Relais, einer Vorkehrung, die bei dem Telegraphen die elektrische Kraft an der Empfangsstation verstärkt. Die sächsische Regierung kaufte sie ihm um 1000 Taler ab. Schließlich gefiel es Markus in Berlin nicht und er kam nach Wien zu dem Hofmechaniker Kraft. 1860 richtete er sich in dem Hause Mariahilfer Straße 107 eine eigene kleine Werk-stätte ein und hier konstruierte er ein Benzinautomobil, daß 1868 gebrauchsfertig ist.

Er stellte das Modell aus und erregte Aufsehen damit. Aber das Urteil der Fach-leute war skeptisch und so fand Markus keine Interessenten, die ihm Geld zur Verfügung gestellt hätten. Trotzdem machte er 1875 mit geladenen Gästen die erste Ausfahrt. Sie sollte über die Mariahilfer Straße führen, aber sie wurde kein Erfolg. Man lachte den unglück-lichen Erfinder aus, und die Polizei verbot wegen des ruhestörenden Lärms weitere Ausfahrten. Durch diese Widrigkeiten verlor Markus den Glauben an seine Er-findung und die Freude daran. So schob er mit Hilfe eines Arbeiters den Wagen in die hinterste Ecke seines großen Schuppens und deckte ihn mit großen Tüchern.

{237}    Die teuren Versuche hatten sein eigenes Geld, das er sich am Mund abgespart hatte, verschlungen, Fremde liehen ihm keines mehr, ja, weil man ihn für 'meschugge" hielt, blieben einige Zeit sogar die Kunden aus. Heute steht das Markus-Auto im Wiener Gewerbemuseum, zu dessen größten Sehenswürdigkeiten es zählt. Über die technischen Einzelheiten der Markusschen Erfindung gibt es eine wissenschaftlich gesicherte Unterlage. In dem offiziellen Ausstellungsbericht der Wiener Welt-ausstellung 1873 findet sich eine eingellende Beschrei-bung von Professor I. T. Radinger.

              Auf einen Explosionsmotor erhielt Markus am 24. Juli 1883 ein Patent. Es war eines der 76 Patente, die er in den Jahren 1876 bis 1898 erwarb, darunter das für den ersten brauchbaren Seismographen zur Aufschreibung von Erdbeben.

              Markus ist 1898 gestorben.

Zehn Jahre nach seinem Tode bezeichnete es der 'Verein Deutscher Motorfahrzeugindustrieller" als Ehrenpflicht, an dem Geburtshaus von Markus eine Gedenktafel anzubringen.

Die größten Automobilklubs Österreichs und Deutschlands, die Firma Siemens und Halske und der Verein österreichischer Petroleumindustrieller schlössen sich dieser Ansicht an.

Aber der Eigentümer des Hauses in Malchin verbot die Anbringung, weil er diese Ehrung eines Juden für über-flüssig hielt.

 Es wurde auch in der Presse viel über diese Angelegenheit geredet, aber schließlich verlief sie im Sande.

Markus hat erst vor einigen Jahren in Wien ein Denkmal erhalten.

 

David Schwarz.

 

              Den Juden wird von antisemitischer Seite gern der Vorwurf der Feigheit gemacht. Unhaltbar und zäh wie andere antisemitische Behauptungen ist auch diese. So verbreitete, wie Felix Theilhaber in {238} seinem Buch 'Schicksal und Leistung" berichtet, die völkische Presse bald nach Friedensschluß die Rede eines Reichstagsabgeordneten, im Weltkrieg habe kein Jude gewagt, auch nur in ein Flugzeug zu steigen. Teilhaber legte daraufhin seine Zusammenstellung der Taten und Auszeichnungen "jüdischer Flieger zur Begutachtung dem Kommandeur der Flieger, Oberstleutnant Siegert, vor. Siegert, der seine Truppe auch persönlich kannte, war bei der Unterredung sehr zurückhaltend. Er schien über den Anteil der Juden an der Fliegerei eine sehr skeptische Auf-fassung zu haben. Als er aber das Manuskript gelesen hatte, war er wie verwandelt. Begeistert sprach er von einer Reihe der angeführten Flieger, die er kannte und schätzte, über deren jüdische Abstammung er aber bis dahin nicht unterrichtet war.

Um der historischen Wahrheit die Ehre zu geben, bat er Theilhaber, zu dessen Buch 'Jüdische Flieger im Weltkrieg" das Vorwort schreiben zu dürfen. Oberstleutnant Siegert hat sein Versprechen gehalten und den jüdischen Kameraden ein Loblied gesungen. In dem Buch ist die Geschichte von 120 jüdischen Fliegern wiedergegeben, von denen eine große Zahl gefallen ist. Nach dem Erscheinen des Buches sind dem Verfasser noch 50 weitere jüdische Flieger namhaft gemacht worden.

 

***

              Auch schon vor dem Kriege haben die Juden an der Entwicklung des Flugwesens Anteil genommen. Gleich bei einem der ersten Flugwettbewerbe geht der Jude Abramowitsch als Sieger der Berliner Flugwoche her-vor. In dem Mecklenburger Rundflug vom Jahre 1913 erfliegt sich Dr. Willy Rosenstein den ersten Preis und kann mit 3000 Flügen einen Rekord aufstellen. Als einer der ersten Flieger erprobte der Konstrukteur Jablonsky die ersten Rumplertauben. Wiener und Rumpler, die Fa-brikanten der Albatropflugzeuge, und später Katzenstein sind bahnbrechende jüdische Flugzeugtechniker.

 

{239}   

 

***

              Auch im Ballonfliegen haben sich Juden ausgezeich-net. Bereits 1709, stieg ein Portugiese, Laurenzo Gusman, vor Juan V. in Lissabon auf. Jüdische Ballonführer, wie z. B. Spiegel, Dr. Berliner haben an der Entwick-lung der Luftschiffahrt regen Anteil genommen und sich bei Fern- und Höhenflügen ausgezeichnet. Bekannt ist, daß bei der Polarfahrt Andrees auch ein jüdischer Teilnehmer,Dr. Fränkel, den Tod fand.

              Aus zahllosen Versuchen mit Luftschiffen verschiedener Systeme ging schließlich Graf Zeppelin als Sieger  hervor. Daß er einen Vorläufer namens David Schwarz hatte, ist heute soviel wie unbekannt. Und doch hat dieser jüdische Holzhändler als erster den Gedanken des starren Luftschiffes in die Tat umgesetzt, als erster Motore mit einer fest verstrebten Gondel eingebaut. Von seinem Luftschiff kann man sagen, daß es das erste Luftschiff der Welt war.                                

 

***

              David Schwarz war Holzhändler in Agram. Er brachte Verbesserungen an Holzschneidemaschinen an, obwohl er keine Ahnung von technischen Dingen hatte. In den Wäldern Kroatiens vertiefte er sich in ein Lehrbuch der Mechanik und erkannte, daß, wie alles auf der Welt, auch das Fliegen den Gesetzen der Mechanik unterhegen müsse. Dieser Gedanke wurde zur Leidenschaft, die ihn nicht mehr verließ. So gut er konnte, zeichnete er Luft-schiffe auf, berechnete die Größe, die Form, die Anord-nung. Er erkannte, daß die Ballonhülle aus Metall sein müsse, und zwar aus einem ganz leichten Metall, das er in dem Aluminium entdeckt zu haben glaubte. Die Ausarbeitung der Pläne bis ins einzelne, die Berechnun-gen der Gewichte, Gase, Metalle machten dem Holz-händler nicht geringe Mühe. In Agram gab es keinen einzigen Menschen, der von der Luftschiffahrt etwas {240} verstand, die wenigen technisch gebildeten Personen, denen er seine Pläne vortrug, sagten ihm täglich, er sei in einem großen Irrtum befangen. Aber Schwarz gab nicht nach. Als er genug Pläne ad Zeichnungen angefertigt hat, fährt er nach Wien  das Kriegsministerium und trägt dort seine Ideen vor, ohne jedoch den gewünschten Erfolg zu haben.

              Es gelingt ihm, den Militärattache der russischen Botschaft für sein Projekt zu interessieren. Nach endlosen Korrespondenzen kann er, der österreichische Jude, die sonst für Juden gesperrte Grenze des Zarenreiches überschreiten ... Zwei Jahre vergingen in mühseligen Versuchen. Als das Aluminiumschiff fertiggestellt war, erwies sich das gelieferte Gas als unbrauchbar. Konflikte mit dem russischen Ministerium blieben nicht aus. Als der festgesetzte Termin verstrich, ohne daß das Luft-schiff flog, wurden die Zahlungen eingestellt. Schwarz entfernte sich nach wenig erfreulichen Auseinander-setzungen mit den Offizieren der Luftschiffabteilung eilig aus Petersburg.

Er sah sich völlig verlassen und verraten. Und so zerstörte er das erbaute Luftschiff, machte die Motore unbrauchbar, zerschlug die Versteifungen und zerriß die Ballone. Mit einem falschen Paß floh David Schwarz bei Nacht und Nebel über die Grenze. Ein guter Stern führte ihn nach Westfalen, wo Carl Berg das Aluminium verarbeitete. Dieser Mann sah in der Verwendung des Aluminiums für Luftschiffhüllen ein neues Absatzgebiet und auch sonst lockte ihn eine große Aufgabe. Und abermals begannen für Schwarz Jahre der Aufregungen, Sorgen und Schwierigkeiten, unter denen diejenigen der Geldbeschaffung die größte war. Schließlich interessierte sich das preußische Kriegs-ministerium für das Unternehmen und stellte ihm Ter-rain und Mannschaften zur Verfügung.

              Seit Beginn des Jahres 1895 arbeitete man an der Her-stellung des Luftschiffes. Acht Jahre hatte Schwarz selbst {241} nur seiner fixen Idee gelebt, sein eigenes Vermögen, sein Geschäft, seine Lebenskraft hingegeben. Die Patente, die er erworben hatte, verlangten neuen Aufwand.

Wenn die Verhandlungen mit Deutschland zu keinem Resultate führten, waren neue Reisen und Bemühungen nötig. Er hatte die Kämpfe mit den Offizieren der Luftfahrtruppe, mit den Fabriken, die unbrauchbares Motorenmaterial und schlechtes Gas lieferten, satt. Ein am 9. Oktober vorgenom-mener Versuch ergab nicht das erwartete Resultat, das Wasserstoffgas hatte nicht die nötige Hebekraft. Auf die Reklamationen hin konnten die chemischen Werke in Atraßfurt keinen Termin angeben, an dem sie einwand-freies Gas liefern würden.

Eine andere Quelle kam aber nicht in Frage. Der Aufstieg war also unsicherer als je. - In Berlin hielt es Schwarz nicht mehr aus. Er floh nach Wien. Hier wollte er sein Schicksal abwarten. Am 13. Jänner 1897 zeigten ihm die chemischen Werke an, daß sie zur Lieferung einwandfreien Gases bereit seien. Ein zweites Telegramm enthielt noch wichtigere Nach-richten, nämlich die Aufforderung des preußischen Kriegs-ministeriums zum Antritt des Probefluges gegen Zu-sicherung der Abnahme und Übernahme. Eine ungeheure Freude und Genugtuung erfüllte David Schwarz. Aber sein von so vielen Sorgen zermürbtes Herz war der Freude nicht mehr gewachsen. Von einem Herzschlag getroffen, sank er sterbend zusammen.

             

***

             

Der Erfinder war tot, aber sein Werk, sollte man meinen, lebte. Doch auch über ihm waltete ein Unstern. Das Luftschiff, dessen Modell im Deutschen Museum in München aufbewahrt ist, war fertig. Es fand sich aber niemand, der den Aufstieg wagte, und es bedurfte reich-licher Belohnung, um wenigstens einen früheren Unter-offizier der Luftschiffabteilung, namens Jagels zu be-wegen, die Fahrt durchzuführen. - Am 30. Novem-ber 1897 wurde der Probeflug vorgenommen. Trotz höchst ungünstigem Wetter - es war trüb, und der {242} Wind ging in einer Stärke von 71/2  bis 14 Sekundenmetern -  stieg das Luftschiff ruhig bis auf 400 Meter Höhe. Dann aber mußte Jagels niedergehen. Er tat dies unsach-gemäß, so daß der Ballon schwer beschädigt wurde. Menschen wurden keine verletzt. Das Kriegsministerium fand aber doch, daß der Flug in der Hauptsache miß-glückt sei, und damit war das Schicksal des Schwarzschen Luftschiffes entschieden.

 

***

 

              Die Patente von Schwarz gingen 1898 für 15.000 Mark  an die Zeppelinschen Unternehmungen über. In Friedrichshafen erkannte man die Bedeutung des jüdischen  Vorläufers. Major a. D. Wilcke, der Freund Zeppelins,  hat sie in die Worte zusammengefaßt: 'Es war dies eine Tat, die für immer der Geschichte der Luftschiffahrt an-gehören wird."

 

JUDEN, DIE DEN NOBELPREIS ERHIELTEN.

 

              Tatsachen und Ziffern führen eine beredte Sprache. Über Tatsachen und Ziffern, die ich hier anführe, wird sich auch der verbissenste Antisemit nicht hinwegsetzen können.

 

Erste Tatsache:

 

              In der Welt gibt es 1,8 Milliarden Menschen. Die Gesamtzahl der Juden beträgt 17 Millionen, also nicht einmal 1%.

In der ganzen Welt gibt es 170 Nobelpreis-träger, davon sind 19 jüdischer Abstammung, also 12%.

 

Zweite Tatsache:

 

              In Deutschland leben 60 Millionen Menschen,davon550.000 Juden. Also nicht einmal 1%. Es gibt 34 deutsche Nobelpreisträger, davon sind 11 Juden, also 33%.

              Was folgt daraus? Daß 1% der Weltmenschheitdas Zwölffache dessen leistet, was man von seiner {243} zahlen-mäßigen Stärke erwarten würde.

Und daß 1% der Be-völkerung Deutschlands das Dreiunddreißigfache dessen leistet, was man von ihm erwarten wurde. Aber trotzdem werden die Juden fast in der ganzen Welt verfolgt. Und trotzdem werden gerade die deutschen Juden, die einen riesengroßen Anteil an der Kultur ihres Vaterlandes ha-ben, als Menschen zweiter Klasse und noch schlechter behandelt.

              Ich frage: Ist das nicht Widersinn? Ist das nicht eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit?

 

 

Die jüdischen Nobelpreisträger in Deutschland sind:

 

              Paul Ehrlich (Medizin), Paul Heyse (Literatur), Otto Wallach (Chemie), Richard Willstätter (Chemie), Fritz Haber (Chemie), Albert Einstein (Physik), Otto Meierhof (Medizin), James Franck (Physik), Gustav Hertz (Che-mie), Otto Warburg (Medizin), Adolf v. Bayer (Chemie).

 

              Jüdische Nobelpreisträger, die außerhalb Deutschlands leben, aber dem deutschen Kulturkreis angehören, sind:

 

              Alfred Fried (Frieden), Robert Bàràny (Medizin), Karl Landsteiner (Medizin), Tobias Asser (Frieden).

 

Die übrigen jüdischen Nobelpreisträger sind:

 

Gabriel Lippmann, Frankreich (Physik), Henry Berg-son, Frankreich (Philosophie), Nils Bohr, Dänemark (Physik), Ilja Metschnikoff, Rußland (Medizin).

 

              19 leuchtende Namen am Firmament der menschlichen Kultur. 19 Sterne von ewigem Glanz, 19 Genies. Unter 170 vom Nobelpreiskollegium Ausgezeichneten gibt es 19, die einem grundlos verhaßten und verfolgten Volk angehören. Unter 170 aus der ganzen schaffenden Menschheit Auserwählten gibt es 19 Juden.

              Weiß davon Josef Goebbels? Ja. Weiß es Alfred Rosenberg? Sicherlich. Wissen es die übrigen Größen des nationalsozialistischen Deutschland? Zweifellos. Und doch betreiben sie ihre Judenhetze, die von dem Stand-punkt ausgeht, der Jude sei minderwertig... Die Volksverführer lügen eben, skrupellos. Sie brauchen die Judenhetze, um zur Macht zu gelangen, sie brauchen dieselbe, um ihre Macht nicht zu verlieren.

 

 

{244}

 

BERÜHMTE JÜDISCHE KÜNSTLER.

 

Antokolskij Mark, 21. 10. 1843 Wilna - Homburg 14. 7. 1902, bedeutendster russischer Bildhauer seiner Zeit, seit 1876 in Paris. Realistischer Monumentalplastiker. Werke in Leningrad und Moskau.

Astruc Zacharie, 1835 Angers - Paris 1907, französischer Bildhauer, trat auch als Maler, Schriftsteller und Kunstkritiker hervor, Freund Edouard Manets, der 1864 sein Porträt malte.

Band Max, geb. 1900 in Naumestis (Litauen), Maler, seit 1924 in Paris, schuf besonders charakteristische Kinderporträts.

Barnay Ludwig, 11. 12. 1842 Budapest - Hannover 30. l. 1924, Schauspieler, berühmter Heldendarsteller (Shakespeare, Schiller), Begründer der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (1870) und des 'Berliner Theaters".

Baket Leo S. (eigentlich Rosenberg), 1868 Grodno - Paris 1924, Maler und Graphiker, bekannt besonders durch seine farbenprächtige Ausstattung des 'Russischen Balletts".

Barnowsky Viktor, geb. 10. 9. 1875 Berlin, dort 1905-1933 Theaterleiter und Regisseur von Rang.

 

Bernhardt Sarah (eigentlich Rosalie Bernard), Paris 25. 9. 1844 - 26. 3. 1923, berühmte französische Tragödin, seit 1872 Mitglied der Comédie française, später Leiterin eines eigenen Theaters, glänzte besonders in den Dramen Victor Hugos  und Sardous, auch in Männerrollen (Hamlet; L'aiglon  von Rostand).

Beer Michael, 19. 8. 1800 Berlin - München 22. 3. 1833, Bruder Meyerbeers, Dramatiker. Sein  Einakter 'D. Paria" (aufgeführt 1823) fand Goethes Bei-fall, sein Trauerspiel 'Struensee" gelangte 1828 durch Vermittlung König Ludwig I. von Bayern auf die Bühne. Sämtliche Werke, herausgegeben von E. von Schenk 1835.

Blech Leo, geb. 21. 4. 1871 Aachen, Kom-ponist und seit 1906 Dirigent in Berlin (bis 1923 und seit 1926 Staatsoper). Werke: Oper 'Versiegelt" (1908) und andere.

Bendemann Eduard, 3. 12. 1811 Berlin - Düsseldorf 27. 12. 1889,  neben Veit bedeutendster deutsch-jüdischer Maler im 19. Jahrhundert.  1859bis 1867 Direktor {245} der Düsseldorfer Akademie, Pour-le-merite-Ritter. Werke: Die trauernden Juden in Babylon (Museum Köln) und Jeremias (Berlin), romantische Kompositionen im Geschmack der Zeit; Fresken in Dresden. Berend Charlotte, geb. 1880, Malerin und Zeichnerin von Rang.

Bergner Elisabeth, geb. 22. 8. 1899 Wien, Schauspielerin, seit 1923 (Rosalinde in 'Wie es euch gefällt") sehr erfolgreich in Berlin (Königin Christine, Viola, Heilige Johanna). Seit 1933 in London.

Brahm Otto (eigentlich Abrahamsohn), 1856-1912, als Kritiker, Regisseur und Theaterleiter, Bahnbrecher Ib-sens und Hauptmanns. Mitbegründer der 'Freien, Bühne", auch Kleist-Biograph.

Chaplin, Charles Spencer (Charlie), geb. 16. 4. 1889 London, der populärste Film-schauspieler der Welt. Seit 1910 in Amerika. Erste Filme (einaktige Grotesken) 1913. Dann: The Kid 1920, Pilgrim 1922, Goldrausch 1925, Zirkus 1927.

Coogan Jackie, geb. in Amerika 1914, bekanntestes 'Filmkind'. 1920 'The Kid" (mit Chaplin).

Cooper Alexander (1605 bis 1660) und

Samuel (1609-1672), englische Miniatur-maler, Brüder, von denen besonders der jüngere Welt-ruhm genoß und seinen Zeitgenossen als 'zweiter van Dyck" erschien; von ihm Miniaturporträts fast aller Mit-glieder des Hofes und der Aristokratie, auch mehrere Bilder Cromwells.

Costa Michèle, 1808-1884, Kompo-nist und Dirigent aus Neapel, seit 1829 in England, dort Leiter der Philharmonischen Gesellschaft, der Handel-Feste und der königlichen Oper; 1869 geadelt.

Da Ponte Lorenzo (eigentlich Emanuele Conegliano), 1749 Ceneda (Venetien) - New York 1838, schrieb für Mozart die Texte zu 'Figaros Hochzeit", 'Don Giovanni" und 'Cosi fan tutte".

David Ferdinand, 19. 6. 1810 I Hamburg - Klosters (Schweiz) 19. 7. 1873, Violinvirtuose und  -lehrer, seit 1836 Konzertmeister am Leipziger Ge-wandhaus.

Deutsch Ernst, geb. 16. 9. 1890 Prag, Schau-spieler, 1917-1933 meist in Berlin, einer der ersten Mittler expressionistischer Dramatik.

Dessoir Ludwig (eigentlich Leopold {246} Dessauer), 15. 12. 1810 Posen - Berlin 30. 12. 1874, Schauspieler, berühmter Charakterdarsteller (Shakespeare-Rollen; Narziß), 1849-1872 am Berliner Schauspielhaus.

Dukas Paul, geb. l. 10. 1865 Paris, bedeutender französischer Komponist; seine sin-fonische Dichtung 'Der Zauberlehrling" (1897), ein auch  in Deutschland  vielgespieltes  Bravourstück.

Dukas ist Ende Mai 1935 gestorben.

Elman Mischa, (geb. 21. l. 1891 Talnoje (Ukraine), berühmter Violinvirtuose von brillanter Technik.

Elkan Benno, geb. 12. 12. 1877 Dortmund, Bildhauer, Autodidakt. In Deutschland einer der führenden modernen jüdischen plastiker. Werke: Grab- und Gefallenendenkmäler, Porträtbüsten, Plaketten in sachlich-einfacher Formulierung.

Emmerich Robert, 1847-1899, Schauspieler,  seit 1878 am Wiener Burgtheater, gefeierter Darsteller jugendlicher Helden und Liebhaber.

Epstein Jacob, geb. 10. 11. 1880 New York, Bildhauer, in Paris und London tätig. Seine äußerst kühnen symbolischen Plastiken erregten in England vielfach starken Widerspruch.

Ettinger Max, geb. 27. 12. 1874 Lemberg, Komponist, bekannt durch Lieder, Kammermusikwerke und die Opern 'Juana", 'Clavigo", 'Frühlings Er-wachen".

Fall Leo, 2. 2. 1873 Olmütz - Wien 16. 9. 1925, neben Lehar und Strauß führend unter den neueren Operettenkomponisten. Werke: 'Die Dollarprinzessin" 1907, 'Der fidele Bauer" und viele andere.

Fiorino Jeremias David Alexander, 3. 5. 1797 Kassel -  Dresden 22. 6. 1847, in Deutschland wohl der bedeu-tendste Miniaturmaler jüdischer Abstammung. Seine zahlreichen Porträts äußerst reizvoll in ihrer biedermeierlichen Zartheit.

Gilbert Jean (eigentlich Max Winterfeld), geb. 11. 2. 1879 Hamburg, Komponist populärer  Operetten ('Polnische Wirtschaft").

Goldmark Karl, 18. 5. 1830 Keszthely (Ungarn - Wien 2. l. 1915, Kom-ponist, bekannt vor allem durch die glutvoll-farbige Oper 'Die Königin von Saba" (1875, mit synagogischen Melismen).

Grunewald Isaak, geb. 2. 9. 1889 Stockholm, Maler, Schüler von Henri Matisse in Paris, entwickelte sich, zumal als Bildnismaler, zu einem der stärksten Gestalter der modernen europäischen Malerei.

 

Halévy Jacques Fromental Elie, 27. 5. 1799 Paris-Nizza 17. 3. 1862, {247} Komponist; unter seinen zahlreichen Opern am erfolgreichsten 'Die Jüdin" (1835) mit den dankbaren Partien der Recha und des Eleazar. Halevys Neffe Ludovic Ha-levy (1834-1908) war Librettist Offenbachs; Halevys Schwiegersohn war Georges Bizet.

Hertz Henrik (eigent-lich Heymann), Kopenhagen 27. 8. 1797 - 25. 2. 1870, dänischer Dramatiker und Lyriker. Seine romantischen Dramen 'Svend Dyrings Haus" und 'König Renés Tochter" früher auch in Deutschland oft gegeben.

Hiller Ferdinand, 1811 Frankfurt am Main - Köln 1885, Kom-ponist (Mendelssohn-Epigone), Pianist und Musikschriftsteller, seit 1850 Direktor des Kölner Konservatoriums, seines Einflusses wegen von Wagner gelegentlich als  'rheinischer Musikpapst" bezeichnet.

Hitzig Georg Heinrich Friedrich, Berlin 8. 4. 1811 - 11. 10. 1880, Sohn des Kriminalisten Julius Eduard Hitzig, Architekt, schuf in Berlin die Börse (1859-1864), die Reichsbank (1869 bis 1877) und den Neubau der Technischen Hochschule (1877-1881). Hitzig war Pour-le-merite-Ritter, Präsident der Akademie der Künste und Geheimer Oberbaurat.

Juda Halevi um 1080-1145, Dichter und Religionsphilosoph, klassischer Vertreter der hebräischen Poesie im Mittelalter, lebte in Cordova und starb auf dem Wege nach Palästina (der Sage zufolge den Märtyrertod). Seine berühmteste Dichtung ist die 'Zionide", eine Ele-gie in Ghaselen (aufgenommen in der Lithurgie 9. Aw), sein philosophisches Werk, das Buch 'Kusari" (arabisch geschrieben, hebräische Übersetzung von Juda Ibn Tibbon), eine Darstellung des Judentums in Form von Dialogen zwischen einem jüdischen Gelehrten und einem König der Chasaren. Ausgabe der Gedichte von H. Brody, 1901 ff.; deutsche Obersetzung ausgewählter Hymnen von F. Rosenzweig, 1926; deutsche Übersetzung des ,,Kusari" von D. Cassel, 1909. Romanze Heines in den Hebräischen Melodien.

Hubermann Bronislaw, 19. 12. 1882 Czenstochau, weltberühmter Violinvirtuose. Er war Schüler von

Joachim Joseph, 28. 6. 1831 Kittsee b. Preß-burg - Berlin 15. 8. 1907, berühmt als Geiger, Pädagoge {248} und Komponist.

Kaufmann Oskar, geb. 2. 2. 1873 Neu St. Anna (Siebenbürgen), Architekt, schuf seit 1907 in Berlin zahlreiche Theaterbauten (Volksbühne, Komödie, In-neres der Krolloper) in geschmackvoll der jeweiligen Bestimmung angepaßten Formen.

Kálmán Emerich, geb. 24. 10. 1882 Siopk (Ungarn). Operettenkomponist. Werke: Die Csardasfürstin" 1916.

Kisling Moise, geb. 22. l. 1891 Krakau, Maler, seit 1910 in Paris. Anfangs Kubist, später eindringlicher Realist, besonders als Bildnismaler bedeutend. Klemperer Otto, geb. 15. 5. 1885 Breslau, Dirigent, 1927-1933 an der Staatsoper Berlin, Vorkämpfer moderner Musik.

Kreisler Fritz, geb. 2. 2. 1875 Wien, hervorragender Violinvirtuose, Interpret klassischer Musik. Soziale Verdienste besonders in der deut-schen Inflationszeit.

Korngold Erich Wolfgang, geb. 9. 5. 1897 Brunn, frühreifer Komponist ('Der Schneemann", schon 1908 auf zahlreichen Bühnen!), seit 1927 Professor in Wien. Oper 'Die tote Stadt" 1920.

Levy Rudolf, geb. 15. 7. 1875, Maler, 1903-1914 in Paris, Nachimpressionist in der Richtung von Henri Matisse. Werke: Landschaften, Stilleben, auch Porträts, in zahl-reichen deutschen Museen.

 

Levi Hermann, 7. 11. 1839 Giessen - München 13. 5. 1900, dort seit 1872 Hofkapellmeister, erster Dirigent des Parsifal in Bayreuth 1882).

Lilien Ephraim Moses, 23. 5. 1874 Drohobycz (Galizien)-Badenweiler Juli 1925, Graphiker. Seine Radierungen und Zeichnungen, sämtlich dem jüdischen Themenkreis entnommen, vertreten in der jüdischen Kunst die Stilstufe des 'Jugendstils". Werke: Illustrationen zu 'Juda" von Börries von Münchhausen und zu den 'Liedern des Ghetto" von M. Rosenfeld.

Liebermann Max, geb. 20. 7. 1847 Berlin, Maler und Graphiker, in Paris, Holland, München ausgebildet, seit 1884 in Berlin. Begann unter Einfluß Israels und anderer als Realist, entwickelte sich zum führenden Meister des deutschen Impressionismus. Begründer der Berliner Sezession, 1920 bis 1933 Präsident der Preußischen Akademie der Künste, Pour-le-merite-Ritter, Ehrenbürger von Berlin; 1927 verlieh {249} ihm Reichspräsident von Hindenburg den Adlerschild des Deutschen Reiches. Liebermann war bewußter Jude und seiner ganzen Kunstanschauung nach ein ty-pisch jüdischer Künstler (und zwar spezifisch nord-deutscher Prägung), wenn auch jüdische Motive in seinen Bildern nur selten (und nie um ihrer selbst willen) behandelt sind. Liebermann ist im Jahre 1935 gebroche-nen Herzens gestorben, nachdem ihm das Hakenkreuz ein Malverbot auferlegte.

Lucca Pauline, Wien 25. 4. 1841 - 28. 2. 1908, weltberühmte Sängerin, 1861-1871 Star der Berliner Oper (Carmen, Afrikanerin).

Magnus Eduard, Berlin 7. l. 1799-8. 8. 1872, Maler, seit 1844 Professor an der Berliner Akademie, hervorragender Vertreter der  Bildniskunst des Biedermeier. Werke: Porträts von Thorwaldsen, Mendelssohn-Bartholdy, Menzel, Rauch und viele andere.

Massary Fritzi, geb. 21. 3. 1882 Wien, gefeierte Operettensängerin, 1901-1933 in Berlin, seit 1918 verheiratet mit Max Pallenberg, galt unumstritten als hervorragendste Vertreterin ihres Faches.

Mahler Gustav, 7. 7. 1860 Kahscht (Böhmen)-Wien 18. 5. 1911, Komponist und Dirigent, 1897-1907 Leiter der Wiener Oper. Als Komponist der letzte in der Reihe der großen deutschen Symphoniker, trotz mannigfacher ro-mantischer Formdurchbrechungen; im Zwiespalt zwi-schen Naivität und Bewußtheit, Ekstatik und Melan-cholie, Prototyp des jüdischen Musikers. Werke: Am be-zeichnendsten 'Das Lied von der Erde" (1911); 10 Sym-phonien, 42 Lieder.

Meyerbeer Giacomo (eigentlich Jakob Beer), 5. 9. 1791 Berlin-Paris 2. 5. 1864. Opernkomponist, 1826-1842 Paris, dann Berlin. Von Wagner, den er anfangs beeinflußte, heftig bekämpft. Welterfolge seit 'Robert der Teufel" (1831). Werke ferner: 'Der Prophet", 'Die Afrikanerin", Struensee-Ouvertüre, Fackeln-Tänze.

Mendelsohn Erich, geb. 21. 3. 1887 Allenstein, Baumeister, seit 1914 in Berlin, seit 1933 in London tätig, gilt als einer der Führer der modernen Architek-tur. Werke: Einsteinturm, Potsdam, 1920; zahlreiche Geschäfts- und Warenhäuser in Berlin, Nürnberg, {250} Stuttgart, Chemnitz; Loge zu den 3 Erzvätern, Tilsit; jüdischer Friedhof, Königsberg; Entwürfe für Haifa und Tel-Aviv.

Mendelssohn (-Bartholdy) Felix, 3. 2. 1809 Hamburg-Leipzig 4. 11. 1847, Enkel Moses Mendelsohns. Seit 1835 Dirigent des Leipziger Gewandhauses, Gründer des dortigen Konservatoriums (1843) zeitweise Generalmusikdirektor in Berlin. Durch Aufführung der Matthäus-Passion (1829) Wiederentdecker Bachs. Als Komponist neben Schumann Hauptvertreter der deutschen Romantik. Werke sind sehr zahlreich, darunter die Oratorien 'Paulus" und 'Elias", viele Lieder und Klavierstücke ('Lieder ohne Worte"), die 'Sommernachtstraum-Musik'.

Mengs Anton Raphael, 1728-1779, der als sächsischer und spanischer Hofmaler und Direktor der Akademie in Rom europäische Berühmtheit erlangte. Galt seinen Zeitgenossen als größter Maler der Epoche und Wiederbeleber der klassischen Kunst.

Messel Alfred, 22. 7. 1853 Darmstadt - Berlin 4. 3. 1909, Baumeister, Vorläufer der modernen Zweckarchitektur. Bahnbrechend sein Warenhausbau Wertheim, Berlin (1904), und sein Museumsbau in Darmstadt (1905).

Modigliani Amedeo, 12. 7. 1884 Livorno-Paris 25. l. 1920, Maler, seit 1906 in Paris, sehr eigenwilliger und konsequenter Vertreter  des Expressionismus. Werke: Hauptsächlich Bildnisse und Akte.

Molnár Franz, geb. 12. l. 1874 Budapest, ungarischer Dramatiker, dessen geistreiche Komödien ('Der Teufel", 'Spiel im Schloß" und   viele andere)  Welterfolge errangen; dichterisch wertvoller die Tragi-komödie 'Liliom" (1912).

Moscheles  Ignaz, 30. 5. 1794 Prag-Leipzig 10. 3. 1870, Klavier-virtuose, Lehrer und Komponist. Mit Beethoven befreun-det.

Ochs Siegfried, 19. 4. 1858 Frankfurt am Main-Berlin 6. 2. 1929, Begründer und  Leiter des Berliner Philharmonischen Chors (1882 bis  1920), mit dem er die ersten ungekürzten Aufführungen  von Bachs Matthäus-Passion veranstaltete.

Offenbach Jacques, 20. 6. 1819 Köln-Paris 4. 10. 1880, Operettenkomponist. Kantorssohn, seit 1833 in Paris, eröffnete 1855 die Bouffes-Parisiens. Welterfolge {251} seit 1858 ('Orpheus in der Unterwelt"). Seine Operetten und Parodien durch sprühende Rhythmik und uner-schöpfliche Melodik Meisterwerke der Gattung. In völlig neuem Licht zeigt ihm seine nachgelassene Oper 'Hoffmanns Erzählungen" (1881). Werke ferner: 'Die schöne Helena", 'Perichole", 'Banditen".

Oppenheimer Max (genannt Mopp), geb. l. 7. 1885 Wien, Maler und Graphiker, dem Expressionismus nahestehend, trat be-sonders als Bildnismaler (unter anderen Altenberg, Schönberg, Schnitzler) hervor.

Oppler Ernst, 19. 9. 1867 Hannover-Berlin l. 3. 1929, Maler und Radierer, Im-pressionist unter Max Liebermanns Einfluß. Seine Bilder (Interieurs, Stilleben, Landschaften) in vielen deutschen  Museen.

Oppenheim Moritz Daniel, 8. l. 1800 Hanau- Frankfurt am Main 26. 2. 1882, Maler. Wertvoller als seine bekannten Grisaillebilder 'aus dem jüdischen Fa-milienleben" sind seine charakteristischen Porträts (Riesser, Zunz, Heine, Börne; Goethe).

Orska Maria (eigentlich Rahel Blindermann), 16. 3. 1893 Nikolaew (Südrußland)-Wien 15. 5. 1930, Schauspielerin, seit 1915 in Berlin, verkörperte Strindberg- und Wedekind-Rollen.

Pasternak Leonid, geb. 4. 4. 1862 Odessa, Maler und Graphiker, 1894-1921 Professor an der Moskauer Kunstschule, Freund Leo Tolstois, den er vielfach malte (Bilder in Leningrad und Moskau). Werke ferner: Por-trät Adolf Harnack (Berlin, Harnack-Haus), Porträt Albert Einstein (Jerusalem, Universität).

Pallenberg Max, 18. 12. 1877 Wien-Karlsbad 26. 6. 1934, Schau-spieler, 1914-1933 in Berlin, hervorragend in tragikomi-schen Charakterrollen (Molière) und als zündender Im-provisator in Schwänken, wie 'Familie Schimek" (von Kadelburg).

Pissaro Camille, 10. 7. 1830 St. Thomas (Antillen)-Paris 12. 11. 1903, Maler und Graphiker, aus maranischer Familie, einer der Vorkämpfer und Meister des französischen Impressionismus; seine Bilder und Radierungen (meist Landschaften, oft mit figürlicher Staffage) weisen keinerlei Beziehung zum Judentum auf, zeigen aber zum ersten Male einen jüdischen Künstler

{252} als anerkannten Führer in der Geschichte der euro-päischen Kunst.

Popper David, 1843-1913, hervor-ragender Violoncellovirtuose in Wien und Budapest.

Pottner Emil, geb. 10. 12. 1872 Salzburg, Maler, Gra-phiker und Bildhauer, trat vor allem als Tierplastiker hervor; zahlreiche Modelle für Porzellanmanufakturen.

Pohl Max, geb. 10. 12. 1855 Nikolsburg, Schauspieler, seit 1884 in Berlin, 1897-1932 am dortigen Staatstheater. In seiner Glanzzeit berühmt als Shylock und Nathan.

Rosenthal Moriz, geb. 18. 12. 1862 Lemberg, Klaviervirtuose von höchster technischer Vollendung. Schüler Liszts.

Rossi Salomone, um 1587-1628 der erste (und für die nächsten 200 Jahre einzige) namhafte jüdische Komponist, Hofkapellmeister in Mantua, komponierte Madrigale, Kanzonetten und (als einer der ersten Kom-ponisten überhaupt) Instrumentalsonaten (1607). Für die Synagogalmusik wichtig seine 'Cantici ebraici" (1622). Neuausgabe ausgewählter Werke von S. Naumbourg 1877.

Rathaus Karol, geb. 16. 9. 1895 Tarnopol, Komponist, trat besonders auf dem Gebiet moderner Kammermusik, später auch mit Bühnenwerken ('Fremde  Erde", 1930 in der Berliner Staatsoper) hervor.

Reicher Emanuel, 7. 6. 1849 Bochnia (Galizien) - Berlin 15. 5. 1924, Schauspieler, seit 1887 in Berlin, berühmter Ibsen-- und Hauptmann-Darsteller des Brahm-Ensembles.

 

Reinhardt Max (eigentlich Goldmann), geb. 9. 9. 1873 Baden bei Wien, Theaterleiter und Regisseur, 1894-1902 Schauspieler unter Brahm, dann selbständig ('Schall und Rauch", Kleines, Neues, Deutsches Theater; später Kammerspiele, Großes Schauspielhaus, Komödie), als Dramaturg (Wilde, Shaw, Maeterlinck, Hofmannsthal, Wedekind) und Regisseur (Shakespeare), Antipode Otto Brahms. Seine Leistung gehört der deutschen Theater-geschichte an.

Rothenstein, Sir William, geb. 29. l. 1872 Bradford (Yorkshire), angesehener englischer Maler, bekannt besonders durch charakteristische {253} Porträtzeich-nungen.

Rosenstock Josef, geb. 27. l. 1895 Krakau, Dirigent, Generalmusikdirektor Darmstadt, Wiesbaden, New York, Mannheim, wirkt seit 1933 im Kulturbund deutscher Juden, Berlin.

Rubin-stein Anton, 28. 11. 1829 Wechwotynez (Podolien)- Peterhof 20. 11. 1894, Klaviervirtuose von überragender Bedeutung und sehr produktiver Komponist. Werke: Biblische Opern, 'Der Makkabäer" und 'Sulamith", Oratorium 'Moses".

Spiro Eugen, geb. 18. 4. 1874 Breslau, Maler, 1906-1914 in Paris, Impressionist, als kultivierter Porträtist bekannt. Seine Bilder in mehreren deutschen Museen.

Stern Ernst, geb. l. 4. 1876 Bukarest, Maler und Graphiker, als Bühnenkünstler langjähriger Mitarbeiter Max Reinhardts am Berliner Deutschen Theater.

Straus Oskar, geb. 6. 4. 1870 Wien, neben Fall und Lehar führend unter den neueren Operettenkomponisten. Werke: 'Ein Walzertraum" (1907) und viele andere. Operetten und Singspiele.

Strnad Oskar, geb.26. 10. 1879 Wien, Architekt, Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule, besonders durch seine Bühnenentwürfe (unter anderen für Max Reinhardt) bekannt.

Struck Hermann, geb. 6. 3. 1876 Berlin, Radierer und Maler, seit 1920 in Haifa tätig, war einer der ersten Künstler in Deutschland, der thematisch (in Porträts, ostjüdische Typen, Palästina-Landschaften) fast aus-schließlich das jüdische Element hervorhob; virtuoser Beherrscher der graphischen Techniken, besonders der Radierung. Werke: Die Kunst des Radierens 1909.

Son-nenthal, Adolf Ritter von, 21. 12. 1834 Budapest-Prag 4. 4. 1909, Schauspieler, seit 1856 am Wiener Burg-theater, dort 1887-1890 auch Direktor, 1881 geadelt, hervorragender  Darsteller  klassischer  Heldenrollen (Wallenstein; in seiner Spätzeit besonders auch Nathan).

Schildkraut Rudolf, 27. 4. 1862 Konstantinopel - Holly-wood 15. 7. 1930, Schauspieler in Wien,  Hamburg, Berlin, seit 1911 meist in Amerika, wo er vielfach auch an jiddischen Theatern spielte. Berühmter Darsteller jüdischer Väterrollen (Shylock; Jankel Schepschowitsch in {254} Schalom Aschs 'Gott der Rache").

Schnabel Artur, geb. 17. 4. 1882 Lipnik, einer der größten lebenden Klavierspieler (Beethoven-Interpret), als Komponist eigenwillig-abstrakt. Schönberg Arnold, geb. 13. 9. 1874 Wien, Komponist, 1925-1933 Lehrer an der Berliner Hochschule für Musik, seit 1933 in Amerika tätig, konsequentester Vertreter der 'Neuen Musik", die durch Leugnung der bisherigen harmonischen, melodischen und rhythmischen Gesetze eine absolute Ausdruckskunst an-strebt (Zwölftönesystem). Werke: Gurrelieder; Pierrot lunaire.

Schwarz Josef, 1880 Riga-Berlin 10. 11. 1926, Opernsänger, wohl der bedeutendste deutsche Bariton-Belkantist seiner Zeit, 1915-1921 in Berlin, dann meist in Amerika.

Schwarz Vera, Tochter des David Schwarz aus Keszthely (Ungarn), Opernsängerin.

Tauber Richard, geb. 16. 5. 1892 Linz an der Donau, Opertenor, seit 1930 fast nur noch in Operette und Tonfilm tätig.

Toch Ernst, geb. 7. 12. 1887 Wien, Komponist, führend auf dem Gebiete moderner Kammermusik.

Trier Walter, geb. 25. 6. 1890 Prag, Zeichner, trat besonders als (nicht aggressiver, sondern beschaulich-lustiger) Karikaturist hervor, schuf Aquarelle von zart-poetischer Farbstimmung.

Walter Bruno (eigentlich Schlesinger), geb. 5. 9. 1876 Berlin, hervorragender Dirigent (München, Berlin), bedeutender Mozart- und Mahler-Interpret.

Weill Kurt, geb. 2. 3. 1900 Dessau, Bühnenkomponist, durch den Erfolg der 'Dreigroschenoper" (1928) populärster Ver-treter moderner Musik in Deutschland ('Song-Stil"). Werke ferner: 'Mahagonny" (1927), 'Die Bürgschaft" (1932).

Wellesz Egon, geb. 21. 10. 1885 Wien, Kom-ponist und Musikhistoriker, Schüler Arnold Schönbergs, führender Vertreter moderner Musik in Österreich.  Werke: Besonders Ballette und Kammermusikwerke; grundlegende Studien zur Musik des Orients.

Wein-berger Jaromir, geb. 8. l. 1896 Prag, Komponist der weitverbreiteten Volksoper 'Schwanda, der Dudelsack-pfeifer" (1927).

 

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BERÜHMTE JÜDISCHE MEDIZINER.

 

Adler Alfred, Nervenarzt, geb. 7. 2. 1870 in Wien. Schüler Freuds, Begründer der Individualpsychologie. Werke: Praxis und Theorie der Individualpsychologie.

Aschheim Selmar, geb. 4. 10. 1878 in Berlin, seit 1931 Honorarprofessor;  entdeckte das weibliche Sexual-hormon im Urin schwangerer Frauen; Schwanger-schaftsreaktion.

Auerbach Leopold, 1828-1897, Arzt und Biologe, beobachtet als erster (bei einem Wurm) das Eindringen des Samenfadens in das Ei.

Benedikt Moritz, 1835-1920, Nervenarzt, außerordentlicher Professor in Wien, mit Lombroso Begründer der Kriminalanthropologie, bahnbrechend in der Elektrodiagnostik und -therapie.

Bernstein Julius, Berlin 1839-1917, Physio-loge, Professor in Halle, bedeutende Arbeiten über das Wesen der Muskelphysiologie.

Bloch Markus Elieser, 1723 Ansbach - Karlsbad 1799, Arzt und Fischforscher, seine Fischsammlung jetzt im Berliner zoologischen. Museum. Werke: Allgemeine Naturgeschichte der Fische (12 Bände).

Blumenthal Ferdinand, geb. 1870 Berlin, be-deutender Krebsforscher, 1905-1933 Professor in Berlin, jetzt Belgrad.

Born Gustav Jakob, 1851-1890, Anatom, Professor in Breslau, begründet mit Roux die Entwicklungsphysiologie.

Bucky Gustav, geb. 3. 9. 1880 Leipzig, Arzt, bedeutender Röntgenforscher, ersann die Bucky-Blende zur Abblendung der Sekundärstrahlen, Entdecker der Grenzstrahlentherapie (Behandlung mit sehr weichen Röntgenstrahlen), wanderte 1923 nach Amerika aus, 1930 an das Berliner Virchow-Kranken-haus berufen, seit 1933 Universität New York.

Cassirer Richard, 1868-1925, Psychiater, seit 1912 außerordentlicher Professor in Berlin.

Cohn Hermann, Breslau, 4. 7. 1830-11. 9. 1906, Augenarzt, ab 1874 außerordentlicher Professor Breslau, Begründer der modernen Schulhygiene, erkannte als erster die Be-deutung Robert Kochs.

Cohnheim Julius, 20. 7. 1839 Demmin-Leipzig 15. 8. 1884, Pathologe, {256} o. Professor Kiel, Breslau, Leipzig, bedeutender Anatom (Methode des Gefrierschnitts, Geschwulstlehre). Werke: Allgemeine Pathologie 1878.

Fliess Wilhelm, 1858 Arnswalde-Berlin 1928, Mediziner, bekannt durch biologische Untersuchungen und Abhandlungen über Lebensrhythmus. Werke: Der Ablauf des Lebens, Vom Leben und vom Tode. Das Jahr im Lebendigen.

Fränkel Albert, 10. 3. 1848 Frankfurt a. d. O. - Berlin 6. 7. 1916. Internist, Professor Berlin, entdeckte 1884 den Erreger  der  Lungenentzündung. 

Freud  Sigmund, geb. 6. 5. 1856 Freiberg (Mähren), seit 1902 Pro-fessor in Wien, erforschte Hysterie, Neurosen, krankhafte Bewußtseinszustände, Begründer der 'Psychoanalyse" (neue psychologische Forschungs- und Heil-methode). Werke: Allgemeinverständliche Zusammenfassung in den 'Vorlesungen zur Einführung in der Psychoanalyse" 1917, Gesammelte Schriften, 11 Bände, seit 1924.

Friedberger Ernst, 17. 5. 1875 Gießen-Berlin 25. l. 1932, Hygieniker, seit 1926 Direktor des Dahlemer Instituts für Hygiene und Immunitätsforschung; zahlreiche Studien über hygienische Teilgebiete (Wohnung, Erholung, Kleidung).

 

Haffkine Waldemar Mordechai, 1860 Priluki (Ukraine)-Lausanne 1934, genialer Bakterio-loge; führt als erster 1895-1897 Schutzimpfung gegen Cholera und Pest mit abgetöteten Kulturen ein; 1899 - 1905 Leiter des von ihm gegründeten Pestlaboratoriums (Haffkine-Institut) in Bombay.

Heidenhain Rudolf, 1834 bis 1897, Professor der Physiologie und Histologie Bres-lau. Studien über mechanische Leistung, Wärmeentwick-lung bei der musikalischen Tätigkeit und experimentelle  Nachprüfung hypnotischer Phänomene.

Henle Fr. G. Ja-cob, 30. 7. 1809 Fürth - Göttingen 13. 5. 1885, Patho-loge, einer der Begründer der auf die Zellenlehre aufge-bauten modernen wissenschaftlichen Anatomie, Lehrer Robert Kochs.

Herz Jakob, 1816-1871, Arzt, seit 1869 o. Professor der Universität und Ehrenbürger der Stadt Erlangen, die ihm ein Denkmal setzte.

Hoffa Albert, 31. 5. 1859 Richmond (Afrika) - Köln am {257} Rhein 31. 12. 1907, Orthopäde, o. Professor in Würzburg und Berlin, Begründer der modernen Orthopädie (Spezialgebiet: Be-handlung der angeborenen Hüftverrenkung). Werke: Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie (7. Aufl., 1925, in zahlreiche Sprachen übersetzt).

Kaposi Moriz (eigent-lich Cohn) 1837-1902, Dermatologe, Schüler und Nach-folger Hebras in Wien, Professor, bahnbrechende Ar-beiten zur Dermatologie. (Kaposi-Sarkom)

Klemperer Georg, geb. 10. 5. 1864 Landsberg (Warthe), bedeutender Mediziner, 1919 bis 1933 Direktor der 4. medizinischen Universitätsklinik, Berlin, grundlegende Beiträge zu Stoffwechsel- und Er-nährungskrankheiten. Köbner Heinrich, 1838 Breslau- Berlin 1904, Professor und Inhaber des ersten Lehrstuhls für Dermatologie in Breslau, grundlegende Werke über Hautkrankheiten.

Küttner Hermann (jüdischer Abstam-mung), 1870-1932 (Mutter geb. Gerson), Chirurg, o. Professor Breslau, Marinegeneralarzt, Militärarzt im  Buren-, Griechisch-Türkischen und Weltkrieg; viele Arbeiten über Kriegschirurgie.

Landsteiner Karl, geb. 16. 6.  1868 Wien, Bakteriologe u. Serologe, Mitglied des Rocke-feller Institute for Medical Research; Nobelpreis für Ent-deckung der menschlichen Blutgruppen 1930.

Landsberger Richard, geb. 23. 12. 1864 Darmstadt, Begründer der Kieferorthopädie (Einfluß der Zähne auf Schädelbil-dung und Organismus), 1926 Doktor h. c. der Universi-tät Berlin.

Lichtheim Ludwig, 1845-1912, Internist, o. Prof. Königsberg 1888-1912, einer der Begründer der modernen inneren Medizin.

Loeb Jacques, 7. 4. 1859 Mayen (Eitel)-Hamilton (Bermudas) 11.2.1924, deutsch-amerikanischer Biologe, zuletzt Professor am Rockefeller-Institut, begründete die Tropismenlehre, entdeckte die künstliche Entwicklung von Seeigeleiern ohne Befruch-tung.

Lombroso Cesare, 1836 Verona-Turin 1900, be-rühmter italienischer Kriminalanthropologe, o. Professor der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie in Turin. Hauptvertreter der Lehre vom geborenen Verbrecher. Werke: Genie und Irrsinn 1864.

Lubarsch Otto, Berlin 1860-1933, Pathologe, o. Professor Berlin; wichtige {258} Studien über Geschwulstlehre, Stoffwechselpathologie, Immunität.

Marmorek Alexander, 1865 Mielnice (Galizien) - Paris 1923, Bakteriologe 'Chef des travaux" im Institut Pasteur, entdeckte das Streptokokkenserum (moderne Scharlachbekämpfung); (Zionist).

 

Meyerhof Otto, geb. 12. 4. 1884 Hannover, Physiologe, seit 1929 Direktor des Instituts für Physiologie im Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg, erforschte die chemischen Vorgänge und Energieumwandlung bei der Muskelarbeit, hierfür Nobelpreis 1928 (mit Hill).

Metschnikoff llja, 15. 5. 1845 Iwanowa-Paris 15. 7. 1916, russischer Bakteriologe, Professor am Institut Pasteur, arbeitete über Toxinegesetze.

Minkowski Oskar, 1858 Kowno-Wiesbaden 1931, Mediziner, o. Professor Breslau, entdeckte den Zusammenhang zwischen Bauch-speicheldrüse und Zuckerstoffwechsel und ermöglichte dadurch die Entdeckung des Insulins.

Munk Hermann, l839-1912, Begründer und Erforscher der Gehirnphysiologie, Professor Berlin.

Pick Ludwig, geb. 1868 Landsberg (Warthe), Pathologe, o. Honorarprofessor Berlin, richtete das vorbildliche pathologische Museum der  Landauschen Frauenklinik und des Krankenhauses Fried-richshain ein.

Politzer Adam, 1835 Alberti (Ungarn) - Wien 1920, o. Professor der Ohrenheilkunde Wien, Be-gründer der modernen Otologie; neue Methode 'Politzern" (Einblasen von Luft in die Paukenhöhle).

Poll Heinrich, geb. 1877 Berlin, Anatom, o. Professor Ham-burg 1924-1933, wichtige Studien zur Vererbungslehre (Halbseitenzwillinge, Fingerabdrücke bei Zwillingen).

Remak Robert, 26. 7. 1815 Posen - Kissingen 29. 8. 1865, seit 1858 a. o. Professor, Entdecker der marklosen Ner-venfasern, Begründer der Elektrodiagnostik und -thera-pie.

Romberg Moritz Heinrich, 11. 11. 1795 Meiningen- Berlin 16. 6. 1873, seit 1840 o. Professor der inneren Medizin, Begründer der pathologischen Physiologie und Neurologie sowie der modernen Nervenheilkunde (Ta-bes). Sein 'Lehrbuch der Nervenkrankheiten" 1840-1846 {259} war lange führend.

Traube Ludwig, 12. l. 1816 Ratibor-Berlin 11. 4. 1876, Arzt, a. o. Professor der inne-ren Medizin, Begründer der experimentellen Pathologie, bahnbrechender Forscher (Herz-, Lungen und Nieren-krankheiten), führte die Digitalisbehandlung bei Herz-kranken ein.

Tannhauser Siegfried, geb. 28. 6. 1885 Mün-chen, Internist, o. Professor Düsseldorf, Freiburg i. B. (bis 1934), verdient um die Biochemie der Leber und Galle.

Unna Paul Gerson, geb. 8. 9. 1850 Hamburg, Der-matologe, bahnbrechend als Histologe und Färbetech-niker, entdeckte den Erreger des weichen Schankers (mit Ducrey).

Warburg Otto Heinrich, geb. 8. 10. 1883 Freiburg i. Br., Physiologe, Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Zellforschung Berlin-Dahlem, entdeckte nach eigenen Methoden der Gasanalyse den Stoffwechsel der bösartigen Geschwülste, erhielt dafür 1931 den Nobel-preis.

Widal Fernand, 9. 3. 1862 Dellys-Paris 14. l. 1929, Arzt, Professor der Bakteriologie und inneren Me-dizin, entdeckte mit Gruber die Gruber-Widalsche Reak-tion zur Typhus- und Paratyphusdiagnose.

Winternitz Wilhelm, l. 3. 1834 Josefstadt (Böhmen)-Wien 22. 2. 1917, Arzt, Begründer der wissenschaftlichen Hydro-therapie, 1881-1906 o. Professor Wien.

Zeissl, Hermann von, 1817 Vierzighuben (Mähren) - Wien 1884, a. o. Professor und Primararzt Wien, einer der bedeutendsten Dermatologen seiner Zeit. Werke: Lehrbuch der kon-stitutionellen Syphilis, mehrfach übersetzt.

Zondek Bern-hard, geb. 1891 Wronke, Gynäkologe,  1926-1933 a. o. Professor Berlin, Leiter des Hadassa-Rothschild-Krankenhauses Jerusalem, wichtige Arbeiten über den Zusammenhang der Absonderung der Hypophyse mit den Eierstöcken, arbeitete zusammen mit Aschheim die Diagnostik der Schwangerschaft aus dem Urin aus.

Zuckerkandl Emil, l. 9. 1849 Raab-Wien 28. 5. 1910, Anatom und Anthropologe, o. Professor und Leiter des 2. Anatomischen Instituts Wien; Studien zur Schädelkunde, anthropologische Untersuchungen über die Be-völkerung Niederösterreichs.

              Das Wirken {260} des Nobelpreisträgers Ehrlich habe ich an anderer Stelle ausführlich erörtert.

 

***

 

Die österreichische Regierung und die Wiener Ärzte feierten in diesen Tagen das 150jährige Jubiläum des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. In zahlreichen Festreden und Artikeln wird die Bedeutung dieses berühm-testen Krankenhauses der Welt - zu dem auch die jüdischen Kranken aus nah und fern wie nach einem Mekka der Heilung gepilgert sind - geschildert. Über den Anteil der jüdischen Ärzte an der Entwicklung der Wie-ner Medizin und der modernen Heilkunde stellt der bekannte Medikohistoriker Dozent Dr. I. Fischer der J. T. A. folgende Aus-führungen zur Verfügung:

 

              Durch das Toleranzpatent Kaiser Josefs II. wurde im Jahre 1782, also zwei Jahre vor der Eröffnung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, den Juden das medizinische Studium, das sie bis dahin nur auf ausländi-schen Universitäten zurücklegen konnten, auch in Österreich zugänglich gemacht. Die fünfjährige Dauer des medizinischen Studiums ließ die ersten Promotionen jüdischer Ärzte nicht vor dem Schuljahr 1787/88 erwarten. Die erste Promotion fand aber erst im Mai 1789 statt.

              In den ersten 20 Jahren nach Erlassung des Toleranzpatents waren es nur 14 jüdische Ärzte, die an der Wiener Universität zur Promotion kamen. Die Beschrän-kungen, denen der Aufenthalt der Juden in Wien unterworfen war, die erst allmählich gelockert wurden, machen es verständlich, daß sich die Zahl der jüdischen Studenten nur nach und nach vergrößerte und sich erst nach dem Jahre 1848, als diese Beschränkungen aufgehoben wurden, stark vermehrte.

{261}    Schon vor 1848 war es ihnen zwar möglich, zu Sekundararztensstellen vorzurücken, aber noch das Dekret der niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Ok-tober 1847 schärfte es neuerlich ein, daß jüdische Ärzte 'nur bei entschiedenem Vorzug vor christlichen Ärzten" zu Sekundarärzten ernannt werden dürfen.

Als Konver-titen war ihnen der Aufstieg wesentlich leichter gemacht; so sehen wir z. B., daß bereits 1828 Elias Löbisch die Erlaubnis erhielt, Vorlesungen über Frauen- und Kinder-krankheiten zu halten, und Andreas Jeitteles, der Enkel des berühmten Prager Ärztes Jonas Jeitteles, zum Pro-fessor der Anatomie ernannt wurde. Der erste Primar-arzt, ursprünglich jüdischen Glaubens, im Wiener All-gemeinen Krankenhaus wurde 1868 Leopold (später Ritter von) Dittel, der schon als Assistent Dumreichers sich wissenschaftlich hochverdient gemacht und sich später durch den Ausbau der Urologie, besonders als Steinoperateur, Weltruf erworben hatte. Der 1869 zum Primararzt der neuerrichteten Abteilung für Geschlechtskrankheiten ernannte Hermann (von) Zeißl, ein Schüler Hebras, war - inzwischen hatten die Verhältnisse durch die liberale Verfassung eine Wandlung erfahren - dem Glauben seiner Väter treu geblieben.

Eduard Lang, der sich insbesondere der operativen Behandlung des Lupus in unermüdlicher Arbeit hingab, und Salomon Ehrmann, der auf dem Gebiet der dermatologischen Histologie hervorragendes leistete, wurden erst in den achtziger, bzw. neunziger Jahren Primarärzte des Allgemeinen Krankenhauses.

              Die Zahl der jüdischen Medizinstudenten, die nach 1848 aus der ganzen österreichisch-ungarischen Mon-archie nach Wien, dem Mekka der Heilkunde, pilgerten, wuchs immer mehr und mehr an und sie waren es auch, die dann, im weiten Reiche oder im Auslande sich nieder-lassend, den Ruhm der Wiener medizinischen Schule ver-breiten halfen und auch durch Zuweisung ihrer schwe-ren und insbesondere operativen Fälle aus allen Kron-ländern in das Wiener Allgemeine Krankenhaus dazu {262} beitrugen, das Krankenmaterial dieser Anstalt zu seiner imposanten Fülle zu gestalten.

              Es ist begreiflich - sagt Dozent Fischer -, daß das Jubiläum des Wiener Allgemeinen Krankenhauses auch Anlaß gab, die Entwicklung der Wiener Medizin in dem Zeitraum dieser 150 Jahre zu überblicken, zumal es ja dieser Zeitraum war, in welchem die Heilkunde nie dagewesene und nie geahnte Fortschritte zu verzeichnen hatte. Sind diese Fortschritte wohl an die internationale Zusammenarbeit geknüpft, so hatte die Wiener medizinische Schule doch reichen Anteil an ihnen, und auch hier waren jüdische Ärzte in vollem Maß an dem Aufbau und Ausbau der modernen Heilkunde tätig.

              Allzu groß wäre die Liste der Namen, die hier zu nennen wären, weshalb ich mich auf die Aufzählung der bedeutendsten Vertreter der einzelnen Fächer beschränken muß, von denen manche freilich ihrer Karriere zuliebe dem Judentum schon den Rücken wandten, die aber ihre Anlagen, ihre Talente und ihr Genie dem Volk - heute sagt man auch gern der Rasse - schuldeten, dem sie entstammten.

              Der Anatom Emil Zuckerkandl, der Embryologe Samuel Schenk, die Physiologen Ernst Fleischl von Marxow und Alois Kreidl, der erste Vertreter der experimentellen Pathologie Salomon Stricker und der medizinische Chemiker Julius Mautner seien als Vertreter der theoreti-schen Fächer genannt. Heinrich von Bamberger, Samuel Basch, Moritz Heitler, Leopold Oser, Maximilian Sternberg und Hermann Schlesinger erwarben sich auf dem Gebiet der internen Medizin ruhmvolle Namen. Die Wiener Chirurgie verdankt den Billroth-Schülern Anton Wölfler und Robert Gersuny, die Urologie Josef Grünfeld und Otto Zackerkandl, die Heilgymnastik Anton Bum mächtige Förderung.

              Um die Wiener Neurologie machten sich Moritz Benedikt, Moritz Rosenthal, der vielversprechende, aber früh verstorbene Nathan Weiß, Josef Adolf Hirschl, Emil Redlich und Alfred Fuchs verdient. Der erste {263} Wiener jüdische Dozent der Gynäkologie war Markus Funk, dem Wilhelm Schlesinger, Julius Neumann, Fritz Hitschmann, Arthur Foges und Edmund Hermann folg-ten, während die operative Gynäkologie besonders von Karl August Herzfeld und Ernst Wertheim, der einer alten Wiener jüdischen Familie entstammte, bereichert wurde.

              Gustav Wertheim, Moritz Kaposi, Isidor Neumann, Heinrich Auspitz, Heinrich Paschkis, Maximihan von Zeiß, Siegfried Grosz schufen grundlegende Arbeiten zur Dermatologie und Syphilidologie.

Der beste Wiener Kliniker der Kinderkrankheiten war Ludwig Wilhelm Mautner; um dieses Fach haben sich dann Leopoldine Politzer, Lazarus Fürth, Ignaz Eisenschitz, Max Kassowitz, Paul Moser, Leopold Moll und Karl Leiner ver-dient gemacht. Die moderne Otologie ruht auf den Ar-beiten von Adam Politzer und Josef Gruber, denen Albert Bing, Gustav Alexander, Benjamin Gomperz und Ferdinand Alt als würdige Schüler zur Seite traten.

              Die Wiener Laryngologie weist die Namen eines Karl  Störck und Johann Schnitzler (Vater Artur Schnitzlers), in der späteren Generation die von Leopold Rethi, Wilhelm Roth und Johann Fein auf. Hervorragende Vertreter der Augenheilkunde waren Ludwig Mauthner und Isidor Schnabel, ferner Jakob Hock und Leopold Königstein. Als Lehrer der Zahnheilkunde wirkten Phi-lipp Steinberger, Michael und Julius Scheff, welch letz-terer der erste Vorstand des Universitätsinstituts für Zahnheilkunde wurde. Die Balneologie verdankt Josef Seegen, die Hydrotherapie Wilhelm Winternitz ihre wissenschaftliche Grundlegung. Der erste Lehrer der Ge-schichte der Medizin in Wien war der Konvertit Franz Romeo Seligmann, der schon 1833 mit Vorlesungen aus diesem Fach betraut war.

              Die Wiener medizinische Journalistik verdankt ihren Ausbau ebenfalls Juden; ich nenne nur die Wiener medi-zinische Wochenschrift (Wittelshöfer, Adler), die öster-reichische Zeitschrift für praktische Heilkunde (Winter-nitz und Goldschmied), die Medizinischen Jahrbücher {264} (S. Stricker), die Wiener Allgemeine medizinische Zeitung (Kraus, Pichler), die Wiener medizinische Presse (Markbreiter, Johann Schnitzler, Bum), die Wiener Medizinischen Blätter (Wilhelm Schlesinger) und die Internationale klinische Rundschau (Artur Schnitzler, Bela Weiß, Kunn).

              In der vorangegangenen Liste erscheinen nur die Namhen bereits Verstorbener, die mit Ausnahme Gersunys und der letztgenannten Zeitschriftenredakteure zugleich auch Mitglieder der Wiener medizinischen Fakultät waren. Hierbei soll aber keineswegs verkannt werden, daß sich auch eine Reihe von Nichtakademikern um die praktische und wissenschaftliche Medizin Verdienste erwarben, von denen z. B. Karl Koller (lebt noch heute in New York), Salomon Federn und Emil Pins genannt seien. Überaus groß wäre die Liste der noch heute wir-kenden jüdischen Ärzte oder Ärzte jüdischer Abstam-mung, die sich internationalen Rufes erfreuen und die medizinische Forschung reichlich befruchteten.

Siegmund Freud, Gustav Gärtner, Ernst Pick, Markus Hajek, Leopold Freud, Heinrich Neumann, Bela Schick, Jakob Erdheim u. a. Zwei der drei Nobelpreisträger Wiener Abstammung, Robert Barany und Karl Landsteiner, können die österreichischen Juden für sich reklamieren.

 

BERÜHMTE JÜDISCHE SCHRIFTSTELLER.

 

Altenberg Peter (eigentlich Richard Engländer), Wien 1859-1919, Schriftsteller sehr ausgeprägten Eigenstils in Dichtung (impressionistischer Prosaskizzen) und Le-ben (Boheme). Werke: Wie ich es sehe, 1896.

Asch Schalom, geb. l. l. 1880 in Kutno (Polen), jiddischer Romancier und Dramatiker, Ehrenvorsitzender des jiddi-schen Pen-Klubs, lebt in Europa. Werke (historische und moderne jüdische Romane): Ein Glaubensmartyrium Motke Gannew, Trost des Volkes; Tragödien: Gott der {265} Rache, Sabbatai Zwi.

Auerbach Berthold, geb. 28. 2. 1812, Schriftsteller, von Hebbel angefeindet groß-deutsch gesinnt. Werke: Schwarzwälder Dorfgeschichten (darin 'Barfüssele"); Spinozaroman.

Baum Vicky, geb 24. l. 1888 Wien, Schriftstellerin, Verfasserin vielgelesener (meist auch verfilmter) Unterhaltungsromane wie 'Men-schen im Hotel". Berend Alice, geb. 1878 Berlin, schrieb erfolgreiche Kleinbürgerromane ('Frau Hempels Toch-ter").

 

Bernard Tristan, geb. 7. 9. 1866 Besancon, lebt in Paris, Dramatiker und Novellist von sehr persönlichem, geistreichem Humor, auch in Deutschland viel gespielt.

Bernstein Henri, geb. 1876 Paris, französischer Dra-matiker, seine bühnenwirksamen Stücke (Israel, Baccarat, Der Dieb) vielfach auch in Deutschland gegeben.

Blumenthal Oscar, 1852-1917, der erfolgreichste Lustspiel-autor um 1890 ('Im weißen Rößl"), auch Kritiker und 1888 Begründer des Lessingtheaters in Berlin.

Bloch Jean Richard, geb. 1884 Paris, französischer Schriftsteller. Werke: Novellen 'Levy" (1912), Familienromane 'Simler & Co." (deutsch 1927).

Biro Ludwig, geb. 22. 8. 1880 Wien, deutsch-ungarischer Schriftsteller. Werke: Hotel Stadt Lemberg 1917, Die Juden von Bazin 1921.

Börne Ludwig (eigentlich Baruch), 6. 5. 1786 Frank-furt a. M. - Paris 12. 2. 1837, hervorragender Jour-nalist, auch ästhetisch reich begabt, aber vor allein po-litisch interessiert (daher sein Konflikt mit Heine). Einer der Führer des 'Jungen Deutschland". Zu seinem Frei-heitsideal gehörte auch der Kampf gegen den Antise-mitismus. Werke: Gesammelte Schriften und Nachlaß, 20 Bände, 1825-1834 und 1844-1850.

Brandes Georg (eigentlich Morris Cohen), Kopenhagen 4. 2. 1842 bis 19. 2. 1927, Kritiker, Schriftsteller von außerordentlichem Einfluß, Wegbereiter neuer Talente von Nietzsche bis Lagerlöf. Werke: Hauptströmungen in der Literatur des 19. Jahrhunderts.

Brody Alexander, 1863-1924, ungari-scher Schriftsteller, Naturalist von Ruf. Sein Drama 'Die Lehrerin" (1909) auch in Deutschland erfolgreich.

Dernburg Friedrich, 3. 10. 1833 Mainz-Berlin 3. 12. 1911, {266} fortschrittlich nationalliberal, 1875-1890 Hauptschriftleiter der Berliner 'National-Zeitung", dann Redaktionsmitglied des 'Berliner Tageblatt", glänzender Stilist. Werke: Reiseschilderungen, u. a. 'Des deutschen Kronprinzen Reise nach Spanien und Rom".

Döblin Alfred, geb. 10. 8. 1878 Stettin, Schriftsteller und Arzt. Werke Romane): Wallenstein 1920, Berge, Meere und Giganten 1924, Berlin Alexanderplatz 1929.

Dymow Ossip (eigentlich Perelman), geb. 16. 2. 1878 Bialystok, russischer Schriftsteller, seit 1913 in Amerika, schrieb dort auch viel in jiddischer Sprache (z. B. Bronx-Expreß, auch in Deutschland gespielt). Werke: Nju (Drama, deutsch 1908), Der Knabe Wlas (Roman, deutsch 1910).

Ehrenburg Ilja, geb. 1891 Moskau, russischer Romanschriftsteller, lebt in Paris. Werke: Julio Jurenito 1923, Die Liebe der Jeanne Ney 1926.

Ferber Edna, geb. 15. 8. 1887 Kalamazoo (Michigan), sehr erfolgreiche amerikanische Schriftstellerin, behandelte in ihren Romanen auch jüdische Stoffe, so in 'Fanny herself" 1917.

Feuchtwanger Lion, geb. 7. 7. 1884 München, Schriftsteller. Werke (Romane): Jud Süß 1925, Der jüdische Krieg 1932....

Frank Bruno, geb. 13. 6. 1887 Stuttgart, Dramatiker und Erzähler. Werke: Historische Romane (Trenck 1926), No-vellen, bühnenwirksame Stücke.

Frankl Ludwig August, Ritter von Hochwart. 3. 2. 1810 Chrast (Böhmen)- Wien 12. 3. 1894, Dichter, 1838 Generalsekretär der Wiener Gemeinde, 1876 geadelt. Von ihm 1848 das erste zensurfreie Gedicht in Österreich, 'Die Universität". Werke: Balladen 'Rachel"; Reiseschilderung 'Nach Jerusalem".

France Anatole (jüdischer Abstammung großmutterlicherseits), 1844-1924, der große französische Prosaiker trat im Dreifuß-Prozeß energisch für den Angeklagten ein.

Franzos Karl Emil, 25. 10. 1848 Czortkow (Galizien) - Berlin 28. l. 1904, Schriftsteller, erster Herausgeber der Werke Georg Büchners, vertrat in sei-nen Romanen assimilatorische Ideen (von ihm das be-kannte Wort: 'Jedes Land hat die Juden, die es ver-dient"). Werke: Die Juden von Barnow 1877, Ein Kampf {267} ums Recht 1882.

Friedell Egon (eigentlich Friedmann), geb. 21. l. 1878 Wien, vielseitiger Schriftsteller. Werke: Sehr geistreiche Satiren; aber auch eine 'Judastragödie", eine Kulturgeschichte der Neuzeit (3 Bände, 1927-1928) und eine Schrift über das Jesusproblem.(Selbstmord am 16.03.38 in Wien, nach dem Einmarsch der Nazis am 13.03.38, ldn-knigi)

Friedländer Max J. geb. 5. 6. 1867 Berlin, 1908-1928 Direktor des Kupferstichkabinetts, 1928-1933 als Nachfolger Wil-helm von Bodes des Kaiser-Friedrich-Museums Berlin, Kunsthistoriker von Weltruf; grundlegende Erforschung vor allem der altniederländischen Malerei (bisher 11 Bän-de,

1924 ff.). Werke: (ferner) Bücher über Altdorfer, Dürer, Brueghel.

Fulda Ludwig, geb. 15. 7. 1862 Frank-furt a. M., erfolgreicher Bühnenschriftsteller (etwa 50 Stücke) und formgewandter Übersetzer (Rostands 'Cyrano de Bergerac").

Graetz Heinrich, 31. 10. 1817 Xions-München 7. 9. 1891, jüdischer Historiker, Do-zent am Jüdisch-Theologischen Seminar und Professor an der Universität Breslau, verfaßte die erste umfassende, klassisch gebliebene Gesamtdarstellung der jüdischen  Geschichte: 'Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart" (11 Bände, 1853-1875, meh-rere Ausgaben und Übersetzungen; gek. 'Volkstümliche Geschichte der Juden", 3 Bände, viele Auflagen).

Harden Maximilian (eigentlich Witkowski), 20. 10. 1861 Berlin - Montana (Schweiz) 30. 10. 1927, kritischer und politi-scher Schriftsteller, Herausgeber der 'Zukunft" (1892 bis 1923), bekannt durch den Eulenberg-Prozeß (1906). Werke: Essays: Köpfe (1910-1924), Prozesse (1913), Krieg und Friede (1918).

Heine Heinrich, 13. 12. 1797 Düsseldorf-Paris 17. 2. 1856, Übersiedlung nach Paris 1831, langes Krankenlager ('Matratzengruft"). Lieder-, Balladen- und Romanzendichter ('Buch der Lieder", 'Romancero"), sehr vieles vertont (am populärsten: 'Zwei Grenadiere" [mit 16 Jahren gedichtet], 'Lorelei"), charakteristische Mischung von Empfindsamkeit und Sarkasmus; Versepiker (Deutschland, ein Wintermärchen", 'Atta Troll"), Erzähler (humoristisch 'Harz-reise"), Essayist ('Zur Geschichte der Religion und {268} Philosophie in Deutschland"), politischer und literarischer Journalist, an der Grenze zwischen Romantik und 'Jungem Deutschland". Stellung zum Judentum teils ironisch, teils sentimental; literarische Zeugnisse: 'Hebräische Melodien" im Romancero, Novellenfragment 'Der Rabbi von Bacharach", die Kampfschrift 'Heinrich Heine gegen Ludwig Börne".

Hermann Georg (eigentlich Borchardt), geb. 7. 10. 1871 Berlin, Schriftsteller. Werke: 'Jettchen Gebert" 1906, Roman, Schilderung des Berliner Judentums der Biedermeierzeit; Fortsetzung: 'Henriette Jacoby" 1908; ferner zahlreiche Berliner jüdische Gesellschaftsromane aus der jüngsten Vergangenheit.

Herzl Theodor, 2. 5. 1860 Budapest - Edlach 3. 7. 1904, Begründer des Zionismus, Journalist (Feuilleton) und Schriftsteller (Lustspiele) in Wien, 1891-1895 Pariser Berichterstatter der 'Neuen Freien Presse". Unter Eindruck des ersten Dreyfuß-Prozesses verfaßt er die Schrift 'Der Judenstaat", die Anstoß zur Entstehung des politischen Zionismus gibt. Mit dem I. Basler Kongreß (1897) gründet Herzl die Zionistische Weltorganisation, deren Präsident er bis zu seinem Tode bleibt. Werke: Zionistische Schriften

(5 Bände); Tagebücher, Altneuland.

Heß Moses, 1812 Bonn-Paris 1875, Vater des modernen Sozialismus auf stark ethischer Grundlage, deshalb auch 'Kommunistenrabbi" genannt, entwirft in 'Rom und Jerusalem" (1862) national-jüdische Gedanken und wird Vorläufer des Zionismus.

Hofmannsthal, Hugo von, l. 2. 1874 Wien-Rodaun 27. 5. 1929, bedeutender neu-romantischer Dichter, entstammte einer 1835 geadelten Bankiersfamilie; schon in zweiter Generation Christ. Werke: Gedichte, Versdramen, Essays; die Texte zu den meisten Opern von Richard Strauß.

Jacob Heinrich Eduard, geb. 7. 10. 1889 Berlin, Schriftsteller. Werke: zahlreiche Romane und Novellen; jüdische Hauptfigur in dem Drama 'Beaumarchais und Sonnenfels" (1919).

Kalisch David, 23. 8. 1820 Breslau - Berlin 21. 8. 1872, Schriftsteller, Begründer des 'Kladderadatsch" (1848), Autor zahlreicher   Berliner  Possen   ('100 000 Taler"), die {269} jahrzehntelang das Repertoire beherrschten.

Kraus Karl, geb. 28. 4. 1874 Gitschin, Schriftsteller in Wien, Heraus-geber der Zeitschrift 'Die Fackel" (1899-1934), schrieb, neben seiner ausgedehnten polemischen Tätigkeit Auf-sätze zur Sprachlehre, auch Gedichte und Dramen ('Die letzten Tage der Menschheit") und Bearbeitungen Offenbachscher Operetten.

L'Arronge Adolf, 8. 3. 1838 Ham-burg-Kreuzlingen bei Konstanz 25. 5. 1908, erfolg-reicher Bühnenautor ('Mein Leopold", 'Doktor Klaus"), begründete 1883 und leitete bis 1894 das 'Deutsche Theater" in Berlin.

Langer František, geb. 3. 3. 1888 Prag, erfolgreicher tschechischer Schriftsteller. Einige seiner Dramen auch in Deutschland oft gegeben ('Peri-pherie" u. a.).

Lessing Theodor, Philosoph und Schrift-steller, geb. 1872 Hannover, kämpfte für Gleichstellung der Frauen, Beseitigung der reglementierten Prostitution, friedliche Völkerverständigung, Kleidungsreform und dergleichen (Meyer), wurde 1908 Privatdozent der Philosophie an der Technischen Hochschule Hannover. Vor der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten 1925  schrieb Lessing hiezu einen kritischen Artikel im 'Pra-ger Tagblatt", wegen dessen die Studentenschaft unter passiver Duldung der Hochschulprofessoren seine Entfernung forderte. Er erhielt vom preußischen Kultus-ministerium 1926 einen Forschungsauftrag und stellte dann seine Vorlesungen ein. Er schrieb: 'Schopenhauer-Wagner-Nietzsche", 'Wertaxiomistische Studien" (1914, 2. Auflage), noch vor Spenglers 'Untergang des Abend-landes", 'Untergang der Erde am Geist (Europa und Asien)" (1924, 4. Auflage), 'Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen" (1927, 4. Auflage), 'Prinzipien der Charakterologie". Lessing wurde am 23. August 1933 von einem Nationalsozialisten   in Marienbad ermordet.

Linderer Robert, 25. 11. 1824 Erfurt-Berlin 16. 12. 1886, Schriftsteller, Verfasser des deutschen Flaggenliedes 'Stolz weht die Flagge schwarz-weiß-rot" (ursprünglich in einem 1883 aufgeführten Marine-Sing-spiel enthalten; Musik von E. F. R. {270} Thiele).

Ludwig Emil, geb. 25. l. 1881 Breslau, Schriftsteller, Sohn des Augenarztes Hermann Cohn, bekannt durch seine 1920 bis 1930 veröffentlichten, in der Form neuartigen Biographien (Goethe, Napoleon, Bismarck, Mussolini und andere).

Mendès Catulle, 22. 5. 1841 Bordeaux-Paris 7. 2. 1909, französischer Schriftsteller, Vorkämpfer Richard Wagners in Frankreich. Werke: Romane, Gedichte, Dramen, Libretti.

 

Mombert Alfred, geb. 6. 2. 1872 Karls-ruhe, Dichter, Freund (und von diesem selbst als solcher anerkannter Nachfolger) Richard Dehmels und Moeller van den Brucks; seine hymnisch-mystischen Dichtungen gehören zu den wichtigsten Zeugnissen der neueren deutschen Lyrik. Werke: Der Sonnengeist 1905; Der leid der Erde 1919; Atair 1925.

Mosenthal, Salomon Hermann von, 14. l. 1821 Kassel-Wien 17. 2. 1877, Schriftsteller, 1871 geadelt. Seine Dramen ('Deborah" und andere) einst sehr erfolgreich. Von Mosenthal Texte zu zahlreichen berühmten Opern.

Nordau Max (eigent-lich Südfeld), 29. 7. 1849 Budapest-Paris 22. l. 1923; Arzt und Schriftsteller in Paris; Verfasser von kultur-historischen Abhandlungen (Konventionelle Lügen der  Kulturmenschheit 1883), Romanen und Dramen (Dr.  Kohn 1898). Führender Zionist, vertrat mit Herzl die Idee des politischen Zionismus.

Pasternak Boris, geb. l0. 2. 1890 Moskau, russischer Dichter. Seine Lyrik erschien seit 1914 in zahlreichen Sammlungen.

Perutz Leo, geb. 2. 11. 1886 Prag, Schriftsteller, schrieb phantasievolle Romane und Novellen ('D. Marques de Bolibar"  und andere).

Polgar Alfred, geb. 17. 10. 1875 Wien, Schriftsteller und Kritiker, Stilist ('kleine Form"). Seine  Theaterkritiken und Feuilletons sind in 11 Bänden 1926 bis 1932 gesammelt erschienen.

Popper Josef (Pseud. Lynkeus), 1838 Kolin (Böhmen)-Wien 1921, Sozialreformer, begründete die Theorie 'der allgemeinen Nährpflicht des Staates als Lösung der sozialen Frage" (1912), auch als Erfinder und Philosoph bedeutend.

Proust Marcel, 1871-1922, großer französischer Pro-saiker (Mutter geb. Weil). Werke: Romanzyklus 'A la {271} recherche du temps perdu", 1913-1927.

Roda Roda (eigentlich Rosenfeld), geb. 13. 4. 1872 Pusta Zdenci (Slawonien), Schriftsteller, 1892-1902, österreichischer Offizier. Werke: Zahlreiche Sammlungen meisterhaft pointierter Anekdoten, Lustspiele u. a.

Rößler Carl, geb. 25. 5. 1864 Wien, Lustspielautor, berühmt durch den 'Feldherrnhügel" (1910, mit Roda Roda) und durch 'Die fünf Frankfurter" (1911, den Aufstieg Rothschilds schil-dernd).

Roth Joseph, geb. 2. 9. 1894 in Schwabendorf (Hessen-Nassau), Schriftsteller. Werke: Essays 'Juden auf der Wanderschaft" 1927; Romane: 'Hiob" 1930 (Geschichte einer ostjüdischen Familie); 'Radetzkymarsch" 1932.

Salten (eigentlich Salzmann) Felix, geb. 6. 9. 1869 Budapest, Schriftsteller, Theaterkritiker der 'Neuen Freien Presse" Wien. Werke: Romane, Novellen, Dramen; Palästina-Buch 'Neue Menschen auf alter Erde" 1925.

Saphir Moritz Gottlieb, 8. 2. 1795 Lovas Berény (Ungarn)-Baden bei Wien 5. 9. 1858, Journalist und Schriftsteller, 1826-1829 in Berlin, seit 1834 in Wien, dort Herausgeber der Zeitschrift 'Der Humorist". Seiner gesammelten Schriften erschienen 1887-1888 in 26 Bänden.

Segel Binjamin, 20. 7. 1866-9. 3. 1931, deutsch-jüdischer Publizist (Zeitschrift 'Ost und West"). Ver-fasser des Buches 'Die Protokolle der Weisen von Zion", das die Fälscher endgültig entlarvte.

Silva Antonio, 1705 Rio de Janeiro-Lissabon 1739, Marane, gefeierter portugiesischer Komödiendichter, von der Inquisition ver-brannt.

Sternheim Carl, geb. l. 4. 1878 Leipzig, Dra-matiker, schrieb die vielgespielten antibürgerlichen Ko-mödien 'Die Hose", 'Der Snob", '1913", 'Die Kassette", 'Bürger Schippel" und andere, auch Essays und eigen-willig stilisierte Novellen.

 

Stettenheim Julius, 2. 11. 1831 Hamburg-Berlin 30. 10. 1916, humoristischer Schrift-steller, Herausgeber des Witzblattes 'Die Wespen" (1862-1894) und Erfinder der populär gewordenen Fi-gur des 'Wippchen".

Stieglitz Heinrich, 1801-1849, Dichter, ist weniger durch seine Werke als durch den Opfertod seiner Gattin Charlotte, {272} geb. Willhöft (1806-1834) bekannt, die Selbstmord verübte, um Stieglitz' dichterisches Schaffen durch ein schweres Erlebnis zu beflügeln (Drama von Hans Kyser 1915).

Spitzer Daniel, 3.7. 1835 Wien-Meran 11. l. 1893, Schriftsteller; seine in der Wiener 'Neuen Freien Presse" veröffentlichten geistreichen Feuilletons erschienen als 'Wiener Spazier-gänge" mehrfach gesammelt.

Süßkind von Trimberg, der einzige bekannte jüdische Minnesänger, um 1250 bis 1300, fränkischer Herkunft. Erhalten sind sechs Spruchlieder in mittelhochdeutscher Sprache (mit biblisch-rabbinischen Anklängen). Sein Bildnis ist in der Manesseschen   Liederhandschrift   (Heidelberg)   überliefert.

Schnitzler Arthur, Wien 15. 5. 1862-21. 10. 1931, Schriftsteller, seit 1893 ('Anatol"), einer der führenden deutschen Dramatiker, trat später auch als Prosaiker bedeutsam hervor; jüdische Probleme behandelte er vor allem in dem Roman 'Der Weg ins Freie" (1908) und in dem Drama 'Professor Bernhardi" (1912), Werke ferner: Dramen 'Liebelei", 'Der grüne Kakadu", 'Rei-gen" und viele andere; Novellen 'Leutnant Gustl", 'Casanovas Heimkehr", 'Fräulein Eise".

Trebitsch Siegfried, geb. 21. 12. 1869 Wien, Dramatiker und Erzähler, Vorkämpfer und Übersetzer Bernhard Shaws.

Wassermann Jakob, 10. 3. 1873 Fürth - Alt-Aussee l. l. 1934, Schriftsteller, einer der bedeutendsten Prosaiker der modernen deutschen Literatur. Seine Stellung zu Deutschtum und Judentum hat Wassermann 1921 in dem autobiographischen 'Mein Weg als Deutscher und als Jude" gekennzeichnet. In fast allen seinen Romanen jüdische Zentral- oder Randfiguren. Werke: Die Juden von Zirndorf 1897, Caspar Hauser 1908, Das Gänsemännchen 1915, Christian Wahnschaffe 1919, 'Der Fall Maurizius" 1928.

Vengeroff Semjon, 1855-1920, hervorragender russischer Literaturhistoriker und Lexikograph, Verfasser grundlegender Geschichts-  und  Quellenwerke  zur russischen Literaturgeschichte.

Werfel Franz, geb. 9. 9. 1890 Prag, Schriftsteller, wohl der bedeutend-ste jüdische Lyriker seiner Generation, trat auch als {273} Dramatiker ('Paulus unter den Juden") und neuerdings als Erzähler bedeutsam hervor. Durch seinen Verdi-Roman (1924) und seine Neubearbeitungen mehrerer Opern Initiator der Verdi-'Renaissance" in Deutschland. Werke: Gedichtbände 'Der Weltfreund" 1911, 'Wir sind" 1912.

Zuckermann Hugo, Eger 15. 5. 1881 -23. 12. 1914, Dichter, bekannt durch sein 'Österreichisches Reiterlied". Aus seinem Nachlaß wurden Gedichte und die Übersetzung dreier Dramen von J. L. Ferez ver-öffentlicht. Zuckermann war Zionist.

Zweig Arnold, geb. 10. 11. 1887 Glogau, Erzähler, Dramatiker und Essayist; jüdische Gestalten und Probleme in fast allen seinen Werken. Werke: Dramen 'Abigail und Nabal", 'Die Sen-dung Semaels"; 'Caliban" (Essaywerk gegen den Anti-semitismus, 1927); Kriegsroman 'Der Streit um den  Sergeanten Grischa". (26.11.1968 Ost-Berlin, ldn-knigi)

Zweig Stefan, geb. 28. 11. 1881 Wien, Schriftsteller, erfolgreich besonders als virtuoser Novellist (Zyklus 'Die Kette") und Essayist (Zyklus 'Die Baumeister der Welt"). Dramatisches Hauptwerk 'Jeremias" 1918. (Selbstmord 23.02.1942,

Rio de Janeiro, ldn-knigi)

 

BERÜHMTE  JÜDISCHE  ERFINDER.

 

Arnstein Karl, geadelt, geb. 1887 in Prag, Ingenieur, 1915 Chefkonstrukteur in den Zeppelinwerken. Mitarbeiter  beim Bau des Amerikazeppelins 'ZR III", lebt in Amerika.

Berliner Emil, geb. 1851 Hannover, seit 1870 Washington, Erfinder des Mikrophons, des Telephons und der Grammophonplatte.

Goldstein Eugen, 1850 Gleiwitz-Berlin 1933, Physiker, Entdecker der Kanal-Strahlen (1886), führte die Bezeichnung Kathoden-Strahlen ein.

Liebreich Matthias Eugen Oscar, 14. 2. 1839 Königsberg - Berlin 2. 7. 1908, Pharmakologe, ordentlicher Professor Berlin, entdeckte die schlaf-bringende Wirkung des Choralhydrats; Einführung des Lanolin.

Lieben, Robert v., Wien 5.9. 1878-20.2. 1913, Physiker, erfand 1910 die Dreielektronenröhre, die in der {274} Verbesserung von Lee de Forest die moderne Radiotechnik und den Tonfilm erst möglich machte.

Marcus Siegfried, 1831 Malchin (Mecklenburg) - Wien 1897, Erfinder des Benzinautos (1864), der Thermosäule, des Telegraphenrelais, der elektrischen Zündung für Unterwasserminen usw. Inhaber der großen goldenen Medaille der Akademie der Wissenschaften in Wien.

Neisser Albert, 1855 Schweidnitz-Breslau 1916, Dermatologe,  ordentlicher Professor Breslau, entdeckte 1879 den Gonokokkus (Erreger des Trippers). Studien über Lepra und Syphilis.

Schwarz David, 1845 Keszthely (am Platensee)-Wien 13. l. 1897, Holzhändler, Erfinder des  starren Luftschiffs (erster Aufstieg Berlin, Tempelhofer Feld, 3. 11. 1897). Seine Witwe verkaufte die Patente am 10. 2. 1898 an das Zeppelinsche Unternehmen.

Wassermann, August von, 21. 2. 1866 Bamberg-Berlin  16. 3. 1925, Arzt und Bakteriologe, seit 1913 Direktor  des Kaiser-Wilhelm-Instituts für experimentelle Therapie  und Biochemie in Berlin-Dahlem, entdeckte 1906 die sogenannte Wassermannsche Reaktion (Blutprobe für Syphilis) und errang damit Weltruhm.

Zamenhof Ludwig  Lazarus, 15. 12. 1859 Bialystok- Warschau, Erfinder der Welthilfssprache Esperanto, die er 1887 aus den ge-bräuchlichsten Kultursprachen, besonders den romani-schen, und dem Englischen bildete. Esperanto ist in allen Ländern verbreitet, in etwa 30 Ländern Wahlfach im  Unterricht; zahlreiche Zeitschriften.

Das segensreiche Wirken der jüdischen Forscher auf dem Gebiete der Medizin habe ich an anderer Stelle gewürdigt.

 

 

JÜDISCHE FORSCHUNGSREISENDE.

 

Ascherson Paul, Berlin 1834-1913, Botaniker und Forschungsreisender. Werke: Synopsis der mitteleuro-päischen Flora (mit Graebner), Flora der Provinz Bran-denburg.

Bessels Emil, 1847 Heidelberg-Stuttgart 1888, Natur- und Polarforscher, wies 1869 die Existenz {275} des Golfstroms östlich von Spitzbergen nach, 1871 Mit-glied der Hall-Expedition auf der 'Polaris", später in amerikanischen Diensten. Werke: Die amerikanische Nordpolexpedition 1879.

Boas Franz, geb. 9. 7. 1858 Minden, Anthropologe, Studien über nordamerikanische Indianer und Eskimos, Prozessor der Columbia-Universität New York. Werke: Kultur und Rasse.

 

Burchardt Her-mann, geb. 18. 11. 1857 Berlin, Forschungsreisender, unternahm wissenschaftliche Expeditionen im Orient, in Syrien, Persien, Ostafrika, Südamerika, ermordet 19. 12. 1909 von Eingeborenen in Südarabien. Seine Lichtbilder-sammlung größtenteils im Berliner orientalischen Seminar.

Emin Pascha (eigentlich Isaak Eduard Schnitzer),  28. 3. 1840 Oppeln-Kinema (Kongo) 23. 10. 1892, Arzt, Afrika- und Naturforscher in türkischen und ägyptischen Diensten, Bekämpfer des Sklavenhandels, suchte seit 1890 ein deutsches Kolonialreich in Mittel-afrika zu schaffen; von Sklavenhändlern ermordet. Wilhelm II. nannte ihm den 'großen Sohn seines Volkes".

Saphir Jakob, 1822 Oschmiany (bei Wilna, aber in Weisrußland)-Jerusalem 1885. Weitreisender (Asien, Nordafrika, Australien). Werke: Ewen Sappir (Saphir-Stein), Reisebericht mit wertvollen Daten zur Geschichte und Gegenwart jüdi-scher Diaspora.

Glaser Eduard, 15. 3. 1855 Deutsch-Rust (Böhmen)-München 7. 5. 1908, erkundete auf vier wissenschaftlichen Expeditionsreisen Südarabien,  insbe-sondere die alten Reiche der Sabäer, Minäer und Katabaner.

Geldern, Simon van, 1720 Düsseldorf-Forbach 1774, Reisender (Europa, Nordafrika, Palästina; hebräi-sches Reisetagebuch), Großonkel Heines.

Halevy Joseph, 15. 12. 1827 Adrianopel- Paris 7. 2. 1917, Orientalist, Professor in Paris, beschrieb Falaschas, bereiste Jemen.

Hedin Sven, mütterlicherseits von einen in Schweden ein-gewanderten deutschen Juden abstammend (Abraham Brody), geb. 1865, berühmter schwedischer Forschungs-reisender, 1902 geadelt, schrieb unter anderem ein 'Jerusalem"-Buch (deutsch 1918).

Langer Siegfried, geb. 1857 Schönwald (Mähren), Forschungsreisender, auf

{276} einer Expedition nach dem Jemen 1882 ermordet.

Merzbacher Gottfried, 9. 12. 1843 Baiersdorf- München 14. 4. 1926, Forschungsreisender, 1891-1908 in Persien, Arabien, Indien, im Kaukasus und östlichen Tienschan, dabei erfolgreicher Alpinist; Bogdo-Ola-Kette des Tien-schan (3300 m) heißt 'Merzbacher-Gebirge". 

Moszkowski Max, geb. 12. 8. 1873 Breslau, Biologe und For-schungsreisender (Sumatra und Neu-Guinea).

Samoilowitsch Rudolf, geb. 13. 9. 1881 Asow, Polarforscher in Leningrad, Krassin-Expedition zur Rettung Nobiles 1928, Arktisflug des Zeppelin 1931. Werke: S-O-S Ark-tis 1929.

 

 

 

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