Für die Webseite:  http://ldn-knigi.lib.ru/Judaic-D.htm    (ldn-knigi.narod.ru)  Nina & Leon Dotan   03.2005

Quelle: http://home.t-online.de/home/alexanderkallis/levimax.htm

Das verlorene Grab meines Großvaters.

Auf der Suche nach dem Schicksal eines deutschen Soldaten.
-von Seev Kahn-


   english version


Vorbemerkung: Diese fast unglaubliche Geschichte verfasste Herr Seev Kahn aus Israel, wofür ich mich vielmals bedanke!
Die Originalversion liegt in englischer Sprache vor. Übersetzung: Roland Geiger und Alexander Kallis. In diesem Zusammenhang auch vielen Dank an  Frau Jehudit Kahn und Herrn Peter Michael Gewitsch aus Israel für Ihre tolle Unterstützung! Über weitere Informationen seine Recherche betreffend würde Herr Kahn sich sehr freuen. Von besonderem Interesse wäre es, Kontakte zu Nachkommen ehemaliger Angehöriger des Landwehr Infanterie Regiments Nr.81 aus Frankfurt/Main zu knüpfen!

Es war ein Wintermorgen irgendwann Ende Februar 1915, schwere Regenwolken hingen über den grünen Hügeln, die die Stadt St.Wendel umgeben. Eine junge Frau, ein drei Wochen altes Baby auf dem Arm, erschien an der Tür der Hospitalstrasse 13. Unsicher betrachtete sie die beiden Polizisten, die mit ernstem Blick auf sie zukamen. Bei ihr angekommen machten sie Halt, einer von ihnen, der Ältere, salutierte und sagte:"Frau Levy, es tut mir leid, sehr leid, ihnen mitteilen zu müssen, daß wir gerade eine schreckliche Nachricht von der Front, ihren Ehemann betreffend, erhalten haben...." Die Frau, meine Großmutter Emilie Levy, hörte den Rest nicht mehr. Sie sackte in sich zusammen und ihre Schwestern brachten sie und das Baby zurück ins Haus, wo sie den Rest ihres Lebens als Kriegswittwe verbringen sollte.
Das kleine Mädchen Lieselotte wuchs heran und wurde später meine Mutter. Heute ist sie 86 Jahre alt und lebt in Israel, dem Land, das ihre neue Heimat wurde, als sie und mein Vater, Rudolf Kahn, 1939 überstürzt aus Deutschland flüchten mußten. Dabei mußte sie ihre Mutter in den Händen der Nazis zuzrücklassen, wo sie ein tragisches Schicksal ereilte. Meine Eltern kamen ohne irgendwelche Dokumente, Fotos oder andere persönliche Gegenstände in dieses ferne und unbekannte Land. Somit war ihr bisheriges Leben faktisch ausradiert. Sie akzeptierten diese neue Realität in aller Konsequenz und erzählten uns, meiner jüngeren Schwester und mir, kaum etwas über ihre Zeit in Deutschland.

Noch vor kurzem hätte ich den sicherlich dramatischen Prolog dieser Geschichte nicht niederschreiben können, denn ich wußte kaum etwas über meinen Großvater. Gut, ich wußte, daß sein Vorname Markus war und er im 1. Weltkrieg getötet wurde, vermutlich im Oktober oder November 1915. Meine Mutter erzählte mir, daß sie als kleines Mädchen meine Großmutter einige Male bei Fahrten zu seinem Grab begleitete. Sie sagte mir zudem, daß er auf einem großen deutschen Soldatenfriedhof begraben sei, irgendwo südlich von Strasbourg: "in Schlettstadt, wo über viele Kilometer tausende von Gräbern zu finden sind...". Ach ja, und das Grabmal sei ein schwarzes Kreuz, genau wie bei all den anderen Gräbern auch. Nichts deutete darauf hin, daß es sich bei dem Grab um die letzte Ruhestätte eines jüdischen Gefallenen handelte. Wann und wo wurde mein Großvater geboren? Keiner wußte es genau. Vielleicht in Berlin oder irgendwo "bei Berlin" ? Vermutlich war er 4 Jahre älter als meine Großmutter, mußte also etwa 1884 geboren worden sein. Meine Mutter wußte zudem, daß ihr Vater zu der Zeit, als er ihre Mutter kennenlernte Lehrer in Ottweiler, einer Stadt bei St.Wendel, gewesen sein mußte. Das war zunächst alles was ich wußte, mehr oder weniger. Man darf wie gesagt nicht vergessen, daß meine Mutter ihren Vater nie kennenlernte und uns keinerlei Familienokumente zur Verfügung stehen.

An einem Winterabend vor etwa einem Jahr begann ich 'The Price of Glory - Verdun 1916' zu lesen. Ein bemerkenswertes Buch von dem englischen Autoren Alister Horne. Als ich mich mehr und mehr in die furchtbaren Schilderungen dieser Schlacht vertiefte, wurde ich mir mit einem Male der Tatsache bewußt, daß auch mein eigener Großvater in irgend einer dieser Schlachten geopfert wurde, in der großen Knochenmühle zu Staub zerschlagen. In diesem Moment entschied ich herauszufinden, welches Schicksal ihn genau ereilte. Nicht nur meines eigenen Seelenfriedens wegen, sodern auch im Interesse meiner Kinder und Enkelkinder. Sie sollten einmal die Möglichkeit haben, an seinem Grab für ihn zu beten und sein Andenken zu ehren, eben an genau dem Ort, an welchem er starb.

Doch wo und wie sollte ich beginnen? Wir haben das Privileg, im 21. Jahrhundert zu leben. Somit bietet sich natürlich das Internet geradezu an. Ein Click zur Suchmaschine und ein weiterer Click nach der Eingabe des Suchbegriffes "erster Weltkrieg" - und ab ging die Post! Nachdem ich eine Zeit lang einige themenrelevanten Seiten absuchte, traf ich meine Wahl und schickte eine kleine Suchanfrage per e-mail an einige der Seitenautoren. Nach zwei Tagen wußte ich, ich hatte die richtige Wahl getroffen! Die erste Antwort erhielt ich am 29. Juni 2000 von einem Herrn Hinrich Dirksen. Er hatte beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) eine Anfrage bezüglich Markus Levy gestellt. Leider ohne Ergebnis. Dieser Ansatz, so stellte sich schnell heraus, war wohl, zumindest zu diesem Zeitpunkt, wenig erfolgversprechend. Das soll kein Vorwurf sein. Bedingt durch die Tatsache, daß ich einfach zu wenig bzw. falsche  Daten über meinen Großvater hatte, konnte man mir nicht weiterhelfen.  Die große Anzahl der Suchanfragen beim VDK, vor allem den 2. Weltkrieg betreffend, läßt den Mitarbeitern wohl keine Zeit für intensive Recherchen hinsichtlich 1914-1918. Schade!

Dann, einige Tage nachdem ich die Nachricht von Hinrich Dirksen erhalten hatte, erhielt ich eine weitere e-mail, diesmal von Alexander Kallis. Er bot an, mir bei meiner Suche, die er als langfrisitge Detektivarbeit bezeichnete, zu helfen. Diese unscheinbare Mail wurde zum Grundstein einer wunderbaren Freundschaft und einer Detektivgeschichte im Stile eines Arthur Conan Doyle. Bei dieser spielte Alexander fortan den Mann mit der Meerschaumpfeife, während ich den Part des Doktors mit den guten Ratschlägen einnahm.
Es gab jedoch einen Unterschied zu Conan Doyle: wir suchten nach dem Opfer, nicht nach dem Mörder! Haha!

Um erfolgversprechende Nachforschungen betreiben zu können galt es zunächst, die wichtigsten Ansatzpunkte aus meinen wenigen Informationen herauszufiltern. Was wir mit Sicherheit wußten war, daß meine Mutter in St.Wendel aufwuchs. Ich schrieb einen Brief an die dortigen Behörden mit allen mir bekannten Informationen. Ich habe bis heute keine Antwort erhalten! Weiterhin war meine Mutter sich ja sicher, daß der gesuchte Friedhof in Schlettstadt, dem heutigen Selestat, lag. Ein Leichtes, so mag man denken, dort nachzufragen. Aber von wegen! Ich versuchte zunächst, eine e-mail Adresse, z.B. von der Stadtverwaltung oder der Meldebehörde zu finden, ohne Erfolg. Ich fand jedoch die Web-Site des Fremdenverkehrsbüros, versehen mit  Telefon- und Faxnummer. Ich griff zum Telefon und sprach dann mit einer sehr netten Dame, die mir eine Faxnummer der entsprechenden Behörde gab. Ein Brief auf Deutsch an das Rathaus in Selestat, versehen mit allen mir bekannten Daten, ging am 17. Juli ab. Zwei Wochen später erhielt ich eine Antwort, auf Französisch. Alexander ließ den Brief bei seinem Nachbarn, einem Chansonnier, übersetzen. Er übersetzte das Schreiben und alles was nun zu tun war, war, sich entspannt zurücklehenen und zu lesen! Aber: leider wieder schlechte Nachrichten!! Madam Jeannette Moerel von der  Ville de Selestat teilte mir mit, daß es, obwohl sie zwei Friedhöfe, einen in Selestat und einen in Bergheim, überprüft hatte, keine Spur zu einem Grab das Markus Levy gebe! Lieber Leser, bitte vergeben Sie mir, wenn ich Sie mit all diesen kleinen Details langweile. Ich tue das nur um zu vermitteln, wie frustrierend das damals war, als wir quasi im Dunkeln in alle möglichen Richtungen schossen, ohne etwas zu treffen.

Am 8. August dann fügte Alexander seiner Web-Site Vogesenkämpfe 1914-1918 ein Diskussionsforum an.
Großes Feuerwerk, Gratulation und viele gute Wünsche. OK, ich übertreibe ein wenig, aber diese Entwicklung ermöglichte es mir, einer großen Leserschaft folgende Anfrage zu stellen:
 

Have anyone of you seen, heard or touched the tomb stone of my grandfather, Markus Levi, who was killed in action in Oct. or Nov. 1915 while serving in the German army in the area of Selestat. It is possible that he was burried in Saint-Marie-aux-Mines.

Jetzt muß ich kurz erklären, wie Sainte-Marie-aux-Mines hier ins Bild paßt. Seit dem Beginn unserer Suche, der wir scherzhaft den Codenamen "Schatzsuche" gegeben hatten, waren inzwischen drei Monate vergangen. Während dieser Zeit hatte ich immer wieder versucht, das Gedächtnis meiner Mutter aufzuhellen. Und gelegentlich kamen tatsächlich einige neue Gesichtspunkte hinzu. In einem dieser Gespräche glaubte sie sich zu erinnern, daß der Friedhof nicht direkt in Schlettstadt, sondern genauer in Schlattstadt-Markirch lag. Alexander erklärte mir, daß die Stadt, die heute Sainte-Marie-aux-Mines heißt, bis zum Ende des 1.Weltkrieges noch Markirch hieß!

Unbekannte Freunde tauchten aus der Dunkelheit auf. Verbündete aus Frankreich und Deutschland, die sich mit diesem fast schon vergessenen Krieg beschäftigen begannen, mir zu helfen. Überraschenderweise sind sie alle noch relativ jung und ihr Interesse an dieser Epoche wurde geweckt durch ihre Großväter oder Ur-Großvater, die in jenem Kriege kämpften. Schon 24 Stunden nach meiner oben genannten Anfrage kam die Antwort eines Franzosen, Eric Mansuy, der in den Vogesen lebt. Er bot mir an, persönlich zu den Friedhöfen Sainte-Marie-aux-Mines, Sainte-Croix-aux-Mine und Bertrimoutier zu gehen. Seiner Antwort fügte er hinzu:"Wünschen Sie mir viel Glück, das ist keine leichte Aufgabe." Eric, das glaube ich Dir und ich danke Dir für das, was Du getan hast! Eric Mansuy ist ein Englischlehrer, der bereits viele Artikel in verschiedenen Websites zum Thema 1.Weltkrieg veröffentlicht hat (einer davon ist auch auf dieser Website zu sehen, "Sergeant Georges Curien").

Nun passierte eine Zeit lang garnichts! Alexander und ich tauschten weiterhin Informationen zu diesem oder jenem Thema aus. Unsere gerade begonnene Freundschaft litt keinesweg unter dem Stillstand hinsichtlich der Suchbemühungen. Unser Kontakt fand jedoch nach wie vor nur via e-mail statt, bis zum heutigen Tage haben wir nicht miteinander gesprochen, geschweige denn uns gesehen! Dann warf Alexander eine Frage auf, welche letztlich sehr wichtig für die Lösung unseres Rätsels wurde: vielleicht hatte mein Großvater ja einen anderen Namen, oder die Schreibweise, die ich benutzte, war falsch? So konnte ja z.B. Levy auch Levi, Markus sehr wohl auch Marcus geschrieben worden sein. Ich fragte meine Mutter und sie konnte sich erinnern, dass in der Familie immer vom "armen Markus, der im Krieg gefallen ist" gesprochen wurde. Mein Schwiegervater, der 1937 aus Bad Langensalzach nach Israel kam, dachte anders darüber! Er berichtete mir, dass viele Juden einen jüdischen Namen bekamen, den sie innerhalb ihrer Gemeinde und Familie trugen, offiziell aber oft, etwa für die Meldung bei den Behörden, zusätzlich einen christlichen Namen erhielten. Viele gaben zu diesem Zwecke auch einfach ihren eigentlichen "Spitznamen" als offiziellen Namen an! Sollte dies auch bei Markus der Fall gewesen sein, so wäre das eine Erklärung dafür, dass kein Markus Levy in den Unterlagen des VDK auftaucht! Ein anderer Bekannter von Alexander wurde dadurch ebenfalls in die Irre geführt. Der Buchhändler Rainer Schlicht. Er führt in seinem Antiquariat ein Buch mit einem sehr langen Titel: 'Die Jüdischen Gefallenen des Deutschen Heeres, der Deutschen Marine und der Deutschen Schutztruppen 1914-1918.'  Dieses durchsuchte er sehr sorgfältig, ohne dabei jedoch auf einen Gefallenen mit Namen Markus Levy oder Levi zu stoßen. Dieses Buch sollte jedoch noch den entscheidenden Hinweis in unserer Sache liefern, ich komme später darauf zurück! Letztlich barg es in seinen vergilbten Seiten schon jetzt die Lösung unseres Rätsels! Also brachte auch die Annahme, dass Markus einen anderen Namen gehabt haben könnte nichts bis zu jenem Zeitpunkt. Wir hatten noch immer keine heiße Spur. Ich wollte fast schon aufgeben und ziemlich frustriert schrieb ich Alexander am 31. Dezember: "Ich glaube, dass wenn es wirklich ein gekennzeichnetes Grab meines Großvaters gibt, dann finden wir es nur durch puren Zufall". Alexander, bitte vergib mir, daß ich zweifelte!

Und dann geschah das, was in vielen guten Detektivgeschichten passiert: wenn das Scheitern unausweichlich scheint, dann kommt plötzlich der Durchbruch! Am 24. Januar hatte Alexander nämlich einen Brief in seiner Post. Er kam vom Standesamt in Ottweiler. Alexander hatte einige Tage vorher dorthin geschrieben. Wie der Leser sich vielleicht erinnert, hat meine Mutter immer erzählt, ihr Vater sei Lehrer in Ottweiler gewesen, als er seine zukünftige Frau kennenlernte. Gott sei Dank war Frau Brigitte Kreutz vom Standesamt so clever, den Vornamen Markus zu ignorieren und sich bei der Durchsicht der Unterlagen nur auf den Nachnamen zu konzentrieren, Levy. Sie fand in ihrem Archiv eine Meldekarte eines gewissen Max (nicht Markus) Levy, der Lehrer in Ottweiler war, in Magdeburg am 20.Mai 1886 geboren wurde und israelitischen Glaubens war. Der Meldekarte zufolge lebte er von September 1913 bis Mai 1914 in Ottweiler. Konnte das mein Großvater sein? Vielleicht ja!! Ottweiler war zu jener Zeit ein kleiner Ort mit einer sehr kleinen jüdischen Gemeinde. Es wäre doch recht unwahrscheinlich, daß es dort gleichzeitig zwei Lehrer mit Namen Levy gegeben hat, oder? Wie und warum aus Markus Max geworden sein könnte, darüber habe ich schon gesprochen. Obwohl der Fund der Meldekarte ein sehr wichtiger Zwischenschritt darstellte, so war er doch letztlich kein eindeutiger Beweis. Dennoch: wir hatten allen Grund, uns zu freuen, und das taten wir!!

Meldekarte Ottweiler
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Kurz bevor dieser Brief in Alexanders Wohnung in Frankfurt eintraf, ereigneten zwei große Durchbrüche, einer in Deutschland und einer in Frankreich. Am 29. Dezember schrieb ein weiterer Freund Alexanders, Leo Ott aus Appenweier, Mitglied einer französisch-deutschen Gruppe, die sich der Erhaltung militärischer Denkmäler im Elsaß verschrieben hat, einen Brief an Alexander, in dem er auf sehr interessante Funde hinwies. Bei seinen Nachforschungen hatte er herausgefunden, daß sich auf den deutschen Militärfriedhöfen im Elsaß und in den Vogesen zwei jüdische Gräber befanden, die auf den Namen Levy lauten. Das erste, das in Cernay, dem früheren Sennheim liegt, gehört zu Eduard Levy, der im Mai 1916 getötet wurde. Das andere liegt in Bertrimoutier nahe St. Dié. Es ist das Grab eines deutschen Soldaten namens Max Levi, Wehrmann, beerdigt in Grab Nummer 2/574, gefallen am 18. Februar 1915. War das Max Levy aus Ottweiler? Leo konnte keine Levys in Sainte-Marie-aux-Mines und Thanville finden. Er fügte in seinem Brief bei, daß Bertrimoutier erst nach Kriegsende angelegt wurde. Während Leo Ott diese Forschungen von Deutschland aus durchführte, bemühten sich zwei Franzosen auf eigene Faust, die letzte Ruhestätte meines Großvaters zu finden. Einem von ihnen, Eric Mansuy, sind wir bereits begegnet. Der andere ist Thierry Ehret aus Mulhouse. Mir fehlen einfach die Worte, um ihnen für ihre endlose Suche zu danken, die daraus bestand, daß sie persönlich von Grab zu Grab und Grabstein zu Grabstein gingen, bevor sie fündig wurden. Am 14. Januar schrieb Thierry eine Botschaft in Alexanders Gästebuch:

"Mit großer Wahrscheinlichkeit können wir annehmen, daß Max Levy (nicht Markus) am 18. Februar 1915 als Angehöriger der 12. Kompanie des LIR 81 gefallen ist und daß er heute auf dem Militärfriedhof von Bertrimoutier begraben liegt."
Lieber Leser, wenn ich ehrlich sein soll, muß ich sagen, daß, als Thierry Ehret seine Mitteilung in Alexanders Gästebuch schrieb, ich meine Zweifel darüber hatte, wie er so sicher sein konnte über diesen Mann, der dort unter dem Grabstein in Bertrimoutier liegt. Erst vor kurzem habe ich herausgefunden, mit welcher Sorgfalt er vorgegangen war, bevor er diese Mitteilung niedergeschrieben hatte.
Was es so eindeutig für ihn machte, war sein Zugang zu zwei Büchern, die für seine Nachforschungen von großer Bedeutung waren. Eins von ihnen habe ich bereits vorher erwähnt, und das andere wird im Detail später besprochen. Die Kombination der in beiden gefundenen Daten waren die Grundlage seiner Mitteilung. Das Buch, das ich bereits vorher erwähnte, ist das gleiche, daß Rainer Schlicht in seinem Antiquariat in Frankfurt führte, "Die Juedische Gefallenen des Deutschen Heeres, der Deutschen Marine und der Deutschen Schutztruppen 1914-1918." Thierry erhielt Zugang zu diesem Buch über einen Freund, der es ebenfalls in seiner Sammlung hatte. Das andere Buch, das sich mit der Geschichte des LIR 81 beschäftigte, gehörte vermutlich Thierry selbst aufgrund seines Interesses an Kämpfen in den Vogesen. Das Regiment war während des Ersten Weltkrieges lange Zeit in diesem Gebiet stationiert gewesen. Wie die Kombination der Daten aus beiden Büchern half, den Mann in Bertrimoutier zu identifizieren, wird Ihnen in ein paar Minuten klar werden.

Oh, wie gern ich daran glauben wollte, daß dieser Max Levy, der am 18.2.1915 gefallen war und jetzt in Frankreich ruhte, genau der Mann war, nach dem wir suchten, aber ich mußte aufpassen. Es war zu schön, um wahr zu sein. Ich wagte nicht, es meiner Mutter fest zuzusagen, bevor nicht absolut bestätigt war, daß der Mann, der in Bertrimoutier begraben liegt, identisch war mit dem Mann, der ein oder zwei Jahre vor dem Krieg Lehrer in Ottweiler gewesen war. Und daß er der gleiche Mann war, den meine Großmutter sich zum Ehemann ausgesucht hatte. Wie schon so oft zuvor während meiner Suche besprachen Alexander und ich uns via Email. Viele Fragen tauchten auf, z.B. wie eine Person, die an der Saar lebte, in einem Regiment aus Frankfurt dienen konnte, nämlich dem 81.Landwehr Infanterie Regiment? Außerdem hatte meine Mutter gesagt, ihr Vater sei im Oktober oder November 1915 gefallen, nicht im Februar des gleichen Jahres. War ihre Erinnerung falsch oder hatte sie vor langer Zeit von ihrer Familie falsche Daten bekommen? Und der Name, konnte aus Markus wirklich Max geworden sein, aus Levi Levy? Andererseits gab es auch Dinge, die gut paßten. Der Max Levy in Bertrimoutier war unter einem Kreuz und nicht unter einem Grabstein mit dem jüdischen Davidsstern begraben, genau so, wie sich meine Mutter daran erinnerte: "Sein Grab sah aus wie die tausende andere rundherum". Und dann lag Bertrimoutier weniger als 8 Kilometer von Sainte-Marie-aux-Mines (Markirch) entfernt, deshalb konnte es sich tatsächlich um Schlettstadt-Markirch handeln, das von meiner Mutter als Kind besucht worden war. Selbst heute noch hat der Ort Bertrimoutier weniger als 300 Einwohner, so daß man leicht annehmen kann, der Name des Friedhof sei gleich mit dem der nahegelegenen Stadt Markirch.

Als Bindeglied, als "Rosetta-Stein" unseres Rätsels, erwies sich der Geburtsort meines Großvaters. Es war das einzige Mal während unserer langen Suche, daß ich bei meiner Mutter regelrecht auf eine definitive Antwort drang. Ohne sie über unsere bisherigen Funde zu informieren, fragte ich sie während einer meiner wöchentlichen Besuche - sie wohnt fast 150 km entfernt - wo genau ihr Vater geboren worden sei. Schließlich sagte sie "Marburg" oder "Magdeburg". Da sie früher schon einmal gesagt hatte, er sei irgendwo nahe Berlin geboren worden, war also wahrscheinlich Magdeburg die Antwort. Als wir ihre Antwort mit der Registrierkarte aus Ottweiler verglichen (dort steht Magdeburg als Max' Geburtsort), kamen wir zu dem Schluß, daß wir jetzt nur noch feststellen mußten, ob der Mann in Bertrimoutier im Jahre 1886 in Magdeburg geboren wurde. And daß es sonst keinen Max oder Markus Levy gab, der im gleichen Jahr geboren wurde.

Wir mußten also als erstes herausfinden, wo der Mann, der seit 68 Jahren in Bertrimoutier ruht, geboren wurde. Hört sich einfach an. Tja, meine Freunde, ist es aber nicht. Es war naheliegend, daß sich Alexander an das VDK wandte, die einige Aufzeichnungen in ihren Akten haben mußten, wie etwa den Geburtsort und das Geburtsdatum der Soldaten, die in den Friedhöfen beerdigt waren, die unter ihrer Verwaltung standen. In dieser Phase unserer Suche geschah etwas völlig Bizarres. Alexander tauschte viele Emails mit dem VDK aus, und schließlich erhielt er die Nachricht, daß das VDK tatsächlich den Geburtsort des Mannes aus Bertrimoutier in ihren Akten hätten, aber sie dürften diese Information aufgrund der Gesetzeslage ihm nicht mitteilen: "Sogar das Internet unterliegt dem Datenschutz!" Bitte verstehen Sie, wir reden hier über Daten über Militärpersonal, die fast 100 Jahre alt sind, Menschen, die vor langer Zeit in lange vergessenen Kämpfen starben. Selbst in meinem Land, Israel, das sich immer noch im Krieg mit einigen unserer Nachbarn befindet, geben wir solche Daten nach 30 Jahren frei. Jetzt wurde Alexander wirklich böse - das erste und einzige mal, daß ich das bei ihm erlebte - und schrieb einen neuen "überzeugenden" Brief an das VDK. In Ihrer Antwort stimmten sie zu - als absolute Ausnahme, nehme ich an - uns eine wichtige Information zu liefern - die wichtigste für uns - nämlich, daß der Mann in Bertrimoutier am 26. Mai 1886 in Magdeburg geboren sei. Hört sich bekannt an, darauf können Sie wetten!!! Wir hatten noch einen Unterschied von sechs Tagen zwischen dem Geburtsdatum auf der Registrierkarte und dem Datum des VDK, aber das konnte einfach durch einen durch einen einfachen Abschreibefehler des Angestellten geschehen sein, der aus der 20 eine 26 gemacht hatte (oder andersrum). So weit, so gut.

Um das Rätsel um Geburtsdatum und -ort von Max-Markus zu lösen, schickte ich am 21. Januar Emails sowohl an das Standesamt als auch an das Stadtarchiv in Magdeburg und bat um Informationen über meinen Großvater, insbesondere über sein Geburtsdatum. Das Standesamt antwortete noch am gleichen Tag, und man versprach mir, sein bestes zu tun. Und das taten sie auch, wie Sie gleich sehen werden. Am nächsten Tag schickte mir das Archiv eine vollständige Liste alle Levy-Familien, die 1886 in Magdeburg lebten, sechs an der Zahl, aber man konnte mir nicht sagen, welche von ihnen in diesem Jahr vom Storch besucht worden waren. Am 7. Februar erschien ein offizieller Briefumschlag mit deutschen Briefmarken drauf in meinem Briefkasten. Ich riß ihn auf, und da lag sie - eine Fotokopie der Geburtsurkunde von Markus Levy, ein Junge, geboren am 20. May 1886, Eltern: Simon und Sarah Levy (eine der sechs Familien auf der Liste des Standesamtes). Es lag ein Brief bei von Frau Klaus vom Standesamt, der besagte: "1886 wurde in Magdeburg kein weiterer Markus oder Max Levi oder Levy geboren." Das wars. Letzter Beweis, Fall abgeschlossen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und Frau Klaus, Herr Buchholz und Herr Ehlenberger in Magdeburg nochmals für ihre Hilfe danken. Wann und wie Markus Levy seinen Namen in Max geändert hatte, wissen wir nicht. Das geschah irgendwann zwischen seiner Kindheit in Magdeburg und seiner Ankunft in Ottweiler im Jahre 1913. Aber obwohl er ihn offiziell gewechselt hatte, in seiner Familie wurde er immer noch Markus gerufen, so wie meine Mutter ihn nennt.
 
Geburtsurkunde aus Magdeburg mit dem Vornamen Markus in altdeutscher Schrift.

Ich habe bereits früher versprochen, das alte vergessene Buch "Die Jüdischen Gefallenen des Deutschen Heeres, der Deutschen Marine und der Deutschen Schutztruppen 1914-1918." nochmal zu nennen. Veröffentlicht wurde es 1932. Als zu Beginn unserer Nachforschungen Alexanders Freund Rainer Schlicht, der Antiquariatsbesitzer aus Frankfurt, die Namen der gefallenen Soldaten im Buch nachschlug, prüfte er nur die alphabetische Liste. Der Grund dafür war, daß wir uns über die letzte Anschrift meines Großvaters nicht sicher waren, von wo aus er in den Krieg zog. Außerdem war es der falsche Name, nachdem er suchte, Markus anstelle von Max, deshalb ist es kein Wunde, daß er ihn unter den Hunderten Levys, die dort genannt werden, nicht finden konnte. Ich wandte mich im Januar diesem vergessenen Buch wieder zu, als wir schon wußten, wer der tote Soldat in Bertrimoutier war. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß dieses seltene Buch sich die ganze Zeit in meiner unmittelbaren Reichweite befand. Weniger als 50 km von meinem Wohnort, in der Bücherei des Leo-Baeck-Institute in Jerusalem, stand das Buch mit dem grünen Umschlag in einem Regal und wartete darauf, von mir geöffnet zu werden. Darin, in einer Liste, sortiert nach den Wohnorten der gefallenen Soldaten, standen auf Seite 328 unter "St. Wendel" fünf Namen. einer von ihnen - Sie werden natürlich nicht überrascht sein, war "Levy, Max", geboren 26.5.1886 in Magdeburg, gefallen am 18.2.1915, Angehöriger der 12/L.I.R. 81.

(Aus dem Buch auf unserer Webseite - Seite 328, zusätzlich, ldn-knigi)
Aus der Seite 328

Und jetzt hören Sie sich das an: als ich die Liste der gefallenen jüdischen Soldaten aus St. Wendel meiner Mutter zeigte, erkannte sie sofort einen anderen Namen, direkt bei ihrem Vater, Max. Es war Isaak Reinheimer, ihr Onkel, Bruder ihrer Mutter Emilie, der als Angehöriger der 12/L.I.R. 17 im September 1915 gefallen ist. Das erklärt auch, warum meine Mutter immer vom Oktober oder November als dem Todesmonat ihres Vaters sprach. Alte Erinnerungen tauchten auf. Mit Tränen in den Augen sagte sie: "Was für eine Tragödie war das, die beiden gefallen und meine Mutter zurückgelassen mit niemanden außer mir." Vielleicht war in späteren Tagen, wenn sich Mitglieder der Familie über ihre beiden Lieben unterhielten, die Erinnerung im Gedächtnis der jungen Waisen vermischt worden, und so wurde eine Tragödie daraus, die an nur einem Tag passierte.

Wo und wie starb Wehrmann Max (Markus) Levy? Wieder war es ein altes und seltenes Buch, das die Antwort lieferte. Dieses Buch ist jetzt im Besitz von Hubertus Ochsler, einem weiteren Freund Alexanders, der es von irgendwo her erhalten hatte. Es wurde geschrieben vom medizinischen Offizier des Landwehr Infanterie Regiment 81, Dr. med. Fritz Samer, einem Offizier und Ehrenmann, mit sowohl medizinischen als auch schriftstellerischen Talenten. Ich hoffe, daß seine chirurgischen Fähigkeiten genauso gut waren wie seine Prosa. Zehn Jahre nach dem Ende des Krieges, im Jahre 1928, veröffentlichte er die Geschichte seines Regiments im 1. Weltkrieg unter dem Titel "Das Landwehr Infanterie Regiment 81 im Grossen Krieg. Sein Leben und Kaempfe." In diesem Werk finden wir die Antwort und erfahren, was am 18. Februar 1915 geschah, an dem Tag, an dem mein Großvater starb.

Als die heftigen Kämpfe im August und September endeten und sich die Front im Elsaß und in den Vogesen mehr oder weniger stabilisierte, fand sich das L.I.R. 81 in Stellung nahe der Hauptstraße von St. Dié - Sainte-Marie-aux-Mines - Selestat, in der Nähe des kleinen Städtchens Lusse. Französische Truppen hielten ihre Stellungen auf dem bewaldeten, hügeligen Gelände südlich der Straße, gegenüber von Lusse. Dieser schmale Rücken war bekannt als der "Schusterberg" und "Hügel 600" (ein Hügel, der von den Franzosen als 607 Meter hoch gemessen wurde und heute noch Cote 607 genannt wird). Der Hügel ermöglichte überragende Beobachtungsmöglichkeiten über das gesamte Gebiet, was auch von der französischen Artillerie reichlich ausgenutzt wurde. Nach den Worten Dr. Samers hielten beide Seiten ihre Stellungen auf dem Schusterberg (dem östlichen Teil des Rückens), "auf sehr kurze Distanz, wie zwei Kämpfer in einem Boxring. Einer von ihnen mußte die Inititiative ergreifen und den anderen von dort vertreiben. Schon im Januar hörten Soldaten des Regiments ihren Kommandeur, Oberst Vogel, sagen: "Die Höhe muß unser werden."
Höhe 600, Blick von Lusse nach Süd-Ost mit deutschen und französischen Gräben kurz nach den Kämpfen.
-Zum Vergrößern anklicken-
Der Angriff wurde auf den 18.2.1915 festgesetzt. Der Angriffsplan war einfach, geradeaus, wie es damals üblich war. Hauptmann Bernhard, der kommandierende Offizier des 3. Battalions, meldete sich freiwillig - "natürlich", so meldet uns Dr. Samer - und übernahm die Hauptrolle während der Attacke. Seine Tapferkeit stellte sich als fatal für meinen Großvater heraus, den Lehrer aus Ottweiler, denn er diente in der 12. Kompanie, eine von vier Kompanien des 3. Battalions. Durch das Wort seines kommandierenden Offiziers wurde Max (Markus) Levy zum "Freiwilligen". Das 3. Battalion sollte die französischen Stellungen an der Westseite des Schusterbergs zerschlagen und sich dann seinen Weg den Hügel 600 hinauf freikämpfen. Der Hügel war ein stark befestigtes Plateau, umgeben von Stacheldraht und Maschinengewehrnestern. Das 1. und das 2. Battalione des Regiments sollten ihnen folgen, sofern sie erfolgreich waren, das 1. Battalion in der linken und das 2. Battalion in der rechten Flanke. Die Absicht war, daß die beiden Battalione den Angriff weitertragen sollten in Richtung La-Combe, einem kleinen Dorf ungefähr 400 Meter westlich von Hügel 600.

Hauptmann Bernhard, der Kommandeur des 3. Battalions, befahl mit Zustimmung seiner Vorgesetzten die Gefechtsaufstellung. Die 9. und 10. Kompanie wird durch die Mitte vorrücken, während die 12. Kompanie auf der rechten Seite und die 11. Kompanie auf der linken Seite angreift.

Dann gab er seine Anweisungen, wie sich in Dr. Samers Buch aufgeführt werden:

1. Es ist beabsichtigt, nur mit Handgranaten und ungeladenen Gewehren, das Bajonett aufgepflanzt, anzugreifen, weil der Feind sehr nahe ist und der Schußwinkel begrenzt.
2. Das Battalion wird in drei Wellen angreifen. Die erste Welle wird mit Handgranaten, Äxten, Signalpistolen, Stricken, Planken, Leitern und Stacheldrahtscheren ausgerüstet sein. Die zweite Welle wird die erste Welle unterstützen und ihre Reihen auffüllen, und die dritte Welle wird mit der notwendigen Ausrüstung ausgestattet sein, um die feindlichen Stellungen angreifen zu können. Jede Welle wird aus 200 Mann bestehen.

3. Richtung des Angriffs: Hügel 600

4. Zwei Maschinengewehre werden einen Sperrfeuervorhang in Richtung der feindlichen Stellungen legen, eines in der rechten Flanke und eines nahe des "Felsens".

5. Medizinische Hilfe und Sammelplatz für die Verwundeten: Gefechtsstand der 11. Kompanie.

Zehn Jahre später erinnert sich der Sanitätsoffizier Dr. Samer an die Schlacht als ein heroisches und romantisches Ereignis. Lauschen Sie seinen Worten:

"Der 18. Februar brach heran. Eine milde Sonne erhob sich über den Vogesenkämmen, als wolle sie von dem hundertfachen Leid, das die Höhe 600 bald erfüllen sollte, wenigstens die Unbilden der Witterung fernhalten."

Ich glaube ihm seine prosaischen Worte, denn das Rückbesinnen auf Ereignisse mancher Kriege ruft eine solche Stimmung hervor. In Wirklichkeit war es es ein bitterer Kampf zwischen zwei verzweifelten Feinden, und der unschuldige Soldat im Felde hat nichts dazu zu sagen. Der Angriff war für 16.30 Uhr angesetzt wroden, aber die Artillerie begann bereits um 12 Uhr mit ihrem Beschuß, mehr als 4 Stunden vor dem eigentlichen Angriff. Der gesamte Rücken - vom Schusterberg bis La-Combe - war bald mit schweren Wolken grauen Rauches bedeckt. Der bittere Geruch des Pulvers, das "Aroma des Todes", erfüllte die Luft, und die Männer des LIR 81 warteten im Schatten der Tannen auf das Signal ihres Kommandeurs. Wir können nur erahnen, was ihnen während dieser Stunden durch den Sinn gegangen sein mag. Schließlich - um 17.45 Uhr - mit einer Verspätung von mehr als einer Stunde, verstummte das Artilleriefeuer. Hauptmann Bernhard hob seine Hand, und die Hölle brach los. Franzosen und Deutsche kämpften Wölfe und Bären, brachten sich gegenseitig um mit Maschinengewehrfeuer, Gewehrpatronen, Bajonetten, Äxten und manchmal mit bloßen Händen. Am Ende des Tages, die Dunkelheit war schon herangebrochen, war der Hügel 600 in deutscher Hand. L.I.R. 81 hatte 103 Männer verloren, 45 wurden vermißt. Insgesamt 148 tapfere Männer gaben ihr Leben für einen Bodengewinn von 300 Metern. Unter ihnen war mein Großvater, Max (Markus), der als Nummer 215 auf der Verlustliste des L.I.R. 81 erscheint.
 

Gefallenenliste des LIR 8: Levy, Max, Nr. 215

Eine unbekannte Anzahl französischer Soldaten des Infantrieregiments 253 und des " Alpine Ranger Battalion 23" verloren ebenfalls ihr Leben. Die Deutschen begruben 50 von ihnen in gekennzeichneten Gräbern, aber viele andere, die in ihren Gräben starben, wurden einfach nur mit Erde bedeckt.

Als Israeli kann ich diese sehr persönliche Geschichte nicht beenden, ohne ein letztes Wort über die Rolle der deutschen Juden im 1. Weltkrieg zu sagen. Im Jahre 1914 lebten insgesamt 600.000 Juden in Deutschland (weniger als 1 % der Gesamtbevölkerung). 80.000 Mitglieder dieser kleinen Gemeinde wurden zu den Waffen gerufen. Sie dienten im Heer, in der Marine und sogar in der neu ins Leben gerufenen Luftwaffe, und über 12.000 von ihnen verloren ihr Leben auf Europas Schlachtfeldern, gaben es für das, was sie für ihr geliebtes Vaterland hielten. Mein Großvater Max (Markus) Levy war einer von ihnen. Jetzt, wo ich weiß, wo er seinen letzten Kampf gekämpft hat und wo er vor mehr als 86 Jahren begraben wurde, kann ich diese Orte besuchen und die Erinnerung an ihn ehren, in dem ich das alte jüdische "Kadish"-Gebet an seinem Grab spreche. Ich hoffe, meine Kinder und Enkel werden dies ebenso tun, wenn sie ihren Jahresurlaub in diesem Teil Europas verbringen - einen Moment lang in Bertrimoutier und am Hügel 600 anhalten und diesem tapferen Vorfahr einen Ehrengruß erbieten. Das wars, meine Freunde. Dies ist meine Geschichte und die Geschichte aller Männer und Frauen, die mich bei dieser langen und mühsamen Suche unterstützt haben. Ich möchte ihnen allen danken, aus der Tiefe meines Herzens, was sie für mich und meine Familie getan haben.
 

Das Grab von Max Levy auf dem Soldatenfriedhof Bertrimoutier
-Foto: Eric Mansuy-