OCR und Formatiert - Nina & Leon Dotan      02.2005


Zusätzliches Material für Bücher auf  unserer Webseite, Thema 'JUDAICA'

Hauptseite -  http://ldn-knigi.lib.ru/Judaic-D.htm    (ldn-knigi.narod.ru/Judaica.htm) 


Themen:  Eine Unterhaltung über Hitler und Totalitarismus, ein Dialog über Religion und Antisemitismus

(89)  - Seitenanfangszahl

 

 

 

 

 

Aus dem Buch:

 

Peter A. Bucky

 

 

Der private Albert Einstein

Gespräche über Gott, die Menschen und die Bombe

 

 

(91)

Eine Unterhaltung über Hitler und Totalitarismus

 

bucky: Nachdem Sie Deutschland verlassen hatten, muß es noch eine schwierige Zeit für Sie gewesen sein, Professor, mit der Bedrohung Ihres Lebens durch die Nazis, die doch in ganz Europa gegenwärtig war.

einstein: Ja, schon. Ich kann mich nicht erinnern, daß in dieser Zeit irgend jemand bewaffneten Schutz erhalten hätte - Politi-ker natürlich ausgenommen. Ich mochte all den Wirbel wirk-lich nicht, aber alle sagten, es sei ein Preis auf meinen Kopf aus-gesetzt. Es war wirklich recht schwierig. Wissen Sie, daß die Polizei während meines Aufenthalts in Belgien - und erinnern Sie sich, der König von Belgien, Albert, war ein sehr enger Freund von mir - an mich herantrat mit dem Rat, ich sollte das Land verlassen, weil sie mich vor den Nazis nicht schützen könnten?

bucky: Waren Sie selbst in dieser Zeit bewaffnet?

einstein: Ich nicht, nein, aber ... die Leute um mich herum waren es. Es war keine leichte Zeit, ganz gleich, wohin wir gin-gen. Deshalb kann ich Ihnen versichern, daß ich froh war, schließlich in die Vereinigten Staaten auswandern zu können, die wenigstens frei von dieser Art Wahnsinn waren.

bucky: Wie weit, glauben Sie, haben alle Deutschen Anteil an dem Naziregime? Oder halten Sie Hitler für einen >einsamen Wolf<, der sozusagen die unschuldigen Deutschen in die Gei-steskrankheit führte?

(92) einstein: Ich habe da gemischte Gefühle. Man kann niemals sagen, das deutsche Volk sei nicht dafür verantwortlich zu machen, daß Hitler an die Macht kam, weil es in diesem Fall eine ungewöhnliche Tatsache gab - Hitlers vollständiges Pro-gramm war bereits in seinem >Mein Kampf< veröffentlicht wor-den. Was kann ein Diktator mehr tun, als sein Programm in Druck zu geben, ehe er es durchführt? Und außerdem: Das Volk hat Hitler nicht nur an die Macht gebracht, sondern ihn dann zwölf Jahre lang geduldet! Andererseits bin ich wieder der Meinung, daß sich ein Mann wie Hitler normalerweise nicht lange halten kann, daß er aber die Menschen mit seiner unge-heuren Macht der Rede hypnotisiert hat. Und er war in der Lage, die Jugend Deutschlands durch die verschiedenen Jugendorganisationen der Nazis überall im Land zu manipulie-ren.

bucky: Ich muß daran denken, wie Sie mir zu Beginn des Krie-ges sagten, es würde Sie nicht im geringsten überraschen, wenn das deutsche Volk, nachdem die Deutschen besiegt wor-den sind, behaupten würde, es wäre eigentlich nicht für Hitler gewesen, sondern wäre gezwungen worden, ihn zu unterstüt-zen, weil er die Armee kontrollierte. Ich bezweifelte das damals, doch es stellte sich wirklich als wahr heraus. Während meiner Tätigkeit im Krieg beim Office of Strategie Services [Büro für Strategische Dienste] leitete ich die Rundfunkstation Atlantik in England, und meine Haupttätigkeit war die Befra-gung von deutschen Kriegsgefangenen.

Und was soll ich sagen: Fünfundsiebenzig Prozent von ihnen behaupteten, genau wie Sie sagten, sie wären eigentlich nicht für Hitler und stimmten mit ihm überhaupt nicht überein! Es erscheint unfaß-bar, daß intelligente Leute so etwas aussprechen konnten, nach-dem ihre Handlungen von Menschen auf der ganzen Welt mit Abscheu beobachtet worden waren.

einstein: Genau das war für mich aber voraussehbar.

bucky: Natürlich war Hitler nur ein Beispiel für totalitäre Poli-tik in diesem Jahrhundert. In weiteren Jahrhunderten wird das (93) zwanzigste sicher als >das Zeitalter der Diktatoren< bekannt sein - Hitler, Mussolini, Stalin, Franco, Salazar, um nur einige zu nennen. Wie denken Sie über dieses Phänomen?

einstein: Ich verabscheue Dirigismus. Das soll aber nicht hei-ßen, ich sei gegen eine Organisation, in der ein Mann das Gehirn und den Führer darstellt. Manchmal ist das die einzige Möglichkeit für eine Organisation, ihre Aufgabe zu erfüllen. Eine derartige Organisation muß aber in der Lage sein, einen solchen Mann zu wählen und ihn auch durch Wahl abzulehnen. Leider birgt aber jede Organisation oder politische Gruppie-rung die Gefahr, daß die Mitglieder oder die Wählerschaft ihrer Verantwortung zu denken entsagen und diese Last ihren Füh-rern überlassen. Das ist gut und schön, solange der Führer rechtschaffen ist und sich nur um das Wohl der Gruppe sorgt. Weicht der Führer jedoch von diesem Ideal ab, entwickelt sich die Gefahr, daß er zum Diktator wird, wie es in Rußland, Deutschland und Italien geschehen ist. Nicht immer ist die Phi-losophie falsch, sondern die Menschen begraben eine gute Idee, sobald sie durch eine einmal entstandene Machtfülle ver-dorben werden.

So weist beispielsweise die Philosophie hinter dem Kommunismus eine Menge Vorzüge auf; Beendigung der Ausnützung des einfachen Volkes und Aufteilung von Gütern und Arbeit entsprechend den Bedürfnissen und Fähigkeiten. Der Kommunismus als politische Theorie ist ein gewaltiges Experiment, doch leider ist es in Rußland ein Experiment, das in einem dürftig ausgestatteten Laboratorium durchgeführt wird.

bucky: Ist die Reglementierung der Schlüssel zu Ihrem Haß gegen den Totalitarismus? Oder gibt es noch andere Faktoren von gleichem Gewicht in Ihrer Bewertung?

einstein: Reglementierung ist eine Wirkung, nicht eine Ursa-che des Totalitarismus. Eine der Ursachen, die nach meiner Mei-nung dahin führt, ist folgende: Im allgemeinen sind die Funk-tionäre, die die Reglementierung erzwingen, Menschen mit niedrigen moralischen Normen, die vor ihrer neuen Rolle niemals (94) im Leben irgend etwas Brauchbares erreicht haben. Plötz-lich läßt sie ihre neue Position glauben, sie seien >Jemand<, und sie weiden sich daran, auf ihre Mitbürger Druck ausüben zu können. Das war besonders deutlich im Hitlerregime zu spü-ren, als sogar fünfzehn oder sechzehn Jahre alte Jugendliche prahlerische Posen einnahmen, weil es ihnen als Hitlerjugend erlaubt wurde, leichte Waffen zu tragen.

bucky: Wir haben gesehen, wie ein Irrer wie Hitler eine Nation mit seiner flammenden Redekunst verführt hat. Aber wie erklären Sie sich den Einfluß von Totalitarismus in Ländern, wo die Führer weniger, sagen wir, charismatisch waren - zum Beispiel Franco in Spanien?

einstein: Ich glaube, die stärkste Waffe der totalitären Staaten ist die Unterdrückung des Individuums mit wirtschaftlichen Mitteln. Auf diese Art werden die Menschen gezwungen, ganz allgemein die Prinzipien der Regierung zu übernehmen.

bucky: Bei allem, was wir bisher erlebt haben - wie beurteilen Sie die Zukunft der Welt und besonders die der unterjochten Nationen?

einstein: Das ist sehr schwer zu sagen. Ich denke, die Pfeiler der zivilisierten menschlichen Existenz sind in den letzten drei-ßig Jahren enorm geschwächt worden.

Was am meisten beun-ruhigt: Länder, die vorher einen hohen Moralstandard besaßen und immer die Menschenrechte anerkannten, haben indirekt zugegeben, daß die Wahrheit um ihrer selbst willen keine Berechtigung hat, daß sie tatsächlich nicht einmal toleriert wer-den muß. Plötzlich werden willkürliche Regeln, Unterdrüc-kung und sogar religiöse Verfolgung und Greueltaten als ent-schuldbar und unvermeidlich akzeptiert. Ich verstehe wirklich nicht, wie Menschen, die für diese Regime arbeiten und sie stützen, mit ihrem eigenen Gewissen leben können. Sicherlich wissen sie, daß ihre Handlungen nicht nur ein Unrecht darstel-len, sondern kriminell gegenüber dem Individuum und der Menschheit insgesamt sind. Wie die Natur, die unempfindlich ist gegen die Zerstörung, die sie manchmal hervorruft, gewöhnen (95) sich die Menschen an alles im Leben, indem sie die Augen vor dem Bösen um sie herum schließen.

Was die Zukunft betrifft, so kann man nur hoffen, daß das von Individuen und Führern praktizierte Streben nach Gerechtigkeit und Wahrheit für die Menschen mehr getan hat als alle Handlungen der schlauen, unruhestiftenden Politiker. Immerhin war Moses ein besserer Mensch als Machiavelli. Vielleicht ist es dieses Streben, das am Ende über die Mächte der Dunkelheit triumphiert.

 

 

(159)

Ein Dialog über Religion und Antisemitismus

 

bucky: es ist eine Ironie: Obwohl Ihr Name gewissermaßen mit der Wissenschaft im 20. Jahrhundert gleichgesetzt wird, hat es um Sie doch immer Kontroversen in bezug auf Religion gegeben. Wie erklären Sie diesen Umstand, da man doch gewöhnlich annimmt, Wissenschaft und Religion seien uneins?

einstein: Nun, ich glaube nicht, daß Wissenschaft und Reli-gion notwendigerweise Gegensätze sind. Ich denke vielmehr, es gibt zwischen den beiden eine sehr enge Verbindung. Außer-dem glaube ich, Wissenschaft ohne Religion ist lahm und Reli-gion ohne Wissenschaft blind. Beide sind wichtig und sollten Hand in Hand arbeiten. Mir scheint, jeder, der sich nicht über die Wahrheit in Religion und in der Wissenschaft Gedanken macht, könnte ebensogut tot sein.

bucky: Also halten Sie sich für einen religiösen Menschen?

einstein: Ich glaube an das Rätselhafte, und, offen gesagt, ich begegne diesem Rätselhaften manchmal mit großer Furcht. Mit anderen Worten, ich glaube, es gibt im Universum viele Dinge, die wir nicht wahrnehmen oder durchschauen können, und wir erleben einige der schönsten Dinge im Leben nur in einer sehr primitiven Form. Nur in bezug auf diese Rätsel halte ich mich für einen religiösen Menschen. Ich spüre aber diese Dinge zutiefst. Was ich nicht verstehen kann, ist, wie es über-haupt einen Gott geben kann, der seine Subjekte belohnen oder (160) bestrafen will und der uns dazu bringen kann, unseren eigenen Willen in unserem täglichen Leben zu entwickeln.

bucky: Demnach glauben Sie nicht an Gott?

einstein: Ah, das ist, was ich meine mit: Religion und Wissen-schaft gehen Hand in Hand. Jedes hat seinen Platz, muß aber jeweils seiner eigenen Sphäre zugeschrieben werden. Nehmen wir an, wir hätten es mit einem theoretischen Physiker oder Wissenschaftler zu tun, der sehr vertraut ist mit den verschiede-nen Gesetzen des Universums, beispielsweise wie die Planeten die Sonne umkreisen und die Satelliten ihre jeweiligen Plane-ten. Nun, dieser Mann, der diese verschiedenen Gesetze stu-diert hat und sie versteht - wie sollte der an einen Gott glauben können, der in der Lage wäre, die Bahnen dieser großen krei-senden Massen zu stören? Nein, die natürlichen Gesetze der Wissenschaft sind nicht nur theoretisch ausgearbeitet, sondern auch in der Praxis bewiesen worden. Ich kann also nicht an die-se Vorstellung von einem menschenähnlichen Gott glauben, der die Macht besitzt, die Naturgesetze zu durchbrechen. Wie ich schon sagte, die schönste und tiefste religiöse Empfindung, die wir erleben können, ist das Gefühl des Mystischen.

Und diese Mystik ist die Stärke aller wahren Wissenschaft.

Wenn es überhaupt einen solchen Begriff >Gott< gibt, dann ist es ein sub-tiler Geist, nicht das Abbild eines Menschen, das so viele in ihrem Verstand fixiert haben. Im wesentlichen besteht meine Religion aus einer demütigen Bewunderung für diesen uner-meßlichen erhabenen Geist, der sich in den geringen Einzelhei-ten offenbart, die wahrzunehmen wir mit unserem hinfälligen und schwachen Verstand in der Lage sind.

bucky: Glauben Sie vielleicht, die meisten Menschen brauch-ten Religion, um sozusagen unter Kontrolle zu bleiben?

einstein: Nein, ganz klar nein. Ich glaube nicht, daß ein Mensch in seinen täglichen Aktionen beschränkt sein sollte durch die Furcht vor Strafe nach seinem Tode oder daß er Dinge tun sollte, nur weil er dann belohnt würde, wenn er gestorben ist. Die richtige Leitschnur im Leben des Menschen sollte der (161) Rang sein, den er der Ethik beimißt, und der Grad der Rück-sichtnahme, die er anderen gegenüber walten läßt. In dieser Hinsicht spielt Erziehung eine große Rolle. Religion sollte nichts mit Angst vor dem Leben oder Angst vor dem Tode zu tun haben, sondern sollte vielmehr ein Streben nach rationaler Erkenntnis sein.

bucky: Und doch, trotz all dieser Gedanken werden Sie noch immer in der öffentlichen Meinung nachdrücklich als definitiv jüdisch identifiziert, und das ist sicherlich eine sehr traditions-reiche Religion.

einstein: Eigentlich erhielt ich meine erste religiöse Schulung aus dem katholischen Katechismus. Ein glücklicher Zufall, natürlich, weil die Volksschule, in die ich zunächst ging, katho-lisch war.

Ich war tatsächlich das einzige jüdische Kind in der Schule. Das wirkte sich zu meinem Vorteil aus, denn es machte es mir leichter, mich vom Rest der Klasse zu isolieren und Trost in der Einsamkeit zu finden, die ich so schätze.

 

bucky: Finden Sie aber nicht einen Widerspruch zwischen Ihren früheren, etwas antireligiösen Aussagen und Ihrer Bereit-schaft, öffentlich mit den Judentum identifiziert zu werden?

einstein: Nicht unbedingt. Eigentlich ist es eine sehr schwieri-ge Sache, einen Juden zu definieren. Am besten kann ich es beschreiben, indem ich Sie auffordere, sich eine Schnecke vor-zustellen. Eine Schnecke, die Sie im Meer sehen, besteht aus dem Körper, der sich in dem Haus befindet, das sie immer mit sich herumträgt. Jetzt stellen Sie sich vor, was geschehen wür-de, wenn wir der Schnecke das Haus wegnähmen. Würden Sie nicht auch den ungeschützten Körper noch als Schnecke bezeichnen? Genauso bleibt ein Jude, der seinen Glauben auf-gibt oder sogar einen anderen annimmt, immer noch ein Jude.

 

bucky: Sie waren das Ziel so mancher Attacke seitens der Nazis in Deutschland, weil Sie Jude sind. Welche Erklärung haben Sie gefunden dafür, daß die Juden durch die Geschichte hindurch so sehr gehaßt worden sind?

(162) einstein: es ist für mich offensichtlich, daß Juden ideale Sün-denböcke sind für jedes Land, das soziale, wirtschaftliche oder politische Schwierigkeiten hat. Dafür gibt es zwei Gründe. Zunächst einmal gibt es kaum ein Land auf der Welt, das kein jüdisches Segment in der Bevölkerung aufweist. Zweitens: Wo immer Juden leben, sind sie eine Minderheit in der Bevölke-rung, und zwar eine so kleine Minderheit, daß sie nicht stark genug sind, sich gegen einen massierten Angriff zu wehren. Es ist sehr leicht für Regierungen, die Aufmerksamkeit von ihren eigenen Fehlern abzulenken, indem sie Juden für diese oder jene politische Theorie, wie Kommunismus oder Sozialismus, ver-antwortlich machen. Zum Beispiel beschuldigten nach dem Ersten Weltkrieg viele Deutsche die Juden zunächst, den Krieg begonnen zu haben, und später, ihn verloren zu haben. Das ist natürlich nichts Neues. In der Geschichte sind durchweg Juden jeder Art von Verrat angeklagt worden - da gibt es die Brun-nenvergiftung, da gibt es die Ermordung von Kindern, angeb-lich wegen religiöser Motive. Vieles davon kann man dem Neid zusprechen, denn trotz der Tatsache, daß in den verschiedenen Ländern die jüdische Population immer dünn war, gab es bei ihnen immer eine unverhältnismäßig große Anzahl von her-vorragenden Persönlichkeiten.

bucky: Da dieses Problem schon so lange existiert: Glauben Sie, es wird jemals gelöst werden?

einstein: Vielleicht... doch nur durch Beharrlichkeit. Alle, Juden und Nichtjuden, müssen dabei einsichtig und klug sein. Ich denke, jüdische Studenten beispielsweise sollten ihren eige-nen Weg gehen. Sie sollten immer höflich sein, aber in ihren Ansichten konsequent bleiben und die Nichtjuden nicht bekämpfen.

Ein Weg, auf dem jüdische Menschen eine Lösung sicher nicht erreichen, ist die Übernahme christlicher Bräuche  und Sitten. Sie müssen entsprechend ihren eigenen Neigungen und Gewohnheiten leben. Auf diese Weise ist es sehr gut möglich, ein wohlerzogener Mensch, ein guter Staatsbürger und gleichzeitig ein gläubiger Jude zu sein, der seine Rasse liebt und (163) seine Väter ehrt. Wenn diese Richtlinien befolgt würden, glau-be ich, es würde genügen, um den Antisemitismus auf der gan-zen Welt beträchtlich zu reduzieren.

bucky: Ich erinnere mich, daß Sie einmal von der französi-schen Regierung eingeladen wurden, an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilzunehmen. Damals weigerten Sie sich. Warum?

einstein: Das war ein rein formales Problem. Zu jener Zeit war ich ja noch deutscher Staatsangehöriger, wenn ich auch nicht mehr in Deutschland lebte. Ich hatte erkannt, daß diese Demonstration gegen die deutsche Regierung gerichtet war und nicht gegen Antisemitismus als Prinzip. Deshalb hätte meine Teilnahme formaljuristisch als landesverräterisch ausge-legt werden können. Außerdem hatte ich das Gefühl, die Wirk-samkeit einer solchen Kampagne wäre weit stärker, wenn Nichtjuden in der ersten Reihe stünden und nicht Juden wie ich selbst.

bucky: Glauben Sie, es gibt so etwas wie einen 'jüdischen Standpunkte'?

einstein: Nein. Ich glaube, es gibt ihn vielleicht nur in der Phi-losophie. Ich halte das Judentum nicht einmal für ein Glaubens-bekenntnis. Ich glaube, der sogenannte jüdische Gott ist tat-sächlich nur eine Negation von Aberglauben.

bucky: Da scheint es in Ihrer allgemeinen Philosophie einen größeren Widerspruch zu geben, Professor, und der liegt in Ihrer offenen Unterstützung des Zionismus. In Ihren meisten anderen Aussagen und Ihren zwanglosen Unterhaltungen mit mir haben Sie immer behauptet, der Nationalismus sei in der modernen Welt eine der Wurzeln des Bösen. Und trotzdem unterstützen Sie sehr stark die Rechte der Juden auf einen Nationalstaat. Wie rechtfertigen Sie das?

Einstein: Ich denke, in diesem speziellen Fall ist es berechtigt, weil die Welt die Juden mit der permanenten Existenz von Anti-semitismus gezwungen hat, sich an einem bestimmten Ort nie-derzulassen...'